TE Vwgh Erkenntnis 2022/11/21 Ro 2021/12/0002

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2022
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/03 Kollektives Arbeitsrecht
63/02 Gehaltsgesetz
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze
91/02 Post

Norm

ArbVG §117
AVG §56
BKUVG §258 Abs3 idF 2020/I/052
BKUVG §258 Abs3 idF 2020/I/230
GehG 1956 §12k idF 2020/I/031
GehG 1956 §15 Abs5 idF 2020/I/153
GehG 1956 §3
GehG 1956 §82 idF 2020/I/153
GehG 1956 §83
PBVG 1996 §67
PBVG 1996 §67 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
  1. ArbVG § 117 heute
  2. ArbVG § 117 gültig ab 01.01.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 117 gültig von 01.07.1993 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 460/1993
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Cede, Hofrätin Mag. I. Zehetner und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des P B in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8/3a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2020, W213 2236515-1/2E, betreffend Ruhen pauschalierter Nebengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die Justizanstalt G.

2        Mit Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 24. September 2020 wurde festgestellt, dass infolge der mehr als einmonatigen Dienstabwesenheit des Revisionswerbers wegen der Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe nachstehende dem Revisionswerber zuerkannte pauschalierte Nebengebühren in der Zeit vom 6. bis zum 27. Juni 2020 gemäß § 15 Abs. 5 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) geruht hätten:

„a)  Vergütung für besondere Gefährdung gemäß § 82 Abs. 3 Z 1 GehG in der Höhe von 11,11% im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Justiz, BGBl. Nr. 190/1994 (Lohnart 4705) idH von mtl. EUR 299,22

b)   Vergütung für wachespezifische Belastungen für Beamte des Exekutivdienstes (LA 4625) gemäß § 83 GehG (Erschwerniszulage) idH von mtl. EUR 119,20

c)   Aufwandsentschädigung idH von monatlich EUR 21,10 (Lohnart 4515) im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 4.5.1973, BGBl. Nr. 227

und der Fahrtkostenzuschuss gemäß § 20b GehG in der Höhe von € 11,23.“

3        Begründend wurde ausgeführt, der Revisionswerber stehe als Bezirksinspektor der Verwendungsgruppe E2a in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle sei die Justizanstalt G, wo er den Arbeitsplatz des Dienstführenden in Einsatzfunktion bekleide. Abgesehen von den im Spruch genannten Leistungen gebühre dem Revisionswerber ein Monatsbezug bestehend aus dem Gehalt der Verwendungsgruppe E2a Gehaltsstufe 18, der Wachdienstzulage nach § 81 GehG in der Höhe von € 99,40 und der anteiligen Sonderzahlungen jeweils im Kalendervierteljahr.

4        Auf Grund seiner Vorerkrankung gehöre der Revisionswerber der COVID-19-Risikogruppe an. Bereits mit 1. Mai 2020 habe ihn die Generaldirektion für den Strafvollzug vorsorglich vom Dienst in der Justizanstalt G freigestellt. Am 11. Mai 2020 habe der Revisionswerber ein COVID-19-Risikoattest vorgelegt, welches ihm ein möglicherweise erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bestätige.

5        Bereits mit Schreiben vom 10. Mai 2020 habe der Revisionswerber ersucht, seinen Dienst wieder antreten zu dürfen.Er sei er allerdings in der Zeit von 1. Mai bis 28. Juni 2020 (lediglich unterbrochen durch seinen von 18. bis 20. Mai und von 22. bis 23. Mai 2020 konsumierten Erholungsurlaub von fünf Tagen) vom Dienst in der Justizanstalt abwesend gewesen, weshalb ihm die im Spruch genannten pauschalierten Nebengebühren und der Fahrtkostenzuschuss gemäß § 15 Abs. 5 GehG für die Zeit von 6. bis 27. Juni 2020 (Aufschub fünf Tage, daher ab 6. Juni 2020, am 28. Juni 2020 habe der Revisionswerber dienstfrei gehabt, daher bis 27. Juni 2020) ruhend gestellt worden seien.

6        Soweit der Revisionswerber vorbringe, die Anwendung des § 15 Abs. 5 GehG sei für ihn nicht nachvollziehbar, da es sich bei der Dienstfreistellung um kein Individualereignis gehandelt habe, sondern um eine globale Pandemie unvorhersehbaren Ausmaßes, sei auszuführen, dass gemäß § 15 Abs. 5 GehG pauschalierte Nebengebühren zu ruhen hätten, wenn der Beamte länger als einen Monat vom Dienst abwesend gewesen sei und zwar von Beginn des letzten Tages dieser Frist bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst. Zeiträume eines Urlaubes, währenddessen der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behalte (Z 1 leg. cit.) und einer Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalls (Z 2 leg. cit.) einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage blieben außer Betracht. Fielen Zeiträume nach Z 1 oder 2 leg. cit. in eine Abwesenheit im Sinne des ersten Satzes leg. cit., verlängere sich die Monatsfrist und verkürze sich der Ruhenszeitraum im entsprechenden Ausmaß.

7        Die Dienstabwesenheit des Revisionswerbers falle allerdings nicht unter die vorstehenden Ausnahmetatbestände im Sinne des § 15 Abs. 5 GehG, zumal seine mehr als einmonatige Dienstabwesenheit (Dienstfreistellung gemäß § 12k GehG iVm § 258 Abs. 3 B-KUVG) weder auf einen bezahlten Urlaub noch auf einen Dienstunfall zurückzuführen sei. Somit seien die pauschalierten Nebengebühren des Revisionswerbers ruhend zu stellen.

8        Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

9        Das Bundesverwaltungsgericht legte dabei die von der Dienstbehörde getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und schloss sich der Rechtsansicht an, dass die in Rede stehenden Nebengebühren in der Zeit vom 6. bis 27. Juni 2020 geruht hätten. Soweit der Revisionswerber in seiner Beschwerde den Standpunkt vertreten habe, dass im vorliegenden Fall § 258 Abs. 3 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) als lex specialis der allgemeinen Regelung des § 15 Abs. 5 GehG vorgehe und der Entgeltbegriff dieser Bestimmung auch die Nebengebühren nach § 15 GehG umfasse, sei dem entgegenzuhalten, dass eine derartige Gesetzesauslegung im Gesetzeswortlaut keine Deckung finde. In § 258 Abs. 3 B-KUVG werde nur der Begriff „Entgelt“ verwendet, ohne zwischen den einzelnen Gehaltsbestandteilen zu unterscheiden. Abs. 4 leg. cit. spreche vom „Anspruch auf Erstattung des an den Dienstnehmer, die geringfügig beschäftigte Person bzw. den Lehrling zu leistenden Entgelts“. Mit dieser Wendung bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass unter Entgelt jene Geldleistung zu verstehen sei, die dem betroffenen Dienstnehmer auf Grund der für das jeweilige Dienstverhältnis maßgeblichen Entlohnungsvorschriften gebühre. Damit werde auf die für den Beschwerdeführer maßgeblichen Bestimmungen des Gehaltsgesetzes (§§ 3, 15 Abs. 5, 20b, 82 und 83 GehG) verwiesen. § 258 Abs. 3 B-KUVG sei daher nicht als lex specialis in Bezug auf § 15 Abs. 5 GehG zu betrachten. Im Ergebnis sei daher eine Dienstfreistellung gemäß § 258 Abs. 3 B-KUVG in Ansehung des Ruhens von pauschalierten Nebengebühren nach den Bestimmungen des § 15 GehG zu beurteilen.

10       Der Revisionswerber wende ferner ein, § 15 Abs. 5 und 5a GehG sei zu entnehmen, dass außergewöhnliche Ereignisse, die zu einer Dienstverhinderung führten, nicht zum Entfall der Nebengebühren führen sollten. Bei der COVID-19-Pandemie handle es sich zweifellos um ein außergewöhnliches Ereignis, weshalb eine Gesetzeslücke vorliege, welche durch Analogie zu schließen sei.

11       Dem sei zu entgegnen, dass in § 15 Abs. 3 Z 3 und 5a GehG ausdrücklich von „einer Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zusammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung“ die Rede sei. Diese beiden Voraussetzungen der psychischen Belastungsreaktion und des außergewöhnlichen Ereignisses im Zuge der Dienstausübung lägen im Revisionsfall aber nicht vor.

12       Weiters führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revision sei zulässig, weil zur Auslegung des Begriffes „Entgelt“ in § 258 Abs. 3 B-KUVG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen sei.

13       Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

14       Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung. Die Bundesministerin für Justiz brachte eine „Stellungnahme zur Revision“ ein, in der sie sich im Wesentlichen den Rechtsansichten der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts anschloss.

15       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision beruft sich der Revisionswerber auf die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts.

16       Die Revision ist aus dem in der Zulassungsbegründung genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17       § 258 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG), BGBl. Nr. 200/1967 idF BGBl. I Nr. 52/2020, lautet auszugsweise:

COVID-19-Risiko-Attest

§ 258. (1) Der Dachverband hat einen Dienstnehmer, eine geringfügig beschäftigte Person oder einen Lehrling (im Folgenden: betroffene Person) über seine Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe zu informieren. Für die Definition dieser allgemeinen Risikogruppe gilt § 735 Abs. 1 ASVG.

(2) Der die betroffene Person behandelnde Arzt hat nach Vorlage des Informationsschreibens auf der Grundlage der Definition der COVID-19-Risikogruppe nach Abs. 1 die individuelle Risikosituation der betroffenen Person zu beurteilen und ein Attest ohne Angabe von Diagnosen über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur Risikogruppe auszustellen (COVID-19-Risiko-Attest). Die Beurteilung der individuellen Risikosituation auf der Grundlage der Definition der COVID-19-Risikogruppe nach Abs. 1 und die damit zusammenhängende Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests ist auch unabhängig davon zulässig, dass die betroffene Person ein Informationsschreiben durch den Dachverband nach Abs. 1 erhalten hat.

(2a) ...

(3) Legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber dieses COVID-19-Risiko-Attest vor, so hat sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer

1.   die betroffene Person kann ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (Homeoffice) oder

2.   die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist; dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg miteinzubeziehen.

Die Freistellung kann bis längstens 31. Mai 2020 dauern. ...

...“

Die zuletzt genannte Frist wurde mit BGBl. II Nr. 230/2020 bis zum Ablauf des 30. Juni 2020 verlängert.

18       § 12k Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54/1946, in der Fassung BGBl. I Nr. 31/2020, 9. COVID-19-Gesetz lautet:

„Dienstfreistellung wegen Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe

§ 12k. (1) Auf die Beamtin oder den Beamten ist § 258 Abs. 1 bis 3 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, sinngemäß anzuwenden.“

19       Der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum 9. COVID-19-Gesetz, 120 BlgNR XXVII. GP 1, führt zu § 735 ASVG und § 258 B-KUVG aus, „[d]em Dienstgeber sind neben dem Entgelt inklusive der Zulagen und anteiligen Sonderzahlungen sämtliche Lohnnebenkosten (Steuern, Abgaben sowie Sozialversicherungs- und sonstige Beiträge) zu ersetzen ...“ und zu § 12k GehG(aaO 2) weiter aus, „[z]ur Sicherstellung eines einheitlichen Schutzes für alle öffentlich Bediensteten im Zuständigkeitsbereich des Bundesgesetzgebers werden die entsprechenden Bestimmungen über die Dienstfreistellung für Angehörige der COVID-19-Risikogruppe auch im Dienstrecht des Bundes verankert“.

20       § 15 Abs. 1, 5 und 5a GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lauten:

„Nebengebühren

§ 15. (1) Nebengebühren sind

1.   die Überstundenvergütung (§ 16),

2.   die Pauschalvergütung für verlängerten Dienstplan (§ 16a),

3.   die Sonn- und Feiertagsvergütung (Sonn- und Feiertagszulage) (§ 17),

4.   die Journaldienstzulage (§ 17a),

5.   die Bereitschaftsentschädigung (§ 17b),

6.   die Mehrleistungszulage (§ 18),

7.   die Belohnung (§ 19),

8.   die Erschwerniszulage (§ 19a),

9.   die Gefahrenzulage (§ 19b),

10.  die Aufwandsentschädigung (§ 20),

11.  die Fehlgeldentschädigung (§ 20a),

(Anm.: Z 12 und 13 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 96/2007)

14. die Vergütung nach § 23 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976 (§ 20d).

Anspruch auf eine Nebengebühr kann immer nur für Zeiträume bestehen, für die auch ein Anspruch auf Gehalt besteht.

...

(5) Ist die Beamtin oder der Beamte länger als einen Monat vom Dienst abwesend, ruht die pauschalierte Nebengebühr vom Beginn des letzten Tages dieser Frist an bis zum Ablauf des letzten Tages der Abwesenheit vom Dienst.

Zeiträume

1.   eines Urlaubs, währenddessen die Beamtin oder der Beamte den Anspruch auf Monatsbezüge behält, oder

2.   einer Dienstverhinderung auf Grund eines Dienstunfalls oder

3.   einer Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zusammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung

einschließlich unmittelbar daran anschließender dienstfreier Tage bleiben außer Betracht. Fallen Zeiträume nach Z 1, 2 oder 3 in eine Abwesenheit im Sinne des ersten Satzes, verlängert sich die Monatsfrist oder verkürzt sich der Ruhenszeitraum im entsprechenden Ausmaß.

(5a) Eine Dienstverhinderung auf Grund einer akuten psychischen Belastungsreaktion gemäß Abs. 5 Z 3 wird durch ein außergewöhnliches Ereignis ausgelöst, dem die Beamtin oder der Beamte im Zuge der Dienstausübung ausgesetzt war und das nicht typischerweise mit der Dienstausübung verbunden ist. § 52 BDG 1979 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Anordnung der Dienstbehörde, sich einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung des Gesundheitszustandes zu unterziehen, innerhalb von drei Arbeitstagen nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens einer Woche zu erfolgen hat.

...“

21       § 20b GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:

„Fahrtkostenzuschuss

§ 20b. (1) Dem Beamten, der durch Erklärung beim Arbeitgeber einen Pauschbetrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c, d oder e EStG 1988 in Anspruch nimmt, gebührt ab dem Tag der Abgabe dieser Erklärung bei seiner Dienstbehörde, frühestens ab 1. Jänner 2008, ein Fahrtkostenzuschuss.

...

(4) Auf das Ruhen des Fahrtkostenzuschusses ist § 15 Abs. 5 anzuwenden. Der Fahrtkostenzuschuss ruht weiters während eines Zeitraumes, für den der Beamte Anspruch auf Leistungen nach den §§ 22 oder 34 der Reisegebührenvorschrift 1955 hat oder in dem die Bezüge des Beamten entfallen.

...“

22       § 82 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:

„Vergütung für besondere Gefährdung

§ 82. (1) Dem exekutivdienstfähigen Beamten des Exekutivdienstes gebührt für die mit seiner dienstplanmäßigen Tätigkeit verbundene besondere Gefährdung anstelle der im § 19b vorgesehenen Nebengebühr eine monatliche Vergütung von 7,30% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4, soweit nicht für seine Verwendung gemäß Abs. 3 ein höheres Ausmaß festgesetzt ist.

(2) Die Vergütung nach Abs. 1 erhöht sich für jede der Bemessung zugrunde zu legende Stunde einer außerhalb des Dienstplanes erbrachten Dienstleistung um 0,1% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4.

(3) Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung

1.   jene Verwendungen zu bestimmen, mit deren Ausübung ein höherer Grad an Gefährdung verbunden ist, und hiefür unter Berücksichtigung des zeitlichen Ausmaßes dieser Gefährdung an Stelle des in Abs. 1 genannten Betrages einen entsprechend höheren Vergütungsbetrag festzusetzen und

2.   den nach Abs. 2 der Bemessung zugrunde zu legenden Zeitanteil einer außerhalb des Dienstplanes erbrachten Dienstleistung zu bestimmen.

Die Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.

(4) Abweichend vom Abs. 2 beträgt die Erhöhung der Vergütung für die Beamten der Bundespolizei für jede zu berücksichtigende Stunde, die durch Freizeit ausgeglichen wird, 0,1% des Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 abzüglich 1/173,2 der sich aus Abs. 1 oder Abs. 3 Z 1 ergebenden Vergütung.

(5) Ergeben sich bei Berechnung der nach den Abs. 2 und 4 der Bemessung zugrunde zu legenden Stunden Bruchteile von Stunden, so gebührt der verhältnismäßige Teil der Vergütung.

(6) Auf die nach Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 gebührende Vergütung sind anzuwenden:

1.   § 15 Abs. 1 letzter Satz,

2.   § 15 Abs. 4 und 5,

3.   § 15a Abs. 2.“

23       § 83 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2019 lautet auszugsweise:

„Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes

§ 83. (1) Dem Beamten des Exekutivdienstes gebührt für wachespezifische Belastungen eine monatliche Vergütung. Diese Vergütung beträgt 119,2 €.

...

(3) Auf die Vergütung nach Abs. 1 sind anzuwenden:

1.   § 15 Abs. 1 letzter Satz,

2.   § 15 Abs. 4 und 5,

3.   § 15a Abs. 2 und

4.   § 82 Abs. 7.“

24       Gemäß dem nach § 12k Gehaltsgesetz 1956 (GehG) auf Beamte sinngemäß anzuwendenden § 258 Abs. 3 B-KUVG hat die Beamtin oder der Beamte, der seinem Dienstgeber ein COVID-19-Risiko-Attest vorlegt, - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - Anspruch auf Freistellung von der Dienstleistung und Fortzahlung des „Entgelts“. Die Frage, die sich im vorliegenden Zusammenhang somit stellt, ist, welches Entgelt diesfalls fortzuzahlen ist, also in welcher Höhe dem Beamten das Entgelt während der Dienstfreistellung gebürt.

25       Der in § 258 Abs. 3 B-KUVG verwendete Begriff des „Entgelts“ ist nicht mit dem nur das Gehalt und allfällige Zulagen umfassenden Begriff der Monatsbezüge in § 3 GehG deckungsgleich.

26       Zu § 67 Post-Betriebsverfassungsgesetz (PBVG) und § 117 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), in denen ebenfalls die Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts angeordnet wird, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der „mutmaßliche Verdienst“ des Beamten im Falle der Fortsetzung seiner Arbeitsleistung maßgeblich ist. Auch für die Bemessung des Anspruches auf Nebengebühren gilt, dass grundsätzlich in pauschalierter Betrachtungsweise darauf abzustellen ist, in welcher Höhe die Nebengebühren vor der Freistellung tatsächlich abgegolten wurden. Von der eben zitierten Pauschalbetrachtung ist abzugehen, sobald im konkreten Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Beamte (auf Grund zwischenzeitig geänderter Verhältnisse) im gedachten Fall der Erbringung seiner Dienstleistung keine oder eine niedrigere Überstundenvergütung beziehen würde als in dem oben umschriebenen Beobachtungszeitraum vor seiner Freistellung. Ein solcher Nachweis lässt sich mit der hiefür erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit in aller Regel freilich nur dadurch führen, dass auf die Arbeitssituation jenes Beamten abgestellt wird, der den Personalvertreter nach seiner Freistellung auf seinem Arbeitsplatz vertritt (vgl. etwa VwGH 25.1.2012, 2011/12/0038; 29.6.2011, 2010/12/0132; 30.3.2011, 2010/12/0046; 15.12.1999, 97/12/0229). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass von dem in § 67 Abs. 1 PBVG verankerten Fortzahlungsanspruch auch - sonst streng verwendungsbezogen gebührende - Nebengebühren erfasst sind (vgl. VwGH 30.3.2011, 2010/12/0046).

27       Da der Gesetzgeber in § 258 Abs. 3 B-KUVG die gleiche Formulierung der wie in § 67 PBVG und § 117 ArbVG „Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts“ verwendet hat, ist davon auszugehen, dass damit auch inhaltlich Gleiches angeordnet wird. Auch das dort für die Begründung herangezogene Argument, dass die Personalvertreter aus ihrer Tätigkeit weder einen Vorteil noch einen Nachteil ziehen sollen, ist hier auf Angehörige der COVID-19-Risikogruppe in dem Sinn umzulegen, dass sie wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe weder einen Vorteil erzielen noch einen Nachteil erleiden sollen.

28       Dies gilt entsprechend auch für nebengebührenähnliche Leistungen - wie die Vergütung für besondere Gefährdung gemäß § 82 GehG und die Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes gemäß § 83 GehG (vgl. etwa VwGH 29.3.2012, 2008/12/0118; 29.6.2011, 2010/12/0051; 24.4.2002, 99/12/0259, 8.1.2002, 96/12/0316) - oder sonstige Leistungen, auf die § 15 Abs. 5 GehG anzuwenden ist. Lediglich dann, wenn davon auszugehen wäre, dass diese vom Entgeltbegriff umfassten Leistungen auch dann nicht gebührten, wenn im gedachten Fall der Erbringung der Dienstleistung keine oder niedrigere Leistungen gebührten als in dem Beobachtungszeitraum vor seiner Freistellung, wäre von der oben beschriebenen Pauschalbetrachtung abzugehen.

29       Für eine Ruhendstellung von Nebengebühren oder anderen Leistungen aus dem Grund, dass auf sie § 15 Abs. 5 GehG anzuwenden ist, verbleibt daher gemäß § 12k GehG iVm § 258 Abs. 3 B-KUVG kein Raum.

30       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

31       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. November 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021120002.J00

Im RIS seit

23.01.2023

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten