TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/30 LVwG-M-53/001-2022

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Veröffentlicht am 30.11.2022
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Entscheidungsdatum

30.11.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §38a
  1. B-VG Art. 130 heute
  2. B-VG Art. 130 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  5. B-VG Art. 130 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  6. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2015 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  7. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  8. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  9. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  10. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  11. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  12. B-VG Art. 130 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  13. B-VG Art. 130 gültig von 18.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 215/1962
  14. B-VG Art. 130 gültig von 25.12.1946 bis 17.07.1962 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  15. B-VG Art. 130 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  16. B-VG Art. 130 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr.in Enengel-Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, betreffend vier am 05.08.2022 durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Amstetten in *** ausgesprochene Betretungs- und Annäherungsverbote gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG), zu Recht:

1.   Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als das am 05.08.2022 von einem Beamten der Polizeiinspektion *** gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochenen Betretungsverbot der Liegenschaft ***, *** betreffend C als gefährdete Person und das damit verbundene Annäherungsverbot an C für rechtswidrig erklärt wird.

2.   Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §§ 53 i.V.m. 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, Euro 737,60 (Schriftsatzaufwand) und Euro 922,00 (Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Anordnung der drei am 05.08.2022 ausgesprochenen Betretungsverbote der Liegenschaft ***, *** und der damit verbundenen Annäherungsverbote an die gefährdeten Personen D, E und F in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 1 und 6 VwGVG keine Folge gegeben.

4.   Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß §§ 53 iVm 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, Euro 1.106,40 (Schriftsatzaufwand) und Euro 1.383,00 (Verhandlungsaufwand) sowie Euro 43,05 (Vorlageaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

5.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Bisheriger Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 16.09.2022 erhob der Beschwerdeführer eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm. Art. 132 Abs. 2 B-VG gestützte Beschwerde im Zusammenhang mit einem seitens Organen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten und damit der belangten Behörde am 05.08.2022 verfügten Betretungs- und Annäherungsverbot samt Wegweisung an der Adresse ***, ***. Der Beschwerdeführer brachte darin kurz zusammengefasst vor, er sei ehemaliger Lebensgefährte der Frau D. Er sei bereits im März durch deren Anwalt aufgefordert worden, aus dem Wohnhaus auszuziehen. Die ehemalige Lebensgefährtin verfolge nun die Strategie, Druck auf den Beschwerdeführer auszuüben. Sie stelle sich als Opfer dar, welches jahrelangem Psychoterror ausgesetzt gewesen sei. Dies werde bestritten. Er sei durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt worden. Er habe auch sein Geschäft – einen KFZ-Teile Handel – nicht ausüben können.

Der Beschwerdeführer beantragte den angefochtenen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und Aufwandersatz nach der VwG-Aufwandersatzverordnung im gesetzlichen Ausmaß zuzusprechen.

In der mit Schriftsatz vom 03.10.2022 übermittelten Gegenschrift führte die belangte Behörde aus, die gefährdete Person, D, sei im Zuge der Anzeigenerstattung außergewöhnlich aufgebracht gewesen. Sie sei zur Unterstützung mit ihrer Ärztin zur Polizei gekommen. Seit Frühjahr diesen Jahres stehe eine Trennung im Raum und habe die ausgeübte psychische Gewalt seither stark zugenommen. Die Gefährdete habe Angst, dass der Beschwerdeführer ihr etwas antun würde. Er habe mehrere Waffen zu Hause. Dies habe durch die Exekutivbeamten letztlich auch bestätigt werden können. Der Beschwerdeführer sei im Zuge des Ausspruches des Betretungs- und Annäherungsverbotes nicht einsichtig gewesen und habe stark aufbrausend agiert. Angesichts des sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärenten Präventivcharakters habe das sich bietende Gesamtbild den Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes gefordert.

2.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 23.9.2022 wurde die belangte Behörde eingeladen, binnen zwei Wochen ab Zustellung eine Gegenschrift zu erstatten und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die bezughabenden Akten vorzulegen.

In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde aus, die erstgefährdete Person D, ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, sei am 05.08.2022 auf die Polizeiinspektion *** gekommen und habe angezeigt das sie vom Beschwerdeführer psychisch terrorisiert werde. Sie befürchte, dass es beim nächsten Streit zu Handgreiflichkeiten kommen werde. Die Anzeigerin sei sehr aufgebracht gewesen, habe anfangs keine Angaben machen können und sich erst nach 15 Minuten soweit beruhigt, dass eine Aussage ihrerseits möglich gewesen sei. Sie gab im Beisein ihrer Ärztin an, sie hätte Angst, dass der Beschwerdeführer ihr etwas antue. Waffen, die nicht gemeldet seien, seien Zuhause. Im Zuge der weiteren Amtshandlung seien schließlich über 20 Waffen sichergestellt worden darunter habe sich eine Pump Gun befunden. Eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft St. Pölten wegen des Verdachts der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b StGB sowie des unrechtmäßigen Besitzes von Schusswaffen der Kategorie B und verbotener Waffen nach § 50 WaffG sei erfolgt. Die bereits erfolgte psychische Gewaltanwendung in Zusammenhang mit dem Vorbringen über den Besitz von Schusswaffen durch den Beschwerdeführer rechtfertige jedenfalls den Verdacht eines drohenden gefährlichen Angriffes im Sinne des § 38a SPG. Ersatz für die gesetzlichen Aufwendungen nach der VwG-Aufwandersatzverordnung wurde beantragt.

Beweis wurde in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 24.11.2022 erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, in das ärztliche Attest der Zeugin E vom 16.11.2022 sowie durch Vernehmung des Beschwerdeführers und der Zeugen D, G, F, B, H, I und J.

Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung präzisierte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter auf Vorhalt durch die zuständige Richterin dahingehend, dass sich die Beschwerde auf die Verhängung aller vier am 5.8.2022 ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote beziehe.

3.   Feststellungen:

Am 05.08.2022 suchte D (in der Folge: Erstgefährdete) im Beisein ihrer befreundeten Ärztin G die Polizeiinspektion *** auf. Die Erstgefährdete befand sich physisch wie psychisch in einem Ausnahmezustand. Sie war sehr aufgeregt, weinte, brach fast zusammen und konnte erst nach ca. 15 Minuten soweit beruhigt werden, dass sie verständliche Angaben machen konnte. Die befreundete Ärztin konnte die Situation in der sich ihre Patientin zur Zeit der Anzeigenerstattung befand, medizinisch nicht weiter verantworten. Die Erstgefährdete hatte in den letzten Wochen mehrere Kilo verloren und litt unter Brechreiz, Übelkeit, Schlafstörungen und Angstzuständen. Die Erstgefährdete führte schließlich aus, seit Jahren, verstärkt jedoch aufgrund des laufenden Trennungsverfahrens in den letzten Monaten, von ihrem ehemaligen Lebensgefährten psychisch unter Druck gesetzt zu werden. Dieser wirft ihr vor, dass sie ihn betrügen würde, darüber hinaus kontrolliert und überwacht er die Erstgefährdete. Der Beschwerdeführer äußerte gegenüber der Erstgefährdeten bereits häufiger, sich im Falle einer Trennung umzubringen. In betrunkenem Zustand versuchte dieser nachts in das Zimmer in dem die Erstgefährdete und die Tochter C schlafen, einzudringen. Des weiteren wird die Erstgefährdete laufend vom Beschwerdeführer auch im Beisein der übrigen Familienmitglieder derb beschimpft und angeschrien. Der Beschwerdeführer schrie beispielsweise im Garten die Erstgefährdete an mit den Worten „Ich vernichte dich, ich mache dich fertig“. Auch die Schwiegermutter des Beschwerdeführers wurde von diesem im Garten der Liegenschaft bereits verbal attackiert.

Im Übrigen berichtete die Erstgefährdete, dass mehrere Waffen im Haus seien. Der Beschwerdeführer hatte sie vor vielen Jahren bereits einmal im Beisein ihres damals kleinen Sohnes bedroht, die Pump Gun zu holen, sollte sie nicht „gescheiter werden“.

Die Erstgefährdete gab gegenüber der Polizei an, dass sich der Psychoterror den der Beschwerdeführer ausüben würde, während des Trennungsverfahrens in den letzten Wochen stark gesteigert hätte und sie Angst habe, dass die Situation im Haus auf Grund der Ausnahmesituation in der sich auch der Beschwerdeführer durch das laufende Trennungsverfahren befinden würde, eskalieren könnte und dadurch auch weitere im Haus lebende Personen gefährdet wären.

Beamte der Polizeiinspektion *** suchten unmittelbar nach Anzeigeerstattung durch die Erstgefährdete gegen 15:00 Uhr die Liegenschaft *** in *** auf. Dort trafen sie den Beschwerdeführer in seinem KFZ Handel an. Auf Konfrontation mit der Anzeige durch die Erstgefährdete reagierte der Beschwerdeführer aufgebracht, zeigte sich jedoch kooperativ. Das Betretungsverbot betreffend die gefährdete Person D wurde kurz nach Eintreffen der Polizei in *** dem Beschwerdeführer gegenüber ausgesprochen. Dem Beschwerdeführer wurde durch J umfassend erklärt, dass er die Liegenschaft zu verlassen habe und sich D nicht nähern dürfe. Durch J wurde dem Beschwerdeführer gegenüber schon zu diesem Zeitpunkt angegeben, noch prüfen zu müssen, ob auch die weiteren im Haus wohnhaften Personen betreffend eine Gefährdung vorliegen würde.

Weiters wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, nach Angaben seiner ehemaligen Lebensgefährtin Waffen, im Speziellen auch eine Pump Gun zu besitzen. Der Beschwerdeführer gab an, keine Waffen zu haben. Infolge der Amtshandlung nannte der Beschwerdeführer jedoch die Liegenschaft in „***“ als jenen Ort, an dem sich Waffen befinden könnten. In „***“ wurden durch die Polizei ein Schlagring sowie eine in Öl eingelegte Pistole aufgefunden. Neuerlich wurde der Beschwerdeführer durch J zum Verbleib der angeführten Pump Gun befragt. Dieser stritt jedoch weiterhin ab, über eine Pump Gun bzw. über weitere Waffen zu verfügen.

Während der Durchsuchung der Liegenschaft in *** durch die Polizei kam der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zur Amtshandlung hinzu und äußerte gegenüber J seine Annahme, dass es sich beim Vorbringen der ehemaligen Lebensgefährtin seines Mandanten um eine dem Trennungsverfahren geschuldete, bewusste Inszenierung handeln würde.

Im Anschluss an die Amtshandlung in „***“ wurden die gefährdeten Personen E und F durch J befragt. Die Zeugin F bestätigte im Wesentlichen Angaben der Erstgefährdeten und gab an, Angst zu haben, dass die mittlerweile untragbare Situation Zuhause eskalieren würde und es auch ihr gegenüber zu Handgreiflichkeiten kommen könnte. Da der Beschwerdeführer in den letzten Wochen häufig betrunken war, versperrte die Zeugin F den abgetrennten Wohnbereich, den diese mit dem Sohn des Beschwerdeführers bewohnt.

Die Schwiegermutter des Beschwerdeführers wirkte auf die einschreitenden Polizeiorgane verängstigt und bestätigte ebenfalls eine unerträgliche Situation im Haus. Sie gab an, mittlerweile Angst vor jedem Zusammentreffen mit dem Beschwerdeführer zu haben.

Nachdem die Befragung von E und F durchgeführt worden war, wurde dem Beschwerdeführer gegenüber – schon an der Polizeidienststelle in *** – ein Betretungs- und Annäherungsverbot betreffend auch die übrigen in *** wohnhaften gefährdeten Personen, E, F und C, ausgesprochen. Dem Beschwerdeführer wurde zu diesem Zeitpunkt ein Informationsblatt über die Verhängung der Betretungsverbote mit namentlicher Nennung der betroffenen gefährdeten Personen ausgehändigt.

Eine Befragung der Tochter C durch die Polizei fand nicht statt und wurde auch im Rahmen der Anzeigenlegung durch die Erstgefährdete die Tochter nicht direkt als gefährdet beschrieben.

Die ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote wurden am 08.08.2022 um 14:50 Uhr durch die Bezirkshauptmannschaft überprüft und nicht aufgehoben.

4.   Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen im Wesentlichen auf die großteils übereinstimmenden und schlüssigen Angaben der einschreitenden Polizeiorgane sowie der Zeuginnen D, F und G.

Die Feststellungen zur Situation und den Schilderungen auf der Polizeistation in *** im Zuge der Anzeigenerstattung durch die Erstgefährdete ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben der Zeuginnen D und E und G mit den Schilderungen der einschreitenden Polizeiorgane. Sowohl J als auch H bestätigten den stark aufgebrachten Zustand in dem sich die Erstgefährdete befunden hatte.

Im Übrigen ergeben sich die Feststellungen zu den Handlungen des Beschwerdeführers im Vorfeld der Anzeige aus den glaubwürdigen und übereinstimmenden Angaben der Zeuginnen D und E und F. Diese schilderten unabhängig voneinander die seit Wochen im Haus *** vorherrschende Situation. Vor allem der während der gesamten Vernehmung um Objektivität bemühten Zeugin F kommt hohe Glaubwürdigkeit zu. Diese beschrieb ausführlich und für das Gericht keinen Anlass für Zweifel bietend, dass der Beschwerdeführer die Erstgefährdete wie festgestellt laufend derb beschimpfte und bedrohte. Dass die Zeugin F selbst Angst vor einer sie betreffenden Handlung des Beschwerdeführers hat, speziell, wenn dieser sich in betrunkenem Zustand befindet, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben. Dies wird auch dadurch untermauert, dass die Zeugin F – wie sie angab – seit längerer Zeit ihren Wohnbereich versperrt. In für das Gericht äußerst glaubwürdiger Weise berichtete auch die Zeugin G über den gesundheitlichen Zustand der Erstgefährdeten. Im Übrigen bestätigte auch der Beschwerdeführer den Gewichtsverlust der Erstgefährdeten während der letzten Wochen.

Die Feststellungen zur Befragung über den Verbleib der Waffen ergeben sich aus den schlüssigen Angaben der einschreitenden Polizeiorgane. Im Übrigen wird durch seine diesbezüglichen Angaben die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers geschmälert. Seine Angaben in diesem Punkt stehen den Ausführungen der Exekutivorgane diametral entgegen. Der Beschwerdeführer gab in seiner Befragung im Zuge der Verhandlung ursprünglich an, lediglich zu „seinen“ Waffen – und vor allem auch nicht zum Verbleib einer Pump Gun – befragt worden zu sein. Es wären jedoch die im Haus *** befindlichen Waffen nicht in seinem Besitz. In Folge führte er dazu widersprüchlich aus, die im Haus *** befindlichen Waffen – darunter auch die Pump Gun – nicht erwähnt zu haben, um die übrigen Familienmitglieder vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Diese Angaben des Beschwerdeführers sind als Schutzbehauptung dahingehend zu qualifizieren, als dass dem Beschwerdeführer sehr wohl bewusst war, dass die Polizeiorgane im Rahmen ihres Einschreitens mehrmals nach den in *** befindlichen Waffen fragten, die Verheimlichung dieser jedoch vorwiegend seinem Schutz diente. In diesem Zusammenhang kann auch dahingestellt bleiben, ob J im Zuge der Amtshandlung ausschließlich nach den Waffen „des Beschwerdeführers“ fragte.

Dass das Betretungs- und Annäherungsverbot betreffend die gefährdete Person D sofort nach Eintreffen der Polizei in *** ausgesprochen wurde, ergibt sich aus den schlüssigen Schilderungen des J und wurde dies im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Hinsichtlich der Feststellungen zum Ausspruch der Betretungs- und Annäherungsverbote betreffend die übrigen drei gefährdeten Personen wurde durch J schlüssig angegeben, dem Beschwerdeführer am Posten in *** mitgeteilt zu haben, dass sich nunmehr – nach Befragung dieser – auch die Gefährdung der weiteren drei Personen bestätigt habe. Der Ablauf der Befragung der gefährdeten Personen F und E sowie der auf die Beamten wirkende Eindruck dieser Personen ergibt sich aus den schlüssigen Schilderungen des J in Zusammenschau mit den Angaben des I.

Dass eine Gefährdung der Tochter C durch die Erstgefährdete im Zuge der Anzeigenerstattung nicht erwähnt wurde, ergibt sich aus den Angaben der Erstgefährdeten selbst. Auch J gab im Zuge der Einvernahme an, die Erstgefährdete selbst auf die übrigen im Haus lebenden Personen angesprochen und schließlich eine Befragung der Tochter nicht durchgeführt zu haben. Damit in Übereinstimmung lässt sich bringen, wenn die Erstgefährdete im Zuge der Einvernahme vor Gericht schließlich angab, der Beschwerdeführer würde seine Tochter lieben und alles für sie tun, sodass sie von einer Gefährdung der Tochter nicht ausgegangen war.

Dass die Betretungs- und Annäherungsverbote seitens der Bezirkshauptmannschaft Amstetten überprüft und nicht aufgehoben wurden, ergibt sich aus den übermittelten Unterlagen der belangten Behörde – nämlich dem Aktenvermerk vom 08.08.2022.

Der durch den Beschwerdeführer am Ende der mündlichen Verhandlung wiederholte Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin E zum Beweis dafür, dass diese in der Vergangenheit niemals bedroht worden sei und sich nicht aus eigenen Stücken dem Betretungsverbot „angeschlossen habe“ bzw. die Anzeige gemacht habe, wird mangels Entscheidungsrelevanz abgewiesen. Im Zuge der Befragung der beantragten Zeugin durch die Polizei vermittelte diese den einschreitenden Organen einen verängstigten Eindruck und gab wie festgestellt an, ein Zusammentreffen mit dem Beschwerdeführer zu fürchten. Wesentlich für den Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes ist das Gesamtbild, das sich in einer ex ante-Betrachtung aus dem Blickwinkel des einschreitenden Organs ergibt (VwGH, 05.12.2017, Ra 2017/01/0373; zum sich bietenden Erscheinungsbild der gefährdeten Person vgl. Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde2 S. 169). Der Beweisantrag, der ausschließlich auf Wahrnehmungen der gefährdeten Person abzielt, ist nicht geeignet, Feststellungen zur relevanten Rechtsfrage zu liefern. Weder ist es für die ex-ante Betrachtung durch die einschreitenden Polizeiorgane relevant, ob ex-post betrachtet der beantragten Zeugin gegenüber in der Vergangenheit Drohungen ausgesprochen worden waren, noch würde sich eine Aussage der beantragten Zeugin zur Intention der Anzeigenlegung durch die Erstgefährdete ex-post auf die Beurteilung der Polizeiorgane zum Einschreitungszeitpunkt auswirken.

5.   Erwägungen:

Gemäß § 38a Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot). Bei Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Abs. 2 Z 6 dieser Bestimmung den Gefährder bei Aufenthalt in einem Verbotsbereich nach Abs. 1 wegzuweisen.

Gegenstand der Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte ist dabei nicht allein darauf abzustellen, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. etwa VwGH, 31.8.2017, Ro 2016/21/0014). Im gegenständlichen Fall liegen vier voneinander isoliert zu betrachtende und einer selbstständigen Beurteilung zugängliche und in Beschwerde gezogene Verwaltungsakte vor, nämlich die gegen den Beschwerdeführer jeweils ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote betreffend die gefährdeten Personen D, E, C und F. Behördenseitig liegen vier einzeln dokumentierte Verwaltungsakte vor. Vorwiegend auch der Umstand, dass mit den Betretungsverboten jeweils Annäherungsverbote an unterschiedliche Personen verbunden sind, macht eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Verbote erforderlich und qualifiziert diese als je eigenständigen Verwaltungsakt (vgl. IA, 970/A, XXVI. GP, 25; vgl. dazu erläuternd den Erlass des BMI: BMI-EE1500/0089-II/2/a/2019).

Im Rahmen eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist Gegenstand der Prüfung durch das Verwaltungsgericht alleine, ob der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163). Ausgehend von diesem Prozessgegenstand ist jene Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Setzung des Verwaltungsaktes bestand (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063). Zu berücksichtigen sind nur solche Sachverhaltselemente/Lebenssachverhalte, die dem einschreitenden Organ bei Anwendung der im Hinblick auf den Zeitfaktor zumutbaren Sorgfalt bekannt sein mussten (ex ante-Betrachtung aus dem Blickwinkel des einschreitenden Organs; VwGH 05.12.2017, Ra 2017/01/0373; 25.01.1990, 89/16/0163; 06.08.1998, 96/07/0053). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob die einschreitenden Organe in zumindest vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für ihr Einschreiten annehmen durften (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163; 24.11.2015, Ra 2015/05/0063; 20.10.1994, 94/06/0119). Dass diese Voraussetzungen bei einer objektiven ex post-Betrachtungsweise nicht vorlagen, hindert demgemäß die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ebenso wenig, wie – umgekehrt – vom eingeschrittenen Organ bei seiner Beurteilung nicht herangezogene, tatsächlich aber vorhanden gewesene Umstände, eine gesetzte Maßnahme rechtfertigen können (VfSlg 12.301/1990). Dementsprechend war der Beweisantrag auf Einvernahme der E zum Beweis dafür, in der Vergangenheit vom Beschwerdeführer nie verbal bedroht worden zu sein, mangels entscheidungsrelevant abzuweisen.

Den einschreitenden Organen muss sich nach ständiger Rechtsprechung (z.B. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0193; 26.4.2016, Ra 2015/03/0079) ein Gesamtbild bieten, das mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass ein gefährlicher Angriff durch den Gefährder bevorsteht oder bevorstehen kann. Entscheidungsrelevant ist dabei, dass bei dieser Prognose vom tatsächlichen bzw. (angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit bzw. Möglichkeiten) zu fordernden Wissensstand des Organs im Zeitpunkt seines Einschreitens auszugehen ist (VwGH, 04.12.2020, Ra 2019/01/0163). Dass der Verfügung von Maßnahmen nach § 38a SPG ein umfassendes Ermittlungsverfahren voranzugehen hätte, kann (sich das Wesen von Wegweisung und Betretungsverbot als Dringlichkeitsmaßnahmen vor Augen haltend) dabei ebenso wenig gefordert werden, wie eine abschließende Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz eines als Anlasstat zugrunde gelegten Verhaltens.

Für die Annahme eines mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehenden gefährlichen Angriffs ist ein vorangegangener gefährlicher Angriff auf die in § 38a Abs. 1 SPG genannten Schutzgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit nicht erforderlich. Die Gefahrenprognose iSd § 38a Abs. 1 SPG setzt somit weder einen solchen Angriff voraus, noch ist allein aus dem Umstand, dass es zu keinem gefährlichen Angriff des Gefährders gekommen ist, auf das Nichtvorliegen einer hinreichenden Gefahr zu schließen. Angesichts des inhärenten Präventivcharakters kann kein Zweifel bestehen, dass nach den jeweiligen Umständen etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als „bestimmte Tatsachen“ iSd § 38a Abs. 1 SPG in Frage kommen können (VwGH, 04.12.2020, Ra 2019/01/0163; 24.2.2004, 2002/01/0280).

Es kann etwa auch die Anwendung von Gewalt in Form psychischer Gewalt auf ein erhöhtes Aggressionspotential hinweisen und im Zusammenhang mit dem sich den Beamten bietenden Gesamtbild die Prognose eines drohenden gefährlichen Angriffs begründen.

Im konkreten Fall bauten die einschreitenden Beamten (die Zeugen J, H und I) die Anordnung auf das glaubwürdig durch die Erstgefährdete geschilderte und durch die Zeugin F im Wesentlichen bestätigte festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers auf. Diese schilderten übereinstimmend die sich auf Grund des Trennungsverfahrens zuspitzende Situation im Haus *** und berichteten wie festgestellt von verbalen Ausfälligkeiten und Drohungen.

Bei der Gesamtsituation beim Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Ausspruch des Betretungsverbots weist der Gesetzgeber auch auf die maßgeblichen Umstände „Verhältnis von gefährdeter Person und Gefährder, bekannte Gefahrenmomente“ hin (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163 unter Hinweis auf die Erläuterungen zu § 38a SPG in RV 1151 BlgNR 25. GP, 3).

Besondere Gefährdungsmomente zum Zeitpunkt des Ausspruches der Betretungs- und Annäherungsverbote lagen nach der nachvollziehbaren Beurteilung der Beamten im laufenden Trennungsverfahren sowie der nach Angaben der Zeuginnen deutlich gesteigerten verbalen Aggressionsbereitschaft sowie dem Kontrollverhalten des Beschwerdeführers. Dieses sich den Exekutivbeamten bietende Gesamtbild konnte auch die durch den Beschwerdeführervertreter von Beginn seines Auftretens an ins Rennen gebrachte Vermutung über eine Inszenierung durch die Erstgefährdete nicht beeinträchtigen.

Darüber hinaus waren die Angaben des Beschwerdeführers zum Verbleib der durch die Erstgefährdete erwähnten Waffen zu Recht in die Gefährdungsprognose miteinzubeziehen. Die durch den Beschwerdeführer während der gesamten Amtshandlung getätigten Aussagen zum Verbleib der Waffen wirkten jedenfalls schon zum Zeitpunkt des Einschreitens auf die Polizisten widersprüchlich. Dass der Beschwerdeführer das Vorhandensein von Waffen ursprünglich gänzlich abstritt, einzelne – wenn auch fraglich funktionsfähige – schließlich am Anwesen in „***“ gefunden werden konnten, lieferte für die Prognoseentscheidung des § 38a SPG zu Recht einen wesentlichen Beitrag.

Dass letztlich am Tag nach der Amtshandlung tatsächlich zahlreiche weitere Waffen in *** vorgefunden werden konnten (darunter die mehrmals angefragte Pump Gun), floss in die Betrachtung der einschreitenden Polizeiorgane ex ante freilich nicht ein, bestätigt jedoch nachträglich das sich schon zum Einschreitungszeitpunkt bietende Gesamtbild.

Auch das Erscheinungsbild der gefährdeten Personen stellt eine bestimmte Tatsache dar, und kann, je nachdem wie es sich den Beamten darbietet (z.B. verängstigter Eindruck), allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen eine Gefährlichkeitsprognose begründen (Helm in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde2 S. 169; siehe auch VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163).

Sowohl E als auch die Zeugin F machten auf die einschreitenden Beamten im Zuge der Befragung einen eingeschüchterten und ob der sich zuspitzenden Lage im Haus *** glaubwürdig auch um sich selbst besorgten Eindruck.

Im Übrigen wurde selbst vom Beschwerdeführer im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung zugestanden, das Einschreiten der Polizeiorgane auf Grund des sich ihnen bietenden Bildes verstanden zu haben.

In Summe bot sich für die einschreitenden Beamten ex ante eine Gesamtsituation, die mit der dafür geforderten Wahrscheinlichkeit einen drohenden Angriff des Beschwerdeführers auf die gefährdeten Personen D und E sowie F vermuten ließ.

Dass eine drohende Gefährdung der C zum Zeitpunkt des Einschreitens durch die Polizeiorgane nicht auszumachen war, ergibt sich zum einen daraus, dass diese selbst keine Angaben dazu machte. Vor allem ging dies für das erkennende Gericht jedoch aus dem Umstand hervor, dass auch die Erstgefährdete im Zuge der Anzeigenlegung von einer Gefährdung ihrer Tochter – wie festgestellt – nicht ausging. Diese Angaben wurden von Seiten der Erstgefährdeten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung in glaubwürdiger Weise wiederholte und bestätigte.

Zur Form des Ausspruches eines Betretungs- und Annäherungsverbotes:

Zur Frage in welcher Form der Ausspruch eines Betretungsverbotes zu erfolgen hat, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Freilich kann ein Ausspruch als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt immer nur gegenüber dem Betroffenen selbst erfolgen. Notwendig ist jedenfalls eine entsprechende behördliche Anordnung gegenüber dem Maßnahmenadressaten. Eine reine Absichtserklärung, in Zukunft ein Betretungsverbot erlassen zu wollen, oder die Verhängung eines Betretungsverbotes in Erwägung zu ziehen, reicht nicht aus (vgl. VwGH, 24.05.2005, 2004/01/0579). Fest steht damit, dass das Betretungs- und Annäherungsverbot betreffend die gefährdeten Personen E, F und C nicht schon zum Zeitpunkt des erstmaligen Eintreffens der Polizisten in *** ausgesprochen worden ist, zumal der einschreitende Beamte dem Beschwerdeführer gegenüber – wie festgestellt – zu diesem Zeitpunkt bekannt gab, die übrigen Gefährdungen noch prüfen zu müssen. Dagegen wurde der Ausspruch dieser drei Betretungs- und Annäherungsverbote dem Beschwerdeführer schließlich am Polizeiposten in *** zur Kenntnis gebracht.

Dem Beschwerdeführer wurde deutlich vor Augen geführt, dass die Maßnahme der Verhängung des Betretungs- und Annäherungsverbotes nun auch auf die übrigen drei gefährdeten Personen ausgedehnt wurde. Nicht notwendig ist, nach Ansicht des Gerichts dafür, dass dem Beschwerdeführer gegenüber durch die Polizei erläutert wird, dass es sich rechtlich korrekt um vier trennbare Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt, zumal es sich hierbei um eine rechtliche Qualifikation handelt, die letztlich der gerichtlichen Beurteilung obliegt. Weiters war es nach Ansicht des Gerichts im gegenständlichen Fall nicht zwingend notwendig, den Terminus Betretungs- und Annäherungsverbot nur wenige Stunden nach Verhängung des ersten Betretungs- und Annäherungsverbotes betreffend die Erstgefährdete neuerlich auszusprechen, um dem Beschwerdeführer die Verhängung der Maßnahmen in adäquater Weise näher zu bringen.

Zum Kostenausspruch:

Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (VwGH 22.10.2002, 2001/01/0388).

Gegenständlich ist speziell auch in Hinblick auf die Kostentragung nach der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) darauf einzugehen, wieviele trennbare Akte der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – die je einer Maßnahmenbeschwerde zugänglich sind – vorliegen (vgl. dazu bereits S. 10). Ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht besteht gemäß § 35 VwGVG dann, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung zumindest eines davon erfolgreich ist. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte sind wesentlich die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen (vgl. VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0014, 25.06.2020, Ra 2020/14/0178).

Hinsichtlich der Frage, welche der Amtshandlungen durch Beschwerde bekämpft wurden, soll nicht die äußere Form der Beschwerde, sondern der rechtliche Gehalt maßgeblich sein (Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, 2. Aufl., 2016, S. 68 ff). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegen im vorliegenden Fall – sachlich unterscheidbar – der Ausspruch von vier auch gesondert dokumentierten Betretungs- und Annäherungsverboten gegen vier gefährdete Personen vor (vgl. dazu erläuternd den Erlass des BMI: BMI-EE1500/0089-II/2/a/2019). Die Beschwerde richtete sich nach Präzisierung im Rahmen der Verhandlung gegen alle vier der verhängten Betretungs- und Annäherungsverbote.

In der Kostenentscheidung gemäß § 35 VwGVG ist davon auszugehen, dass die Administrativbeschwerde in Bezug auf einen der vier unterscheidbaren Verwaltungsakte erfolgreich war. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens in der Beschwerde „nach dem gesetzlichen Ausmaß“ beantragt und in der mündlichen Verhandlung konkretisiert, dass er damit Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nach den Pauschalsätzen der VwG-Aufwandersatzverordnung meint. Daher hat er hinsichtlich des einen erfolgreich bekämpften Verwaltungsaktes Anspruch auf den einfachen Schriftsatzaufwand gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517 sowie Anspruch auf einfachen Verhandlungsaufwandes nach § 1 Z 2 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517 (vgl. dazu in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, 2. Aufl., 2016, S. 69).

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift an Kosten ausdrücklich Vorlage-, Verhandlungs- und Schriftsatzaufwand nach den Pauschalbeträgen der Aufwandersatzverordnung beantragt und diesen Antrag in der Verhandlung ausdrücklich auf jegliche konkret in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakte erweitert. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat Anspruch auf drei Viertel des Vorlageaufwandes (vgl. dazu VwGH, 24.05.2005, 2004/01/0489 und die Ausführungen in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, 2. Aufl., 2016, S. 71) und dreifachen Ersatz des Verhandlungs- und Schriftsatzaufwandes nach § 35 Abs. 3 VwGVG iVm. § 1 Z 4 und Z 5 VwG-Aufwandersatzverordnung (VwGH, 24.05.2005, 2004/01/0489).

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr erfolgte die durchgeführte rechtliche Beurteilung anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen waren gegenständlich nicht reversible Beweisfragen zu klären.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Betretungs- und Annäherungsverbot; Gefährlichkeitsprognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.53.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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