TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/20 95/01/0046

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Veröffentlicht am 20.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AVG §39 Abs2;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Mai 1994, Zl. 4.334.147/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der

"Jugosl. Föderation", der am 23. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 2. Mai 1994 wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid lediglich auf Grund eines im Akt befindlichen Aktenvermerkes vom 29. April 1994, wonach "laut GMA ... der AW am 29. 7. 92 nach unbekannt verzogen" sei, gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der belangten Behörde am 6. Mai 1994 hinterlegt. Nach dem Inhalt der Niederschrift vom 30. September 1994 wurde dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid an diesem Tage eigenhändig ausgefolgt. Am 14. Oktober 1994 (Datum der Postaufgabe) beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof u.a. mit der Behauptung, er sei seit dem 17. August 1992 in Wien gemeldet und dieser Umstand sei dem Bundesasylamt Wien auch bekannt gewesen. Dem zum Vertreter bestellten Rechtsanwalt Dr. T wurde der Bestellungsbeschluß samt einer Ausfertigung des anzufechtenden Bescheides am 20. Jänner 1995 zugestellt. Die vorliegende Beschwerde wurde am 1. März 1995 eingebracht. Geht man - wie im folgenden darzulegen sein wird - davon aus, daß die Zustellung gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 beim Bundesminister für Inneres nicht rechtswirksam erfolgt ist, dann wurden vom Beschwerdeführer sämtliche Fristen gewahrt. Die Beschwerde erweist sich daher als rechtzeitig.

2. In der Sache selbst:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid nach Zitierung des § 19 Abs. 1 AsylG 1991 lediglich damit begründet, der Beschwerdeführer sei nach Erhebung der Berufung ohne Bekanntgabe einer Abgabestelle unbekannt wohin verzogen, eine Anfrage beim Meldeamt habe ergeben, daß er sich am 29. Juli 1992 ohne Bekanntgabe einer neuen Adresse abgemeldet habe, weshalb die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 zuträfen.

Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, die Abmeldung am 29. Juli 1992 sei ohne sein Wissen und Wollen durch den ehemaligen Quartiergeber in der Pension in E, in der sich seine ursprüngliche Abgabestelle befunden habe, erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe er jedoch seine dort befindliche Abgabestelle weder aufgeben wollen noch bereits aufgegeben gehabt. Er habe sich lediglich umgesehen, ob er anderweitig unterkommen könne, sei nach nicht ganz drei Wochen bei seinem Bruder X in W, eingezogen und habe sich am 17. August 1992 unter Anführung seiner bisherigen Anschrift auch polizeilich angemeldet. Abgesehen davon, daß dem Meldeamt als Bundesbehörde die Änderung seiner Abgabestelle daher bekannt gewesen sei, sei dies auch bei der zuständig gewordenen Behörde I. Instanz durch wiederholte Vorsprachen beim Bundesasylamt in Wien der Fall gewesen.

Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber eine Änderung der Abgabestelle (§ 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982) nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Hiebei steht der Terminus "rechtzeitig" nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien in Beziehung zur Beendigung des Verfahrens, woraus folgt, daß die Unterlassung der Mitteilung einer Änderung der Abgabestelle nur dann im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 eine Abweisung des Asylantrages rechtfertigt, wenn die Behörde das Asylverfahren andernfalls nicht hätte abschließen können. Selbst wenn die unterlassene Mitteilung geeignet wäre, die Behörde an der Beendigung des Verfahrens zu hindern, könnte solange, als es der Behörde möglich ist, durch ihr - nach der Lage des Falles - zumutbare Erhebungen eine Abgabestelle des Beschwerdeführers festzustellen, nicht davon die Rede sein, daß das Asylverfahren wegen der unterlassenen Mitteilung nicht habe abgeschlossen werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0599, und vom 25. April 1995, Zl. 94/20/0468).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde erkennbar erst auf Grund der "AIS-Auskunft" vom 26. April 1994 erfahren, daß der Beschwerdeführer durch den Gastwirt der Pension, in der der Beschwerdeführer bisher untergebracht gewesen war, abgemeldet worden war, und zwar mit Datum 29. Juli 1992, obwohl darunter vermerkt ist, der Beschwerdeführer habe "das Lager ohne Abmeldung" am 7. August 1992 verlassen. Die belangte Behörde versuchte diese Auskunft durch eine Anfrage beim Gemeindeamt in E zu verifizieren, wonach "der AW am 29. 7. 1992 nach unbekannt verzogen" sei. Hinweise, daß weitere Ermittlungen zur Erforschung der neuen Abgabestelle des Beschwerdeführers angestellt worden wären, sind weder dem angefochtenen Bescheid noch den Verwaltungsakten zu entnehmen. Auch wurde im angefochtenen Bescheid nicht dargetan, inwieweit allenfalls diesbezügliche weitere Erhebungen von vornherein aussichtslos oder unzumutbar gewesen wären, sowie darüber, daß die belangte Behörde überhaupt bereits in der Lage gewesen wäre, das Asylverfahren durch eine Entscheidung in der Sache abzuschließen und dem Verfahrensabschluß ausschließlich die Unkenntnis der Abgabestelle des Beschwerdeführers entgegengestanden wäre. Im übrigen kann nicht ausgeschlossen werden, daß im Falle der Nachfrage bei der Behörde

erster Instanz die aktuelle Abgabestelle des Beschwerdeführers hätte festgestellt werden können. Nur bei Vorliegen derartiger, auf entsprechende - wie oben aufgezeigte - Verfahrensschritte gegründeter Feststellungen hätte die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen, die eine Abweisung des Asylantrages im Grunde des § 19 Abs. 1 Z. 2 AsylG 1991 gerechtfertigt hätten, ausgehen können.

Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995010046.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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