TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/20 91/12/0198

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Veröffentlicht am 20.12.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;
63/07 Personalvertretung;

Norm

AVG §37;
AVG §69;
AVG §70;
DVG 1984 §14;
DVG 1984 §8;
PVG 1967 §10 Abs1;
PVG 1967 §10 Abs5;
PVG 1967 §10 Abs9;
PVG 1967 §10;
PVG 1967 §2;
PVG 1967 §22 Abs8;
PVG 1967 §9 Abs1 liti;
PVG 1967 §9 Abs1;
PVG 1967 §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 14. Juni 1991, Zl. 11 3710/16-III/8/91, betreffend Wiederaufnahme des Ruhestandsversetzungsverfahrens nach § 69 Abs. 1 AVG und Zurückweisung von Anträgen betreffend Aufhebung rechtskräftiger Bescheide nach § 68 Abs. 1 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1935 geborene Beschwerdeführer steht als Amtsrat in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle bis zur Erlassung des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 7. Juli 1989, mit dem er von Amts wegen gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt wurde, war das Zollamt Wien, Zweigstelle X, wo er als Abfertigungsbeamter tätig war. Die belangte Behörde ging dabei gestützt auf ein Gutachten Dris. Sch und dessen Ergänzung in Verbindung mit eigenen Schlußfolgerungen auf Grund der vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltensweisen im wesentlichen davon aus, er leide an einer Krankheit (paranoischer Querulantenwahn). Diese Krankheit habe wegen seiner Unzurechnungsfähigkeit zur Einstellung von gegen ihn gerichteten strafgerichtlichen und Disizplinarverfahren geführt. Da andere Verfahrensergebnisse, aus denen sich mit Sicherheit eine dennoch gegebene geistige Verfassung ergebe, die den Beschwerdeführer zweifelsfrei befähige, seine dienstlichen Aufgaben als Abfertigungsbeamter zu erfüllen, nicht vorlägen, sei seine Dienstunfähigkeit gegeben. Die Krankheit behindere ihn an der ordnungsgemäßen Ausübung seines Dienstes, weil sie dazu führe, daß er Strafverfahren bzw. Disziplinarverfahren einleiten bzw. führen müsse. Sie gefährde auch die öffentlichen Interessen, die die Zollverwaltung zu vertreten habe. Der Beschwerdeführer könne auch wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr diszipliniert werden (zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die ausführliche Wiedergabe dieses Bescheides sowie des gesamten Verfahrensablaufes in der Sachverhaltsdarstellung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 90/12/0125, hingewiesen).

Die gegen seinen Ruhestandsversetzungsbescheid vom 7. Juli 1989 gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/12/0125, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Unabhängig von dieser Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde versuchte der Beschwerdeführer in der Folge, die Aufhebung dieses Ruhestandsversetzungsbescheides vom 7. Juli 1989 mehrfach zu erreichen:

1. So beantragte er mit Schreiben vom 12. Oktober 1990 "gemäß § 68 AVG 1950 in Verbindung mit § 13 DVG 1984" die Aufhebung dieses Bescheides unter Anschluß von zwei Privatgutachten ("Psychiatrisch-neurologisches Gutachten" von Dr. Z vom 12. September 1990 und "Psychologische Untersuchung und Befund" von Dr. Ma vom 7. September 1990), aus denen er im wesentlichen ableitete, daß das Gutachten Dris. Sch falsch und keineswegs als Grundlage für die Ruhestandsversetzung hätte verwendet werden dürfen. Außerdem berief er sich auf seine (bis zur Ruhestandsversetzung) aufrechte ausgezeichnete Leistungsfeststellung (im Sinne des § 81 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979).

Nach Übermittlung der Stellungnahme der belangten Behörde vom 28. Dezember 1990 und einer Replik des Beschwerdeführers vom 18. Jänner 1991 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Februar 1991 diesen Antrag vom 12. Oktober 1990 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

2. Mit Schreiben vom 31. Jänner bzw. 1. Februar 1991 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, das Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 wieder aufzunehmen. Er begründete dies damit, auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1990, B 1379/89 (zugestellt am 22. Jänner 1991) sei erwiesen, daß seine Ruhestandsversetzung ohne Mitwirkung des zuständigen Fachausschusses (FA) erfolgt sei. Dies stelle nicht nur eine Verfahrens-, sondern auch eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 9 PVG dar.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Dienstbehörde erster Instanz (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland = FLD) hatte (vor Erlassung ihres erstinstanzlichen Ruhestandsversetzungsbescheides vom 29. September 1988) dem bei ihr eingerichteten für den Beschwerdeführer zuständigen FA ihre Absicht mitgeteilt, den Beschwerdeführer wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.

Der FA nahm in seiner Sitzung vom 7. Juli 1988 den in dieser Angelegenheit von seinem Vorsitzenden erstatteten Bericht zustimmend zur Kenntnis.

Der Beschwerdeführer beantragte hierauf bei der Personalvertretungs-Aufsichtskommission (PVAK) über die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung des FA zu entscheiden. In der mündlichen Verhandlung vor der PVAK am 25. April 1989 gab der bevollmächtigte Vertreter des FA an, dieser habe die Mitteilung der FLD zur Kenntnis genommen, weil er zur Beurteilung der Frage, "ob die medizinischen Voraussetzungen für die Ruhestandsversetzung gegeben waren", nicht in der Lage gewesen sei.

Mit Bescheid vom 12. September 1989, A 10-PVAK/89, wies die PVAK diese Beschwerde ab; zugleich stellte sie unter Berufung auf § 41 Abs. 1 und 2 PVG fest, daß die Geschäftsführung des FA bei Kenntnisnahme der Absicht der FLD, den Beschwerdeführer wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, gesetzmäßig gewesen sei. Sie begründete dies im wesentlichen damit, im Beschwerdefall sei die Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand (nach § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979) gesetzlich vorgeschrieben; die Mitwirkungspflicht ergebe sich nicht aus § 9 Abs. 1 lit. k PVG, sondern aus § 9 Abs. 3 lit. e leg. cit. Es sei daher die (beabsichtigte) Versetzung in den Ruhestand dem zuständigen Personalvertretungs-Organ (lediglich) schriftlich mitzuteilen gewesen, und zwar - da kein Dringlichkeitsfall vorgelegen sei - spätestens zwei Wochen vorher (§ 9 Abs. 3 letzter Satz PVG). Unter den gegebenen Umständen (der Inhalt des Gutachtens Dris. Sch und der Anzeigen sei so eindeutig gewesen und vom FA nach seinen Beurteilungsmöglichkeiten nicht zu bezweifeln gewesen) habe es keine gesetzwidrige Unterlassung bedeutet, daß der FA die Mitteilung über die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand zur Kenntnis genommen und keine Anträge gestellt habe.

Diesen Bescheid hob der Verfassungsgerichtshof mit seinem oben bereits zitierten Erkenntnis vom 3. Dezember 1990, B 1379/89, auf. Die in § 9 Abs. 1 PVG beispielhaft angeführten Maßnahmen seien vor ihrer Durchführung mit dem FA "mit dem Ziel

einer Verständigung rechtzeitig und eingehend ... zu

verhandeln". In diesem Sinne obliege dem FA gemäß § 9 Abs. 1 lit. k PVG die Mitwirkung "bei der Versetzung in den Ruhestand, es sei denn, die Versetzung ist gesetzlich vorgeschrieben". Sei die Versetzung eines Bediensteten in den Ruhestand gesetzlich vorgeschrieben, so sei sie dem zuständigen FA lediglich mitzuteilen. Das BDG 1979 regle in den §§ 13, 14 und 15 den Übertritt in den Ruhestand (§ 13), die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und bei Außerdienststellung (§ 14) und die Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung (§ 15). Sowohl der Übertritt in den Ruhestand infolge Erreichung der Altersgrenze gemäß § 13 BDG 1979 ebenso wie die Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung gemäß § 15 BDG 1979 erfolge bei Vorliegen der jeweils normierten Voraussetzungen, ohne daß es dazu eines (konstitutiven) Bescheides der Dienstbehörde bedurfte. Ein solcher sei vielmehr nur in den in § 14 BDG 1979 geregelten Fällen der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und bei Außerdienststellung erforderlich. Nur in einem solchen Fall sei es aber begrifflich möglich, im Sinne des § 9 Abs. 1 zweiter und dritter Satz PVG, eine beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand als eine "Maßnahme" anzusehen, die "vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend zu verhandeln" sei, weil weder im Fall des § 13 BDG 1979 noch des § 15 leg. cit. Maßnahmen überhaupt denkbar seien. Daraus ergebe sich, daß sich § 9 Abs. 1 lit. k PVG denkmöglicherweise ausschließlich auf Fälle der in § 14 BDG 1979 geregelten Versetzung in den Ruhestand beziehen könne. Sollte auch die in § 14 BDG 1979 geregelte Versetzung in den Ruhestand als eine im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. k PVG gesetzlich vorgeschriebene gewertet werden, so hätte die Bestimmung keinen Anwendungsbereich, wäre inhaltslos und überflüssig. Die belangte Behörde habe die Versetzung in den Ruhestand daher zu Unrecht unter die Bestimmung des § 9 Abs. 3 lit. e PVG subsumiert.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1991 gab die PVAK im zweiten Rechtsgang nunmehr der Aufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers statt und hob gemäß § 41 Abs. 1 und 2 PVG den zitierten Beschluß des FA vom 7. Juli 1988 als gesetzwidrig auf.

3. Mit Schreiben vom 22. Februar 1991 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 68 AVG neuerlich den Antrag auf Aufhebung des Ruhestandsversetzungsbescheides der belangten Behörde vom 7. Juli 1989 sowie des Bescheides der belangten Behörde vom 7. Februar 1991 (siehe oben Punkt 1). Er begründete dies im wesentlichen mit einer Reihe von seiner Auffassung nach in diesem Verfahren unterlaufenen Rechtswidrigkeiten (insbesondere Vorwürfe gegen das Gutachten Dris. Sch und gegen am Verfahren beteiligte Organwalter).

Nachdem die belangte Behörde mit Schreiben vom 3. April 1991 unter anderem auch unter Hinweis auf die Befassung des FA durch die FLD im erstinstanzlichen Ruhestandsversetzungsverfahren (mit näherer Begründung) dem Beschwerdeführer mitgeteilt hatte, es bestehe die Absicht, seinen (oben unter Punkt 2. und 3. dargestellten) Anträgen keine Folge zu geben und er darauf mit Schreiben vom 18. April 1991 geantwortet hatte, wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Juni 1991 den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 31. Jänner 1991 nach § 69 Abs. 1 AVG ab (Spruchabschnitt I). Gleichzeitig wies sie seinen Antrag auf Aufhebung der Bescheide der belangten Behörde vom 7. Juli 1989 und vom 7. Februar 1991 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchabschnitt II).

Sie begründete die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages in Spruchabschnitt I im wesentlichen damit, die Behauptung des Beschwerdeführers, der FA habe in seinem Ruhestandsversetzungsverfahren nicht mitgewirkt, sei nachweislich unrichtig. Richtig sei vielmehr, daß die FLD die beabsichtigte Ruhestandsversetzung dem FA in geeigneter Weise zur Kenntnis gebracht habe. Ob nun der FA diese Angelegenheit nach § 9 Abs. 1 lit. k oder nach § 9 Abs. 3 lit. e PVG behandle, sei ausschließlich Angelegenheit der Personalvertretung. Deshalb sei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die PVAK und nicht der Bundesminister für Finanzen belangte Behörde gewesen. Da die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nach der Aktenlage erwiesen sei und auch bei Behandlung seiner Ruhestandsangelegenheit nach § 9 Abs. 1 lit. k PVG durch die Personalvertretung kein anderslautender Spruch bezüglich der Ruhestandsversetzung möglich gewesen wäre, sei sein Antrag nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG abzuweisen gewesen. Es lägen auch keine Wiederaufnahmegründe nach § 69 Abs. 1 Z. 1 und 3 AVG vor.

Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchabschnitt II) führte die belangte Behörde aus, es läge kein Grund vor, das Gutachten Dris. Sch anzuzweifeln, da der Beschwerdeführer durch sein Verhalten ständig den Beweis der Richtigkeit dieses Gutachtens erbringe. Seine ständigen und sachlichen (richtig wohl: unsachlichen) Angriffe gegen Organwalter der Finanzverwaltung könnten ebenfalls nur auf seine Krankheit zurückgeführt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Nach § 9 Abs. 1 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG), BGBl. Nr. 133/1967, ist der Dienststellenausschuß zur Erfüllung aller jener in § 2 umschriebenen Aufgaben berufen, die nicht ausdrücklich anderen Einrichtungen der Personalvertretung vorbehalten sind. Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Dienststellenausschuß zu verhandeln. In diesem Sinn obliegt dem Dienststellenausschuß insbesondere die Mitwirkung (es folgt eine demonstrative Aufzählung):

...

k) bei der Versetzung in den Ruhestand, es sei denn, die Versetzung ist gesetzlich vorgeschrieben; ...

Mit dem Dienststellenausschuß ist in bestimmten Angelegenheiten (es folgt eine taxative Aufzählung) im Sinne des § 10 das Einvernehmen herzustellen (§ 9 Abs. 2 leg. cit.).

Gemäß § 9 Abs. 3 PVG sind dem Dienststellenausschuß schriftlich mitzuteilen (es folgt eine taxative Aufzählung):

...

e) die Versetzung eines Bediensteten in den Ruhestand, sofern sie gesetzlich vorgeschrieben ist ...

§ 10 PVG lautet auszugsweise:

"(1) Beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters im Sinne des § 9 Abs. 1 sind dem Dienststellenausschuß spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Maßnahmen, hinsichtlich derer mit dem Dienststellenausschuß das Einvernehmen herzustellen ist (§ 9 Abs. 2), sind spätestens zwei Wochen vor ihrer beabsichtigten Durchführung dem Dienststellenausschuß nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Das Einvernehmen ist hergestellt, wenn der Dienststellenausschuß zur geplanten Maßnahme die ausdrückliche Zustimmung gibt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der geplanten Maßnahme nicht äußert. Der Dienststellenausschuß kann innerhalb der zweiwöchigen Frist Einwendungen erheben und allenfalls Gegenvorschläge machen. Die Einwendungen und Gegenvorschläge sind zu begründen.

...

(5) Kommt eine Verständigung im Sinne des § 9 Abs. 1 oder ein Einvernehmen im Sinne des § 9 Abs. 2 nicht zustande oder entspricht der Leiter der Dienststelle den schriftlichen Einwendungen des Dienststellenausschusses binnen zwei Wochen nicht im vollen Umfang, so hat er dies dem Dienststellenausschuß unter Angabe der Gründe ohne unnötigen

Aufschub schriftlich bekanntzugeben. ... Wenn es der

Dienststellenausschuß in diesen Fällen innerhalb einer Frist von zwei Wochen verlangt, so ist die Angelegenheit im Dienstweg der sachlich zuständigen übergeordneten Dienststelle, bei der ein für die Angelegenheit zuständiger Fachausschuß errichtet ist, wenn eine solche Dienststelle nicht besteht, der Zentralstelle binnen zwei Wochen vorzulegen. Eine schriftliche Äußerung des Dienststellenausschusses ist in diesem Fall dem Vorlageakt anzuschließen. Auf Verlangen des Dienststellenausschusses haben Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1, ausgenommen die in lit. h, i, k, l, n und o genannten, hinsichtlich derer der Dienststellenausschuß Einwendungen oder Gegenvorschläge vorgebracht hat, solange zu unterbleiben, bis über diese Einwendungen oder Gegenvorschläge endgültig abgesprochen worden ist.

(6) Der Leiter der übergeordneten Dienststelle hat, wenn er den Einwendungen oder Anträgen (Anregungen, Vorschlägen) nicht entspricht, binnen zwei Wochen Beratungen mit dem bei seiner Dienststelle gebildeten und für die Angelegenheit zuständigen Fachausschuß aufzunehmen. Das Ergebnis der Beratungen ist vom Leiter der Dienststelle schriftlich festzuhalten; eine Ausfertigung ist dem Fachausschuß ohne unnötigen Aufschub zuzustellen. Haben die Beratungen zu keinem Einvernehmen geführt, so ist die Angelegenheit binnen zwei Wochen in der Zentralstelle vorzulegen, wenn dies der Fachausschuß binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung verlangt.

(7) Wird zwischen den sachlich für die Behandlung der Angelegenheit berufenen Organen der Zentralstelle und dem zuständigen Zentralausschuß kein Einvernehmen erzielt, so entscheidet der zuständige Leiter der Zentralstelle ohne unnötigen Aufschub nach Beratung der Angelegenheit mit dem Zentralausschuß. ..."

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 8 PVG sind unter anderem am Sitz der Finanzlandesdirektionen je zwei Fachausschüsse, und zwar je einer für

a)

die Bediensteten der Finanzverwaltung und

b)

die Bediensteten des Zollwachedienstes einzurichten.

Nach § 12 Abs. 1 lit. a leg. cit. ist es Aufgabe des Fachausschusses in Angelegenheiten im Sinne des § 9, die über den Wirkungsbereich eines Dienststellenausschusses, nicht jedoch über den Wirkungsbereich des Fachausschusses hinausgehen, mitzuwirken.

Der Beschwerdeführer bringt gegen die ABWEISUNG SEINES WIEDERAUFNAHMEANTRAGES (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides) im wesentlichen vor, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1990, B 1379/89, sei hervorgekommen, daß der FA nach § 9 Abs. 1 lit. k PVG über die von der Dienstbehörde mitgeteilte Absicht seiner Ruhestandsversetzung vor deren Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend zu verhandeln gehabt hätte und diese Maßnahme nicht bloß zur Kenntnis nehmen durfte. Damit stehe fest, daß der FA gesetzwidrig nicht mitgewirkt habe. Außerdem lägen unrichtige Gutachten der Sachverständigen Dris. Sch und des Amtsarztes Dr. RU vor. Durch diese neuen Beweismittel, die der Beschwerdeführer unverschuldet im Verfahren (der Ruhestandsversetzung) nicht habe geltend machen können, wäre ein oder allenfalls in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich im Hauptinhalt des Spruches anderslautender Spruch herbeigeführt worden.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Der Gesetzgeber sieht grundsätzlich keine Verklammerung der Bestimmungen des PVG mit dem Dienstrecht vor. Eine Ausnahme bildet lediglich die durch die Novelle BGBl. Nr. 138/1983 geschaffene Bestimmung des § 10 Abs. 9 PVG (Recht des von einer Personalmaßnahme nach § 9 Abs. 1 lit. i betroffenen Bediensteten, eine derartige Maßnahme, die unter Verletzung der Bestimmungen des PVG getroffen wurde, auf seinen innerhalb einer bestimmten Frist gestellten Antrag für rechtsunwirksam zu erklären; vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1986, Zl. 85/12/0115).

Davon abgesehen kann jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 6. Mai 1976, Zl. 1956/75 = Slg. N.F. Nr. 9051/A, ausgesprochen hat, das Unterbleiben der ordnungsgemäßen Einschaltung der Personalvertretung als Verstoß gegen § 10 Abs. 1 und Abs. 5 PVG im Rahmen eines Dienstrechtsverfahrens von der Partei dieses Verfahrens als Verletzung einer Verfahrensvorschrift geltend gemacht werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei die Mitwirkungsbefugnis der Personalvertretung nach dem PVG (in Verbindung mit dessen § 2) als ein über den durch die Bestimmungen der §§ 8 DVG und 37 AVG gegebenen Rahmen hinausgehendes "Anhörungsrecht besonderer Art" zum Schutz der Bediensteten angesehen. Ungeachtet dieses inhaltlich nicht begrenzten Mitwirkungsrechtes könnten aber nur jene Einflußnahmen auf den Gang des Dienstrechtsverfahrens von Bedeutung sein, die sich auf die bei der Entscheidung zu berücksichtigenden rechtlichen und tatsächlichen Umstände beschränkten. Wie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG könnten Verstöße gegen dieses sich aus den Bestimmungen des PVG ergebende Anhörungsrecht besonderer Art nur dann gewertet werden, wenn sich bei ordnungsgemäßer Gewährung dieses Anhörungsrechtes für die bei der zu treffenden Entscheidung erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen oder für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung maßgebliche Umstände ergeben hätten.

Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung kann daher auch die Verletzung von Bestimmungen des PVG einen Wiederaufnahmegrund im dienstrechtlichen Verfahren bilden, sofern dessen Nichteinhaltung zu einer im Dienstrechtsverfahren zu beachtenden Rechtswidrigkeit führt und auch die sonstigen Voraussetzungen der §§ 69f AVG in Verbindung mit § 14 DVG gegeben sind.

Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß die FLD lange vor Erlassung ihres erstinstanzlichen Ruhestandsversetzungsbescheides vom 29. September 1988 das zuständige Personalvertretungs-Organ (FA) von der beabsichtigten Personalmaßnahme informiert hat und zwar offenbar, ohne ein bestimmtes in § 9 Abs. 1 bis Abs. 3 PVG abgestuft geregeltes Mitwirkungsrecht seiner Art nach anzusprechen. Eine rechtzeitige und eingehende Verhandlung mit dem FA, die bei Angelegenheiten nach § 9 Abs. 1 PVG (darunter fällt im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1990, B 1379/89, auch der Beschwerdefall, weil er der lit. k dieser Bestimmung zu unterstellen ist) nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgesehen ist, hat nicht stattgefunden.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß der zweite Satz des § 9 Abs. 1 PVG sich sowohl an den Dienstgeber (Dienstbehörde) als auch an das Personalvertretungs-Organ wendet. Der Verwaltungsgerichtshof teilt jedoch die Auffassung von Schragel, Handkommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG), Rz 7 zu § 9, 162 f, wonach § 9 Abs. 1 zweiter Satz PVG keine (eigene) Verfahrensbestimmung trifft, sondern lediglich im Zusammenhang mit § 10 leg. cit. zu lesen ist, das heißt, nur auf die Pflichten, die sich im einzelnen aus § 10 PVG ergeben, verweist; nur in § 10 PVG wird (auch) der Begriff "rechtzeitig" definiert. Zu verhandeln und dann "eingehend" ist also nur, wenn die Personalvertretung unter Einhaltung der Regeln des § 10 PVG Einwendungen erhebt. Diese Auslegung sichert auch - worauf Schragel, aaO, zutreffend hingewiesen hat - den Grundsatz, daß KEIN STANDPUNKT VOR BERATUNG UND BESCHLUßFASSUNG im Personalvertretungs-Organ eingenommen werden muß bzw. im Falle einer Delegierung nach § 22 Abs. 8 PVG an ein einzelnes Mitglied des Personalvertretungs-Organes die Möglichkeit der Einholung der vor Abgabe einer Erklärung erforderlichen Informationen gegeben ist.

Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung hat jedoch die FLD durch die nachweisliche und jedenfalls auch rechtzeitige (im Sinne des § 10 Abs. 1 PVG) Information des zuständigen FA über die beabsichtigte Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers dem Personalvertretungsorgan die Möglichkeit zur Wahrung seines "besonderen Anhörungsrechtes" (hier: nach § 9 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit § 10 Abs. 5 Satz 1 PVG) gewahrt. Die Dienstbehörde (erster Instanz) traf mangels Einwendungen des zuständigen Personalvertretungs-Organes nach § 10 Abs. 5 Satz 1 PVG auch keine Verpflichtung, im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 PVG von sich aus vorzugehen. Sie war auch nicht gehalten darüber Nachforschungen anzustellen, weshalb der FA keine Einwendungen erhoben, insbesondere warum er keine Vorgangsweise nach § 9 Abs. 1 zweiter Satz PVG gefordert hat. Die von der PVAK in der Vorgangsweise des FA im Anschluß an das oben zitierte Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis erblickte Gesetzwidrigkeit der Geschäftsführung dieses Organes, die letztlich zur Aufhebung des Beschlusses des FA vom 7. Juli 1988 (Kenntnisnahme) führte, bleibt daher in ihrer Auswirkung auf den Anwendungsbereich des PVG beschränkt und ist für den Ausgang des Dienstrechtsverfahrens (hier: Ruhestandsversetzungsverfahren) ohne rechtliche Bedeutung, sodaß schon deshalb kein tauglicher Wiederaufnahmegrund im Dienstrechtsverfahren vorliegt.

Was das (erstmals in der Beschwerde und der Beschwerdeergänzung im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme enthaltene) Vorbringen betrifft, die unrichtigen Gutachten Dris. Sch und Dris. RU stellten einen Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 (bzw. nach Z. 1) AVG dar, genügt es darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag vom 31. Jänner 1991 nicht darauf (sondern lediglich auf die Verletzung des § 9 Abs. 1 PVG) gestützt hat und die belangte Behörde nach dem maßgeblichen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides nur über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers (mit diesem Inhalt) abgesprochen hat. Die angeblich unrichtigen Gutachten Dris. Sch wurden lediglich im Zusammenhang mit dem auf § 68 AVG gestützten Antrag des Beschwerdeführers vom 22. Februar 1991 ins Treffen geführt, wobei sich allerdings die Kritik daran in Vorbringen erschöpfte, die der Beschwerdeführer bereits im Ruhestandsversetzungsverfahren selbst vorgebracht hatte (Gefälligkeitsgutachten; Unrichtigkeit der im Gutachten unterstellten Unzurechnungs- und Deliktsunfähigkeit des Beschwerdeführers; Betrugsabsicht oder Geistesschwäche dieses Gutachters wegen behaupteter falscher Kostenrechnung).

Das Negieren der überdurchschnittlichen Leistungsfeststellung im Ruhestandsversetzungsverfahren, das der Beschwerdeführer ebenfalls in seiner Beschwerde anführt, hat er bereits in seiner gegen den Ruhestandsversetzungsbescheid der belangten Behörde erhobenen Beschwerde vorgebracht (vgl. dazu die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 90/12/0125). Sofern auch dieses Vorbringen im Zusammenhang mit den Einwänden gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides erhoben worden sein sollte, gilt das oben Gesagte sinngemäß. Im übrigen ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, inwieweit darin ein Wiederaufnahmegrund (es kommt hiefür nur § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG in Betracht) gegeben sein sollte.

Was den SPRUCHABSCHNITT II (Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 22. Februar 1991 wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG) betrifft, konnte die belangte Behörde unbedenklich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer hiemit eine Vorgangsweise nach § 68 AVG begehrte. Gemäß § 68 Abs. 7 Satz 1 AVG, der auch im Anwendungsbereich des § 1 DVG gilt, da § 13 DVG in diesem Punkt nichts Abweichendes anordnet, steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechten niemandem ein Rechtsanspruch zu. Deshalb konnte der Beschwerdeführer auch durch den Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides, in dem sein diesbezüglicher Antrag zurückgewiesen wurde, in seinen Rechten nicht verletzt werden (vgl. z.B. VfSlg. 1844/1949, sowie VwSlg. 53 A/1947 und 847 A/1949, uva.). Es erübrigte sich daher auch näher auf die Argumente einzugehen, auf die der Beschwerdeführer seinen Antrag vom 22. Februar 1991 stützte.

Die Beschwerde erweist sich aus diesen Gründen als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien Normen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991120198.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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