TE Vfgh Erkenntnis 2022/12/5 E992/2022 ua

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Veröffentlicht am 05.12.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG

Leitsatz

Auswertung in Arbeit

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Erkenntnisse weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch die angefochtenen Erkenntnisse in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die zu den vorliegenden, beim Verfassungsgerichtshof zu E992/2022 bzw E1265/2022 protokollierten Beschwerden beschwerdeführende Partei veranstaltet das Satellitenfernsehprogramm "***". Sie bekämpft zwei Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, mit denen ihr zum einen ein Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Fernsehwerbung von anderen Sendungs- und Programmteilen gemäß §43 Abs2 AMD-G (E992/2022) und zum anderen ein Verstoß gegen das Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G (E1265/2022) angelastet und sie jeweils zur Veröffentlichung der diesbezüglichen Feststellung der Verletzung der genannten gesetzlichen Vorschriften verpflichtet wird. Die Beschwerden machen jeweils eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art10 EMRK, die Anwendung einer verfassungswidrigen, – im Hinblick auf §26 MedienG – gleichheitswidrigen Regelung des (§31 Abs2 bzw §43 Abs2) AMD-G geltend und regen an, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der Auslegung des Entgeltbegriffes in Art1 Abs1 lith Richtlinie (EU) 2018/1808 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten (im Folgenden: AVMD-RL), ABl. 2018 L 303, 69, zur Vorabentscheidung vorzulegen.

2.1. In dem der zu E992/2022 protokollierten Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalt strahlte die beschwerdeführende Partei am 12. Juni 2017 die Sendung "***" aus. Die Sendung beginnt mit der Rubrik "Star des Tages", in der über einen neuen Werbespot eines in gesellschaftlichem Zusammenhang bekannten Unternehmers ("Celebrity") für von ihm in seinem Einkaufszentrum betriebene Restaurants berichtet wird. Im ersten Teil der Sendung wird der Werbespot als "funny clip" in einzelnen Teilen kommentiert, wobei auch mehrere kurze Ausschnitte gezeigt werden. Unmittelbar im Anschluss wird der Werbespot mit der Ankündigung: "Wir zeigen Ihnen den lustigen Spot nun in voller Länge" unkommentiert zur Gänze ausgestrahlt.

In dieser unkommentierten Ausstrahlung des Werbespots zur Gänze im zweiten Teil der einschlägigen Sendung erblickte die KommAustria in ihrem Bescheid vom 6. Oktober 2017 – im Gegensatz zum ersten, einzelne Teile des Werbespots kommentierenden Teil der Sendung – einen Verstoß gegen das werberechtliche Trennungsgebot in §43 Abs2 AMD-G. Der in seiner gesamten Länge ausgestrahlte Werbespot sei weder zu Beginn noch am Ende durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungs- und Programmteilen getrennt worden. Diese Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 3. März 2022. Bei der kommentierten, auszugsweisen Ausstrahlung des Werbespots handle es sich um eine redaktionelle Aufarbeitung eines Themas, die im Lichte des werberechtlichen Trennungsgebotes nicht zu beanstanden sei. Dagegen verstoße die unkommentierte Ausstrahlung des gesamten Werbespots im Anschluss gegen das Gebot der Trennung von Fernsehwerbung von anderen Sendungs- und Programmteilen gemäß §43 Abs2 AMD-G.

Maßgeblich begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung damit, dass es sich bei dem Werbespot um Werbung im Sinne des §2 Z40 AMD-G und somit um Fernsehwerbung gemäß §43 AMD-G handle. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung komme es nicht auf ein tatsächlich geleistetes Entgelt an, sondern darauf, ob nach einem objektiven Maßstab und dem Verkehrsgebrauch üblicherweise ein Entgelt bzw eine Gegenleistung zu leisten wäre. Da der Werbespot in voller Länge ausgestrahlt worden sei und dies im Regelfall nicht unentgeltlich erfolge, sei von einer Entgeltlichkeit auszugehen. Ebenso verfolge der Spot das Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, da hiefür die Eignung genüge, das bislang uninformierte oder unentschlossene Publikum für den Erwerb zu gewinnen.

2.2. In dem der zu E1265/2022 protokollierten Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalt strahlte die beschwerdeführende Partei am 19. April 2020 in der Sendung "***" einen Beitrag über einen Handelsbetrieb aus, in dem Atemschutzmasken verkauft werden. In dem vor Ort gedrehten Beitrag stellt die Reporterin den "Atemschutzmasken-Shop" und sein Sortiment unter Nennung der genauen Adresse des Handelsbetriebes vor. Sie interviewt einen Mitarbeiter und befragt diesen etwa zu "beliebten Motiven" auf den Masken und deren Preise. Im Studio unterstreicht abschließend der Moderator die Geschäftstüchtigkeit des Unternehmens.

Mit Bescheid vom 25. September 2020 stellte die KommAustria fest, dass es sich bei dem Beitrag um Schleichwerbung handle und die beschwerdeführende Partei somit gegen §31 Abs2 AMD-G verstoßen habe. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 4. April 2022. An sich entspreche es durchaus der Erwartungshaltung des Publikums einer Sendung wie der "***", über Neuigkeiten im Handel und dabei in den Anfangszeiten einer Pandemie auch über einen neuen Betrieb, der Atemschutzmasken verkauft, informiert zu werden. Der Beitrag sei aber werblich gestaltet. Bereits die Einleitung und Kommentierung des Beitrages sowie die Fragen der Reporterin, etwa nach den konkreten Preisen, streiche ebenso wie die Nennung der Adresse des Betriebes die Intention hervor, den Betrieb zu bewerben. Der Beitrag sei geeignet, das Fernsehpublikum, das bisher keine Kenntnis von dem Handelsbetrieb hatte, dafür zu gewinnen, die angebotenen Produkte zu erwerben. Werbung im Sinne des §2 Z40 AMD-G setze zwar Entgeltlichkeit voraus, dieses Merkmal liege auch zum Teil der Schleichwerbung gemäß §2 Z29 AMD-G zugrunde, sei aber keine notwendige Voraussetzung. Dem werblichen Beitrag wohne auch eine Irreführungseignung inne, wenn in einem scheinbar redaktionellen Beitrag werbliche Botschaften untergebracht würden. Es handle sich bei dem Beitrag daher um Schleichwerbung im Sinne des §2 Z29 AMD-G, die nach §31 Abs2 AMD-G untersagt sei.

2.3. Gegen die genannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes richten sich die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden. Im Hinblick auf eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art10 EMRK bringt die beschwerdeführende Partei insbesondere vor, dass es sich sowohl bei der Ausstrahlung des gesamten Werbespots in der "***" als auch beim Beitrag über den "Atemschutzmasken-Shop" in der "***" um redaktionelle Berichterstattung handle. Es müsse der beschwerdeführenden Partei im Rahmen ihrer durch Art10 EMRK geschützten journalistischen Gestaltungsfreiheit möglich sein, einen Werbespot, der zahlreiche komödiantische Elemente enthalte, die sich erst durch seine Ausstrahlung in voller Länge erschließen würden, zu zeigen. Dass Werbespots als solche und zur Gänze Gegenstand redaktioneller Berichterstattung seien, zeige etwa die regelmäßige Aufmerksamkeit, die Werbespots im Zuge des "Super Bowl" in der medialen Berichterstattung erhielten. Ebenso liege es in ihrer durch Art10 EMRK geschützten journalistischen Gestaltungsfreiheit, gerade am Beginn einer Pandemie über einen Handelsbetrieb zu berichten, der als Novum auf den Verkauf von Atemschutzmasken spezialisiert sei.

Weiters rügt die beschwerdeführende Partei, dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Bestimmungen über das Vorliegen von Entgeltlichkeit als Voraussetzung für das Vorliegen von Werbung gleichermaßen für die Anwendung des Trennungsgebotes des §43 Abs2 AMD-G wie des Verbotes der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G darauf abstellen, ob nach einem objektiven Maßstab und dem Verkehrsgebrauch üblicherweise ein Entgelt bzw eine Gegenleistung zu leisten wäre. Demgegenüber komme die, vergleichbaren Zielsetzungen dienende Pflicht zur Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen gemäß §26 MedienG nur zur Anwendung, wenn für einen Beitrag tatsächlich ein Entgelt geleistet werde. Damit würde dieselbe Berichterstattung in gleichheitswidriger Weise einmal dem werberechtlichen Trennungsgebot und dem Verbot der Schleichwerbung unterworfen, wenn sie wie vorliegend in einem elektronischen Massenmedium erfolgt, während sie mangels tatsächlich geleisteten Entgeltes in einem Printmedium als redaktioneller Beitrag gelten und keinem Kennzeichnungsgebot gemäß §26 MedienG unterliegen würde.

Schließlich regt die beschwerdeführende Partei an, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorzulegen, ob Art1 Abs1 lith AVMD-RL dahingehend auszulegen ist, "dass darunter auch Beiträge fallen, für die im konkreten Fall kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung geleistet wird, für die aber üblicherweise im geschäftlichen Verkehr ein Entgelt geleistet wird."

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat jeweils die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt. In dem zu E992/2022 protokollierten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, in dem zu E1265/2022 protokollierten Verfahren hat die KommAustria eine Gegenschrift erstattet, in der sie jeweils die in den angefochtenen Erkenntnissen zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung bekräftigen.

II. Rechtslage

1. Das Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Medien-dienste-Gesetz – AMD-G), BGBl I 84/2001, idF BGBl I 190/2021 lautet auszugsweise wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§2. Im Sinne dieses Gesetzes ist:

1. […]

2. audiovisuelle kommerzielle Kommunikation: Bilder mit oder ohne Ton, die

a) der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, oder

b) der Unterstützung einer Sache oder einer Idee

dienen. Diese Bilder sind einer Sendung oder im Fall der lita auch einem nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder im Fall der lita als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen jedenfalls Produktplatzierung, die Darstellung von Produktionshilfen von unbedeutendem Wert, Sponsorhinweise und auch Werbung gemäß Z40;

3. […]

29. Schleichwerbung: die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marke oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Mediendiensteanbieter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit über ihren eigentlichen Zweck irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt;

30. […]

40. Werbung: jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die in Fernsehprogrammen vom Anbieter (Fernsehwerbung) oder als Bestandteil eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf vom Anbieter entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet oder bereitgestellt wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. Werbung umfasst weiters jede Äußerung zur Unterstützung einer Sache oder Idee, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung verbreitet wird (ideelle Werbung);

41. […]

Allgemeine Anforderungen an die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation

§31. (1) […]

(2) Schleichwerbung, unter der Wahrnehmungsgrenze liegende audiovisuelle kommerzielle Kommunikation sowie vergleichbare Praktiken sind untersagt.

(3) […]

Erkennbarkeit und Trennung

§43. (1) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen leicht als solche erkennbar und somit vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein.

(2) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen durch optische, akustische oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungs- und Programmteilen getrennt sein.

(3) Dauerwerbesendungen sind zusätzlich zu den Anforderungen nach den vorstehenden Absätzen während ihrer gesamten Dauer mit dem eindeutig erkennbaren Schriftzug 'Dauerwerbesendung' zu kennzeichnen."

2. §26 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz – MedienG), BGBl 314/1981, lautet:

"Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen

§26. Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, müssen in periodischen Medien als 'Anzeige', 'entgeltliche Einschaltung' oder 'Werbung' gekennzeichnet sein, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können."

III. Erwägungen

1. Die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet:

1.1. Gesetzliche Regelungen, die wie das werberechtliche Trennungsgebot des §43 Abs2 AMD-G oder das Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G gewährleisten sollen, dass Werbung in audiovisuellen Mediendiensten als solche erkennbar bleibt, dienen mit dem Schutz der Rechte anderer legitimen Interessen im Sinne des Art10 Abs2 EMRK. Sie tragen dabei auch zur Sicherung der Unabhängigkeit und der Gestaltungsfreiheit der redaktionellen Berichterstattung gegenüber wirtschaftlicher Einflussnahme bei (vgl Kogler, Unabhängigkeitssicherung durch Werberecht?, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek [Hrsg.], Unabhängigkeit der Medien, 2011, 67 [78 f.]; Laiß, Werberegulierung der österreichischen Rundfunkmedien, 2007, 72) und leisten damit einen Beitrag dazu, die Glaubwürdigkeit dieser Massenmedien in ihrer im Lichte des Art10 EMRK wesentlichen Funktion als "public watchdog" in der demokratischen Gesellschaft (vgl VfGH 4.3.2021, E4037/2020; VfSlg 20.427/2020) zu sichern. Die Rezipientinnen und Rezipienten sollen darauf vertrauen können, dass Werbung, also kommerzielle Kommunikation für die einschlägigen Interessen Dritter, und sonstige, medialen Vermittlungs- und Meinungsbildungsinteressen folgende Kommunikation in der Tätigkeit der Medienunternehmen unterschieden werden. Derartige Trennungs- und Erkennbarkeitsgebote greifen zwar in die durch Art10 EMRK geschützte Medienfreiheit ein, sie belasten die beschwerdeführende Partei aber nicht mit Nachteilen, die im Vergleich zum Gewicht der rechtfertigenden Gründe außer Verhältnis stünden (vgl zu Regelungen für den ORF VfSlg 19.586/2011).

1.2. Vor diesem Hintergrund bleibt zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht die herangezogenen Bestimmungen des AMD-G deswegen denkunmöglich angewendet hat, weil es dem Gesetz fälschlich einen, die besonderen Schranken des Art10 EMRK missachtenden Inhalt unterstellt hat (vgl VfGH 6.10.2021, E2477/2021, mwN).

1.2.1. Gemäß §2 Z2 AMD-G handelt es sich bei audiovisueller kommerzieller Kommunikation um Bilder mit oder ohne Ton, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen (kommerzielle Werbung) oder der Unterstützung einer Sache oder einer Idee dienen (ideelle Werbung). Diese Bilder müssen einer Sendung (oder einem nutzergenerierten Video) gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung (oder als Eigenwerbung) beigefügt oder darin enthalten sein. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählt – neben der Produktplatzierung oder Sponsorhinweisen – vor allem Werbung. Eine solche liegt nach §2 Z40 AMD-G bei einer Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes vor, die in Fernsehprogrammen vom Anbieter (Fernsehwerbung) oder als Bestandteil eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf vom Anbieter entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet oder bereitgestellt wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. Werbung umfasst weiters jede Äußerung zur Unterstützung einer Sache oder Idee, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung verbreitet wird (ideelle Werbung). Dabei wird bei der kommerziellen Kommunikation grundsätzlich von einer "doppelten Entgeltlichkeit" in dem Sinn ausgegangen, als einerseits die Produkte und Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden (im Unterschied zur ideellen Werbung) und andererseits die Vergabe der Sendezeit bzw die Einbeziehung in die Sendung ebenfalls gegen Entgelt (typischerweise durch den Werbetreibenden) erfolgt (näher dazu Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4, 2018, §2 AMD-G, zu Z2 bzw zu Z40 sowie §1a ORF-G, zu Z8).

1.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht stellt nun – mit der Rechtsprechung des VwGH (vgl ua VwGH 30.4.2021, Ra 2019/03/0087; 1.9.2017, Ra 2017/03/0007; 26.2.2016, Ra 2016/03/0021) – für die Frage, ob Werbung im Sinne des §43 AMD-G vorliegt und damit das Trennungsgebot des §43 Abs2 AMD-G zur Anwendung kommt, nicht (ausschließlich) darauf ab, ob tatsächlich ein Entgelt geleistet wurde, sondern es prüft, ob eine Erwähnung oder Darstellung vorliegt, für die üblicherweise nach dem Verkehrsgebrauch Entgelt zu leisten wäre.

Auch im Zusammenhang mit dem Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G kommt es für das Bundesverwaltungsgericht (wiederum im Anschluss an Rechtsprechung des VwGH, VwSlg 18.177 A/2011) nicht notwendig darauf an, dass für den Bericht über den "Atemschutzmasken-Shop" tatsächlich ein Entgelt gezahlt wurde, sondern es stellt auf die durch den konkreten Inhalt und die Gestaltung des Beitrages erkennbare Absicht, einen Werbezweck zu erreichen (und dessen Eignung ab, durch seine [vordergründig] redaktionelle Gestaltung über diesen Werbezweck in die Irre zu führen).

Diese Anwendung der Regelungen über das werberechtliche Trennungsgebot und das Verbot der Schleichwerbung hält sich bei der notwendigen Einzelfallbeurteilung im Rahmen jener Grenzen, die Art10 Abs2 EMRK der Regulierung audiovisueller kommerzieller Kommunikation vorgibt (siehe zum diesbezüglichen Spielraum VfGH 23.6.2022, E2977/2021). Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht in den angefochtenen Erkenntnissen den herangezogenen Bestimmungen des §31 Abs2 und des §43 Abs2 AMD-G einen die Vorgaben des Art10 EMRK missachtenden Inhalt unterstellt oder diese Bestimmungen sonst denkunmöglich angewendet hätte.

2. Die Definition der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation im AMD-G folgt den Vorgaben aus Art1 Abs1 lith AVMD-RL (siehe schon Erläut zur RV 611 BlgNR 24. GP, 66). Angesichts der Unbedenklichkeit dieser Regelungen im Hinblick auf Art10 EMRK (und damit insoweit auch im Hinblick auf Art11 GRC), sodass sich Fragen nach der Gültigkeit von Bestimmungen der AVMD-RL und deren die innerstaatliche Umsetzungsgesetzgebung zwingend bestimmender Reichweite nicht stellen (vgl VfSlg 20.209/2017), sieht der Verfassungsgerichtshof auch keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union, zumal – was im Einzelnen hier nicht der Beurteilungszuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes unterliegt – die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Verbot von Schleichwerbung (EuGH 9.6.2011, Rs C-52/10, Eleftheri tileorasi und Giannikos, Rz 31 ff.; vgl auch EuGH 2.9.2021, Rs C-371/20, Peek und Cloppenburg KG, Rz 29 ff., zur Bezahlung im Sinne von Anhang I Nr 11 der damaligen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung stützen dürfte (vgl Lehofer, Als Information getarnte Werbung, ÖJZ2021, 907 [908]).

3. Der Verfassungsgerichtshof hegt schließlich gegen das werberechtliche Trennungsgebot des §43 Abs2 AMD-G bzw gegen das Verbot der Schleichwerbung gemäß §31 Abs2 AMD-G auch keine gleichheitsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf §26 MedienG. Diese Regelungen dienen, wie oben dargelegt, dem Schutz der Rezipientinnen und Rezipienten sowie der Unabhängigkeit der (elektronischen) Massenmedien und der Sicherung der Glaubwürdigkeit ihrer Berichterstattung und damit der Sicherstellung jenes offenen demokratischen Meinungsbildungsprozesses, den Art10 EMRK gewährleistet (vgl VfSlg 19.586/2011). Diese Gewährleistungen des Art10 EMRK gelten auch für (die Auslegung des) §26 MedienG, sodass allenfalls – was vorliegend der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen hat – dessen Bedeutung im Lichte des Art10 EMRK dahingehend in Rede steht, ob Unterschiede zwischen der werberechtlichen Regulierung audiovisueller Kommunikation und der Regelung des Kennzeichnungsgebotes für Werbung in Printmedien dahingehend bestehen, dass diese Kennzeichnungspflicht nur für Veröffentlichungen, für die (unmittelbar) tatsächlich ein Entgelt geleistet wird, den Anforderungen des Art10 EMRK Rechnung trägt (siehe aus der diesbezüglichen Rechtsprechung des OGH zu §26 MedienG insbesondere OGH 26.9.2016, 4 Ob 60/16a, und dazu im Hinblick auf Umgehungsmöglichkeiten kritisch Warzilek, Werbungskennzeichnung – Gratiszeitungen, MR 2016, 288 [293]; Raffling/Wittmann, Werbung in sozialen Netzwerken, MR 2017, 163 [165]; vgl auch Wiltschek, Unentgeltliche redaktionell gestaltete Anzeigen, ÖBl. 2017, 88 [89 f.]). Der Gleichheitsgrundsatz steht unterschiedlichen werberechtlichen Regelungen für audiovisuelle Kommunikation und für traditionelle Printmedien nicht entgegen (vgl VfSlg 18.017/2006).

4. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht der beschwerdeführenden Partei entsprechende Veröffentlichungs- und Nachweispflichten gemäß §62 Abs3 AMD-G bzw §29 Abs1 AMD-G auferlegt und keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerden sind daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E992.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2023
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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