TE Vwgh Erkenntnis 2022/11/17 Ra 2021/05/0005

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Veröffentlicht am 17.11.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart-Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der A GmbH & Co KG in B, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Josef Höfle-Gasse 34/5/1A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Oktober 2020, LVwG-AV-1457/001-2019, betreffend Untersagung der Fortsetzung von Bauarbeiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde B; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der Stadtgemeinde B Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 wurde der revisionswerbenden Partei - damals noch unter einem anderen Firmennamen - die Bewilligung zur Errichtung eines Dachgeschoßausbaus auf einer näher genannten Liegenschaft in der Stadtgemeinde B. erteilt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2        Am 26. November 2014 reichte die revisionswerbende Partei ein Ansuchen um Auswechslung samt Auswechslungsplänen zu dem mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 bewilligten Bauvorhaben ein und begründete dies mit der Notwendigkeit des Einbaus einer vom Bestand entkoppelten Stahlträgerkonstruktion aufgrund der im Bestand vorliegenden Deckenkonstruktion. In weiterer Folge wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B. vom 23. März 2015 die gegenständliche Baubewilligung unter Zugrundelegung des Auswechslungsplanes vom 7. November 2014 und einer Beschreibung der Änderungen durch einen näher genannten Architekten vom Jänner 2015 erteilt. Dieser Bescheid wurde von einem Bevollmächtigten der revisionswerbenden Partei am 26. März 2015 entgegengenommen.

3        Mit Mandatsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B. vom 14. März 2019 wurde der revisionswerbenden Partei die Fortsetzung aller bisher vorgenommenen konsenslosen Arbeiten am verfahrensgegenständlichen Objekt auf der EZ 671 der KG B. gemäß § 29 iVm § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) untersagt.

4        Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der revisionswerbenden Partei wurde - nach Durchführung eines Lokalaugenscheins - mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde B. vom 7. August 2019 mit der Begründung keine Folge gegeben, dass das Recht aus der Baubewilligung erlösche, wenn die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen zweier Jahre ab Rechtskraft der Baubewilligung begonnen worden sei oder das Bauvorhaben nicht binnen fünf Jahren ab dem Beginn seiner Ausführung fertiggestellt worden sei. Ein Baubeginn habe nicht stattgefunden, weshalb die Baubewilligung erloschen sei.

5        Mit Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde B. (belangte Behörde) vom 6. November 2019 wurde die dagegen erhobene Berufung der revisionswerbenden Partei abgewiesen und wiederholt ausgeführt, dass die von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Arbeiten nur Vorbereitungshandlungen darstellen und für den Nachweis eines tatsächlichen Baubeginns innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht ausreichen würden. Vor Ort seien keine bautechnischen Maßnahmen gesetzt worden, die geeignet wären, einen tatsächlichen Beginn des Vorhabens des Dachgeschoßausbaus zu belegen. Die Beauftragung eines metallverarbeitenden Betriebes mit der Herstellung einer Stahlträgerkonstruktion und deren Produktion innerhalb der zwei Jahre ab Rechtskraft der Baubewilligung stelle ebenso keinen Baubeginn dar, weshalb die Baueinstellung aufrecht bleibe.

6        Dagegen erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in der sie im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen wiederholte und erneut auf die Beauftragung der Herstellung der Stahlträgerkonstruktion verwies.

7        Diese Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) - ohne Durchführung einer Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis ab (Spruchpunkt 1.). Unter einem sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

8        Seiner Begründung legte das LVwG - soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich - zugrunde, dass zuletzt mit Bescheid vom 23. März 2015 die gegenständliche Baubewilligung für die Errichtung eines Dachgeschoßausbaus auf zwei näher bezeichneten Grundstücken der EZ 671, KG B., unter Zugrundelegung des Auswechslungsplanes vom 7. November 2014 und der Beschreibung der Änderungen vom Jänner 2015 erteilt wurde. Die beiden Grundstücke seien mit Wirkung vom 21. Jänner 2016 zu einem Grundstück vereinigt worden. Nach Erlassung des Mandatsbescheids vom 14. März 2019 habe die revisionswerbende Partei rechtzeitig Vorstellung erhoben.

9        Im Zuge eines Lokalaugenscheins am 10. Juli 2019 im verfahrensgegenständlichen Gebäude habe sich in einem Kellerabteil im Kellergeschoß eine ca. 1 m2 große und ca. 5 bis 10 cm tiefe Bodenabsenkung, hervorgerufen durch Schürfarbeiten zur Erkundung des Fundaments, befunden. Im Dachgeschoß seien zwei kleine Deckenlöcher zur Erkundung des Deckenaufbaus und als Vorarbeiten für zusätzliche Deckenauflagen im Ausmaß von jeweils 0,2 m2 festgestellt worden. Weiters seien im Dachbereich im Bereich der Mauerbank zwei Markierungen für die Positionen der zukünftigen Auflagerpunkte der erforderlichen Stahlträger vorgefunden worden.

10       Außer den beschriebenen Erkundungsmaßnahmen seien Bautätigkeiten zur Ausführung des bewilligten Bauvorhabens auf der gegenständlichen Liegenschaft und dem bestehenden Gebäude seit der Erteilung der Baubewilligung vom 3. Dezember 2013 und jener vom 23. März 2015 nicht durchgeführt worden.

11       Die Feststellungen stützte das LVwG auf die im Akt der Behörde einliegenden Bewilligungen und Fotodokumentationen zum Lokalaugenschein. Die Feststellung, dass keine über die festgestellten Vorbereitungshandlungen hinausgehenden Bautätigkeiten gesetzt wurden, stützte das LVwG auf die Eingaben mehrerer Personen im Verfahren. So habe insbesondere der ursprünglich aufgetretene Bauführer angegeben, zwar die erste Baubeginnsanzeige vom 25. November 2015 erstattet zu haben; er sei in weiterer Folge aber nie beauftragt worden und habe auch keinerlei Bautätigkeit durchgeführt. Weiters habe eine näher bezeichnete Hausverwaltung, die Objekte im Haus verwalte, im März 2019 bei der Baubehörde angefragt, ob die Baubewilligung noch aufrecht sei, zumal seit Anzeige des Baubeginns nicht mit dem Bauvorhaben begonnen worden sei. Ebenso stützte sich das LVwG hier auf - im Akt dokumentierte - Wahrnehmungen einer Miteigentümerin des Grundstückes sowie des befassten Architekten und des Mieters der im vierten Stock gelegenen - somit direkt unter dem Dachgeschoß liegenden - Wohnung zum Vorbringen in der Vorstellung, es habe bereits 2014 Arbeiten im Haus gegeben, sowie auf die Angaben des Inhabers des beauftragten metallverarbeitenden Betriebes in einem vorgelegten Schreiben vom 2. Mai 2019 an den Architekten, wonach der Betrieb nach Beauftragung durch die Bauherrin ab August 2016 den Metalleinkauf getätigt und die Stahlkonstruktion gefertigt hätte. Ein Einbautermin sei für Anfang September 2016 geplant gewesen und vorerst auf Frühjahr 2017 verschoben worden. Sodann sei die Montage durch die Bauwerberin auf unbestimmte Zeit verschoben und bis zum 2. Mai 2019 noch nicht durchgeführt worden.

12       Rechtlich führte das LVwG dazu im Wesentlichen aus, dass die Verpflichtung zur Anzeige des Baubeginns nach § 26 NÖ BO 2014 eine bloße Ordnungsvorschrift sei und für die Klärung der Frage, ob das Recht aus einem Baubewilligungsbescheid erloschen sei, keine Bedeutung habe. Aus den zugrundliegenden Bewilligungen ergebe sich keine längere Frist für den Baubeginn, auch sei die Frist über Antrag der Inhaberin der Bewilligung nicht erstreckt worden. Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 erlösche das Recht aus einer Baubewilligung, wenn die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nicht binnen zwei Jahren ab Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 NÖ BO 2014 begonnen oder nicht binnen fünf Jahren ab ihrem Beginn fertiggestellt worden sei.

13       Unter Heranziehung näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Baubeginn, wonach unter diesem Begriff ausdrücklich nur eine auf die Errichtung des bewilligten Bauwerkes gerichtete bautechnische Maßnahme zu verstehen sei, seien die festgestellten Schürf- und Erkundungsarbeiten sowie die Markierungen als bloße Vorbereitungshandlungen zu werten.

14       Die gegenständliche Stahlträgerkonstruktion sei nicht vor Ort gefertigt und auch noch nicht verbaut worden. Die Produktion stelle keinen Baubeginn dar, da hierfür bisher keinerlei Maßnahmen oder Bautätigkeiten am Baugrundstück, Bauplatz oder im Gebäude selbst gesetzt worden seien. Die höchstgerichtliche Judikatur zum „Baubeginn“ beziehe diesen aber stets auf Bautätigkeiten vor Ort wie etwa Erdarbeiten oder Bauarbeiten, die der Verwirklichung des Vorhabens dienten (Verweis auf VwGH 24.3.1992, 91/05/0065). Es sei der Inhaberin der Baubewilligung bei Auftreten unvorhergesehener Probleme bei der Ausführung auch offengestanden, ohne weiteres um Verlängerung der Ausführungsfrist des bewilligten Bauvorhabens anzusuchen.

15       Weder die Vorbereitungshandlungen noch die externe Vorfertigung der Stahlträgerkonstruktion würden somit einen Baubeginn im Sinne der NÖ BO 2014 darstellen, weshalb das Recht aus der Baubewilligung vom 23. März 2015 erloschen sei, da die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nicht binnen zwei Jahren ab Rechtskraft des Bescheides begonnen worden sei. Die Baueinstellung gemäß § 29 Abs. 1 NÖ BO 2014 sei somit zu Recht ergangen, weshalb sich die in der Beschwerde unter einem beantragte Feststellung, dass die Bautätigkeit auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zur Ausführung des mit Bescheiden vom 3. Dezember 2013 und 23. März 2015 bewilligten Bauvorhabens fortgeführt werden dürfe, erübrige.

16       Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Baubeginn immer vor Ort stattfinden müsse oder ob, wie im vorliegenden Fall, auch die Produktion einer Stahlkonstruktion für das Bauvorhaben in einem Betrieb andernorts als Baubeginn im Sinne der niederösterreichischen Bauvorschriften zu werten sei. Das LVwG sei auch von näher genannter Rechtsprechung zum Baubeginn und den darin postulierten Kriterien abgewichen.

17       Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die Zurückweisung der Revision, in eventu ihre Abweisung als unbegründet, sowie Schriftsatzaufwand beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

19       Die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ BO 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der Fassung LGBl. Nr. 53/2018 lauten - auszugsweise - wie folgt:

„E) Bauausführung

§ 24

Ausführungsfristen

(1) Das Recht aus einer Baubewilligung (§ 23 Abs. 1) erlischt, wenn

1.   die Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nicht

-    binnen 2 Jahren ab der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 begonnen oder

-    binnen 5 Jahren ab ihrem Beginn fertiggestellt wurde,

2.   der aus der Baubewilligung Berechtigte darauf schriftlich verzichtet, wobei die Verzichtserklärung im Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde unwiderruflich wirksam wird, oder

3.   das aufgrund der Baubewilligung ausgeführte Vorhaben beseitigt wird.

Eine Bauplatzerklärung nach § 23 Abs. 3, eine Straßengrundabtretung nach § 12 Abs. 1, die Festlegung einer Straßenfluchtlinie nach § 23 Abs. 5 oder die Festlegung eines Bezugsniveaus nach § 67 Abs. 3 oder 3a werden dadurch nicht berührt.

...

§ 26

Baubeginn

(1) Der Bauherr hat das Datum des Beginns der Ausführung des Bauvorhabens der Baubehörde vorher anzuzeigen. Diese Anzeige wird unwirksam, wenn mit der tatsächlichen Ausführung nicht innerhalb von 4 Wochen ab dem angegebenen Zeitpunkt begonnen wird.

(2) Ab dem angezeigten Baubeginn darf die zur Ausführung des bewilligten Bauvorhabens erforderliche Baustelleneinrichtung ohne weitere Bewilligung aufgestellt werden.

...

§ 29

Baueinstellung

(1) Die Baubehörde hat die Fortsetzung der Ausführung eines Bauvorhabens zu untersagen, wenn

1.   die hiefür notwendige Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) nicht vorliegt oder

2.   bei einem bewilligten Vorhaben kein oder kein geeigneter Bauführer bestellt ist.

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 hat die Baubehörde ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 die Beseitigung der ohne Baubewilligung oder Anzeige ausgeführten Teile des Bauvorhabens und gegebenenfalls die Herstellung eines Zustandes, der dem vorherigen entspricht, zu verfügen.“

20       Nach der insofern eindeutigen Regelung des § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 erlischt das Recht aus einer Baubewilligung, wenn nicht binnen zwei Jahren ab der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde mit der Ausführung des bewilligten Vorhabens begonnen wurde. Die hier in Frage stehende Baubewilligung wurde vorerst am 3. Dezember 2013 und infolge einer Änderung mit am 26. März 2015 zugestelltem Bescheid vom 23. März 2015 erlassen. Eine Verlängerung dieser Frist wurde nicht beantragt. Ausgehend davon hätte der Baubeginn bis spätestens 26. März 2017 erfolgen müssen.

21       Im vorliegenden Revisionsfall stellt sich nun die Frage, ob auch Arbeiten für ein Bauvorhaben, die nicht vor Ort durchgeführt wurden, einen Baubeginn darstellen können und damit die in § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 genannte Ausführungsfrist zu wahren vermögen.

22       Dazu führte die revisionswerbende Partei aus, sie habe bereits im Herbst 2015 eine Stahlträgerkonstruktion in Auftrag gegeben; auch darin sei ein Baubeginn zu sehen. Diese Konstruktion hätte unmittelbar nach Erlass des Bescheides über die Baueinstellung vom 14. März 2019 vor Ort eingebracht werden sollen. Aus den Erwägungen des LVwG ergibt sich dazu, dass der Inhaber eines näher genannten, metallverarbeitenden Betriebes in der Steiermark angegeben hatte, Ende November 2015 mit der Herstellung, Lieferung und Montage einer Stahlunterkonstruktion beauftragt worden zu sein. Ab Mitte August 2016 habe der Materialeinkauf stattgefunden, in weiterer Folge die Fertigung. Die Montage hätte Anfang September 2016 stattfinden sollen, sei sodann auf das Frühjahr 2017 und danach durch die Bauherrin auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

23       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits mehrfach mit der Frage des Baubeginns auseinandergesetzt:

24       Im Zusammenhang mit der Frage der Ausführungsfristen nach der Vorgängerbestimmung zu § 24 NÖ BO 2014 in der NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BO 1996) hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt, dass unter Baubeginn im Sinne dieser Bestimmung ausdrücklich nur eine auf die Errichtung des bewilligten Bauwerkes gerichtete bautechnische Maßnahme zu verstehen ist (vgl. zur wortgleichen Vorgängerbestimmung in § 24 Abs. 1 NÖ BO 1996 VwGH 25.9.2012, 2011/05/0023, mwN).

25       Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass es bei der Beurteilung des Baubeginns auf die Art der Arbeiten und somit ausschließlich auf objektive Kriterien ankommt (vgl. bereits VwGH 31.1.1979, 1069/77, VwSlg. 9754 A/1979 zur Tiroler Bauordnung).

26       Dass Arbeiten der Herstellung des Vorhabens dienen, ist nach der Rechtsprechung immer nur dann anzunehmen, wenn nicht von vornherein feststeht, dass eine Fortführung dieser Arbeiten in absehbarer Zeit gar nicht möglich ist. Dass derartige Arbeiten letztlich für das zu errichtende Gebäude verwendbar gemacht werden können, aber dafür nicht bestimmt waren, würde hingegen nicht genügen, da dann die Erdarbeiten oder Bauarbeiten nicht der Herstellung der baulichen Anlage dienten (vgl. VwGH 16.10.1997, 96/06/0185, zur Steiermärkischen Bauordnung 1968).

27       Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich ebenso, dass es - sofern das Gesetz darüber keine näheren Bestimmungen trifft - unerheblich ist, in welchem Größenverhältnis die durchgeführten Arbeiten zum geplanten Bauvorhaben stehen. Bereits die Errichtung eines kleinen Teiles eines Fundamentes ist daher ebenso schon als Baubeginn anzusehen, soweit er der Herstellung des Vorhabens dient, wie die Aushebung der Baugrube. Die Planierung des Bauplatzes kann jedoch nicht darunter subsumiert werden, insoferne diese Arbeiten nicht der Herstellung der baulichen Anlage dienen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 74 Abs. 1 BO für Wien VwGH 17.4.2012, 2009/05/0313, mwN, sowie zu § 36 Abs. 3 Tiroler Bauordnung VwGH 31.1.1979, 1069/1977, VwSlg. 9754 A/1979).

28       Nach der genannten Rechtsprechung stellen bloße Vorbereitungshandlungen - wie das LVwG im Zusammenhang mit den von ihm festgestellten Vorbereitungshandlungen in Form einer Absenkung im Kellerboden im Ausmaß von 1 m2 und einer Tiefe von 5 bis 10 cm, hervorgerufen durch Schürfarbeiten, zweier kleiner Deckenlöcher im Dachboden im Ausmaß von jeweils 0,2 m2 zur Erkundung des Deckenaufbaus und als Vorarbeiten für zusätzliche Deckenauflagen und zweier Markierungen für die Positionen der zukünftigen Auflagerpunkte der erforderlichen Stahlträger zu Recht festgestellt hat - keinen Baubeginn dar (vgl. zur Frage der Qualifikation der Öffnung der Dachbodendecke durch einen Prüfingenieur als Vorbereitungshandlung erneut VwGH 17.4.2012, 2009/05/0313, mwN).

29       Gemeinsam ist der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass jeweils Tätigkeiten vor Ort am Bauplatz, am Baugrund oder an der in der Baubewilligung näher genannten Adresse des jeweiligen Bauvorhabens zur Beurteilung der Frage des Baubeginns herangezogen wurden. Die Umstände des tatsächlichen Baubeginns sind jeweils auf die Örtlichkeit des Bauvorhabens, den Bauplatz, die in der Bewilligung eindeutig umschriebene Lage des bewilligten Bauvorhabens bezogen festzustellen, womit (auch) auf deren Erkennbarkeit nach außen abgestellt wird. All dies gilt auch für § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014.

30       Die belangte Behörde führt in ihrer Revisionsbeantwortung in diesem Zusammenhang aus, dass sich der tatsächliche Baubeginn unter anderem auch deshalb auf Bautätigkeiten, die vor Ort an der Baustelle wahrnehmbar seien, beziehe, da die NÖ BO 2014 diverse Rechtsfolgen an die Kenntnis der Nachbarn und sonstigen Parteien von einem tatsächlichen Baubeginn vor Ort knüpfe, somit auf die Erkennbarkeit des Baubeginns nach außen abstellten. So sehe § 21 Abs. 4 NÖ BO 2014 die Möglichkeit vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen Nachbarn und sonstige Parteien nicht von einem Bauverfahren verständigt werden müssten, die dann erst durch den tatsächlichen Beginn der Bauführung vor Ort von einem Bauvorhaben erfahren würden.

31       In diesem Zusammenhang ist - wie die Revisionsbeantwortung ebenfalls aufzeigt - darauf hinzuweisen, dass die - im vorliegenden Verfahren nicht gegenständliche, jedoch aufgrund der folgenden Erwägungen zu beachtende - Norm des § 6 Abs. 7 NÖ BO 2014 festlegt, dass Nachbarn, die einem Bauverfahren nicht beigezogen wurden oder denen gegenüber ein Baubewilligungsbescheid nicht erlassen wurde, ihre Parteistellung verlieren, wenn die Ausführung des Bauvorhabens begonnen wurde und seit der Anzeige des Beginns der Ausführung des Bauvorhabens mehr als ein Jahr vergangen ist, sofern nicht innerhalb dieser Frist die Parteistellung geltend gemacht wurde. Diese Norm legt somit die Voraussetzungen für die „endgültige Präklusion“ übergangener Nachbarn fest (vgl. Motivenbericht der Niederösterreichischen Landesregierung zur Stammfassung der NÖ BO 2014 vom 7.10.2014, Ltg.-477/B-23/2-2014, S. 9). Dies setzt aber voraus, dass der übergangene Nachbar innerhalb der genannten Frist überhaupt die Möglichkeit hat, durch den Beginn der Ausführung vor Ort Kenntnis vom bewilligten Bauvorhaben zu bekommen, um seine Parteistellung geltend machen zu können. Würde ein Baubeginn durch jegliche (bauliche) Maßnahme, auch fernab der Örtlichkeit des bewilligten Bauvorhabens, gesetzt werden können, würde - unter anderem - § 6 Abs. 7 BO 2014 jedoch insofern ad absurdum geführt, da ein Baubeginn fernab des Bauplatzes bzw. der Örtlichkeit des bewilligten Bauvorhabens kaum einem übergangenen Nachbarn zur Kenntnis kommen würde (vgl. auch zur Verletzung des verfassungsmäßig gewährleisteten Sachlichkeitsgebots bei Abstellen auf die bloße Baubeginnsanzeige nach § 134 Abs. 4 BO für Wien in der Fassung LGBl. 61/1998 mangels Erkennbarkeit VfSlg. 18.234/2007, mwN).

32       Das LVwG hat daher die Produktion einer Stahlträgerkonstruktion an einem vom bewilligten Bauvorhaben unterschiedlichen Standort (hier: in einem anderen Bundesland) zu Recht nicht als Beginn der Ausführung des bewilligten Bauvorhabens im Sinne des § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 gewertet und folgerichtig die Untersagung der Fortführung der Arbeiten bestätigt.

33       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

34       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. November 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050005.L00

Im RIS seit

19.12.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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