TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/25 95/06/0249

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Veröffentlicht am 25.01.1996
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/05 Wohnrecht Mietrecht;

Norm

ABGB §833;
ABGB §834;
BauO Tir 1989 §27 Abs3 litb;
BauO Tir 1989 §3 Abs6;
BauRallg;
WEG 1975 §13 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der E in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. September 1995, Zl. MD/I-5834/1995, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: R in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 10. Juli 1995 wurde dem Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Vordaches im Vorgarten der erdgeschoßigen Wohnung Top 6, A-Straße 13c, auf dem Grundstück Nr. n/3, KG M, erteilt.

Die dagegen u.a. von der Beschwerdeführerin (als Miteigentümerin des Grundstückes) erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Aus den Aktenunterlagen ergebe sich, daß der Mitbeteiligte beabsichtige, auf dem genannten Grundstück an der Südwestseite des bestehenden Wohnhauses bei der Erdgeschoßwohnung Top 6 ein Flugdach zu errichten, welches als Stahl-Glas-Konstruktion ausgeführt werde und eine Länge von 5,25 m, eine Breite von 3,46 m und eine Höhe von 2,75 m erreichen solle. Ein umbauter Raum werde dadurch nicht geschaffen, das Flugdach diene lediglich als Regenschutz. Eine Zustimmungserklärung der Miteigentümer gemäß § 27 Abs. 3 lit. b Tiroler Bauordnung sei einem Ansuchen um die Erteilung einer Bewilligung nur dann anzuschließen, wenn es sich um einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes handle. Ein Flugdach stelle nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Gebäude dar, weil dadurch keine baurechtlich relevante Kubatur geschaffen werde, sodaß im vorliegenden Fall weder ein Neunoch ein Zu- bzw. ein Umbau eines Gebäudes vorliege. Die Zustimmungserklärung der Miteigentümer sei somit nicht Voraussetzung zur Erlassung eines Genehmigungsbescheides. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß mit dem neu zu erstellenden Flugdach und den bereits bestehenden nicht konsensierten baulichen Anlagen faktisch ein Raum geschaffen werde. Das Baubewilligungsverfahren stelle ein Projektsverfahren dar und es sei auf rechtlich nicht existente (bewilligte) bauliche Anlagen nicht Rücksicht zu nehmen. Seitens der Baubehörde erster Instanz seien allenfalls die Bestimmungen des § 44 Tiroler Bauordnung zur Anwendung zu bringen. Soweit die Beschwerdeführerin eine Wertminderung durch das verfahrensgegenständliche Vordach geltend mache, handle es sich um eine dem Privatrecht zuzuordnende Einwendung. Es sei die Beschwerdeführerin mit dieser Einwendung auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen gewesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Qualifizierung des gegenständlichen Bauvorhabens als Zubau im Sinne des § 3 Abs. 6 in Verbindung mit § 27 Abs. 3 lit. b Tiroler Bauordnung, weiters auf Abweisung dieses Bauansuchens mangels dafür erforderlicher Zustimmungserklärung gemäß § 27 Abs. 3 lit. b Tiroler Bauordnung und auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren, insbesondere durch richtige und vollständige Sachverhaltsermittlung, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 6 Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung (im folgenden: BO), ist ein Zubau die Vergrößerung eines bestehenden Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume. Anbau ist ein Zubau in waagrechter Richtung, ein Aufbau ist ein Zubau in lotrechter Richtung. Gemäß § 3 Abs. 2 BO sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

Gemäß § 27 Abs. 3 lit. b BO ist einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes überdies anzuschließen:

"b) die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht Grundeigentümer bzw. Bauberechtigter ist, sowie ...;".

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach das verfahrensgegenständliche Flugdach kein Zubau im Sinne des § 3 Abs. 6 BO sei. Es müßten die vorhandenen baulichen Anlagen bzw. Bauwerke im Zusammenhang mit dem neu zu errichtenden Flugdach gesehen werden. Tatsache sei, daß eine Räumlichkeit in Form eines Zubaues geschaffen werde. Diese Räumlichkeit werde im Osten durch die Beton-Gartenmauer, im Süden durch den mit dem Erdboden fest verbundenen Zaun, im Westen mit der Stahlwand, am Boden mit den betonierten Terrassennatursteinen, gegen Norden mit der Hauswand und nach oben mit dem neu zu errichtenden Flugdach begrenzt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde eine Verbindung mit dem Boden nicht etwa nur durch eine Fundamentierung, sondern auch durch das Einschlagen von Pfosten in den Boden (hier der südseitige Zaun) herbeigeführt. Dieser neugeschaffene Raum diene offensichtlich auch dem Aufenthalt von Personen. In der Errichtung des Flugdaches alleine wie auch im Zusammenhalt mit den sonstigen konsenslos durchgeführten Baumaßnahmen liege weiters eine immanente Beeinträchtigung der Interessen der Miteigentümer. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 15. November 1984, Zl. 84/06/0126, jede Art der Bauführung, die sowohl zu einer Schädigung des Hauses als auch zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer führen könnte, für zustimmungspflichtig erklärt.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Es handelt sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren. Gegenstand des vorliegenden Bauverfahrens ist daher lediglich das beantragte Flugdach. Daß es sich bei einem Flugdach um einen Zubau im Sinne des § 3 Abs. 6 BO handelt, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Es kann aber - gleichfalls unbestritten - nicht davon die Rede sein, daß dieses Flugdach in Verbindung MIT EINEM VORHANDENEN BEWILLIGTEN BAUBESTAND einen Zubau bildet, was im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen wäre.

Auch der Hinweis auf § 13 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz 1975, wonach der Wohnungseigentümer zu Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung berechtigt ist, wenn die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer zur Folge hat, und auf die §§ 833 und 834 ABGB führen zu keinem anderen Ergebnis, da in § 27 Abs. 3 lit. b BO ausdrücklich die Fälle geregelt sind, in denen gemäß der Bauordnung im Baubewilligungsverfahren eine Zustimmungserklärung des Grundeigentümers, der nicht der Bauwerber ist, erforderlich ist und sohin im vorliegenden Fall aus der Sicht der BO kein Gebot der Zustimmung des Grundeigentümers besteht (vgl. im übrigen auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 90/06/0053). Die für den Fall des Miteigentums relevante Frage, ob alle Miteigentümer oder nur deren Mehrheit einer Baumaßnahme zustimmen müßten, welche in den von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes von Bedeutung war, spielte daher im vorliegenden Fall aus baurechtlicher Sicht keine Rolle.

Der Rüge der Beschwerdeführerin, daß die konsenslos gesetzten baulichen Maßnahmen im vorliegenden Bauverfahren zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien, ist auch in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, daß es sich bei dem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt. Die belangte Behörde hat daher zu Recht darauf verwiesen, daß in einem solchen Verfahren "auf rechtlich nicht existente (bewilligte) bauliche Anlagen" keine Rücksicht zu nehmen sei. Auch der Umstand, ob und wie die Baubehörden gegen die von der Beschwerdeführerin erwähnten konsenslosen Baumaßnahmen des Mitbeteiligten vorgehen oder nicht, hat auf die Frage der Rechtmäßigkeit des verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsverfahrens keinen Einfluß. Es kann sich daraus somit auch keine Mangelhaftigkeit des verfahrensgegenständlichen Bauverfahrens ergeben.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060249.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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