TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/25 95/07/0167

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Veröffentlicht am 25.01.1996
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Index

L66207 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Tirol;
80/06 Bodenreform;

Norm

GSGG §2 Abs1 Z2;
GSGG §2;
GSGG §3;
GSLG Tir §2 Abs1 litb;
GSLG Tir §2 Abs1;
GSLG Tir §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 13. Juli 1995, Zl. LAS-190/12-88, betreffend Bringungsrecht (mitbeteiligte Partei: H in L, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. November 1988 räumte das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) der mitbeteiligten Partei (mP) gemäß den §§ 1, 2, 3, 6, 7 und 12 des Tiroler Güter- und Seilwege-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970 (GSLG. 1970) zugunsten näher bezeichneter Grundstücke ein Bringungsrecht auf dem im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehenden Grundstück Nr. 541 der KG A. zur Errichtung, Erhaltung und Benützung eines nichtöffentlichen Weges ("K.-Weg") nach Maßgabe des Projektes der Außenstelle IIId X vom 8. Februar 1988 auf Dauer ein. Gleichzeitig wurde die mP verpflichtet, an die beschwerdeführende Partei für die durch die Einräumung des Bringungsrechtes auf Grundstück Nr. 541 verursachten vermögensrechtlichen Nachteile eine einmalige Geldentschädigung in Höhe von S 5.080,-- zu leisten. In der Begründung dieses Bescheides ging die AB davon aus, die für den Wegebau in Anspruch genommene Fläche auf Grundstück Nr. 541 habe projektsgemäß ein Ausmaß von 3.600 m2.

Die beschwerdeführende Partei berief.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als die von der mP an die beschwerdeführende Partei zu leistende Entschädigung für die Einräumung des Bringungsrechtes auf Grundstück Nr. 541 mit S 6.345,-- festgesetzt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde sei bei der Festsetzung der Entschädigung für die in Anspruch genommenen Grundstücke im Gegensatz zur AB davon ausgegangen, daß durch den Wegbau nicht nur 3.600 m2, sondern eine Fläche von 4.900 m2 dauernd und eine Fläche von 8.000 m2 vorübergehend beansprucht würden. Die dauernde Grundinanspruchnahme belaufe sich für die Wegtrasse auf

3.600 m2 (Regelbreite 2,80 x 1200 lfm), für Kehrenverbreiterungen laut Grundriß auf 6 x 50 m2 = 300 m2 und für die tal- und bergseitigen Steinschlichtungen auf 1240 m2. Die Einräumung des Bringungsrechtes selbst erfolge jedoch nur auf der im Projekt ausgewiesenen Trasse. Zur projektsgemäßen Ausführung des Bringungsrechtes sei also - wie vorgesehen - eine größere Fläche erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde sei unzulässigerweise über den Antrag der mP hinausgegangen. Während der Bescheid der AB vom 14. November 1988 auf Grund des Projektes der Außenstelle X vom 8. Februar 1988 von einer Bringungsfläche von 3.600 m2 ausgehe, spreche der angefochtene Bescheid über die Entschädigung für

eine dauernd in Anspruch genommene Fläche von 4.900 m2 und über

eine vorübergehend in Anspruch genommene Fläche von 8.000 m2 ab. Daraus ergebe sich, daß es seitens der mP eines auf die Einräumung des Bringungsrechtes auf einer Fläche von 4.900 m2 gerichteten Antrages bedurft hätte, um den Wegbau projektsgemäß zu verwirklichen. Der angefochtene Bescheid sei daher nicht schlüssig, in sich widersprüchlich und nicht exekutierbar.

Auch die Begründung des angefochtenen Bescheides sei widersprüchlich. Die belangte Behörde bringe zum Ausdruck, der Wegbau sei projektsgemäß auf der beantragten und bewilligten Fläche von 3.600 m2 nicht zu verwirklichen. Auch in diesem Punkt sehe die beschwerdeführende Partei einen unlösbaren Widerspruch, wenn bei der von der mP zu leistenden Entschädigung von Flächen ausgegangen werde, die über die beantragte Bringungsfläche hinausgingen und vom Antrag auf Einräumung des Bringungsrechtes ncht umfaßt seien und andererseits festgestellt werde, daß mit der bewilligten Bringungsfläche von 3.600 m2 der Wegbau projektsgemäß nicht durchgeführt werden könne.

Die belangte Behörde habe auch das Vorliegen der in § 2 GSLG. 1970 normierten Kriterien unrichtig beurteilt. Zu den in dieser Gesetzesstelle angeführten öffentlichen Interessen gehöre auch der Natur- und Landschaftsschutz. Das von der Einräumung des Bringungsrechtes betroffene Grundstück Nr. 541 der beschwerdeführenden Partei liege im Landschaftsschutzgebiet der X-Dolomiten. Der mit der Einräumung des Bringungsrechtes verbundene Wegebau bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Landschaftsschutzgebiet, dem in anderer Weise dadurch vorgebeugt werden könnte, daß sich die mP auf eine Verbreiterung und Verbesserung des bestehenden Fußweges beschränke und die Bringung land- und forstwirtschaftlicher Produkte mittels Materialseilbahn und des Holzes mittels Seilkranförderung vornehme.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 GSLG. 1970 ist ein Bringungsrecht im Sinne dieses Gesetzes das zugunsten von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, eingeräumte Recht, Personen und Sachen über fremden Grund zu bringen.

Bringungsrechte können nach § 1 Abs. 2 lit. a leg. cit. auch die Berechtigung umfassen, eine Bringungsanlage zu errichten, auszugestalten, zu erhalten, zu benützen und zu verwalten.

Nach § 2 Abs. 1 GSLG. 1970 ist auf Antrag des Eigentümers eines Grundstückes ein Bringungsrecht einzuräumen, wenn

a) die zweckmäßige Bewirtschaftung von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dadurch erheblich beeinträchtigt wird, daß für die Bringung der auf den Grundstücken oder im Betrieb gewonnenen oder gewinnbaren Erzeugnisse oder der zur Bewirtschaftung erforderlichen Personen oder Sachen keine oder nur eine unzulängliche Bringungsmöglichkeit besteht, und

b) dieser Nachteil nur durch ein Bringungsrecht beseitigt oder gemildert werden kann, das den in § 3 Abs. 1 aufgestellten Erfordernissen entspricht und öffentliche Interessen, insbesondere des Forst- und Bergwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, der Wasserwirtschaft, des öffentlichen Verkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, der Landesverteidigung und der Sicherheit des Luftraumes, nicht verletzt.

Die Beachtung der im § 2 Abs. 1 lit. b GSLG. 1970 angesprochenen öffentlichen Interessen ist Sache der Behörde. Ein subjektives Recht auf Wahrung dieser öffentlichen Interessen ist der beschwerdeführenden Partei nicht eingeräumt. Abgesehen davon ist die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, die belangte Behörde habe durch den angefochtenen Bescheid Interessen des Naturschutzes verletzt, schon deswegen unzutreffend, weil für die Errichtung des zur Verwirklichung des Bringungsrechtes dienenden Weges eine naturschutzbehördliche Bewilligung vorliegt.

Unzutreffend ist auch der Einwand der beschwerdeführenden Partei, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil sich das eingeräumte Bringungsrecht auf eine größere Fläche erstrecke als von der mP beantragt worden sei. Der Antrag auf Einräumung eines Bringungsrechtes hat nämlich lediglich die Funktion, die Entscheidungspflicht der Behörde darüber auszulösen, ob für eine bestimmte Liegenschaft die Bringungsmöglichkeit fehlt oder unzulänglich ist; in welcher Form einem von der Behörde bejahten Bringungsnotstand durch Einräumung welchen wie immer figurierenden Bringungsrechtes abzuhelfen ist, hat die Behörde nach den Gegebenheiten des Einzelfalles von Amts wegen festzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1993, Zl. 92/07/0036).

Hingegen ist die beschwerdeführende Partei im Ergebnis im Recht, wenn sie meint, der angefochtene Bescheid sei mit Widersprüchen behaftet.

Die belangte Behörde hat den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides - mit Ausnahme des Ausspruches über die Entschädigung - bestätigt. Dieser von der belangten Behörde durch die Bestätigung zum Inhalt des Spruches ihres Bescheides gemachte Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bezieht sich auf das Projekt der Außenstelle IIId X vom 8. Februar 1988, 299 G/22. Dieses sieht, wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, die Anspruchnahme einer Fläche von

3.600 m2 aus Grundstück Nr. 541 vor. Auf die Inanspruchnahme dieser Fläche bezieht sich daher auch der Spruch des angefochtenen Bescheides. Demgegenüber geht die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß für die Bringungsanlage nicht nur 3.600 m2, sondern eine Fläche von 4.900 m2 dauernd und eine Fläche von 8.000 m2 vorübergehend beansprucht werden. Es besteht also ein Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides. Die Meinung der belangten Behörde, die Einräumung des Bringungsrechtes selbst erfolge nur auf der im Projekt ausgewiesenen Trasse, erweist sich als unzutreffend. Die Einräumung des Bringungsrechtes umfaßt im vorliegenden Fall auch die Errichtung und Ausgestaltung der Bringungsanlage, Maßnahmen also, die, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides selbst ausgeführt hat, eine Grundinanspruchnahme von mehr als 3.600 m2 erfordern.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nicht zuerkannt werden, da die Beschwerdeführerin gebührenbefreit ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995070167.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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