TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/21 96/21/0008

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Veröffentlicht am 21.02.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2 idF 1992/838;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FlKonv Art1;
FlKonv Art31 Z1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. November 1995, Zl. Fr-3927/95-W, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Liberia, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG ausgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 25. August 1995 nach Österreich eingereist sei. Sie sei weder im Besitz eines gültigen Reisedokumentes noch einer Aufenthaltsberechtigung.

Ihr am 28. August 1995 gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. September 1995 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe am 25. Juli 1995 ihr Heimatland verlassen und sei in die Elfenbeinküste gereist. Dort habe sie sich bis 20. August 1995 bei einem Priester aufgehalten. Dieser habe ihr einen Reisepaß besorgt. Nach ihren weiteren Angaben sei sie mit einem Flugzeug über Ägypten nach Wien gereist. Die Beschwerdeführerin sei somit nicht direkt aus dem Land eingereist, in dem sie behaupte, verfolgt zu werden. Es komme ihr demnach kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zu. Bei ihrer Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Baden habe die Beschwerdeführerin angegeben, daß sie völlig mittellos sei und ihre Einreise in das Bundesgebiet illegal erfolgt sei. Während des Berufungsverfahrens habe sie keine Verpflichtungserklärung beigebracht. Die Bestätigung der Caritas, wonach sie untergebracht und versorgt werde, reiche für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt nicht aus.

Die Beschwerdeführerin sei unter Mißachtung des zweiten Teiles des Fremdengesetzes und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und sei binnen einem Monat betreten worden. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. "Gemäß § 17 Abs. 2 FrG" sei keine Interessenabwägung vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, daß die Beschwerdeführerin ohne gültigen Reisepaß und ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet gelangt ist, unbestritten. Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG unbedenklich.

Der verfügten Ausweisung hält die Beschwerdeführerin entgegen, daß das Asylansuchen noch nicht rechtskräftig beendet sei und die belangte Behörde die Umstände, die für die Erledigung ihres Asylansuchens sprechen, nicht genau überprüft habe.

Die Beschwerdeführerin übersieht mit diesem Vorbringen, daß ihr gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukommt und daher gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. die Bestimmungen des § 17 FrG auf sie anwendbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1206). Die Beschwerdeführerin gelangte nämlich weder "direkt" aus einem Gebiet, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bedroht war (Art. 31 Z. 1 der Konvention), noch "direkt" aus dem Staat, in dem sie behauptete, insoweit Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 AsylG 1991), nach Österreich; ferner liegt auch kein Anhaltspunkt für die Annahme vor, sie hätte gemäß § 37 Fremdengesetz wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem sie direkt einreiste (Ägypten) zurückgewiesen werden dürfen (§ 6 Abs. 2 zweiter Fall Asylgesetz 1991). Der am 28. August 1995 gestellte Asylantrag konnte der Beschwerdeführerin somit keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0575, und vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0346).

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat sie bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG Ermessen zu üben. Die Ermessensübung der Behörde hat sich aber davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Andere Umstände hat die Behörde bei der Ermessensübung nicht zu berücksichtigen, insbesondere ist es ihr verwehrt, auf allenfalls für den Fremden sprechende Umstände im Sinne der §§ 19 und 20 FrG Bedacht zu nehmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1208). Bereits aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG ist die Ausweisung unter Berücksichtigung des hohen Stellenwertes, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten zukommt, gerechtfertigt. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung ihrer Behauptung, in "ernster Bekanntschaft zu stehen" und sich daher einen Wahlanwalt leisten zu können, über ausreichende Mittel zu ihrem Unterhalt verfügt, und somit die auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gestützte Ausweisung unzulässig wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Falle einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG - anders als im Falle einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. - auf § 19 leg. cit. nicht Bedacht zu nehmen (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1208). Aus diesem Grunde ist der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, daß sie zur Absicht der belangten Behörde keine Stellung habe nehmen können, ist sie darauf hinzuweisen, daß die ins Auge gefaßte rechtliche Beurteilung des - auch in der Beschwerde unbestrittenen - Sachverhaltes durch die Behörde nicht Gegenstand des Parteiengehörs (§ 45 Abs. 3 AVG) ist.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996210008.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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