TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/28 LVwG-S-2549/001-2022

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Veröffentlicht am 28.10.2022
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Entscheidungsdatum

28.10.2022

Norm

BauO NÖ 2014 §20 Abs1 Z7
BauO NÖ 2014 §37 Abs1 Z1
GewO 1994 §81 Abs3
  1. GewO 1994 § 81 heute
  2. GewO 1994 § 81 gültig ab 18.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017
  3. GewO 1994 § 81 gültig von 12.07.2013 bis 17.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2013
  4. GewO 1994 § 81 gültig von 29.05.2013 bis 11.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2013
  5. GewO 1994 § 81 gültig von 27.02.2008 bis 28.05.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 42/2008
  6. GewO 1994 § 81 gültig von 01.12.2004 bis 26.02.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2004
  7. GewO 1994 § 81 gültig von 20.05.2003 bis 30.11.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 23/2003
  8. GewO 1994 § 81 gültig von 02.11.2002 bis 19.05.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2002
  9. GewO 1994 § 81 gültig von 24.07.1997 bis 01.11.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2002
  10. GewO 1994 § 81 gültig von 01.07.1997 bis 23.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/1997
  11. GewO 1994 § 81 gültig von 19.03.1994 bis 30.06.1997

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau der A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 31.08.2022, ***, betreffend Bestrafung nach der NÖ Bauordnung 2014, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (in der Folge: belangte Behörde) vom 31.08.2022, ***, wurde die Beschwerdeführerin wie folgt bestraft (Fettdruck im Original):

„(…)

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:   20.04.2022

Ort:    C GmbH, ***, ***,

         Grundstücksnummer ***

Tatbeschreibung:

Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma C GmbH mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass diese Firma ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtswirksame Baubewilligung ausgeführt hat und benützt. Im Zuge einer Überprüfungsverhandlung am 20.04.2022 wurde festgestellt, dass folgende Änderungen im Zuge der Bauausführung ohne rechtswirksame Baubewilligung ausgeführt wurden:

1. Die Anlieferungszone im Bereich der Achse 1 wurde um ca. 1m verlängert (Volumenvergrößerung)

2. Im Bereich des Innenhofes wurde anstelle der 2-läufigen Stiegenanlage eine Wendeltreppe als neue bauliche Anlage errichtet.

Diese Wendeltreppe verbindet zusätzlich die Räumlichkeiten des Obergeschoßes mit dem Innenhof.

3. Die Sockelmauer im Bereich der Anlieferung als seitliche Abgrenzung zur Anlieferungsrampe wurde neu ausgeführt.

4. In Richtung Nordosten wurde im Bereich der höherliegenden Halle eine Werbeanlage in Form vom großformatigen Firmenlettern errichtet.

Bei dieser Werbeanlage handelt es sich ebenfalls um eine baurechtlich bewilligungspflichtige bauliche Anlage.

5. In Verlängerung des Ganges (7,81 m²) neben dem Labor wurde irrtümlicherweise eine 4-stufige Stiegenanlage eingezeichnet. Diese Stiegenanlage wurde und wird nicht ausgeführt. Anstelle dessen befindet sich in diesem Bereich eine Rampenanlage, welche die Höhendifferenz zwischen den beiden Fußbodenoberkanten im Ausmaß von ca. 15 cm überbrückt. Im Bereich des Ganges befindet sich ein ehemaliger Schornstein nur im EG, welcher in der Zwischenzeit funktionslos ist.

6. Die Erhöhung der Stützmauer um 1,00 m, bewilligungspflichtige Baumaßnahme

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 37 Abs. 1 Z. 1 iVm § 14 der NÖ Bauordnung 2014 idGF

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafen von          falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß

                           Ersatzfreiheitsstrafen von

€ 1.000                  34 Stunden                         § 37 Abs.2 Z. 1 der NÖ

                                                               Bauordnung 2014

Gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe vom 100,00 € vorgeschrieben.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass alle seitens der belangten Behörde geforderten Einreichunterlagen bereits erstellt und ordnungsgemäß an diese übermittelt worden seien. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.10.2022 wurde unter anderem ergänzend vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022, ***, bereits hinsichtlich desselben Sachverhaltes bestraft worden sei und daher eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes vorliege.

3.   Feststellungen:

Am 20.04.2022 fand in der mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 27.01.1994, zuletzt geändert mit Bescheid vom 04.11.2021, ***, genehmigten Betriebsanlage der Firma C GmbH eine gewerbebehördliche Überprüfungsverhandlung statt.

Hierbei wurde festgestellt, dass auf dem Grundstück mit der Grundstücksnummer ***, KG ***:

1.   die Anlieferungszone im Bereich der Achse1 um ca. 1 m verlängert wurde (die Rampe wurde gegenüber der bestehenden baubehördlichen Bewilligung um ca. 1m länger ausgeführt, sodass die Rampenneigung flacher wurde),

2.   im Bereich des Innenhofes anstelle einer 2-läufigen Stiegenanlage eine Wendeltreppe errichtet wurde,

3.   die Sockelmauer im Bereich der Anlieferung als seitliche Abgrenzung zur Anlieferungsrampe neu ausgeführt wurde,

4.   in Richtung Nordosten im Bereich der höherliegenden Halle eine Werbeanlage in Form vom großformatigen Firmenlettern errichtet wurde,

5.   in Verlängerung des Ganges (7,81 m²) neben dem Labor anstelle einer 4-stufigen Stiegenanlage eine Rampenanlage errichtet wurde, welche die Höhendifferenz zwischen den beiden Fußbodenoberkanten im Ausmaß von ca. 15 cm überbrückt und

6.   eine Stützmauer um 1,00 m erhöht wurde.

Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022, ***, wie folgt bestraft (Fettdruck im Original):

„(…)

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:   20.04.2022

Ort:    *** ***, Grst.Nr. ***, KG ***

Tatbeschreibung:

Sie haben als gewerberechtliche Geschäftsführerin und somit Verantwortliche (§§ 39 und 370 Abs. 1 GewO 1994) für das Gewerbe "Wermut-, Dessert-, Schaum- und Perlweinerzeuger" der Firma C GmbH mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass diese Firma als Betriebsinhaberin zum angeführten Zeitpunkt die mit rechtskräftigem Bescheid zuletzt vom 26.08.2019, *** (Erweiterung der Betriebsanlage durch Errichtung einer Lagerhalle auf dem Grst.Nr. ***, KG ***, und Aufstellung eines Notstromaggregates auf dem Grst.Nr. ***, KG ***) genehmigte Betriebsanlage in ***, ***, im Sinne des § 81 Abs. 2 Zif. 7 GewO 1994 idgF geändert hat, ohne dies der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, vorher anzuzeigen.

Im Zuge einer behördlichen Überprüfung am 20.04.2022 wurden folgende Abänderungen gegenüber dem Genehmigungsbescheid vom 26.08.2019 festgestellt: 1. Die Anlieferungszone im Bereich der Achse1 wurde um ca. 1 m verlängert (Volumsvergrößerung).

2. Im Bereich des Innenhofes wurde anstelle der 2-läufigen Stiegenanlage eine Wendeltreppe als neue bauliche Anlage errichtet. Diese Wendeltreppe verbindet zusätzlich die Räumlichkeiten des OG mit dem Innenhof.

3. Die Sockelmauer im Bereich der Anlieferung als seitliche Abgrenzung zur Anlieferungsrampe wurde neu ausgeführt.

4. In Richtung Nordosten wurde im Bereich der höherliegenden Halle eine Werbeanlage in Form vom großformatigen Firmenlettern errichtet.

5. In Verlängerung des Ganges (7,81 m²) neben dem Labor wurde irrtümlicherweise eine 4stufige Stiegenanlage eingezeichnet. Diese Stiegenanlage wurde und wird nicht ausgeführt. Anstelle dessen befindet sich in diesem Bereich eine Rampenanlage, welche die Höhendifferenz zwischen den beiden Fußbodenoberkanten im Ausmaß von ca. 15 cm überbrückt. Im Bereich des Ganges befindet sich ein ehemaliger Schornstein nur im EG, welcher in der Zwischenzeit funktionslos ist.

6. Entlang der Achse1 wurde in der Einreichung eine Raumgruppe bestehend aus Büro und den nach Geschlechtern getrennten Garderoben- und Nassräumen projektiert. Diese Raumanordnung wurde nicht realisiert. Der Büroraum entfiel zur Gänze, anstelle der nach Geschlechtern getrennten Nass- und Garderobenräume wurde innerhalb des Verbindungsganges unter Einhaltung der Mindestfluchtwegbreiten ein einziger Nass- raum (2 Toiletten, eine Waschgelegenheit, ein Pissoir, geschaffen). Diese Nassraum war am heutigen Tag noch nicht komplettiert.

7. Im Zuge der Änderungen in baulicher und funktioneller Hinsicht wurden auch mehrere Tore-, Tür und Fensteröffnungen lage- und größenmäßig verändert. Die endgültige Ausführung dieser Wandöffnungen ist im vorliegenden Bestandsplan dokumentiert.

Vom Amtssachverständigen für Bautechnik und vom Amtssachverständigen für Maschinenbautechnik wurde festgestellt, dass es sich bei den ggst. Änderungen um anzeigepflichtige Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 handelt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 368 i.V.m. § 81 Abs. 2 Zif. 7 i.V.m. § 81 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafen von     falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß

                       Ersatzfreiheitsstrafen von

€ 200,00             61 Stunden                         § 368 Gewerbeordnung 1994 GewO

                                                           1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt

                                                           geändert durch BGBl. I Nr. 42/2008

Diese Strafverfügung ist mangels Erhebung von Rechtsmitteln in Rechtskraft erwachsen.

4.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich in unbedenklicher Weise aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten der belangten Behörde. Insbesondere aus der Niederschrift der belangten Behörde vom 20.04.2022, *** und ***, über die Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie aus der zitierten Strafverfügung. Die in Klammer gesetzte Ergänzung zu Punkt 1 ergibt sich aus der Aussage des Zeugen D im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 25.10.2022.

5.   Rechtslage:

5.1 Die einschlägigen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) idF LGBl. Nr. 20/2022 lauten auszugsweise:

„(…)

§ 20Vorprüfung
  1. (1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
    1. 1.
      die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone, sofern das Vorhaben nicht der Erfüllung einer Freigabebedingung dient,
    2. 2.
      der Bebauungsplan,
    3. 3.
      der Zweck einer Bausperre,
    4. 4.
      die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,
    5. 5.
      ein Bauverbot nach § 13 oder nach § 53 Abs. 6 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,
    6. 6.
      bei Hochhäusern, sofern deren Raumverträglichkeit nicht bereits im Widmungsverfahren geprüft wurde, das Unterbleiben der Raumverträglichkeitsprüfung oder deren negatives Ergebnis, oder
    7. 7.
      sonst eine Bestimmung
      • dieses Gesetzes, ausgenommen § 18 Abs. 4,
      • des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung,
      • der NÖ Aufzugsordnung 2016, LGBl. Nr. 9/2017,
      • des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210,
      • des NÖ Kanalgesetzes, LGBl. 8230, oder
      • einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze
    entgegensteht.
    Die Baubehörde kann von der Überprüfung des Energieausweises absehen, wenn nicht im Verfahren Zweifel an der Richtigkeit des Energieausweises auftreten.
    Bei gewerblichen Betriebsanlagen ist die Prüfung nach Z 7 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist.
    Weisen bewilligte Hauptgebäude bereits einen Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan (Z 2) auf, welcher nicht beseitigt werden kann, sind Zubauten und Abänderungen insofern zulässig, als der Istzustand im Hinblick auf die Festlegungen des Bebauungsplanes nicht verschlechtert wird.
    Die Z 1 bis 7 stehen dem Bauvorhaben nicht entgegen, wenn es sich um Flächen handelt, für die eine rechtswirksame überörtliche Planung im Sinn des § 15 Abs. 2 Z 1 NÖ ROG 2014 für Flughäfen besteht. Anzuwenden sind lediglich die bautechnischen Bestimmungen dieses Gesetzes und der NÖ Aufzugsordnung 2016 sowie die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren, jeweils samt allfälliger Durchführungsverordnungen.
    Bei Hochhäusern und Bauwerken für größere Menschenansammlungen von mehr als 120 Personen (z. B. Versammlungsstätten, Veranstaltungsbetriebsstätten) ist ein Vertreter der Feuerwehr als Auskunftsperson einzubinden.

    (…)

§ 23Baubewilligung
  1. (1) Über einen Antrag auf Baubewilligung ist schriftlich zu entscheiden.
    Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß.
    Liegt ein Widerspruch vor, ist die Baubewilligung zu versagen. Die Baubewilligung umfasst das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn die erforderlichen Unterlagen nach § 30 Abs. 2 oder 3 vorgelegt werden.

(…)“

5.2 Die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) idF BGBl. I Nr. 108/2022 lauten auszugsweise:

„(…)

8. Betriebsanlagen
§ 74.
  1. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.
  2. (2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
    1. 1.
      das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
    2. 2.
      die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
    3. 3.
      die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
    4. 4.
      die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
    5. 5.
      eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

    (…)

§ 81.
  1. (1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
  2. (2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:
    1. 1.
      bescheidmäßig zugelassene Änderungen gemäß § 79c Abs. 2,
    2. 2.
      Änderungen zur Einhaltung von anderen oder zusätzlichen Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 oder § 79b,
    3. 3.
      Änderungen zur Anpassung an Verordnungen auf Grund des § 82 Abs. 1,
    4. 4.
      Bescheiden gemäß § 82 Abs. 3 oder 4 entsprechende Änderungen,
    5. 5.
      Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, daß der Ersatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs. 1 zu behandeln ist.
    6. 6.
      Änderungen durch den Einsatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen, die unter Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 fallen oder in Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind, sofern § 76 Abs. 3 nicht entgegensteht,
    7. 7.
      Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden,
    8. 8.
      Sanierung gemäß § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988,
    9. 9.
      Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,
    10. 10.
      Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes (§ 353 Z 1 lit. c),
    11. 11.
      Änderungen von vorübergehender, vier Wochen nicht überschreitender Dauer, die keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen bewirken und aus Anlass von Ereignissen oder Veranstaltungen, die in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, vorgenommen werden.
  3. (3) Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

    (…)“

6.   Erwägungen:

Nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Zur Würdigung der Frage, ob „dieselbe Sache“ vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht. Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich („in substance“) als auch zeitlich („in time“). Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, ist unter anderem maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden (VwGH 22.06.2022, Ra 2021/02/0241 mwN).

Ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot kann auch in Konstellationen vorliegen, in denen für dasselbe tatsächliche Verhalten (in grundsätzlich unbedenklicher Weise) zwei Bewilligungen nach verschiedenen Gesetzen erforderlich sind (VwGH 31.01.2006, 2005/05/0049).

Fallbezogen ist zunächst festzuhalten, dass die Tatvorwürfe im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 31.08.2022 auf dasselbe tatsächliche Verhalten der Beschwerdeführerin zurückgehen, welches bereits mit der rechtskräftigen Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022 sanktioniert worden ist. Ihr wurde jeweils vorgeworfen, die aufgezählten baulichen Anlagen errichtet bzw. benützt zu haben. Einerseits unter dem rechtlichen Gesichtsunkt, dass hierfür keine Anzeige gemäß § 81 Abs. 3 GewO 1994 eingebracht worden ist, und andererseits unter dem Gesichtspunkt, dass hierfür keine baubehördliche Bewilligung erwirkt worden ist. Anzumerken ist hierbei, dass in der Strafverfügung die „Änderung“ der Betriebsanlage vorgeworfen wird, während sich das nun angefochtene Straferkenntnis (in mangelnder Konkretisierung des Spruches) sowohl auf den Straftatbestand „Ausführen“ als auch auf den Straftatbestand „Benützen“ bezieht (vgl. hierzu 24.02.2016, Ra 2016/05/0004 mwN). Beide Strafbescheide führen jedoch mit „20.04.2022“ den gleichen Tatzeitpunkt an, welcher sich zumindest teilweise als unrichtig erweist, zumal die Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt der Überprüfung bereits fertiggestellt waren (vgl. hierzu VwGH 27.01.2011, 2009/03/0105). Diese mangelnden Konkretisierungen können jedoch nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgelegt werden, zumal die Konkretisierung des Spruches im Sinne des § 44a VStG der Gefahr einer Doppelbestrafung vorbeugen soll. Für die folgende Beurteilung war daher davon auszugehen, dass sich die jeweiligen Tatvorwürfe auf dasselbe tatsächliche Verhalten der Beschwerdeführerin beziehen.

Es ist daher in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob diese verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden (zur Schutzrichtung der herangezogenen Normen siehe auch VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0029).

Bei der im gegenständlichen Fall für erforderlich erachteten Anzeige der Änderung einer Betriebsanlage gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994, hat die Gewerbebehörde zu prüfen, ob die Änderungen das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die die Änderung auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Hierbei handelt es sich unter anderem um Einwirkungen auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr sowie Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer.

Eine Baubewilligung ist gemäß § 23 Abs. 1 NÖ BO 2014 zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen ist die Prüfung nach Z 7 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist.

Abstrakt gesehen verfolgen die Bestimmungen der NÖ BO 2014 daher durchaus auch verschiedene Zwecke gegenüber einem Anzeigeverfahren gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 und ist etwa auch die Übereinstimmung mit Flächenwidmungsplänen, Bebauungsplänen, Bausperren bzw. Bauverboten zu prüfen.

Hinsichtlich dieser Aspekte lag im gegenständlichen Fall (geringfügige Verlängerung einer Rampe, Erhöhung bzw. Neuausführung einer Stützmauer, Errichtung einer Wendeltreppe, einer Werbeanlage und einer 15cm hohen Rampe) jedoch keine besondere Relevanz vor bzw. bestand keine Bausperre oder ein Bauverbot.

Der Umstand, dass die Prüfung nach § 20 Abs. 1 Z 7 NÖ BO 2014 bei gewerblichen Betriebsanlagen auf jene Bestimmungen eingeschränkt ist, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist, zeigt bereits, dass die Normen diesbezüglich grundsätzlich dieselbe Schutzrichtung aufweisen.

Im konkreten Fall sind zudem keine Bestimmungen ersichtlich, deren Regelungsinhalt nicht bereits durch das gewerbebehördliche Anzeigeverfahren erfasst sind. In Hinblick auf die in § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 aufgezählten Schutzziele haben die Erhöhung bzw. Neuausführung von Stützmauern bzw. die Errichtung einer Werbeanlage auch im gewerbebehördlichen Verfahren den Grundanforderungen an Bauwerke, insbesondere die mechanische Festigkeit und Standsicherheit (§ 43 NÖ BO 2014) zu entsprechen. Selbiges gilt für eine den Regeln der Technik zu entsprechende Dimensionierung bzw. Ausführung der Stiegen- und Rampenanlagen.

Zusammenfassend ist daher im konkreten Fall nicht ersichtlich, inwiefern durch das angefochtene Straferkenntnis verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Vielmehr würden die wesentlichen Gesichtspunkte des Straftatbestandes einer neuerlichen Bestrafung unterworfen werden.

Es war davon auszugehen, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens im gegenständlichen Fall durch die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin nach der Gewerbeordnung 1994 abgegolten ist und kein weitergehendes Strafbedürfnis wegen desselben Tatvorwurfes besteht.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr waren die gegenständlichen Rechtsfragen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu lösen.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Verwaltungsstrafe; Doppelbestrafungsverbot;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2549.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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