TE Vwgh Erkenntnis 2022/10/19 Ra 2020/04/0030

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier über die Revision der T GmbH + Co. KG in L, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer, Mag. Gerlinde Murko und Mag. Daniel Herbert Klatzer, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 17. Dezember 2019, Zl. KLVwG-1479/8/2019, betreffend eine Maßnahme gemäß § 360 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St.Veit/Glan), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Mit Eingabe vom 19. Oktober 2015 stellte die Revisionswerberin den Antrag auf Genehmigung einer Änderung der von ihr an einem näher genannten Standort betriebenen Betriebsanlage.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2019 wurde gegenüber der Revisionswerberin gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 verfügt, die ohne gewerbebehördliche Genehmigung erfolgende Nutzung der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage in der ohne Vorliegen einer Genehmigung geänderten Form zu unterlassen.

3        Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 Beschwerde, in der sie unter anderem geltend machte, dass infolge Anwendbarkeit des § 360 Abs. 1a GewO 1994 die Voraussetzungen für die bescheidmäßige Verfügung der Maßnahme nicht vorgelegen hätten.

4        Mit Bescheid vom 18. September 2019 erteilte die belangte Behörde die beantragte Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage unter Vorschreibung von Auflagen.

5        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 19. April 2019 auf und stellte unter einem fest, dass die Voraussetzungen der Verfügung der Unterlassung der Nutzung der nicht genehmigten Betriebsanlage im Zeitraum ab der Erlassung des Bescheides bis zur Erlassung des Genehmigungsbescheides vom 18. September 2019 vorgelegen seien.

6        2.2. In seiner Begründung gab das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang wieder. Rechtlich führte es - allein auf Grundlage des Verfahrensganges - wie folgt aus:

„Gemäß § 360 Abs. 1 GewO hat die Behörde, besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 62 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VWGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Festzuhalten ist, dass im Laufe des nunmehr durchgeführten Verfahrens, mit welchem gewerbepolizeiliche Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes (beinhaltet den Verdacht eines konsenslosen Betriebes - Übertretung der Bestimmung des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO) nicht mehr vorliegen, zumal die Genehmigung zur Änderung der in Rede stehenden gewerblichen Betriebsanlage rechtskräftig seit 17.10.2019 vorliegt. Dies bedeutet im Gegenstand, dass Beschwer als Grundlage eines konkreten Rechtsschutzinteresses nicht mehr vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit eines Rechtsmittels voraus, dass der Beschwerdeführer einen Grund dafür hat, die Entscheidung der Erstinstanz zu rügen. Es ist davon auszugehen, dass im Falle des Wegfalles des rechtlichen Interesses während des beim Verwaltungsgericht geführten Rechtsmittelverfahrens das Verwaltungsgericht gehalten ist, das Verfahren infolge Wegfalls des rechtlichen Interesses an der Rechtsmittelentscheidung einzustellen. Ein solches mangelndes Interesse liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur grundsätzlich dann vor, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt sein kann (VwGH 1.10.2004, 2001/12/0148). Von einem derartigen mangelnden rechtlichen Interesse an einer Sachentscheidung der Beschwerdeinstanz ist demnach immer dann auszugehen, wenn der Beschwerdeführer durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch die Rechtsmittelinstanz nicht günstiger gestellt wäre, als dies ohne meritorische Entscheidung über das Rechtsmittel infolge der nach der Rechtsmittelerhebung eingetretenen Umstände der Fall ist (VwGH 5.5.2014, 2012/03/0074 und v.a.).

Im Gegenstand besteht nunmehr - laut Bescheid vom 18.9.2019, Zahl: SV4-BA-160812015 (059/2019) - die Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin in Form der Erweiterung der genehmigten Palettenproduktionsanlage, der Installierung vorgeschalteter Anlagen sowie der Austausch der bestehenden Staubfilteranlage nach Maßgabe der Projektunterlagen und unter Vorschreibung von Auflagen.

Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung an. Im Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung müssen daher ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Maßnahme gegeben sein. Fällt während des Verfahrens eine dieser Voraussetzungen weg, so ist ein vergangenheitsbezogener Feststellungsbescheid zu erlassen. Unbestritten ist, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides die Voraussetzungen für die Maßnahme gegeben waren und es nunmehr mit dem oben zitierten Bescheid der nachträglichen Genehmigung zum Wegfall der Voraussetzung gekommen ist.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VWGVG entfallen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und der Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Grundrechte-Charta entgegenstanden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

7        3. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

9        4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10       4.1. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht verkenne, dass es auch zur Begründung eines Aufhebungs- und Feststellungserkenntnisses Sachverhaltsfeststellungen dazu bedürfe, ob und inwieweit die gewerbepolizeiliche Maßnahme ursprünglich auf Grundlage des zu ermittelnden Sachverhaltes rechtens gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe jedoch jegliche dahingehende Feststellung unterlassen und weiche damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Aufbau eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses ab.

11       Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und begründet.

12       4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits vielfach zur Begründungspflicht der Verwaltungsgerichte Folgendes festgehalten: Nach § 17 VwGVG („Anzuwendendes Recht“) sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG grundsätzlich die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teils, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, sowie im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bundes- oder Landesgesetz sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund hatte das Verwaltungsgericht seine vorliegende Entscheidung iSd § 58 AVG zu begründen (vgl. Abs. 2 dieser Bestimmung). Im Sinne des § 60 AVG waren in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 20.3.2014, 2012/08/0024, und VwGH vom 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben.

13       Die von § 60 AVG verlangte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann.

14       Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Gleiches gilt, wenn eine solche maßgebliche Beeinträchtigung sonst in einem Mangel an Klarheit bzw Übersichtlichkeit der Zusammenfassung iSd § 60 AVG gründet (vgl. zu diesem für die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts maßgeblichen Begründungsstandard etwa VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045, mwN).

15       4.3. Die Revision zeigt zu Recht auf, dass das angefochtene Erkenntnis in mehrfacher Hinsicht gegen die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Begründungsverpflichtung verstößt und insbesondere jegliche Feststellungen vermissen lässt, die erforderlich sind, um darauf eine rechtliche Beurteilung zu gründen. So traf das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen für die Verfügung der gegenständlichen Maßnahme gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ging es entgegen dem ausdrücklichen Beschwerdevorbringen vielmehr davon aus, dass das Vorliegen der genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unbestritten sei. Es mangelt dem angefochtenen Erkenntnis daher bereits an Sachverhaltsfeststellungen zum strittigen Vorliegen der Voraussetzungen der Verfügung der verfahrensgegenständlichen Maßnahme vorzunehmen gehabt hätte.

16       Die Begründung erweist sich auch insofern als nicht nachvollziehbar, als das Verwaltungsgericht zwar vom Entfall der Beschwer der Revisionswerberin infolge zeitlich nachfolgender Erlassung des Genehmigungsbescheides ausging, es aber dennoch die Voraussetzungen für die Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Bescheides als gegeben erachtete. Inwiefern ein mangelndes Rechtsschutzinteresse der revisionswerbenden Partei zur Begründung der angefochtenen Entscheidung herangezogen werden könnte, erschließt sich für den Verwaltungsgerichtshof aus den vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen nicht.

17       Da der Verwaltungsgerichtshof mangels ordnungsgemäßer Begründung des angefochtenen Erkenntnisses gehindert ist, seine Rechtskontrollaufgabe im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG wahrzunehmen, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

18       4.4. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

19       4.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020040030.L00

Im RIS seit

14.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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