TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0171

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1994, Zl. 4.339.979/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, die am 23. August 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 26. August 1992 den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. August 1992, mit dem ihr Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Anläßlich ihrer am 26. August 1992 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung hat die Beschwerdeführerin angegeben, sie sei iranischer Abstammung und Mitglied der Minderheit der assyrischen Christen im Irak und habe Benachteiligungen hinnehmen müssen. Im Jahre 1980 sei sie entlassen und von ihrem Arbeitsplatz weg verhaftet worden. Sie habe ca. 1 Monat im Gefängnis verbringen müssen bis ihr Ehegatte sie gegen Bezahlung von Schmiergeldern freibekommen habe. Sie seien dann nach Kuwait ausgewandert und dort bis ca. Dezember 1990 geblieben. Zu diesem Zeitpunkt seien sie nach Bagdad zurückgekehrt und hätten in der Folge im Irak bis ca. Juli 1992 in verschiedenen Städten - zuletzt in Faluja - gelebt. Sie habe keine Chance gehabt, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen, die Schiiten hätten ebenfalls keine Chancen im Irak, Arbeit zu bekommen, was auch ihren Mann betroffen habe. Sie selbst sei von den Behörden weder vorgeladen, noch verhört oder geschlagen oder mißhandelt worden. Sie selbst habe niemals Schwierigkeiten gehabt. Sie habe den Irak verlassen, weil ihr Ehemann sich zur Flucht entschlossen habe und "eine Frau immer dort sein muß, wo sich auch der Mann befindet". Sie selbst sei im Irak keinerlei Verfolgungen ausgesetzt gewesen und die meiste Zeit zu Hause geblieben.

In ihrer Berufung gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes machte die Beschwerdeführerin Mängel des Erstinterviews geltend, und ergänzte ihr Sachvorbringen. Sie habe als Importmanager bei einer Bekleidungsfirma in Bagdad gearbeitet, sei jedoch mit Ausbruch des Krieges Irak-Iran (1980) gekündigt und vom Arbeitsplatz weg verhaftet und ins Gefängnis von Abo Kharieb eingeliefert worden, wo sie einen Monat in einer kleinen Zelle ohne Waschmöglichkeit gefangen gehalten worden sei. Obwohl sie bereits schwanger gewesen sei, sei sie mißhandelt und durch Schläge auf den Kopf am rechten Ohr verletzt worden, sodaß sie ihr Gehör verloren habe. Ihr Ehemann entstamme einer bekannten und einflußreichen schiitischen Familie und habe sie nur durch Bestechungsgelder freikaufen können. Es sei ihnen dann gelungen, nach Kuwait zu flüchten. Ihr Ehemann habe für eine schwedische Autofirma gearbeitet, die ihm die Ausreise ermöglicht habe. Bis 1990 hätten sie in Kuwait gelebt, wo auch die gemeinsame Tochter geboren worden sei. Am 2. August 1990 habe die Invasion durch die Truppen Saddam Husseins begonnen, diese hätten Kuwait besetzt und alle ausländischen Firmen bedroht. Ihr Ehemann als Angestellter von Volvo habe wichtige Papiere und Dokumente mitgenommen und versteckt sowie einige wertvolle Autos in Sicherheit und über die Grenze gebracht. Dies sei zum Anlaß genommen worden, daß man ihm Kollaboration mit Ausländern vorgeworfen, ihn ins Gefängnis gebracht und durch Schläge mit Metallstangen mißhandelt und verletzt habe. Man habe auch das Haus durchsucht und Papiere gefunden, die ihre Religionszugehörigkeit als Christin bzw. den erfolgten Übertritt ihres Ehemannes zum christlichen Glauben dokumentiert hätten, wodurch sie alle von der Todesstrafe bedroht seien. Auch die zehnjährige Tochter sei mit Vergewaltigung bedroht worden und sie alle seien vor die Wahl gestellt worden, getötet zu werden oder zu kooperieren. Das Haus hätten sie verlassen und seither bei Freunden gewohnt, das gesamte Eigentum sei beschlagnahmt worden. Sie seien wieder in den Irak zurückgegangen, weil sie dort keine Mißhandlungen und weniger Kontrollen zu befürchten gehabt hätten und hätten ca. 10 Monate in Bagdad bei verschiedenen Freunden gelebt. Die Familie ihres Ehemannes sei sehr einflußreich, daher sei die Vermutung in Regierungskreisen aufgetaucht, sie "unterhielten eine mögliche Revolution". Daraufhin sei ihr Ehemann drei Mal von der Polizei abgeholt, verhört und geprügelt, da jedoch keine schlüssigen Beweise hätten erpreßt werden können, immer wieder letztlich freigelassen worden. Als Angehörige der assyrischen Minderheit seien sie bereits auch früher diskriminiert gewesen, dies hätte jedoch während des iranisch-irakischen Krieges bedrohliche Formen angenommen.

In einer Berufungsergänzung legte die Beschwerdeführerin verschiedene Dokumente zum Beweis ihres Aufenthaltes in Kuwait, ihrer iranischen Abstammung, der Gefährdung der Schiiten () sowie zur mangelnden Verfolgungssicherheit in Jordanien und der Türkei vor.

Die belangte Behörde beurteilte den sich aus den Ergebnissen des erstinstanzlichen Verfahrens ergebenden Sachverhalt - ohne daß sie eine Ergänzung oder Wiederholung gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 für erforderlich erachtete, rechtlich dahingehend, Benachteiligungen, die assyrische Christen im Irak zu erleiden hätten, insbesondere auch bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes, könnten allein für sich keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellen. Die Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen die christlichen Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert würden, träfen alle Angehörigen dieser Minderheit in gleichem Maße und reichten für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten. Überdies lägen diese Umstände bereits längere Zeit zurück, da die Festnahme und Inhaftierung bereits im Jahre 1980 erfolgt sei, weshalb darauf gegründete Furcht nicht mehr asylrelevant sein könne, da diese bis zur Ausreise andauern müsse. Auch könne keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben gewesen sein, wenn die Beschwerdeführerin nach einem immerhin 10-jährigen Aufenthalt in Kuwait wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sei und sich durch 10 Monate hindurch bei verschiedenen Freunden in Bagdad aufgehalten habe. Hätten zuständige Behörden tatsächlich Interesse an ihrer Festnahme gehabt, hätte man ihrer auch habhaft werden können. Insbesondere im Hinblick auf die Angabe der Beschwerdeführerin, selbst keine Probleme gehabt zu haben, sei es für die Behörde nicht nachvollziehbar, warum ein weiterer Verbleib in ihrer Heimat unerträglich sein sollte. Die ihren Ehemann betreffenden Umstände könnten keine Berücksichtigung in ihrem Asylverfahren finden, da Umstände, die lediglich Familienmitglieder beträfen, nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten. Auf das überschießende Berufungsvorbringen sei gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nicht einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin begründet die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach Darlegung des Sachverhaltes und des Ganges des Verwaltungsverfahrens damit, es sei zwar richtig, daß die Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit allein keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstelle, im gegenständlichen Fall komme jedoch hinzu, daß der Gatte der Beschwerdeführerin vor der Ehe Moslem gewesen und erst während der Ehe Christ geworden sei, wodurch nach irakischem Recht beide mit der Todesstrafe bedroht seien. Ein derartiges Verhalten werde vom Irak, dessen Staatsreligion der Islam sei, keinesfalls toleriert. Damit liege aber die vom Gesetz verlangte "Verfolgungsgefahr" vor. Daß allgemeine Benachteiligungen religiöser Minderheiten für sich allein für eine Anerkennung als Flüchtling nicht ausreichen, gesteht die Beschwerdeführerin also selbst zu. Darüber hinaus hat sie allerdings bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt vom Staat ausgehende Verfolgungshandlungen gegen ihre Person nicht dargetan. Einziges sie selbst betreffendes Ereignis war ihre Entlassung und Inhaftierung im Jahre 1980. Insoweit sie sich in der Beschwerde neuerlich auf diesen Umstand stützt, um ihre wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, daß diesem Ereignis eine Asylrelevanz infolge des langen seither verstrichenen Zeitraumes nicht mehr zukommen kann. Die belangte Behörde hat bereits zutreffend darauf verwiesen, daß die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bis zur Ausreise aus dem Heimatland andauern muß, um im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 Flüchtlingseigenschaft indizieren zu können. Es kann auch der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus der Tatsache, daß trotz der angeblichen Inhaftierung und schweren Mißhandlung im Jahr 1980 die Familie der Beschwerdeführerin nach ihrem immerhin 10jährigen Aufenthalt in Kuwait offenbar ohne Bedenken in ihr Heimatland zurückgekehrt ist, gerade weil sie dort "keine Mißhandlungen und weniger Kontrollen zu befürchten" gehabt hätten, schließt, daß wohlbegründete Furcht vor Verfolgung weder objektiv noch subjektiv gegeben war. Ebenso ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, daß allfällige Verhaftungen, Mißhandlungen und Kontrollen ihren Ehemann betreffend, nicht geeignet sind, ihr selbst Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Konvention zuzuerkennen.

Zu verweisen ist jedoch insbesondere darauf, daß aus den erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerin sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben haben, die die Behörde im Sinn des § 16 AsylG 1991 zu weiteren Erhebungen hätten veranlassen müssen. Auch in der Berufung werden keine Verfahrensmängel releviert, die - abgesehen von einer sich steigernden Sachverhaltsdarstellung - die belangte Behörde zu einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens im Sinn des § 20 Abs. 2 AsylG hätten veranlassen müssen. So aber hatte sie gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 das Ergebnis des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Daß sie darüber hinaus auch auf das Berufungsvorbringen - zumindest zum Teil - eingegangen ist, kann die Beschwerdeführerin in keinem subjektiven Recht verletzt haben.

Sollte ihrem Gatten tatsächlich im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland die Todesstrafe oder eine unmenschliche Behandlung oder Strafe drohen, käme bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen das Rückschiebeverbot des § 37 Fremdengesetz in Betracht.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200171.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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