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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Mag. S, Rechtsanwältin in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 1994, Zl. 4.330.845/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 31. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 4. Februar 1992 den Asylantrag gestellt. Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab er, zu seinen Fluchtgründen befragt, im wesentlichen an, er sei bei keiner Partei oder politischen Organisation als Mitglied registriert gewesen. Er gehöre allerdings der kurdischen Minderheit in der Türkei an und sei Alevite. Er sei deshalb von den türkischen Soldaten des öfteren grundlos geschlagen und von der türkischen Bevölkerung abgelehnt worden. In den Jahren 1984, 1986 und 1990 sei er einige Male auf dem Weg zur Arbeit angehalten worden. Er habe damals Proviant bei sich gehabt, weil die Felder am Rande des Dorfes gelegen seien und er zu Mittag nicht habe nach Hause gehen wollen, sondern habe sich das Mittagessen zum Feld mitgenommen. Die Soldaten hätten ihm dies jedoch nicht geglaubt und vielmehr gemeint, er habe die Lebensmittel den PKK-Kämpfern bringen wollen. Obwohl der Beschwerdeführer dies bestritten habe, hätten die Soldaten ihm nicht geglaubt und ihn an Ort und Stelle geohrfeigt und gedroht, ihn zu erschießen, würden sie ihn auf frischer Tat erwischen. In seinem Elternhaus hätten öfters Hausdurchsuchungen stattgefunden, wobei seine Brüder und er selbst auch geschlagen worden seien. Die Gendarmen hätten sie beschimpft, mit der Begründung, sie hätten davon erfahren, daß sie PKK-Kämpfer beherbergt hätten. Dies habe jedoch nicht gestimmt. Er habe auch die PKK niemals unterstützt. Einmal im Jahr 1984 sei er auf die Polizeistation nach Yedisu gebracht und dort zwei Stunden lang verhört und geschlagen worden, obwohl er sich nichts habe zuschulden kommen lassen. Im Dezember 1990 sei er auf der Straße in Aydin angehalten und kontrolliert worden, wobei ihn ein Polizist, der an Hand des Personalausweises seine Zugehörigkeit zu der Minderheit der Kurden festgestellt habe, geohrfeigt habe. Man habe ihm zu verstehen gegeben, daß er im Westen der Türkei nichts verloren hätte. Daraufhin sei er wieder in sein Dorf zurückgekehrt und habe beschlossen, seine Heimat zu verlassen.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer zwar Begründungsmängel geltend, wiederholte jedoch im wesentlichen seine Angaben zu seinen Fluchtgründen. Er ergänzte diese lediglich dahingehend, er lehne es entschieden ab, in sein Heimatland zurückzukehren, zumal er nicht zum Militär wolle, da er in diesem Falle befürchte, gegen seine kurdischen Landsleute eingesetzt zu werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl. Sie beurteilte den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß die wegen der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe bzw. zur alevitischen Minderheit gegebenen Beeinträchtigungen den Großteil der davon betroffenen Bevölkerungskreise gleichermaßen treffe und daher nicht als konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden könnten, abgesehen vom Mangel der vom Verfolgungsbegriff geforderten Eingriffsintensität. Den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Vorfällen aus den Jahren 1984, 1986 und 1990 fehle der zeitliche Zusammenhang zu seiner Ausreise. Hausdurchsuchungen fehle der pönale Charakter und den anläßlich dieser Hausdurchsuchung stattgefundenen Mißhandlungen die erforderliche Eingriffsintensität. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beschwerdeführer nach dem letzten von ihm im erstinstanzlichen Verfahren geschilderten Vorfall im Dezember 1990 sich zwar zum Verlassen seiner Heimat entschlossen haben wolle, dies jedoch letztendlich erst im Jänner 1992 getan habe. Eingehend auf die ergänzenden Behauptungen in der Berufung sprach die belangte Behörde einem vom Beschwerdeführer geltend gemachten weiteren Vorfall im Jahre 1991 die Glaubwürdigkeit ab und verneinte die Asylrelevanz der vom Beschwerdeführer befürchteten möglichen Einberufung zur Militärdienstleistung im Falle seiner Rückkehr.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Vorweg ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß - ausgehend vom Datum der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 4. März 1992 - die belangte Behörde zutreffend gemäß § 25 Abs. 2 AsylG 1991 dieses Bundesgesetz auf den vorliegenden Fall angewandt hat.
Gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. hat der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das ERGEBNIS DES ERMITTLUNGSVERFAHRENS ERSTER INSTANZ ZUGRUNDE ZU LEGEN. Nach Abs. 2 leg. cit. hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nur anzuordnen, wenn es - von den weiteren hier nicht denkbaren Tatbeständen abgesehen - mangelhaft (in der Fassung der durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92,93/94, kundgemacht BGBl. Nr. 610/1994 bereinigten Rechtslage) war. Liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 leg. cit. nicht vor, hat daher die belangte Behörde von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz auszugehen. Insoweit die belangte Behörde dennoch auf ein - nicht zu berücksichtigendes - Berufungsvorbringen eingeht, kann daher der Beschwerdeführer in der Regel nicht in einem subjektiven Recht verletzt sein. Im vorliegenden Fall machte der Beschwerdeführer in seiner Berufung unter dem Gesichtspunkt einer "Gesetz- und Verfahrenswidrigkeit" die mangelnde Begründung gemäß § 58 Abs. 2 AVG (wohl § 60 AVG) geltend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es jedoch nicht, einen - allenfalls vorliegenden - Verfahrensmangel aufzuzeigen, ohne gleichzeitig auch dessen Wesentlichkeit darzulegen. Dies hat der Beschwerdeführer jedoch nicht getan, vielmehr einen Sachverhalt (neuerlich) geschildert, der im wesentlichen mit seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren ident ist (lediglich mit Ausnahme seiner Befürchtung, im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland zum Militär einrücken zu müssen). Ein Anlaß für eine Ergänzung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens lag für die belangte Behörde daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht vor. Zutreffend ist sie daher von den Ergebnissen desselben gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ausgegangen. Den auf den Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren beruhenden rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde kann der Beschwerdeführer jedoch nicht mit Erfolg entgegentreten. Weder die bloße Zugehörigkeit zu einer Minderheit - sei diese politisch, ethnisch oder religiös - noch die gelegentlichen, vom Beschwerdeführer geschilderten Anhaltungen und Ohrfeigen durch Gendarmeriebeamte sind geeignet, Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (inhaltlich ident mit § 1 Z. 1 AsylG 1991) zu indizieren, abgesehen davon, daß der mangelnde zeitliche Konnex zwischen den letzten von ihm geschilderten derartigen Vorfällen (Dezember 1990) und seiner Ausreise (Jänner 1992) die Annahme hindert, er sei aus wohlbegründeter Furcht vor ihn individuell treffender aktueller Verfolgungsgefahr aus seinem Heimatland geflohen.
Insoweit die Beschwerde Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend macht, die in der Berufung nicht gerügt wurden, kann darauf nicht eingegangen werden, da Gegenstand der Überprüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG nicht das erstinstanzliche Verfahren, sondern der angefochtene Bescheid der belangten Behörde auf Basis der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebenen Sach- und Rechtslage ist. Insoweit der Beschwerdeführer eine weitergehende Ermittlungstätigkeit der Behörde im Sinne des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 moniert, ist er darauf zu verweisen, daß diese Bestimmung die Behörde nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, dazu verpflichtet, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803). Diese Erfordernisse lassen die Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz - wie auch in der Berufung - aus den bereits oben dargelegten Erwägungen vermissen.
Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, die belangte Behörde habe keine Beweismittel angeführt, es sei daher nicht erkennbar, wie die belangte Behörde zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes gelangt sei, sie habe auch keine ordentliche Beweiswürdigung vorgenommen, ist er darauf zu verweisen, daß sich aus dem vorliegenden, von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt unzweideutig ergibt, daß Grundlage für diese Feststellungen die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, denen die belangte Behörde auch die Glaubwürdigkeit nicht abgesprochen hat, waren. Insoweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte sich mit seiner Aussage, er werde vom türkischen Militär mit Erschießung bedroht, auseinandersetzen müssen, ist ihm zu erwidern, daß er eine derartige Behauptung im Verwaltungsverfahren nie aufgestellt hat. Lediglich in seiner - von der belangten Behörde im Sinn des § 20 Abs. 1 und 2 AsylG 1991 nicht zu beachtenden - Berufung stellte der Beschwerdeführer die VERMUTUNG an, im Falle seiner Rückkehr zum Militärdienst eingezogen zu werden, was ihm widerstrebe, weil er nicht gegen seine eigenen Landsleute eingesetzt werden wolle. Von einer bereits erfolgten Einberufung zur Militärdienstleistung bzw. von einer dem Beschwerdeführer konkret angedrohten Erschießung wegen Verweigerung derselben war im gesamten Verwaltungsverfahren nicht die Rede. Ein derartiges Vorbringen unterliegt deshalb dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG.
Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200180.X00Im RIS seit
20.11.2000