TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0181

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/09 Internationales Privatrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §21;
AsylG 1991 §13 Abs1;
AsylG 1991 §13 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §9;
IPRG §12;
IPRG §9;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der K in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 2. Dezember 1994, Zl. 4.342.780/3-III/13/93, betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung (protokolliert zu hg. Zl. 95/20/0181) und Zl. 4.342.780/4-III/13/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung (protokolliert zur hg. Zl. 95/20/0182), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, die am 5. März 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. März 1993 beim Bundesasylamt den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. April 1993, mit welchem ihr Asylantrag abgewiesen worden war, mit (zwei) Berufungen bekämpft. Über die erste Berufung, die ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters der Beschwerdeführerin eingebracht wurde, wurde bisher nicht entschieden.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (zweite) Berufung vom 11. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung zurück, der abweisliche Bescheid des Bundesasylamtes sei dem gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 8. April 1993 zugestellt worden, der letzte Tag der Einbringungsfrist für eine fristgerechte Berufung sei daher der 22. April 1993 gewesen. Die am 12. Mai 1993 eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin sei daher verspätet.

An diesem Tag brachte die Beschwerdeführerin (auch) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung ein, sie sei durch das Verschulden anderer Personen (gemeint die vom Amt für Jugend und Familie bestellte gesetzliche Vertreterin) verhindert gewesen, die Frist zur Erhebung der Berufung zu wahren, was für sie ein unabwendbares Ereignis dargestellt habe.

Mit Bescheid vom 24. August 1993 wies das Bundesasylamt diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen mit der Begründung ab, die Verweigerung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Erhebung einer Berufung stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG dar.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die die belangte Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG mit der Begründung abwies, das von der Beschwerdeführerin behauptete unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis, das sie an der rechtzeitigen Erhebung der Berufung gehindert haben solle, habe in ihrer damaligen Minderjährigkeit und der daraus resultierenden Unfähigkeit, rechtswirksame Verfahrenshandlungen zu setzen, im Zusammenhang mit der Weigerung des gesetzlichen Vertreters, der Erhebung einer Berufung zuzustimmen, gelegen.

Ferner führt die belangte Behörde aus:

"Es muß festgehalten werden, daß, für die Dauer Ihrer Minderjährigkeit, Verhinderungen Ihrer natürlichen Person, welcher Art auch immer diese gewesen sein sollten und mag eine solche "Verhinderung" auch in Ihrer Minderjährigkeit selbst oder aber in der Person Ihres gesetzlichen Vertreters bestanden haben, nicht in die Sphäre der Rechtserheblichkeit durchzuschlagen vermögen und demzufolge eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewirken können."

Die belangte Behörde erachtete weder die von der Beschwwerdeführerin geltend gemachte Verfassungswidrigkeit (offenbar der Bestimmung des § 13 Abs. 2 AsylG 1991) als gegeben noch erachtete sie sich sachlich kompetent, darüber zu befinden, ob die vom Jugendwohlfahrtsträger getroffene Entscheidung zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des erstangefochtenen Bescheides macht die Beschwerdeführerin geltend, gemäß § 12 IPR-Gesetz richte sich die Rechts- bzw. Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person, insbesondere deren Beginn, Umfang und Ende nach dem Personalstatut der betreffenden Person. Gemäß § 9 IPR-Gesetz sei das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht jenes Staates, dem diese Person angehöre. Erhebungen und Feststellungen darüber, ob diese Person, die sich in concreto unrechtmäßig auf dem Bundesgebiet aufgehalten habe, auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt habe, habe die Behörde zu Unrecht nicht gepflogen. Unter dem Gesichtpunkt der Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht über ihre Berufung nicht sachlich entschieden, es wäre auch im Falle einer rechtswirksam erfolgten Zustellung an den gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin Sache der Behörde gewesen, in einem laufenden Verfahren dem der Behörde bekannten gesetzlichen Vertreter allfällige Eingaben des Minderjährigen zur Verbesserung bzw. Ergänzung zu- bzw. zurückzustellen.

Zunächst ist klarzustellen, daß sich im Akt zwei Berufungen der Beschwerdeführerin gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. April 1993 befinden, eine datiert mit 20. April 1993 und - gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - eine mit Datum 11. Mai 1993, eingelangt beim Bundesasylamt am 13. Mai 1993. Im Zeitpunkt der Erhebung beider Berufungen hat die Beschwerdeführerin daher das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Die Ausführungen in der Beschwerde zum erstangefochtenen Bescheid, insbesondere die Heranziehung der §§ 9 und 12 IPR-Gesetz, gehen ins Leere. Das Asylgesetz 1991 enthält vielmehr eine Spezialbestimmung. Nach § 13 Abs. 1 AsylG 1991 sind Asylwerber, die das 19. Lebensjahr vollendet haben, im Verfahren "nach diesem Bundesgesetz" handlungsfähig. Asylanträge können auch von unbegleiteten Fremden, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, gestellt werden. Nach Abs. 2 leg. cit. obliegt im übrigen die Vertretung von Asylwerbern, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, im Verfahren "nach diesem Bundesgesetz" dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, soweit ihre Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können. Durch den Abs. 1 des § 13 soll klargestellt werden, daß auch Fremde dem Personenkreis des § 21 ABGB - unbeschadet des Eintritts der Volljährigkeit nach den Bedingungen ihres Heimatlandes - gleichgestellt sind. Damit stellt § 13 AsylG 1991 klar, daß bei Beurteilung der prozessualen Handlungsfähigkeit auf Grund des Alters ein Rückgriff auf das Bürgerliche Recht und auch auf das IPR-Gesetz ausgeschlossen ist. Um das besondere Schutzbedürfnis für alle Minderjährigen zu wahren, sieht Abs. 2 die Bestellung des örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers zum Verfahrenskurator für die Dauer des Asylverfahrens vor (nach Abs. 1 ist die AsylANTRAGSTELLUNG bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahres möglich). Abs. 2 bezieht sich sowohl auf jene Personen, die gemäß Abs. 1 zweiter Satz einen Asylantrag stellen konnten, als auch auf jene Unmündigen, die einen Asylantrag nur durch ihren gesetzlichen Vertreter stellen können (vgl. EB zur Regierungsvorlage, Blg. Nr. 270 XVIII. GP).

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, auf ihren Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß das "unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis" im vorliegenden Fall darin gesehen wird, daß der für die damals mj. Beschwerdeführerin zum gesetzlichen Vertreter bestellte "Jugendwohlfahrtsträger" gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. April 1993 keine rechtlichen Schritte unternommen hat. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, daß ihr gesetzlicher Vertreter durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen wäre, sondern rügt lediglich dessen - mit mangelnden Erfolgsaussichten begründetes - Untätigbleiben. Da sie selbst jedoch auf Grund des § 13 Abs. 1 AsylG 1991 handlungs-(prozeß)unfähig war, konnte sie eine Berufung selbst rechtswirksam nicht erheben. Diese Rechtstatsache stellt aber weder ein "unvorhergesehens" noch - infolge der ohnedies erfolgten Bestellung eines gesetzlichen Vertreters - ein "unabwendbares" Ereignis dar. Im Verfahren über die Wiedereinsetzung ist auch nicht zu prüfen, ob die Entscheidung des Jugendwohlfahrtsträgers - materiell gesehen - zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist; ein diesbezüglich pflichtwidriges Verhalten des Jugendwohlfahrtsträgers könnte allenfalls Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen, wozu der Akteninhalt jedoch keinen Anhaltspunkt bietet. Mangels eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes war daher die behauptete Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides nicht zu erkennen. Damit aber erweist sich auch der zweitangefochtene Bescheid im Ergebnis als zutreffend, da beide von der Beschwerdeführerin selbst - unter Umgehung des untätig bleibenden, für sie bestellten gesetzlichen Vertreters - verfaßten Berufungen zu Zeiten eingebracht wurden, da sie selbst die Voraussetzung für die rechtswirksame Erhebung der Berufung noch nicht erlangt hatte, weil sie erst am 15. Mai 1993 das 19. Lebensjahr vollendet gehabt hätte, die - zweite - Berufung jedoch bereits am 13. Mai 1993 bei der belangten Behörde eingelangt ist, abgesehen davon, daß auch diese - insoweit ist der belangten Behörde auch hierin zuzustimmen - infolge Ablaufes der Frist des § 63 Abs. 5 AVG verspätet gewesen wäre.

Aus den dargelegten Gründen erweisen sich beide Beschwerden im Ergebnis als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit natürliche Person

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200181.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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