TE Dok 2022/3/31 2022-0.123.744

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2022
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Norm

BDG 1979 §92 Abs1
  1. BDG 1979 § 92 heute
  2. BDG 1979 § 92 gültig ab 09.07.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2019
  3. BDG 1979 § 92 gültig von 01.01.2012 bis 08.07.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 140/2011
  4. BDG 1979 § 92 gültig von 01.05.1995 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 297/1995
  5. BDG 1979 § 92 gültig von 05.03.1983 bis 30.04.1995 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 137/1983

Schlagworte

Verletzung Dienstpflicht

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 31.03.2022 in Anwesenheit der Beamtin, des

Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen

Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beamtin ist schuldig,

sie hat am 09. November 2021 gegen die Dienstverfügung der Anstaltsleiterin vom 06. November 2020 und gegen die mündliche Anordnung vom 09. November 2021 des Justizwachkommandos der JA N.N. verstoßen, indem sie am 09. November 2021 mehrmals (viermal) den Haftraum 011 des auf Covid-19 positiv getesteten Insassen A.A. betreten und die angeordneten Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hat.

Die Beamtin hat folglich gegen ihre Dienstpflichten nach

§ 44 Abs 1 BDG 1979, nämlich ihre Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen, verstoßen und damit im Sinne des § 91 BDG 1979 diese schuldhaft verletzt.

 

Gegen die Beschuldigte wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der

 

Geldbuße in Höhe von € 1.000, -- (eintausend Euro)

verhängt.

 

Die Abstattung der Geldbuße in 10 Monatsraten zu je € 100.- wird gemäß § 127 Abs 2 BDG 1979 bewilligt.

 

Der Beschuldigten werden gemäß § 117 Abs 2 BDG keine Verfahrenskosten vorgeschrieben. Die eigenen Kosten hat sie selbst zu tragen.

B E G R Ü N D U N G

 

Zur Person:

1. A.A., geboren A.A., steht als Dienstführende Justizwachebeamtin in einem unbefristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und unterliegt den Bestimmungen des Disziplinarverfahrens nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG 1979), BGBl. 333, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2019.

 

2. Sie ist auf dem Arbeitsplatz Stellvertretende Kommandantin der Abteilung N.N. in der N.N (JA N.N.), N.N 1 in N.N. eingeteilt und bringt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von € 1.809,82.- ins Verdienen (ohne Nebengebühren).

 

3. Die Disziplinarbeschuldigte übt keine Personalvertreterfunktion aus, und hat Sorgepflichten für 2 Kinder.

 

Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:

 

4. Die Anstaltsleiterin erstattete am 30.12.2021 Disziplinaranzeige an die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen samt Beilagen und führte aus: „Sie hat am 09. November 2021 gegen die Dienstverfügung der Anstaltsleiterin vom 06. November 2020 (GZ 2020-09) und gegen die mündliche Anordnung vom 09. November 2021 des Justizwachkommandos der N.N. verstoßen, indem sie am 09. November 2021 mehrmals den Haftraum (HR N.N.) eines auf Covid-19 positiv getesteten Insassen betreten und die angeordneten Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hat.

A.A. steht daher im Verdacht, durch ihr Verhalten gegen die Dienstverfügung der Anstaltsleiterin und gegen die Anordnung des Justizwachkommandos verstoßen und dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 iVm § 44 Abs 1 BDG begangen zu haben.

Am 09. November 2021 wurde kurz nach Dienstbeginn die JA N.N. von der Polizei verständigt, dass sie in den nächsten Stunden einen Angehaltenen, welcher positiv auf das Covid-19 Virus getestet wurde, in die JA N.N. einliefern werden.

Zwischen 08:00 – 10:00 Uhr desselben Tages wurde A.A. vom stellvertretenden Justizwachkommandanten, A.A., über diesen Umstand in Kenntnis gesetzt. Die Verständigung der Angezeigten erfolgte deshalb, da der Angehaltene in der Abteilung untergebracht werden sollte, in der A.A. die stellvertretende Kommandantin ist. Der stellvertretende Justizwachkommandant betonte in diesem Gespräch, dass das Essen über die Speiseklappe von einem Justizwachebeamten und nicht vom Hausarbeiter auszugeben ist. Dabei sind immer eine FFP-2 Maske und Handschuhe zu tragen. Ebenso wurde auf die Dienstverfügung 2020-09 mit dem Titel „Vorgangsweise bei Verdacht- und bestätigten Coronafällen bei Insass*innen der JA N.N.“ verwiesen. Mit dieser Dienstverfügung wird angeordnet, dass alle Bediensteten der JA N.N., welche mit oben genannten Personenkreis Kontakt haben, unter anderem dabei einen Mundschutz, Schutzhandschuhe und eine Schutzbrille zu verwenden haben. Ebenso wird angeordnet, dass die Essensausgabe mit der oben genannten

Schutzausrüstung durch die Speiseklappe ausschließlich von Bediensteten zu erfolgen hat und die Kontakte und Gespräche auf das Notwendigste zu beschränken sind.

Trotz dieser Belehrung durch das Justizwachkommando betrat Frau A.A. am 09. November 2021 mehrmals den Haftraum (N.N.) des positiv getesteten Insassen. Dabei hielt sie die oben genannten Sicherheitsmaßnahmen nicht ein. Sie verwendete weder Handschuhe noch die vorgeschriebene Schutzbrille. Als sie den Haftraum wieder verlässt, ist auf der Videosequenz erkennbar, dass ihre FFP2-Maske ihre Nase nicht bedeckt.“ Die Disziplinaranzeige langte am 30. Dezember 2021 bei der Dienstbehörde ein und erhielt die GZ 2021-N.N.

Es wurden der Disziplinaranzeige die Dienstverfügung 2020-09 vom 06.11.2020, Meldung vom 10.11.2021 A.A., Meldung vom 10.11.2021 A.A., die Meldung vom 10.11.2021 A.A., die Meldung vom 17.11.2021 A.A., Dokumentation bezüglich der Auswertung der Kamera N.N. gespeicherte Sequenzen der Kamera N.N. auf einem USB-Stick, E-Mail von A.A. wegen positiven Coronatest, E-Mail von A.A.l, Meldung der Quarantäne von A.A. an Team GD,

Niederschrift vom 30.11.2021 A.A., Niederschrift vom 01.12.2021 A.A., Niederschrift vom 02.12.2021 A.A., Niederschrift vom 09.12.2021 A.A., Schriftliche Mitteilung an den DA gem. § 9 Abs 3 lit c PVG vom 14.12.2021 beigegeben. Unter dem Punkt Beweismittel wird angegeben: „Die Dienstpflichtverletzung wurde am 09. November 2021 um ca. 15:05 Uhr dem Justizwachkommando bekannt. Die Sequenzen auf der Kamera N.N. vom 09. November 2021 wurden, nach Zustimmung des ho. Dienststellenausschusses eingesehen und gespeichert. Auf den Sequenzen ist zu sehen, wie Frau A.A. den Haftraum ohne die entsprechende Schutzausrüstung betrat und die FFP-2 Maske unter der Nase trug.

Weiters wurden A.A. und A.A. niederschriftlich zum Sachverhalt befragt.

A.A. gab an, dass er A.A. am 09. November 2021 zwischen 08:00-10.00 Uhr von der bestätigten Infektion des Insassen in Kenntnis gesetzt hat. Er hat dabei auf die bestehende Dienstverfügung 2020-09 verwiesen und betont, dass die Sicherheitsmaßnahmen (Handschuhe; Schutzbrille; Mund-Nasen-Schutz; Kontakt auf ein Mindestmaß beschränken) einzuhalten sind.

A.A. bestätigte in seiner Niederschrift, dass A.A. mehrmals in den Haftraum des auf Covid-19 positiv getesteten Insassen gegangen ist.

Auskunftspersonen:

Niederschriften mit A.A., A.A. und der Angezeigten wurden erstellt. Diese werden als Beilage übermittelt. Die Verständigung der Generaldirektion erfolgte telefonisch am 10. November 2021 durch den stellvertretenden Anstaltsleiter A.A. Die Anstaltsleitung hat nach Rücksprache mit der Generaldirektion vorerst davon Abstand genommen, eine Strafanzeige zu erstatten.“

 

5. Mit Schreiben vom 28. Jänner 2022 übermittelte die Generaldirektion im BMJ – N.N. als Dienstbehörde gemäß § 110 Abs 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinaranzeige samt Beilagen (ohne USB-Stick) an die Bundesdisziplinarbehörde (BDB), wo sie aufgrund der am 30. November 2021 erlassenen Geschäftsordnung für das Jahr 2022 dem Senat 35 zugewiesen wurde und die GZ 2022-0.078.372 erhielt.

 

6. Vom Senat 35 der BDB wurde am 08. Februar 2022 der Einleitungsbeschluss erlassen, an beide Parteien zugestellt und nach Eintritt der Rechtskraft die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den 31. März 2022 angeordnet.

 

7. Als Ergebnis des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung am 31. März 2022, bei der die Beschuldigte zu Beginn ein umfassendes und reumütiges Tatsachengeständnis ablegte, die Zeugin Frau A.A., Leiterin der Justizanstalt N.N., befragt wurde, sowie der im Akt aufliegenden und zur Verlesung gebrachten Unterlagen ist für den Senat 35 der BDB der im Spruch angeführte Sachverhalt erwiesen.

 

8. Die Disziplinarbeschuldigte blieb in ihrer Einvernahme bei der geständigen Verantwortung, wie sie dies bereits anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen am 30. November 2021 und am 09. Dezember 2021 im Rechtsbüro von A.A. getan hatte. Nach sehr eindrücklicher Belehrung durch den Herrn Disziplinaranwalt nahm sie zur Kenntnis, dass sie der stellvertretende Justizwachekommandant, A.A., über die Vorgangsweise bei Verdacht und bestätigten Coronafällen bei Insassen der JA N.N. (Dienstverfügung 09/2020) mehrmals sowie nachhaltig über die aktuellen Hygienebestimmungen belehrt hatte, nachdem der mit Covid 19 infizierte Insasse A.A. (Bescheid des Magistrates N.N.) im Haftraum N.N. der JA N.N. angehalten worden war. Im Zuge dieser Einvernahme konnte sie die Gründe für das Betreten des Haftraumes N.N. darlegen. Zweimal musste der Pfleger A.A. den Haftraum des Insassen betreten, da dieser einen Seitenausgang hatte, einmal wegen seiner Medikation und ein anderes Mal um einen Deckel am Kübel anzubringen. Beim dritten Zutritt brachte sie dem Insassen ein Formular. Da sie ihn über die Haftraumsprechanlage nur schwer verstehen konnte und Erklärungen notwendig waren, ging sie zu ihm in den Haftraum. Zu Dienstschluss begab sie sich ein viertes Mal in den Haftraum, um sich über seinen Zustand zu informieren. Letztlich war für den Senat erwiesen, dass das Betreten des Haftraumes, indem sich der an SARS-COVID-19 infizierte Insasse befand per se keine Dienstpflichtverletzung war, sondern das Unterlassen der angeordneten Schutzmaßnahmen (beim Betreten des Haftraumes wären zusätzlich zur FFP2-Maske Schutzhandschuhe und Schutzbrille zu tragen gewesen). Am Ende ihrer Befragung legte sie dem Senat das von ihr am Dienstweg eingebrachte Schreiben vom 11.01.2022 vor, darin legte sie die oben beschriebenen Motive für das Betreten des Haftraumes dar und führte aus, dass sie auf Grund der täglichen Routine des Dienstbetriebes auf das Anlegen der Schutzausrüstung vergessen hätte und sich aufrichtig dafür entschuldigen möchte.

 

9. Die Zeugin Frau A.A. bescheinigte der Disziplinarbeschuldigten eine gute Justizwachebeamtin zu sein, weil sie grundsätzlich ihre Dienstpflichten im Sinne des § 43 Abs 1 BDG gewissenhaft, engagiert und treu erfülle. Wäre sie zum Zeitpunkt des Vorfalles am 09.11.2021 in der Justizanstalt anwesend gewesen, hätte sie keine Disziplinaranzeige erstattet. Gelegentlich würde Frau A.A. sehr emotional reagieren, in den letzten drei Jahren waren aber keine Ermahnungen notwendig gewesen, vielmehr erhielt sie im Jahr 2021 ob ihrer dienstlichen Leistungen eine Geldbelohnung. Sie sei zuversichtlich, dass die Beamtin aus dem Vorfall gelernt habe und in Zukunft ihre Dienstpflichten weiterhin gewissenhaft zu ihrer Zufriedenheit erfüllen werde.

 

10. Der Herr Disziplinaranwalt führte in seinen Schlussworten aus, dass der Tatbestand der im Einleitungsbeschluss angelasteten Dienstpflichtverletzungen in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt und die Vorführung des auf USB-Stick aufgezeichneten Videos nicht notwendig sei. Durch das viermalige Betreten des Haftraumes ohne angeordnete Schutzausrüstung in dem sich der mit SARS-COVID-19 infizierte Insasse A.A. befand, habe sie schuldhaft gegen die Gehorsamspflicht nach § 44 Abs 1 BDG 1979 verstoßen, was sie auch eingestanden habe. Sie wollte den Pfleger unterstützen und hätte dem Insassen gegenüber ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen wollen, dabei jedoch ihre Dienstpflicht verletzt. Als Milderungsgründe wären das umfassende und reumütige Geständnis sowie ihre Unbescholtenheit, als Erschwerungsgrund die mehrfache Pflichtverletzung bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Insgesamt werde mit einem Verweis nicht das Auslangen zu finden sein und er fordere deshalb eine schuld- und tatangemessene Bestrafung.

 

11. Der Herr Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass er dem Herrn Disziplinaranwalt in seinen Ausführungen folge, seine Mandantin ihre Dienstvergehen einsehen würde und er um eine milde Bestrafung bitte.

 

12. In ihrem Schlusswort betonte Frau A.A. nochmals, dass sie bereue und es ihr leidtue, ihr diese Dienstpflichtverletzungen nicht nochmals passieren werden und sie um eine milde Bestrafung bitte.

 

13. Der Senatsvorsitzende befragt am Ende der mündlichen Verhandlung die Parteien, ob die Aufnahme des Schallträgers wiedergegeben werden soll. Auf das Abspielen der Aufzeichnung wird verzichtet. Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift wird von den Parteien verzichtet.

 

Der Disziplinarsenat hat erwogen:

Rechtliche Grundlagen in Bezug auf die Dienstpflichtverletzungen:

§ 44 Abs 1 BDG 1979:

Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

 

§ 91 Abs 1 BDG 1979:

Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.

Zur rechtlichen Würdigung:

Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren. (VwGH 14. 1. 1980 SlgNF 10.007 A).

Der objektive Tatbestand steht fest, da sich dieser aus der Aktenlage und dem Geständnis der Disziplinarbeschuldigten im Zuge der mündlichen Verhandlung ergab.

Die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit war unstrittig gegeben.

Einem rechtmäßigen Alternativverhalten (Zutritt mit angeordneter Schutzausrüstung) wäre nichts im Wege gestanden.

Die Anordnungen der Anstaltsleiterin in der Dienstverfügung 09/2020 vom 06.11.2021 stellen unzweifelhaft eine Weisung dar, diese wurden durch den Vorgesetzten A.A. nochmals am Tag des Vorfalles in Erinnerung gerufen. Die Befolgung von Weisungen gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines Beamten, weil nur so die reibungslose Funktionsfähigkeit einer hierarchisch gegliederten Verwaltung sichergestellt werden kann.

Die Disziplinarbeschuldigte hatte Kenntnis von den Weisungen der Vorgesetzten und somit wusste sie, was sie grundsätzlich zu tun gehabt hätte. Sie unterließ es, den Weisungen Folge zu leisten und handelte somit zumindest bedingt vorsätzlich, weil sie es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch das Nichtanlegen von Schutzhandschuhen und Schutzbrille gegen die Gehorsamspflicht zu verstoßen. Auf das Abspielen der Videoaufzeichnung konnte verzichtet werden.

 

Zur Strafbemessung gemäß § 93 BDG 1979:

Diese orientiert sich an Hand von Faktoren vor, nach und neben der Tatbestandserfüllung an den Kriterien der §§ 32 ff StGB (vgl. Schroll § 198 Rz 24 ff). In der Strafzumessung ist ein Gesamtwert aller Faktoren vorzunehmen.

Die Disziplinarstrafe soll der Schwere der Dienstpflichtverletzung entsprechen. Es werden bei der Strafbemessung daher das Gewicht der Tat, der Grad des Verschuldens, die dienstrechtliche

Stellung und Verantwortlichkeit sowie der Umfang der verletzten Dienstpflicht berücksichtigt. Die Gehorsamspflichtverletzungen wurden mit „schwer“ beurteilt, weil der Stellung der Norm ein hoher Wert – wie oben ausgeführt – zukommt und sie vorsätzlich die Erfüllung ihrer Dienstpflichten unterlassen hat. Bei der Beurteilung „schwer“ wäre nach der Judikatur zwingend eine Geldstrafe zu verhängen, grundsätzlich sieht die Rechtsprechung des VwGH in der Verletzung der Gehorsamspflicht kein Bagatelldelikt (siehe VwGH vom 26.06.2012; 2011/09/0032).

Nach gewissenhafter Abwägung aller für bzw. wider der Beschuldigten sprechenden Umstände gelangte der erkennende Senat in der Frage der zu verhängenden Strafart und Strafhöhe angesichts der im Folgenden darzulegenden Überlegungen zu dem im Spruch ersichtlichen Ergebnis. Grundlage für die Strafbemessung war die im Beweisverfahren zweifelsfrei erwiesene Schuld der Frau A.A. (Vorsatz). Die weisungskonforme Einhaltung von Weisungen gehört zu den Kernbereichen eines Beamten. Verstöße gegen die Gehorsamspflicht sind daher bereits aus generalpräventiver Sicht streng zu bestrafen. Es ist allen Bediensteten vor Augen zu führen, dass dies kein Bagatelldelikt ist und derartige Dienstpflichtverletzungen nicht geduldet werden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Weisung und die korrespondierende Gehorsamspflicht die tragende Säule des Dienstbetriebes im öffentlichen Dienst, insbesondere auch im Bereich der Justizwache sind.

Spezialpräventive Aspekte, um sie vor weiteren einschlägigen Pflichtverletzungen abzuhalten, erscheinen dem Senat gegeben zu sein, weil sie zwar reumütig ihr Fehlverhalten einsah, jedoch nochmals in eine derartige Situation kommen könnte.

 

Straferschwerend war zu werten:

•        Mehrmalige einschlägige Dienstpflichtverletzung (Gehorsamspflicht) Strafmildernd war zu werten:

•        Reumütiges Tatgeständnis

•        Unbescholtenheit

•        Missbilligende Distanzierung („wird nicht nochmals passieren“)

•        positive Zukunftsprognose (Dienstbeurteilung durch Anstaltsleiterin)

 

Die Bemessungsgrundlage von € 1.809,82 errechnet sich aus dem Grundbezug E2a, GSt 12 der Funktionszulage (FG 2) und der Wachdienstzulage (§§ 81, 143 GehG 1956) der Beschuldigten im Monat März 2022 (ohne Sonderzahlungen und fallweisen Nebengebühren).

Die ausgesprochene Geldbuße in der Höhe von ca. 55 Prozent der Bemessungsgrundlage wurde vom Senat als tat- und schuldangemessen festgelegt.

Sie soll durchaus auch als Vertrauensvorschuss gegenüber einer ansonsten guten Beamtin, wie es Frau A.A. zweifelsfrei ist, verstanden werden. Der Senat 35 vertraut ihr, dass sie in Zukunft keine Dienstpflichtverletzungen mehr begeht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2022
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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