TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/13 LVwG-2022/18/0545-3

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Veröffentlicht am 13.10.2022
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Entscheidungsdatum

13.10.2022

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

COVID-19-SchutzmaßnahmenV 05te 2021 §13
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 05te 2021 §20
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 05te 2021 §21
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §8 Abs5a Z2
VStG §5
VStG §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hörtnagl über die Beschwerde der AA, vertreten durch RAA BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Y vom 02.02.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 02.09.2022,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung mit BGBl II Nr 465/2021 in der Fassung BGBl II Nr 467/2021 zu zitieren ist und es bei der Strafbestimmung (§ 44a Z 3 VStG)

„§ 8 Abs 5a Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 90/2021

zu lauten hat.

2.       Die Beschwerdeführerin hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 20,00 zu leisten.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin Folgendes vorgeworfen:

„Sie, Frau AA, geb am XX.XX.XXXX, haben am 19.11.2021 um ca 18:30 Uhr in Y, Adresse 2, Adresse 3, folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Sie haben zu oben angeführter Zeit am oben angeführten Ort an einer Versammlung (Demonstration) gem. § 13 Abs. 1 Z 2 der 5. COVID-19-SchuMaV, BGBl II Nr 465/2021, idgF mit mehr als 50 Teilnehmern teilgenommen und hierbei entgegen § 13 Abs 2 der 5. COVID-19-SchuMaV, BGBl II Nr 465/2021, idgF keine Maske im Sinne des § 1 Abs 1 dieser Verordnung getragen, obwohl nicht alle Personen einen 2G-Nachweis vorgewiesen haben.“

Daher wurde über sie gemäß § 40 Abs 2 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950 idgF, eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 100,00 (34 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt sowie Verfahrenskosten in Höhe von Euro 10,00 vorgeschrieben.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin, damals noch unvertreten, mit E-Mail vom 07.02.2022 fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen begründet sie diese damit, dass einerseits die Maskenpflicht verfassungs- und gesetzwidrig sei und sie andererseits gar nicht an der Versammlung teilgenommen habe.

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorliegenden Akten sowie durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, im Zuge derer der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Beschwerdeführerin, mittlerweile rechtsfreundlich vertreten, weitgehend außer Streit gestellt wurde und die Beschwerdeführerin ein Dokument mit dem Titel „Bestätigung – Maskenbefreiung“ vorgelegt hat.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin hat am 19.11.2021 um ca 18.30 Uhr in **** Y, Adresse 2, Adresse 3, an einer Versammlung (Demonstration) mit mehr als 50 Teilnehmern teilgenommen und dabei keine FFP2-Maske getragen, obwohl nicht alle Personen einen 2G-Nachweis vorgewiesen haben.

In der mündlichen Verhandlung am 02.09.2022 legte die Beschwerdeführerin ein undatiertes Schreiben vom „Verein CC, Adresse 4, **** X“ mit dem Titel „Bestätigung – Maskenbefreiung“ vor, welches vom „ehrenamtlichen Präsidenten DD“ unterzeichnet ist. In dieser „Bestätigung“ steht Folgendes:

„Forschungsteilnehmer ***:

AA, geb. XX.XX.XXXX

Adresse 5

**** W

Begründung:

Die oben genannte Person nimmt an einem Forschungsprojekt teil und kann daher keinen Mund-Nasen-Schutz (Maske) tragen.

Das voraussichtliche Forschungsprojektende ist der 31.07.2022.“

Wann dieses Dokument ausgestellt bzw der Beschwerdeführerin ausgehändigt wurde, kann nicht festgestellt werden. Es wurde weder am 19.11.2021 den anzeigenden Polizeibeamten noch der belangten Behörde im beschwerdegegenständlichen Verfahren gegenüber erwähnt oder diesen vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin hat am 19.11.2021 über keine ärztliche Bestätigung betreffend die Unzumutbarkeit des Tragens von Masken aus gesundheitlichen Gründen verfügt.

Die Beschwerdeführerin ist unbescholten und hat zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie allfälligen Sorgepflichten keine Angaben gemacht.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus den dem LVwG Tirol vorliegenden Akten und wurde dieser von der Beschwerdeführerin auch großteils außer Streit gestellt. Aus diesem Grund konnte auch die beabsichtigte Einvernahme der anzeigenden Polizeibeamten als Zeugen unterbleiben.

Dass die Beschwerdeführerin über kein ärztliches Maskenbefreiungsattest verfügt, hat sie selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dass es sich bei dem von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vorgelegten Dokument um kein derartiges Attest handelt, ist offenkundig und der Beschwerdeführerin ihren Aussagen in der Verhandlung zufolge, wonach ihr kein Arzt wegen Kopfschmerzen ein Maskenbefreiungsattest ausstellen würde, selbst bewusst. Das Vorbringen, wonach sie über dieses Dokument bereits zur Tatzeit verfügt hätte, steht im Widerspruch zu dem ebenfalls unbestrittenen Umstand, dass sie dieses Dokument weder im Zusammenhang mit der beschwerdegegenständlichen Verwaltungsübertretung als auch im Rahmen von darauffolgenden Verwaltungsübertretungen betreffend die Maskenpflicht erwähnt bzw vorgelegt hat. Dementsprechend und auch mangels Datierung des Dokuments konnte nicht festgestellt werden, seit wann die Beschwerdeführerin über diese Bestätigung verfügt.

Dass die Beschwerdeführerin unbescholten ist, ergibt sich aus dem Verwaltungsstrafregisterauszug vom 18.07.2022. Die Feststellung zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung.

IV.      Rechtslage:

Die zum Tatzeitpunkt relevanten Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 143/2021, lauten (auszugsweise) wie folgt:

„Zusammenkünfte

§ 5. (1) Beim Auftreten von COVID 19 können vorbehaltlich des Abs. 2 Zusammenkünfte von Personen aus verschiedenen Haushalten geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 erforderlich ist.

[…]

(4) In einer Anordnung gemäß Abs. 1 können Zusammenkünfte

1.   an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden werden oder

2.   in Bezug auf die Personenzahl beschränkt werden oder

3.   einer Anzeige- oder Bewilligungspflicht unterworfen werden oder

4.   auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen eingeschränkt werden.

Maßnahmen gemäß Z 3 und 4 dürfen jedenfalls nicht für Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich angeordnet werden. Erforderlichenfalls sind die Maßnahmen gemäß Z 1 bis 4 nebeneinander zu ergreifen. Reichen die in Z 1 bis 4 genannten Maßnahmen nicht aus, können Zusammenkünfte untersagt werden.

Strafbestimmungen

§ 8. (1) […]

(5a) Wer

[…]

2. eine Zusammenkunft entgegen den sonstigen gemäß § 5 Abs. 4 festgelegten Beschränkungen organisiert oder daran teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen;

[…]“

Die zum Tatzeitpunkt relevanten Bestimmungen der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 465/2021, idF BGBl II Nr 467/2021, lauten (auszugsweise) wie folgt:

„Präambel/Promulgationsklausel

Auf Grund der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 4a Abs. 1, 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 183/2021, sowie des § 5c des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 183/2021, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats verordnet:

[…]

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. (1) Als Maske im Sinne dieser Verordnung gilt eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormten Standard.

[…]

Zusammenkünfte

§ 13. (1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Zusammenkünften ist für Personen, die über keinen 2G-Nachweis verfügen, nur für folgende Zusammenkünfte zulässig:

[…]

2. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl Nr 98/1953.

[…]

(2) Bei Zusammenkünften gemäß Abs 1 Z 1 bis 6 mit mehr als 50 Personen ist eine Maske zu tragen, sofern nicht alle Personen einen 2G-Nachweis vorweisen.

Ausnahmen

§ 20. (1) […]

(4) Die Pflicht zum Tragen einer Maske gilt nicht

1.   während der Konsumation von Speisen und Getränken;

2.   für gehörlose und schwer hörbehinderte Personen sowie deren Kommunikationspartner während der Kommunikation;

3.   wenn dies aus therapeutisch-pädagogischen Gründen notwendig ist;

4.   für Personen, die Gesundheitsdienstleistungen der Logopädie erbringen oder in Anspruch nehmen, für die Dauer der Erbringung bzw. Inanspruchnahme der logopädischen Dienstleistung;

5.   wenn dies zur Erbringung einer körpernahen Dienstleistung notwendig ist oder die Erbringung einer Dienstleistung dadurch verunmöglicht wird;

6.   während der Sportausübung;

7.   für Personen, denen dies aus gesundheitlichen oder behinderungsspezifischen Gründen nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall darf auch eine sonstige den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, darf auch eine sonstige nicht eng anliegende, aber den Mund- und Nasenbereich vollständig abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Eine vollständige Abdeckung liegt vor, wenn die nicht eng anliegende Schutzvorrichtung bis zu den Ohren und deutlich unter das Kinn reicht. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gilt die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht.

[…]

Glaubhaftmachung

§ 21. (1) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß dem §§ 2, 13 und 20 ist auf Verlangen gegenüber

1.   Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes,

2.   Behörden und Verwaltungsgerichten bei Parteienverkehr und Amtshandlungen sowie

3.   Inhabern einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes sowie Betreibern eines Verkehrsmittels zur Wahrnehmung ihrer Pflicht gemäß § 8 Abs 4 COVID-19-MG,

4.   dem für eine Zusammenkunft Verantwortlichen

glaubhaft zu machen.

(2) Der Ausnahmegrund gemäß § 20 Abs 10 und die Ausnahmegründe, wonach aus gesundheitlichen Gründen

1.   das Tragen einer Maske oder einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht zugemutet werden kann.

2.   Die Durchführung eines nach § 1 Abs 2 vorgesehenen Tests nicht zugemutet werden kann,

sowie das Vorliegen einer Schwangerschaft ist durch eine von einem in Österreich oder im EWR zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen.

(3) Wurde das Vorliegen eines Ausnahmegrundes den in Abs 1 Z 3 Genannten glaubhaft gemacht, ist der Inhaber der Betriebsstätte oder des Arbeitsortes sowie der Betreiber eines Verkehrsmittels seiner Pflicht gemäß § 8 Abs 4 des COVID-19-MG nachgekommen.“

V.       Erwägungen:

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin zur vorgeworfenen Zeit am vorgeworfenen Ort ohne eine FFP2-Maske zu tragen an einer Demonstration teilgenommen hat. Da es sich bei dieser Demonstration um eine Versammlung mit mehr als 50 Personen, welche nicht alle einen 2G-Nachweis vorlegen konnten, gehandelt hat, wäre gemäß § 13 Abs 2 der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung eine Maske zu tragen gewesen.

Erst in der mündlichen Verhandlung beruft sich die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines undatierten Dokuments auf eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Tragen einer Maske. Begründet wird diese Ausnahme mit gesundheitlichen Problemen und der Teilnahme an einem Forschungsprojekt. Die maßgeblichen Ausnahmebestimmungen finden sich in § 20 Abs 4 der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung. Die Teilnahme an einem nicht näher definierten Forschungsprojekt von einem Förderverein fällt zweifellos nicht unter die dort aufgezählten Ausnahmebestimmungen. Die vorliegende Bestätigung lässt auch nicht darauf schließen, dass der Beschwerdeführerin aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Maske nicht zugemutet werden kann. Dieser Ausnahmegrund ist gemäß § 21 Abs 2 Z 1 der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung durch „eine von einem in Österreich oder im EWR zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen“. Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, dass sie über kein ärztliches Maskenbefreiungsattest verfügt hat und auch zur Erlangung des vorgelegten „Befreiungsattestes“ lediglich ein Fragebogen auszufüllen war. Somit handelt es sich bei dieser Bestätigung jedenfalls nicht um ein ärztliches Zeugnis im Sinne des § 55 Ärztegesetz 1998. Dieses wäre von einem Arzt nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen auszustellen. Das von der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegte Dokument über eine Maskenbefreiung entspricht dem in keinster Weise und ist daher nicht geeignet, einen Ausnahmegrund gemäß § 20 Abs 4 der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung glaubhaft zu machen. Anderweitige Ausnahmegründe wurden nicht angegeben und sind auch im Laufe des Verfahrens nicht hervorgekommen. Die Übertretung steht damit in objektiver Hinsicht fest.

Zur inneren Tatseite ist auszuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines „Ungehorsamsdeliktes“ – als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt – tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die Beschwerdeführerin bringt insofern auch mangelndes Verschulden an der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung vor, als dass sie behauptet, sich darauf verlassen zu haben, durch das vorgelegte Dokument tatsächlich von der Pflicht zum Tragen einer Maske ausgenommen zu sein.

Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, allerdings nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Normen nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundigungspflicht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen (vgl VwGH 24.01.2010, 2008/09/0175). Eine derartige Erkundigungspflicht ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Existenz einschlägiger Regeln für die jeweilige Tätigkeit erkennbar ist. Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Für die Teilnahme an einer Demonstration zur Tatzeit hätte allein schon aufgrund der intensiven medialen Berichterstattung im Zusammenhang mit COVID-19 jedenfalls Anlass bestanden, sich mit den einschlägigen Regeln zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vertraut zu machen. Die Beschwerdeführerin hat dies jedoch offenkundig unterlassen und – wie sie selbst ausführt – auf das Tragen der Maske „vergessen“. Spätestens jedoch nach Ermahnung durch die Polizei kann von einer „Vergesslichkeit“ nicht mehr die Rede sein. Die Beschwerdeführerin gibt selbst an, trotzdem ohne Maske weiter bei der Versammlung geblieben zu sein. Außerdem: hätte sie sich damals tatsächlich auf eine gültige Maskenbefreiung verlassen, so hätte sie dieses wohl den Polizeibeamten gegenüber erwähnt bzw das betreffende Dokument vorgezeigt. Im Hinblick auf die Ausgestaltung dieses „Befreiungsattestes“ ist weiters anzumerken, dass bei gehöriger Sorgfalt seitens der Beschwerdeführerin Erkundigungen einzuholen gewesen wären, ob ein derartiges Dokument überhaupt ausreichend sein kann. Dementsprechend liegen – unabhängig davon, ob das in der Verhandlung vorgelegte Dokument zum damaligen Zeitpunkt bereits vorgelegen hat oder nicht – mehrere Gründe vor, welche für ein Verschulden der Beschwerdeführerin sprechen. Die Übertretung steht daher auch in subjektiver Hinsicht fest, wobei beim Ausmaß des Verschuldens von Fahrlässigkeit auszugehen ist.

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die übertretenen Rechtsvorschriften dienen dem Schutz hochrangiger Interessen, insbesondere dem Gesundheitsschutz der Gesamtbevölkerung und kommt somit einem Verstoß gegen diese Regelung ein hoher Unrechtsgehalt zu. Das Hinwegsetzen einzelner Personen über die zur Bekämpfung der Pandemie gesetzten Maßnahmen verletzt den Schutzzweck der Norm erheblich. Als Milderungsgrund ist die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin zu werten. Weitere Erschwerungs- oder Milderungsgründe liegen nicht vor.

Die Behörde schöpfte den in § 40 Abs 2 Epidemiegesetz 1950 vorgesehenen Strafrahmen von Euro 500,00 zu 20 % aus. Obwohl Gelegenheit gewesen wäre, hat die Beschwerdeführerin keine Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und allfälligen Sorgepflichten gemacht. Im Zuge der vorzunehmenden Schätzung ist folglich von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen (vgl VwGH 20.09.2005, 2003/05/0060).

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ist die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe als schuld- und tatangemessen anzusehen und ist diese nicht zuletzt auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand, dass § 5 Abs 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes die gesetzliche Grundlage des § 13 der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung darstellt und somit gegenständlich die Strafsanktionsnorm des § 8 Abs 5a Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz einschlägig ist, nichts, da beide Bestimmungen den gleichen Strafrahmen vorsehen. Allerdings ist der Spruch in dieser Hinsicht zu berichtigen und waren die Bestimmungen auch durch jene Bundesgesetzblätter zu konkretisieren, durch welche sie ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten haben (vgl VwGH 27.06.2022, Ra 2021/03/0328).

Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren zu verpflichten.

Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die im gegenständlichen Beschwerdeverfahren relevanten Rechtsfragen lassen sich unmittelbar aufgrund der zitierten Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes und der 5. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung lösen. Weiters wird auf die zitierte Judikatur verwiesen. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG liegen folglich nicht vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Hörtnagl

(Richterin)

Schlagworte

Maskenpflicht
Demonstration
Befreiungsattest
ärztliche Bestätigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.18.0545.3

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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