TE Lvwg Erkenntnis 2022/9/29 LVwG-2022/24/2454-4

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Veröffentlicht am 29.09.2022
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Entscheidungsdatum

29.09.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L94017 Gemeindesanitätsdienst Sprengelärzte Tirol

Norm

AVG §13 Abs7
GdSanG Tir 1952 §33
  1. AVG § 13 heute
  2. AVG § 13 gültig ab 15.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 57/2018
  3. AVG § 13 gültig von 01.01.2012 bis 14.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011
  4. AVG § 13 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  5. AVG § 13 gültig von 01.01.2008 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008
  6. AVG § 13 gültig von 01.07.2004 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  7. AVG § 13 gültig von 01.03.2004 bis 30.06.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004
  8. AVG § 13 gültig von 20.04.2002 bis 29.02.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  9. AVG § 13 gültig von 01.01.2002 bis 19.04.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 137/2001
  10. AVG § 13 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  11. AVG § 13 gültig von 01.02.1991 bis 31.12.1998

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Voppichler-Thöni über die Beschwerden der 1.) AA Adresse 1, D-***** Z, und des 2.) BB, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 7.9.2022, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Gemeindesanitätsgesetz, den

zu Recht:

1.   Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 7.9.2022 wird ersatzlos behoben und das Bewillungsverfahren nach dem Tiroler Gemeindesanitätsgesetz eingestellt.

2.   Die laut Kostenspruch vorgeschriebene Landesverwaltungsabgabe in Höhe von Euro 150,00 entfällt.

3.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.   Verfahrensgang/Sachverhalt:

Mit Eingabe des Herrn BB wurde eine Urnenbeisetzung des am 12.08.2022 verstorbenen CC, ehemalig wohnhaft in Adresse 3 in **** Y außerhalb eines Friedhofs beantragt. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass die Beisetzung auf dem Grundstück in Y, Einlagezahl ***1 GST. Nr **1, erfolgen soll. Grundstückseigentümer es laut Grundbuchsauszug Herr BB.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y wurde diesem Antrag gemäß § 33 Abs 2 des Gemeindesanitätsdienstgesetzes, 1952, idF LGBl Nr 167/2021 unter Einhaltung nachfolgender Nebenbestimmungen Folge gegeben:

1. die Beisetzungsstelle ist so zu gestalten zu erhalten, dass der Charakter einer angemessenen Gedenkstätte gewährleistet ist.

2. die Bestattung hat in einer während der Mindestruhefrist von 10 Jahren biologisch abbaubaren Urne erfolgen.

3. die Urnenbeisetzung in der Erdgrabstätte hat in einer Tiefe von mindestens 50 cm unter der Erdoberfläche zu erfolgen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Schwester des Verstorbenen – DD - Beschwerde, und führte in der Begründung im Wesentlichen aus, dass der Wunsch ihres verstorbenen Bruders gewesen sei, eine Urnenbestattung in seinem Wohnort Y. Nach dem ersten Schock seines Ablebens sei ihr und ihrer Mutter – die bei ihr lebe – klargeworden, dass ihre Schwester die Beisetzung auf einem privaten Grundstück im Besitz von BB und EE, Adresse 4, **** Y veranlasst hätten. Diese Leute seien ihr und ihrer Mutter gänzlich unbekannt. Sie erheben deshalb Einspruch gegen die geplante Beisetzung auf einem Privatgrund. Sie seien mit diesem Beisetzungsort überhaupt nicht einverstanden, denn es sei ein Privatgrund, auf den ihre Familie und Freunde ohne die Genehmigung des Grundstückbesitzers keinen Zugang zur Begräbnisstätte hätten. Auf dem Privatgrund dürfen auch keine Trauerfeierlichkeiten stattfinden. Ihre Mutter und sie selbst sowie viele Freunde des Verstorbenen möchten, dass ihr Bruder auf deinem öffentlichen Friedhof/Begräbnisstätte jederzeit und öffentlich zugänglich sei.

Darüber hinaus langte am 27.09.2022 eine Beschwerde von BB ein, im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine Zustimmung bzw. Einigung der Familienangehörigen über die Urnenbeisetzung außerhalb eines Friedhofes nicht vorliege. Weiters beantragte er die vorgeschriebenen Kosten in Höhe von Euro 172,00 Euro (Landesverwaltungsabgabe in Höhe von Euro 150,00 und Stempelgebühren in Höhe von Euro 22,10) aufzuheben. Gleichzeitig mit der eingebrachten Beschwerde zog der Antragsteller – BB– den Antrag auf Urnenbeisetzung außerhalb eines Friedhofes vom 22.8.2022 zurück.

II.      Erwägungen:

Gemäß § 13 Abs 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

Im Fall der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages während eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird dem angefochtenen Bescheid nachträglich die verfahrensrechtliche Grundlage für die Sachentscheidung entzogen.

Für die Zulässigkeit der Zurückziehung eines Antrages war im gegenständlichen Fall sohin vorab die entscheidende Frage zu klären, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheids und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag grundsätzlich als erledigt anzusehen. Erfolgt die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags während offener Rechtsmittelfrist, jedoch ohne Erhebung eines Rechtsmittels, so erfolgt sie zu spät und zieht keine Rechtswirkungen mehr nach sich (VwGH 2013/07/0099; Ra 2020/22/0070).

Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheids dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine - zulässige und fristgerechte – Beschwerde erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch die Beschwerde offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Erkenntnisses des zuständigen Verwaltungsgerichtes zurückgezogen werden.

BB ist im gegenständlichen Verfahren „Partei“ und ist deshalb auch legitimiert, Beschwerde zu erheben. Die von ihm eingebrachte Beschwerde bewirkt iS des oben Gesagten folglich, dass der verfahrenseinleitende Antrag noch „offen“ ist. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass er zwar ein Freund des Verstorbenen - CC – war, jedoch nicht, dass ein erkennbarer Wille des Verstorbenen vorlag, außerhalb eines Friedhofes bestattet zu werden. Zudem lagen hiefür auch keine Zustimmung weder von der Schwester AA noch von der Mutter des Verstorbenen vor. Es war sohin – auch selbst für das Landesverwaltungsgericht - nicht davon auszugehen, dass eine gewichtige, allgemein nachvollziehbare persönliche Nahebeziehung des Verstorbenen zur Liegenschaft oder zu einer bereits vorverstorbenen und auf der Liegenschaft bestatteten Person besteht.

Unabhängig vom Vorbringen des Beschwerdeführers wurde der verfahrenseinleitende Antrag vom Beschwerdeführer zurückgezogen. Im Fall der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages während eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird dem angefochtenen Bescheid nachträglich die verfahrensrechtliche Grundlage für die Sachentscheidung entzogen. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Kostenspruch:

Nach TP IV. Ziff 27. der Landesverwaltungsabgabenverordnung 2007 idF LGBl Nr 82/2014 (betreffend Leichen- und Bestattungswesen Gemeindesanitätsdienstgesetz, LGBl Nr 33/1952, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013) beträgt der Tarif für die Bewilligung zur Beisetzung von Leichen oder Leichenteilen oder von Aschenurnen außerhalb eines Friedhofes (§ 33 Abs 2) Euro 150,–.

Nachdem die Bewilligung zur Beisetzung aufgehoben wurde, war auch der Kostenspruch in Bezug auf die Verwaltungsabgabe in Höhe von Euro 150,00 aufgrund der akzessorischen Beziehung des Kostenabspruches zur Hauptsache aufzuheben.

Was die Stempelgebühren betrifft:

§ 75 Abs 3 AVG enthält eine salvatorische Klausel, wonach die gesetzlichen Bestimmungen über die Stempel- und Rechtsgebühren unberührt bleiben. Die diesbezüglichen Bestimmungen finden sich derzeit im Gebührengesetz 1957. Dieses sieht Gebühren für Schriften und Amtshandlungen vor (§ 1). Darunter sind bestimmte in den Tarifansätzen näher genannte Eingaben und Beilagen, amtliche Ausfertigungen, Protokolle (Niederschriften), Rechnungen, Zeugnisse, Vollmachten ua zu verstehen (§§ 10, 14 GebührenG).

Die Vorschreibung derartiger Gebühren ist nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens (VwGH 06.06.1957, 457/57), bzw sind zur Vollziehung des GebührenG nicht die zur Anwendung des AVG berufenen Behörden, sondern die Finanzbehörden des Bundes zuständig (§ 38 GebührenG, Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 513).

Zur Beschwerde der Frau AA:

Da der Bescheid ersatzlos behoben wurde, erübrigt sich die Entscheidung über ihre eingebrachte Beschwerde. Der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die von ihr eingebrachte Beschwerde ohnehin infolge fehlender Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Dies aus folgendem Grund:

Beim Bewilligungsverfahren ist zentrale Frage, ob aus öffentlich-rechtlicher Sicht die Voraussetzungen für die Urnenbeisetzung in der beantragten Weise erfüllt sind und welche Auflagen einzuhalten sind. Die - zivilrechtliche - Verfügungsbefugnis über die Urne des Verstorbenen war jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides, sondern ist über diese (im Streitfall) von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. Allenfalls bestehende privatrechtliche Interessen der Beschwerdeführerin (Frau AA), selbst über die Urne zu verfügen, begründet keine Parteistellung der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Voppichler-Thöni

(Richterin)

Schlagworte

Urnenbestattung außerhalb eines Friedhofs
Antragszurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.24.2454.4

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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