TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/26 93/05/0124

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Veröffentlicht am 26.03.1996
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1;
BauRallg;
WEG 1975 §1 Abs3;
WEG 1975 §13 Abs2 Z2;
WEG 1975 §13;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E und 52 anderer Wohnungseigentümer, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 8. April 1993, Zl. MD-VfR - B XI - 25/92, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Z in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, 2. Y-Immobilien- und Vermögenstreuhandgesellschaft m.b.H. in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der erstmitbeteiligte Bauwerber beantragte mit Ansuchen vom 7. Juli 1992 die Bewilligung von Abänderungen im Erdgeschoßlokal Top 1 des Hauses W, S-Straße 16. Nach dem dort vorgelegten Bauplan war u.a. die Verschiebung einer zwischen zwei Räumen befindlichen Stiege (6 Stufen) um 120 cm vorgesehen. Weiters war die Neuerrichtung eines Damen-WC und eines Herren-WC mit je einem neuen Abflußstrang vorgesehen, welche Stränge im Personal-WC (Altbestand) zusammengeführt werden.

Mit Bescheid vom 28. August 1992 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (in der Folge: MA 37), nach dem mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plan die beantragte Bauführung. Der Bescheid erging an den Bauwerber und an die Wohnungseigentümerin des gegenständlichen Lokals (Zweitmitbeteiligte).

Mit Schreiben vom 11. November 1992 begehrte der Hausverwalter im Namen der 53 Beschwerdeführer (Wohnungseigentümer) die Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Bescheides vom 28. August 1992. Bei den genehmigten Baumaßnahmen, insbesondere bei der Neuerrichtung von 2 WC"s, handle es sich um Maßnahmen, die der Zustimmung sämtlicher Miteigentümer bedürften.

Diese Anträge wies die MA 37 mit Bescheid vom 9. Dezember 1992 ab. Die Änderungen der internen Niveauausgleichsstiege und der Einbau zweier Abortanlagen samt der damit verbundenen Verlegung der dazugehörigen Kanalrohre zu dem im Lokal vorhandenen Abfallrohr könne den Regelungen des § 63 Abs. 1 lit. c BauO nicht zugezählt werden, da durch diese Maßnahme keine allgemeinen Teile des Hauses geändert würden.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machten die Beschwerdeführer geltend, im Zuge der Neuerrichtung zweier WC"s werde der im gemeinsamen Miteigentum aller Wohnungseigentümer stehende, zu den allgemeinen Teilen gehörende Abzweiger und Abfallstrang in Anspruch genommen.

Die Berufungsbehörde hielt den Beschwerdeführern gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Beweisergebnis vor, wonach eine (nicht im Akt befindliche) Stellungnahme der MA 37 wie folgt gelautet habe:

"Es wurde davon ausgegangen, daß an der gemeinsamen Kanalanlage im Lokal (Abfallstrang und Abzweiger) keine Änderungen vorgenommen wurden und somit der auch bis jetzt in Anspruch genommene Teil der gemeinsamen Kanalanlage nicht verändert wurde. Jener Bereich des Lokals, in dem die Niveauausgleichstufen verschoben wurden, ist nicht unterkellert, sodaß die Standsicherheit des Hauses von dieser Maßnahme völlig unberührt bleibt."

Dazu äußerten sich die Beschwerdeführer dahingehend, daß alle sanitären Einrichtungen, wie Zu- und Ableitungen, so wie auch insbesondere alle Einrichtungen, die sich unterhalb der WC-Muschel bzw. im Bereich des Niveaus oder unter dem Niveau des WC-Fußbodens befänden, im gemeinsamen Miteigentum und in der gemeinsamen Erhaltungspflicht aller Mit- und Wohnungseigentümer des Hauses stünden. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß das in Rede stehende Lokal im Zuge der Bauführung als Detailhandelsgeschäft errichtet worden sei. Eingeräumt wurde, daß das Lokal im Bereich der zu versetzenden Stufen nicht unterkellert sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach den Feststellungen des Amtssachverständigen der MA 37 werde durch die baulichen Änderungen im Lokal an der gemeinsamen Kanalanlage keine Änderung vorgenommen. Die weitere Verzweigung des im Lokal befindlichen WC-Anschlusses könne daher nicht als Bautätigkeit angesehen werden, für deren Bewilligung die Zustimmung der Wohnungseigentümer notwendig wäre. Es werde keine Stiegenanlage errichtet, die verschiedene Geschoße verbinde bzw. einen Durchbruch durch Decken erfordern würde, sondern es handle sich um eine Stiege, die lediglich einige Stufen zum verschiedenen Niveau in den Räumlichkeiten ausgleichen müsse. Von dieser Maßnahme sei die Standsicherheit des Hauses völlig unberührt.

Dagegen richtet sich die vorliegene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Beiziehung als Partei in dem dem Bescheid vom 28. August 1992 zugrundeliegenden Verfahren und auf Geltendmachung ihrer Parteienrechte in diesem Verfahren verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde der gegenständliche Bauakt der MA 37, S-Straße.16/n1/92, beigeschafft. Die MA 37 gab mit Schreiben vom 17. Oktober 1995 unter Vorlage eines Kellergrundrisses bekannt:

"Anläßlich einer heute durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, daß im Keller oberhalb des tiefsten Zwischenpodestes, da der dem interessierenden Abfallrohr zugehörige Putzschacht eingelassen ist, sich die Etagierung des Abfallstranges (Horizontalversetzung um ca. 1 m; die unterschiedliche Lage des Abfallrohres ist bei Vergleich des Erdgeschoßgrundrisses mit dem Kellergrundriß deutlich erkennbar) im Stiegenhaus ober Putz befindet. Das Kanalrohr ist in diesem Bereich mit einer Gipsbandage versehen, die offensichtlich seit Jahren unverletzt besteht.

Das Lokal wird noch nicht betrieben und ist nicht unmittelbar zugänglich, jedoch ist erkennbar, daß die baulichen Änderungen fertiggestellt sind und auch die Einrichtungsarbeiten weitgehend abgeschlossen sind. Es ist daher davon auszugehen, daß auch die Abwasseranlage hergestellt wurde. Da der Traforaum im Keller für private Installationsarbeiten praktisch unzugänglich ist, und im Stiegenhaus keinerlei Spuren einer Bautätigkeit an dem Abfallrohr erkennbar sind, muß davon ausgegangen werden, daß keine Änderung der altbestehenden Kanalanlage vorgenommen wurde. (Ob die angeführte Anlage tatsächlich brauchbar ist, konnte mangels Zugänglichkeit allerdings nicht festgestellt werden)"

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entsprechend Art. IV der Bauordnungsnovelle

LGBl. Nr. 34/1992 ist für das gegenständliche, vor dem 1. Oktober 1992 eingeleitete Bauverfahren, in dem die Beschwerdeführer Parteistellung begehren, die Bauordnung für Wien i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden.

§ 134 Abs. 3 erster Satz BO lautet:

"Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft Parteien; im Falle des Wohnungseigentums ist nur der betreffende Wohnungseigentümer Partei, wenn das Bauvorhaben nicht von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der bauliche Anlage ist, oder wenn das Bauvorhaben weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirkt, noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nimmt, noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlichen Funktionen sowie Lagerräume betrifft."

Die Parteistellung der übrigen Wohnungseigentümer ist somit an Hand dieser Voraussetzungen zu prüfen; das sind im übrigen dieselben Voraussetzungen, die für die Abgrenzung des Bewilligungsverfahrens zum Anzeigeverfahren gemäß § 62 BO (i.d.F. LGBl. Nr. 34/1992) heranzuziehen sind.

Die Berufungsbehörde hat festgestellt, daß durch die Verschiebung der Stiege kein Einfluß auf die statischen Verhältnisse gegeben sei. Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, daß es nur darauf ankomme, ob die Baumaßnahme geeignet sein kann, auf die statischen Verhältnisse Einfluß zu nehmen. Sie verweisen auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/05/0227, in welchem ausgeführt wurde, daß nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, daß Stiegen von Einfluß auf die statischen Verhältnisse des Hauses seien.

Allerdings unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich vom damals behandelten Bauvorhaben. Dort ging es u. a. um zwei vom Hof zu den Kellerräumen führende Stiegen, während hier ein Niveauunterschied von 1 m zwischen zwei Räumen durch eine Stiege mit 6 Stufen ausgeglichen wird und diese Stiege lediglich um ihre Breite verschoben (abgetragen und daneben neu errichtet) wird. In Anbetracht der unbestrittenen Tatsache, daß die Räume dort nicht unterkellert sind, hält der Verwaltungsgerichtshof die behördliche Feststellung, die Standsicherheit des Gebäudes werde nicht berührt, für schlüssig, sodaß die Beschwerdeausführungen keine Bedenken dahingehend zu erwecken vermögen, daß die statischen Verhältnisse beeinflußt werden könnten.

Der als Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügte Feststellungsmangel hinsichtlich der Umwidmung liegt nicht vor. Das Gesetz nennt als Voraussetzung der Parteistellung lediglich die Umwidmung von Wohnungen in eine der dort genannten Widmungskategorien; die Umwidmung eines Geschäftsraumes oder Lagerraumes in einen Gaststättenraum ist nicht erwähnt. Aus diesem Titel kann den Beschwerdeführern daher keine Parteistellung erwachsen.

Was die neuen WC-Anlagen betrifft, verweisen die Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/05/0252. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt, daß nicht das gesamte Leitungssystem (Abwasserstränge, Zuleitungen etc.) dem Begriff der "gemeinsamen Teile eines Hauses" unterstellt werden könne, daß aber jene - wenn auch im Wohnungsverband laufenden - Leitungen, die auch andere Objekte betreffen, jedenfalls bewilligungspflichtige Abflußleitungen seien. Der Verwaltungsgerichtshof gelangte damals zur Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil weder aufgrund des vorliegenden Bauplanes noch anhand des übrigen Akteninhaltes gesagt werden konnte, ob auch solche Teile des Leitungssystemes des in Rede stehenden Hauses in Anspruch genommen werden, welche nicht nur für die Zu- und und Abfuhr des Wassers innerhalb der Wohnung erforderlich sind.

Auch im Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 90/05/0083, ging es um neugeschaffene Sanitärräumlichkeiten; allerdings stand fest, daß ein Abflußstrang geschaffen und mit dem Hauskanal verbunden wurde, weshalb die Versagung der Baubewilligung aus dem Grunde der mangelnden Miteigentümerzustimmung vom Verwaltungsgerichtshof gebilligt wurde.

Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, daß an der gemeinsamen Anlage, also an der bestehenden Verbindung des vorhandenen WC-Anschlusses zum Hausabfallrohr, keine Veränderung vorgesehen ist. Vielmehr werden die neuen Abflußleitungen - wie aus dem Bauplan durch die rote Färbelung eindeutig ersichtlich - innerhalb des Lokals gelegt und unter dem vorhandenen WC zusammengeführt; von dort weg wird keine Veränderung mehr vorgenommen. Die Änderung betrifft also nur das Leitungssystem innerhalb des Objektes des Bauwerbers.

Dies beantwortet allerdings nicht die Frage, ob nicht doch gemeinsame Teile in Anspruch genommen werden. Auszugehen ist davon, daß für die neuen Sanitäreinrichtungen die WC-Abflußleitungen in den Boden verlegt werden. Im Bereich des Herren-WC ist die Räumlichkeit nicht unterkellert, wohl aber im Bereich des neu geschaffenen Damen-WC bis zur Zusammenführung mit der bestehenden Abflußleitung. Es wird somit NICHT bloß GERINGFÜGIG in eine Geschoßdecke über dem Kellergeschoß durch Verlegung eines 150 mm starken Rohres, welches ein entsprechendes Gefälle aufweisen muß, eingegriffen.

Während im allgemeinen wohl gesagt werden kann, daß der Fußboden eines nicht unterkellerten Raumes im Erdgeschoß keinen "allgemeinen Teil des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft" darstellt, läßt sich eine derartige Aussage für eine Zwischendecke oberhalb des Kellers - mag er nun allgemein benützt werden oder nicht - nicht treffen. Der Traforaum im Keller zählt zweifelsohne zu den "allgemeinen Teilen" des Hauses i.S.d. § 1 Abs. 3 WEG 1975 (Würth in Rummel ABGB II2, Rz 9 zu § 1 WEG: Kesselhaus der Zentralheizung; Meinhart, Wohnungseigentumsgesetz 1975, 60: Aufzugsmotorraum).

Was die Geschoßdecke oberhalb dieses Traforaumes betrifft, die vom Bauvorhaben erfaßt ist, sei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 13 Abs. 2 Z. 2 WEG ("Werden für eine solche Änderung auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen,...") verwiesen: Sowohl die Außenwand eines Hauses mit Eigentumswohnungen (SZ 49/52) als auch die Geschoßzwischendecke zweier übereinanderliegender Eigentumswohnungen (Beschluß vom 22. September 1993, 5 Ob 57/93, RdW 1993, 366) wurde als "gemeinsamer Teil der Liegenschaft" i.S. dieser Gesetzesbestimmung angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an, wobei es keine Rolle spielen kann, wenn die Geschoßzwischendecke, wie hier, nicht zwei übereinanderliegende Eigentumswohnungen, sondern eine Eigentumswohnung von einer gemeinsamen Anlage trennt.

Wird in einer solchen Decke eine gemäß § 60 Abs. 1 BO bewilligungspflichtige Maßnahme - was für die Verlegung eines 15 cm dicken Rohres bejaht werden muß - gesetzt, so wird ein gemeinsamer Teil des Hauses in Anspruch genommen, woraus sich die Parteistellung der Miteigentümer nach § 134 Abs. 3 BO ergibt.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993050124.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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