TE Vwgh Beschluss 1996/3/26 96/19/0164

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Veröffentlicht am 26.03.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

B-VG Art133 Z4;
DSt Rechtsanwälte 1990 §64 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, in der Beschwerdesache des Dr. E, Rechtsanwalt in F, gegen die als Beschluß bezeichnete Erledigung des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 14. November 1994, Zl. 7 Bkd 5/94-6, betreffend Befangenheit in Disziplinarsachen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit der angefochtenen Erledigung erkannte der Präsident der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter dahin, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit mehrerer näher genannter Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission nicht vorliege.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 11. Dezember 1995, B 2633/94-12, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab. Er vertrat darin unter Hinweis auf seine Rechtsprechung die Ansicht, daß die Sache nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat folgende Überlegungen angestellt:

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat - ungeachtet der Abtretung im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG - seine Zuständigkeit selbständig zu prüfen; hievon geht auch der Verfassungsgerichtshof in dem vorliegenden Abtretungsbeschluß aus.

2. Bei der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter handelt es sich um eine Kollegialbehörde im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG. Ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht eröffnet (vgl. etwa Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 48). Diese für die Beurteilung des Beschwerdefalles maßgebende Vorschrift schließt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in den darin genannten Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus (vgl. den hg. Beschluß vom 25. August 1994, Zl. 94/19/1142 mwN).

3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 26. Jänner 1995, Zlen. 94/19/0424, 0918, dargelegt hat, gilt dieser Ausschluß von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes auch, wenn ein einzelnes Mitglied einer derartigen Kollegialbehörde eine Entscheidung im Zuge des Verfahrens - etwa hinsichtlich der Ablehnung eines anderen Mitgliedes - zu treffen hat, sofern nur die Kollegialbehörde gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG zur Entscheidung im Verwaltungsverfahren in letzter Instanz berufen ist. Eine andere Ansicht würde dazu führen, daß zwar die Sachentscheidung der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen wäre, dieser jedoch in vorgelagerten Verfahrensfragen angerufen werden könnte; eine solche Absicht darf dem (Verfassungs)Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Die von Art. 133 Z. 4 B-VG geforderten und in § 64 Abs. 1 DSt 1990 festgeschriebenen Garantien erstrecken sich überdies auch auf die vom Gesetz dem einzelnen Mitglied im Rahmen der Angelegenheiten, die der Kommission in letzter Instanz zur Entscheidung übertragen sind, zum Vollzug überantworteten Aufgaben.

4. Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem bereits genannten Beschluß vom 11. Dezember 1995, B 2633/94-12, zur Begründung seiner davon offenbar abweichenden Ansicht angeführten Belegstellen vermögen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht zu tragen: Weder in dem Erkenntnis vom 1. März 1971, B 567/70, VfGH Slg. Nr. 6388, noch in dem Erkenntnis vom 5. Oktober 1977, B 503, 532/76, VfGH Slg. Nr. 8144, noch in dem Erkenntnis vom 12. März 1994, B 413/93, wurde die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes angesprochen; in allen zitierten Erkenntnissen ging der Verfassungsgerichtshof nur davon aus, daß es sich bei der Entscheidung des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission über einen Ablehnungsantrag um einen letztinstanzlichen Bescheid handle, der nach Art. 144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden könne (so etwa ausdrücklich das Erkenntnis vom 5. Oktober 1977).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher aus den in seinem Beschluß vom 26. Jänner 1995 dargelegten und oben kurz wiedergegebenen Gründen keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Die Frage der Bindung an die vom Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebrachten Ansicht bedurfte keiner weiteren Erörterung, da mit dem Beschluß vom 11. Dezember 1995 der Verfassungsgerichtshof nicht über einen Kompetenzkonflikt zwischen ihm und dem Verwaltungsgerichtshof entschieden hat.

5. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Bescheide von Kollegialbehörden iSd B-VG Art133 Z4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996190164.X00

Im RIS seit

21.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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