TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/23 UA77/2022 ua

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Veröffentlicht am 23.09.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53
B-VG Art138b Abs1 Z4
VO-UA §24, §25, §27, §29, §53
VfGG §7 Abs1, §56f
  1. B-VG Art. 53 heute
  2. B-VG Art. 53 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  3. B-VG Art. 53 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 53 gültig von 01.10.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 409/1975
  5. B-VG Art. 53 gültig von 19.12.1945 bis 30.09.1975 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  6. B-VG Art. 53 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 138b heute
  2. B-VG Art. 138b gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Abweisung des Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) betreffend ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung; keine Verpflichtung der informationspflichtigen Bundesministerin zur Vorlage von Akten und Unterlagen wegen hinreichender Darlegung, dass die von einer Minderheit des UA mittels ergänzender Beweisanforderung sowie Aufforderung angeforderten bestimmten Beweismittel nicht vom Gegenstand der Untersuchung erfasst sind

Spruch

I. Der Antrag wird zurückgewiesen, soweit er sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weigerung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bezieht, der in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) am 14. Juli 2022 wirksam gewordenen Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA, Beilage LXXXIV, nachzukommen.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen,

?    dass die Weigerung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO-UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. LXXXIV (Beilage ./5), nachzukommen rechtswidrig ist,

sowie ferner,

?    dass die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie dem ergänzenden Beweisverlangen unverzüglich zu entsprechen hat und die Akten und Unterlagen, die in der – in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO-UA eingebrachten – Aufforderung vom 14.07.2022, Blg. LXXXIV (Beilage ./5), bezeichnet sind, unverzüglich dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln hat."

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B-VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. §24, §25 und §27 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

"Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 (mit näherer Begründung) folgendes Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss hat ein Sittenbild türkiser Politik offenbart, das ansonsten hinter einer teuren PR-Fassade versteckt geblieben wäre. Die Realität türkiser Politik ist eine, wo es um 'Kriegst eh alles, was du willst', um die türkisen 'Aufsichtsratssammler', um 'Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung', um Millionenaufträge aus türkisen Ministerien an eng mit der ÖVP verbundene Unternehmen und zuallererst um die Frage geht: Gehörst du zur Familie?

Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe und die von ihr vorgelegten Belege für ein System des parteipolitischen Missbrauchs öffentlicher Gelder und Strukturen unter der Führung von Sebastian Kurz und seinen Gefolgsleuten übertreffen sämtliche Befürchtungen. Das bisher Bekannte ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs.

Damit klar wird, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass in unserem Land in den letzten Jahren ein mutmaßliches System der Korruption und des Machtmissbrauchs zum zentralen Instrument von Regierungspolitik werden konnte, muss die Aufklärung dort fortgesetzt werden, wo der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss aufhören musste. Der Kontrollauftrag, den die Bundesverfassung dem Nationalrat überträgt, gebietet dies.

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen daher gemäß Art53 Abs1 2. Satz B-VG sowie §33 Abs1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit folgendem

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1.     Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren

Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über

-      Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender
                                                          Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung
     zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations-
         und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten
         Dienstleistungen;

-      Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten
                                                          politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie  durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;

-      Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene
                                                          Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink
     Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze
         Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der
         gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der
         Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese
         Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;

-      Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der
                                                          Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa,
     Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie
         Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß
         von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die
         Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines
         korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die
         Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021;
         Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten 'Beinschab  ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im
         Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der
         'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme  auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;

-      mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit  ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in
     Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das  Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei
         Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für  Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;

-      mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von  mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von
     Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von
         Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;

-      Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundes-
                                                          ministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und
     allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit
         den unterlegenen BieterInnen;

-      Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken
                                                          des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche
     und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und
         über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die Förder-
         nehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu
         gleich gelagerten Förderanträgen;

-      Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für
                                                          Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im  Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;

-      Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für
                                                          Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form  einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen
         einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen
         wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes.

2.     Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes

Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe, dem Zusammenwirken mit weiteren EigentümerInnen und jeweiligen OrganwalterInnen sowie der Ausübung von Aufsichtsrechten durch Mitglieder des Zusammenschlusses mit dem mutmaßlichen Ziel, die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen im Sinne der ÖVP zu steuern, und insbesondere über

-      (vorzeitige) Abberufung von Organen ausgegliederter Gesellschaften,
                                                          insbesondere in Hinblick auf die Bestellung von Bettina Glatz-Kremsner als  ÖVP-Kandidatin in den Vorstand der Casinos Austria AG und das Bestehen
         eines politischen Hintergrunddeals für diese Bestellung; den durch vor-
         zeitige Abberufungen entstandene Schaden für die Republik;

-      den Informationsfluss in Angelegenheiten des Beteiligungsmanagements
                                                          zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und den Bundesministern
     Blümel, Löger sowie Bundeskanzler Kurz, insbesondere in Hinblick auf die
         Auswahl von Organen der ÖBIB und ÖBAG und der Entstehung der Vor-
         schläge für die Besetzung des Aufsichtsrats der ÖBAG sowie den Vorstand
         der ÖBAG;

-      Motive für Vorbereitungen für einen Verkauf (Privatisierung) von Anteilen
                                                          an Beteiligungen des Bundes sowie entsprechende Szenarienentwicklung
     und Analyse, insbesondere von Anteilen der Austrian Real Estate als Tochter
         der Bundesimmobiliengesellschaft, und das Zusammenwirken mit
         ParteispenderInnen der ÖVP aus dem Immobiliensektor sowie die Rolle von  René Benko in Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der BIG und der ARE,
         insbesondere die Hintergründe des 99-jährigen Mietvertrags mit der BIG für          das Gebäude der Postsparkasse.

3.     Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit

Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über

-      Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige
                                                          Kabinette sowie durch Christian Pilnacek einerseits und Michael Kloibmüller,  Franz Lang sowie Andreas Holzer andererseits auf Ermittlungsverfahren mit  politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'- Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen  der ÖVP wie Josef Pröll und Hartwig Löger; Vorwürfe der politisch motivier-
         ten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP verbundenen
         Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen
         René Benko in der Causa Chalet N;

-      Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten
                                                          Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren
     MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen  BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für
         Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex;
         Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen,  insbesondere über Hausdurchsuchungen bei Hartwig Löger, Gernot Blümel,  Thomas Schmid und Sabine Beinschab, sowie bei der ÖVP Bundespartei;

-      Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten  der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister,  seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler Kurz;

-      Einflussnahme auf aus der Veranlagung von Parteispenden an die ÖVP oder  ihr nahestehende Organisationen resultierende Finanzstrafverfahren bzw
     die mögliche Verhinderung der Einleitung solcher Verfahren; Einflussnahme
         auf gegen (potentielle) SpenderInnen der ÖVP geführte Finanzstrafver-
         fahren;

-      die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA,
                                                          insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter
     Johann Fuchs, und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für  die ÖVP politisch relevanten Fällen;

-      Vorwürfe der Behinderung der Beweiserhebungen des Ibiza-
                                                          Untersuchungsausschusses, insbesondere die interne Vorbereitung und
     Kommunikation zur Frage der Erfüllung der Beweisanforderungen und
         Erhebungsersuchen des Ausschusses im Bundesministerium für Finanzen
         einschließlich der Einbindung des Bundesministers für Finanzen und der
         Finanzprokuratur in diese Angelegenheiten zum mutmaßlichen Zwecke des  Schutzes von mit der ÖVP verbundenen Personen einschließlich des
         Bundesministers Blümel selbst.

4.     Begünstigung bei der Personalauswahl

Aufklärung über Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP, und insbesondere über

-      Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes bei der Vergabe  von Leitungsfunktionen in ÖVP-geführten Bundesministerien;

-      Interventionen für (ehemalige) PolitikerInnen der ÖVP und deren Versor-
                                                          gung mit Beschäftigungsverhältnissen; möglichen Schaden für den Bund
     durch Ermöglichung solcher Begünstigung insbesondere durch frühzeitige
         Abberufung anderer OrganwalterInnen oder die Schaffung neuer Funk-
         tionen;

-      Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen von Leitungsfunk-
                                                          tionen auf parteipolitisch loyale KandidatInnen durch Mitglieder des
     ÖVP-Zusammenschlusses;

-      Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Plan-
                                                          stellen durch mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere durch
     MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP-Regierungsmitgliedern.

[…]"

1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.

Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1-4 zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.

Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO-UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.

Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO-UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.

Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.

Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.

Bezeichnung der betroffenen Organe

Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO-UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO-UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

[…]

3.   Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten
  Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer
                                                          etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und –einrichtungen.

[…]"

1.3. In der 11. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 7. April 2022 wurde die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gemäß §25 Abs2 VO-UA (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

"verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss 4/US 27. GP. die vollständigen Akten und Unterlagen betreffend die kommunikative sowie strategische Begleitung des Klimarats durch externe Beratungs- bzw Kommunikationsunternehmen samt aller Vorbereitungshandlungen sowie Akten und Unterlagen betreffend alle diesbezüglichen Vergabeverfahren vorzulegen.

Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 02.12.2021 (vgl Anlage 1 zu 1215 BlgNR XXVII.GP) sind anzuwenden. Die Vorlagefrist beträgt zwei Wochen.[…]

Begründung

Der Untersuchungsausschuss 4/US XXVII.GP kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden Sachverhalte umfassend zu beleuchten und aufzuklären.

Wie der Anfragebeantwortung 9347/AB vom 19.03.2022 zu 9321/J (27. GP) zum Projekt 'Klimarat' des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zu entnehmen ist, fallen bei einem Gesamtbudget von rund € 2 Mio. über € 500.000 an Ausgaben für die kommunikative Begleitung und den Social-Media-Auftritt an. Der Beantwortung kann auch entnommen werden, dass den Zuschlag für diese Tätigkeiten die Unternehmen 'J[.] v[.] M[.]', 'L[.] & K[.] GmbH', sowie 'L[.] & K[.] GmbH (mit K[.] U[.] K[.]) erhalten haben.

Wie dem Artikel 'Green Deals 400.000-Euro-Auftrag für Klimarat-PR an Ex-Grünen-General L[.]' der Kleinen Zeitung vom 22.03.2022 zu entnehmen ist, war das Unternehmen 'L[.] & K[.] GmbH' im durchgeführten Vergabeverfahren jedoch nur Drittgereihter und somit nicht Bestbieter. Das Unternehmen kam jedoch trotzdem zum Zug, weil es im gegenständlichen Vergabeverfahren zwar nicht Bestbieter, aber Billigstbieter war. Ob in einem Verfahren der Best- oder Billigstbieter zum Zug kommt, muss im Vorhinein bekannt gegeben werden. Darüber hinaus schreibt das BVergG 2018 auch für bestimmte Vergabeverfahren verpflichtend das Bestbieterprinzip vor. Dem Untersuchungsausschuss liegen keine Akten und Unterlagen zu diesen Verwaltungsvorgängen vor.

Im Untersuchungsgegenstand (4/US 27. GP – Verlangen gem. §33 Abs1 GOG-NR) unter Beweisthema 1 'Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren' wird festgehalten, dass die 'Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten..' erfolgen soll.

Weiters werden im Untersuchungsgegenstand 'insbesondere' mögliche Personen und Unternehmen aufgezählt, die unter diese Charakterisierung fallen könnten. Das Wort 'insbesondere' meint im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch eindeutig eine demonstrative, und keine abschließende bzw taxative Aufzählung. Somit können auch noch weitere, nicht im Ladungsverlangen genannte Personen und Unternehmen vom Untersuchungsgegenstand des Beweisthemas 1 umfasst sein.

Es ist zu erwarten, dass die in diesem Verlangen näher umschriebenen Akten und Unterlagen Informationen enthalten, die es ermöglichen, die im Einsetzungsverlangen 4/US 27. GP behaupteten und näher beschriebenen Umstände (vgl im Besonderen das erste Beweisthema) aufzuklären, weshalb deren Übermittlung an den Untersuchungsausschuss unerlässlich und die Akten und Unterlagen als abstrakt relevant einzustufen sind, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass Hinweise auf die im Untersuchungsgegenstand 4/US näher beschriebenen Handlungen enthalten sind.

Univ.-Prof. Dr. A[.] J[.] hält in seinem, im Auftrag des Bundeskanzleramtes erstellten und dem Untersuchungsausschuss vorliegenden, Gutachten vom 17.11.2021 zusammengefasst fest, dass es dem Untersuchungsausschuss möglich sein muss, das Vorliegen der im Einsetzungsverlangen genannten Kriterien, die in der Vorlagepflicht umschrieben sind, selbst zu ermitteln. Dazu ist aber die vollständige Vorlage der Akten und Unterlagen betreffend des ersten Beweisthemas (Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen und Förderungen durch das BMK) notwendig.

Es werde – so Univ.Prof. Dr. J[.] – den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten de facto kaum möglich sein, Akten und Unterlagen mit Bezug zu einem der vier Beweisthemen mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP-Regierungsmitgliedern und Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde.

Es muss dem Untersuchungsausschuss sowohl möglich sein, Vergabe- und Förderverfahren (mit einem Volumen von mindestens € 40.000,-) dahingehend zu prüfen, ob die im Untersuchungsgegenstand umschriebenen Umstände vorliegen, als auch zu prüfen, ob die im Untersuchungsgegenstand angeführten Determinanten betreffend der von diesem Verlangen umfassten Vorgänge nicht vorliegen. Vor dem Hintergrund, dass dieses Beweisverlangen auf einen Zeitraum abstellt, in dem die Bundesregierung von Personen, die sowohl mit der ÖVP und den GRÜNEN verbunden sind, gebildet wurde, und auf Vorgänge abzielt, die bereits vor dem bis 11. Oktober 2021 begonnen wurden, muss näher untersucht werden, ob dem Bund Kosten durch die Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren entstanden sind. Eine 'Verbundenheit mit der ÖVP' kann sich auch aus einer Absprache zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen innerhalb der Regierungskoalition durch den Koalitionspartner ergeben.

Daher sei es – so Univ.Prof. Dr. J[.] – gemäß Art53 Abs3 B-VG geboten, dass die im grundsätzlichen Beweisbeschluss genannten vorlagepflichtigen Organe – somit auch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bzw das ihr unterstellte BMK – prinzipiell alle Akten und Unterlagen vorlegen, die die Vergabe- und Förderverfahren (mit einem Volumen von mindestens € 40.000,-) betreffen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen, die vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, einer besonderen Begründung bedürfen."

1.4. Mit Schreiben vom 26. April 2022 hat die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zu dem soeben wiedergegebenen Verlangen Folgendes festgehalten:

Die Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen sei mit dem Umfang des Gegenstandes der Untersuchung beschränkt. Untersuchungsgegenstand könne gemäß Art53 Abs2 B-VG nur ein "bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" sein. Dazu habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen: "Aus diesen Regelungen ergibt sich in sachlicher Hinsicht eine zeitliche Dimension, worauf sich ein Untersuchungsgegenstand und darauf aufbauend die Vorlageverpflichtung beziehen kann" (vgl VfGH 14.9.2018, UA1/2018). Der Untersuchungsgegenstand des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses beginne am 18. Dezember 2017 und ende am 11. Oktober 2021 und beziehe sich auf Vergabeverfahren mit einem Volumen von mindestens € 40.000,–.

Gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG sei hinreichend detailliert zu begründen, wenn Vorbringen, Akten und/oder Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst seien.

Die Schritte, die die strategische sowie kommunikative Begleitung des Klimarates durch externe Beratungs- bzw Kommunikationsunternehmen sowie die Durchführung des Vergabeverfahrens, den Abschluss und die bisherigen Abrufe aus der Rahmenvereinbarung für PR-Agenturleistungen betreffen würden, seien nach dem 11. Oktober 2021 erfolgt (siehe die europaweite Bekanntmachung vom 5. November 2021 im Amtsblatt der EU) oder lägen unter der untersuchungsrelevanten Wertgrenze. Die damit im Zusammenhang stehenden relevanten Unterlagen lägen daher außerhalb des Untersuchungszeitraumes (und somit außerhalb des Untersuchungsgegenstandes), weshalb die darin enthaltenen Dokumente nicht von abstrakter Relevanz für den Untersuchungsausschuss seien.

Dieser Umstand führe bereits dazu, dass das Ansuchen gemäß §25 Abs2 VO-UA eine unzulässige Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes darstelle, weil Akten und Unterlagen angefordert worden seien, die nicht von abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand seien.

Es sei überdies darauf hinzuweisen, dass die Wirkungsbefugnis des Untersuchungsausschusses nicht einseitig ausgedehnt werden dürfe.

Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sei nicht berechtigt, Unterlagen an den Untersuchungsausschuss zu übermitteln, die außerhalb des Untersuchungsgegenstandes lägen. Dies umso weniger, als das Bundesministerium gemäß §27 Abs2 BVergG 2018 die von einem Unternehmen im Zuge eines Vergabeverfahrens übermittelten und von diesem als vertraulich bezeichneten Informationen nicht weitergeben dürfe.

Zusammengefasst bestehe daher keine rechtliche Grundlage für eine Weiterleitung von Unterlagen betreffend die str

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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