TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/4 G156/93, G157/93, G158/93, G159/93, G160/93, G161/93, G162/93, G163/93,

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.1994
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
EMRK österr Vorbehalt zu Art5
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
AuslBG
AuslBG §28a
VStG §51d

Leitsatz

Unzulässigkeit der Einbeziehung der Verweisung auf die Verwaltungsvorschriften bei der Regelung der Parteistellung im Verwaltungsstrafrecht in das Gesetzesprüfungsverfahren zur Prüfung der Einräumung der Parteistellung an das Landesarbeitsamt im AuslBG; kein Verstoß dieser Regelung gegen das Gebot des "fair hearing"; keine materiell- oder prozeßrechtlichen Vorteile der Anklageseite; keine Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit; amtswegige Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur Wahrheitsfindung

Spruch

Die Anträge werden - soweit sie sich gegen Teile des §28 a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. 218/1975, richten - abgewiesen.

Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich behängen Verfahren über die Berufungen 1. des F G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. Februar 1992, Z SV96 - 98 - 1991, 2. des Mag. P E B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 13. April 1992, Z SV96 - 97 - 1991, 3. des F F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr - Umgebung vom 16. März 1992, Z Ge96/332/1991-6/92/H, 4. des Ing. W G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 19. Mai 1992, Z SV96/45/1991-Ba, 5. des A M gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21. Mai 1992, Z SV-33-1991-Vo, 6. der I C gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 23. Juni 1992, Z Pol96/46/1992, 7. des E B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 3. Februar 1993, Z Ge96/130/1991/B, 8. der I B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 5. Februar 1992, Z SV - 96/65 - 1991 - E/Gus, 9. der H E gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. Mai 1992, Z SV - 96/5 - 1992 - E/Gus, womit jeweils wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AusländerbeschäftigungsG - AuslBG, BGBl. 218/1975, eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, 10. der M A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 18. Mai 1992, Z SV-96/17/1991-We, womit wegen der Übertretung des §28 Abs1 Z1 lita AuslBG eine Geldstrafe von 8.000 S verhängt wurde, 11. des H A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 14. August 1992, Z SV -10 / 1992 - Scha, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 2.500 S verhängt wurde, 12. der E B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 24. September 1992, Z SV/30/1992/Kam, womit wegen der Übertretung nach §28 iVm §3 Abs1 AuslBG in drei Fällen eine Geldstrafe von je 8.000 S verhängt wurde, 13. des P F gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23. September 1992, Z SV - 96/59 - 1992 - E/Gus, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, 14. des J B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 11. Jänner 1993, Z SV-96/91 - 1992 - E/Mü, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in drei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, und 15. des W A gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 16. März 1993, Z MA2-SV-137-1991 Scho, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §4 Abs3 und §6 Abs1 iZm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 10.000 S verhängt wurde.

1.1.2.1. In diesen Verfahren stellte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch sein jeweils zuständiges Mitglied (§51 c VStG) gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof die zu G156-185/93 protokollierten, gleichlautenden Anträge, "die Wortfolge 'oder nach den Verwaltungsvorschriften' in §51 d VStG sowie die Wortfolge 'hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und' in §28 a des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993 ..., in eventu ... die Wortfolge 'hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und' in §28 a des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. Nr. 502/1993, als verfassungswidrig auf(zu)heben."

1.1.2.2. Der antragstellende Senat führte zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Normen aus:

"Allen angeführten Verfahren ist gemeinsam, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in Verwaltungsstrafangelegenheiten nach dem AuslBG in Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Art129 a Abs1 Z1 B-VG sowohl das Materiengesetz, die darin enthaltenen verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen und zufolge des ArtII Abs2 litA Z2 EGVG das VStG, und zwar - unter Anknüpfung des Tatortes im Sinn des §51 Abs1 VStG und unter besonderer Bedachtnahme auf die Kundmachung BGBl. 755/1992 - den §51 d VStG und §28 a AuslBG anzuwenden hat."

Zur Sache selbst heißt es:

"Gemäß Art6 Abs1 EMRK, welcher in Österreich jedenfalls im Hinblick auf die Anwendung des AuslBG ... im Rang einer Verfassungsnorm steht, hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache in einem 'fairen Verfahren' innerhalb angemessener Frist von einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat.

Der O.ö. Verwaltungssenat geht davon aus, daß unter dem Blickwinkel des größtmöglichen Bestandes der innerstaatlichen Rechtsordnung ein angefochtenes Straferkenntnis der ersten Instanz einer Anklage (Surrogat) gleichkommt, über das er als unabhängige Instanz (Tribunal) zu entscheiden hat, ... (und) daß in dem Verfahren, welches von ihm im Falle der Berufung gegen ein Straferkenntnis - somit auf Grund einer Anklage - zu führen ist, die das Straferkenntnis erlassende Behörde die Anklage vertritt. Gleichzeitig ist in Verwaltungsstrafsachen nach dem AuslBG auch das Landesarbeitsamt berufen, im Verdachtsfall gegen einen Beschuldigten die Ermittlungen zu führen und die Verurteilung eines verdächtigten Rechtsbrechers zu betreiben, und ist auch mit Blick auf die Widmung der Strafbeträge am Ausgang des Verfahrens interessiert (vgl. §26 Abs2 bis 4 AuslBG, §28 Abs1 Z2 litc bis f AuslBG, §28 Abs3, §28 a AuslBG).

Wenn man zur Beurteilung der Anlaßfälle sich um eine Gesamtsicht der Anklageseite bemüht und von den vorliegenden Fällen ausgeht, in denen a) nur der/die Beschuldigte berufen hat, miteinbezieht, daß b) das Landesarbeitsamt berufen kann aa) wegen zu geringer Strafe (auch: gegen das Absehen von der Strafe), bb) gegen die Einstellung des Verfahrens (entspricht der Zurücklegung der Anzeige im gerichtlichen Strafverfahren), cc) gegen einen sonstigen verfahrensrechtlichen Bescheid und dd) zugunsten des Beschuldigten, und daß weiters c) das Landesarbeitsamt und der Beschuldigte gegen ein Straferkenntnis (Anklage) der Bezirksverwaltungsbehörde berufen können, so ist dennoch allen Denkmodellen gemeinsam, daß dann im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sowohl der Bezirksverwaltungsbehörde als auch dem Landesarbeitsamt alle prozessualen Rechte als Parteien zukommen, in deren Rahmen sie jederzeit gemeinsam auf Belastung, Verfolgung und Bestrafung des Beschuldigten dringen können - sollten sie auch früher einmal Indizien zugunsten des Beschuldigten gewichtet haben -, zumal im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keine Präklusion herrscht. Die denkmögliche Annahme, daß die Parteistellung und das Berufungsrecht des Landesarbeitsamtes zugunsten des Beschuldigten ausgeübt werden kann, vermag an der Tatsache, daß nach dem Wortlaut der angefochtenen Bestimmung die Funktion des Landesarbeitsamtes als zusätzlicher Ankläger (im materiellen Sinn) auf Grund der eingeräumten prozessualen Rechte dennoch gegeben ist, insgesamt nichts zu ändern. In der Praxis ist beim O.ö. Verwaltungssenat noch kein Rechtsmittel eines Landesarbeitsamtes zugunsten des Beschuldigten eingelangt.

Für die Qualifikation als Ankläger ist die Einräumung prozessualer Rechte, die Verurteilung eines Beschuldigten zu betreiben, maßgeblich. Für die Beurteilung der Fairneß eines Verfahrens ist nach h. Auffassung relevant, welcher Umfang, welche Mittel, somit welches Gewicht durch Verteilung der prozessualen Rechte der Anklageseite einerseits gegenüber den Rechten der Verteidigung andererseits zustehen. Weder die Bezirksverwaltungsbehörde noch das Landesarbeitsamt sind in ihren Rechten, Beweis- und sonstige Anträge zu stellen, Zeugen, Sachverständige und sonstige Personen zu befragen, zu Beweismitteln Stellung zu beziehen, Beweismittel herbeizuschaffen, somit die Verurteilung des Beschuldigten zu betreiben, beschränkt.

Aus der Sicht des Beschuldigten und der ihm im Rahmen des Anwendungsbereiches des Art6 Abs1 und 3 EMRK verfassungsgesetzlich zur Verfügung zu stellenden Rechte ... darf nicht außer acht bleiben, daß es sich bei den vorgelegten Fällen der Übertretung des AuslBG um Offizialdelikte handelt. Eben deswegen muß für das durch Gesetz jedenfalls auch formell fair einzurichtende Verfahren nach h. Auffassung als Kriterium auch gelten, daß der Beschuldigte nicht von vornherein ein Handikap für seine Verteidigungsposition in Kauf zu nehmen hat. Genau das aber scheint vorliegend der Fall zu sein, weil nicht mehr nur eine Stelle das öffentliche Klagerecht ausübt, sondern dieses Recht ohne prozessuale Einschränkung zusätzlich einer weiteren Stelle gegeben ist (wobei überdies informelle Absprachen zwischen den Klägern, die der Einflußnahme des Beschuldigten jedenfalls entzogen sind, immerhin denkbar wären).

In den vorgelegten Fällen scheint somit der Beschuldigte aus dem Blickwinkel des fair trial in seiner verfahrensrechtlichen Stellung von vornherein und offenbar unbillig deswegen benachteiligt, weil ihm vom Gesetzgeber in überschießender Regelung zwei Ankläger gegenübergestellt wurden, die beide auf seine Bestrafung dringen können und die sich ebenso wie der Beschuldigte im Sinn des §10 AVG vertreten lassen können. Damit aber ist das Anklageprinzip in seiner materiellen Bedeutung nachteilig berührt, weil auf dem 'Waagebalken' der Waffengleichheit, der im kontradiktorischen Verfahren das Gleichgewicht zwischen den teilnehmenden Verfahrenssubjekten bildhaft anzeigen soll, dem einen Beschuldigten (mit seinen Rechten) auf der einen Seite die zwei Ankläger (mit ihren Rechten) auf der anderen Seite gegenüberstehen, sodaß die Anklageseite übergewichtig ist und das Gleichgewicht verloren geht. Die Auswirkung in den vorgelegten Fällen scheint also zu sein, daß der Beschuldigte mit dem Ankläger gerade nicht mehr auf eine Stufe gestellt ist, somit der Grundsatz der Waffengleichheit offenbar unterlaufen wird... Dazu kommt, daß sich die Amtsparteien in dem der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und den allenfalls zwischengeschalteten oder nachfolgenden, jedenfalls der Verkündung der Entscheidung vorausgehenden Verfahren im Wege der Amtshilfe im Sinn des Art22 B-VG zumindest einen leichteren Zugang zu Informationen verschaffen können...

Auf Grund der herrschenden Lehre und der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erk. vom 19. Mai 1993, Zl. 92/09/0031) steht dem Landesarbeitsamt in Wahrnehmung der Parteistellung im erstinstanzlichen Verfahren volles Berufungsrecht zu; die Parteistellung im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist weiters auch dann gegeben, wenn das Landesarbeitsamt im konkreten Fall nicht selbst Berufung erhoben hat. Dies trifft in der Regel jene Fälle, in denen die Bezirksverwaltungsbehörden hinsichtlich der Strafhöhe von den Anträgen des Landesarbeitsamtes nicht abgewichen sind, worunter auch die Anlaßfälle zu begreifen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat noch niemals ausgesprochen, daß in einem solchen Fall das Landesarbeitsamt im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keine Parteistellung hätte...

Eine Aufhebung nur der (hervorgehobenen) Textstellen des §28 a AuslBG oder nur jener des §51 d VStG brächte nach h. Auffassung kein wirklich bereinigendes Ergebnis und würde dem Geist der EMRK nicht entsprechen und somit die Bedenken nicht zerstreuen können, zumal die dem §51 d VStG innewohnende EMRK-Widrigkeit ohnedies in jedem vergleichbaren Mehrparteienverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat gegeben scheint. Um jedoch andererseits vom Vorbehalt (im Gegensatz zum AuslBG) umfaßte Materien nicht gänzlich außer Betracht zu lassen, wird vorsorglich ein Eventualantrag gestellt. Für die Verfassungswidrigkeit und die Aufhebung auch der Wortfolge des §51 d VStG spricht nach h. Auffassung allerdings der Umstand, daß eine ähnliche Bestimmung im Jahre 1958 zum Zeitpunkt der Abgabe des Vorbehalts nicht bestand und es sich hiebei nicht um die bloß systematische Fortentwicklung des Verfahrensrechtes handelt. Vielmehr erfolgte durch die Einführung der unabhängigen Verwaltungssenate und der für sie anwendbaren (Sonder-)Verfahrensbestimmungen ein grundlegender Wandel, wodurch ein neues System erzeugt wurde, ungeachtet der Tatsache, daß, wie die gegenständliche Erörterung zeigt, auch Ungereimtheiten miteingeflossen sind. Nach dem System des VStG (vgl. §26 Abs1 VStG), wonach - wie bereits erwähnt - die Untersuchung und Bestrafung aller Übertretungen, deren Ahndung nicht anderen Verwaltungsbehörden oder den Gerichten zugewiesen ist, den Bezirksverwaltungsbehörden zukommt, und gleichwohl unter der Beachtung des §25 Abs2 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden Umstände (Pflicht zur Objektivität, wie sie allen öffentlichen Anklagebehörden entwickelter europäischer Rechtskultur zu eigen ist, ohne daß dadurch die Funktion des Anklägers geschmälert wird; vgl. §3 StPO, §282 Abs1 StPO und Christian Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechtes, 3. Auflage, Wien 1990, Seite 58, Z. 208), ist die Bezirksverwaltungsbehörde in Anbetracht des weiteren Umstandes, daß sie das Straferkenntnis (die Anklage) erlassen hat, wohl als Hauptankläger anzusehen. Dafür spricht auch die Wortwahl (vgl. das Wort 'neben' und die Reihenfolge der Aufzählung) in §51 d VStG...

Wegen des aufgezeigten Überhanges der Anklageseite durch Einräumung uneingeschränkter prozessualer, die Strafverfolgung und somit die Anklage betreffender Rechte an eine zweite Amtspartei, nämlich neben der Bezirksverwaltungsbehörde auch an das Landesarbeitsamt, gegenüber dem nur als eine Partei auftretenden Beschuldigten und der damit verbundenen Waffenungleichheit, die durch die vom Verwaltungsgerichtshof geübte Spruchpraxis, wonach der unabhängige Verwaltungssenat Untersuchungshandlungen und Spruchberichtigungen vorzunehmen hat, noch verstärkt wird, scheint das Fairneßgebot des Art6 Abs1 EMRK verletzt zu sein..."

1.2.1. Ferner führt derselbe unabhängige Verwaltungssenat Verfahren über Berufungen 1. der G S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. September 1992, Z SV-96/25-1992 - E/Mü, 2. des K R gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 26. Jänner 1993, Z SV/62/1992+1/Kam, 3. des Ing. O W gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 24. Februar 1993, Z Sich 07-6366-1992/Mur, und 4. der G L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 30. März 1993, Z SV - 31 / 1992 - Scha, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG je eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, 5. des L L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr - Umgebung vom 8. Februar 1993, Z SV96/39/1992-3/93/H, und 6. des A M gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Mai 1993, Z Ge-6375/1991, womit jeweils wegen der Übertretung des §3 Abs1 AuslBG eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, 7. des J R gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 31. Juli 1992, Z Sich - 96 - 165 / 1992, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 AuslBG eine Geldstrafe von 10.000 S verhängt wurde, 8. des Dr. H S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 9. Oktober 1992, Z SV/16/1992/Kam, womit wegen der Übertretung des §28 iVm §3 Abs1 AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, 9. des H W gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 20. November 1992, Z SV/25/1991, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 und §18 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG eine Geldstrafe von 8.000 S verhängt wurde, 10. des N S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. November 1992, Z SV - 96/60 - 1992 - E/Mü, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in sieben Fällen eine Geldstrafe von je 10.000 S verhängt wurde, 11. der M T gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 14. Dezember 1992, Z SV-96/25/1992, womit wegen der Übertretung des § 28 Abs1 Z1 lita AuslBG eine Geldstrafe von 2.500 S verhängt wurde, 12. des S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Dezember 1992, Z SV - 96/36 - 1992 - E/Gus, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in drei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, 13. des E T gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17. November 1992, Z 101-6/3, womit wegen der Übertretung nach §18 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 litb AuslBG in acht Fällen eine Geldstrafe von je 10.000 S verhängt wurde, 14. der E S gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 2. März 1993, Z MA2-SV-140-1991 Re, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §4 Abs3 iZm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in elf Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, 15. des F S gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 4. März 1993, Z MA2-SV-142-1991 Mü, womit wegen der Übertretung der §§3 Abs1 und 4 Abs3 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, 16. des A S gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 5. März 1993, Z SV/14/1992/Kam, womit wegen der Übertretung des §28 Abs1 Z1 lita iVm §3 AuslBG eine Geldstrafe von 5.000 S verhängt wurde, 17. des H W gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 23. März 1993, Z MA2-SV-127-1991 Le, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §4 Abs3 iZm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG eine Geldstrafe von 5.000 S verhängt wurde, 18. der M S gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 16. März 1993, Z MA2-SV-126-1991 Scho, womit wegen der Übertretung des §3 Abs1 iVm §2 und §4 Abs3 iZm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in zwei Fällen eine Geldstrafe von je 5.000 S verhängt wurde, und 19. des K T gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 23. Februar 1993, Z Sich 07-5720-1991/Mur, womit wegen der Übertretung nach §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG in drei Fällen eine Geldstrafe von je 10.000 S verhängt wurde.

1.2.2. Auch darin stellte der Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG gleichlautende Aufhebungsanträge, die in der gleichen Weise wie die oben angeführten begründet waren und zu den AZ G186-223/93 protokolliert sind.

1.3.1. Die zur Stellungnahme aufgeforderte Bundesregierung nahm in einem Schriftsatz zu allen Verfahren Stellung. Sie begehrte, "der Verfassungsgerichtshof wolle 1. den Antrag auf Aufhebung einiger Worte in §51 d VStG zurückweisen und 2. aussprechen, daß die Wortfolge 'hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und' in §28 a AuslBG nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist, bzw. in eventu 3. aussprechen, daß weder die Wortfolge 'oder nach den Verwaltungsvorschriften' in §51 d VStG noch die Wortfolge 'hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und' in §28 a AuslBG als verfassungswidrig aufzuheben sind."

1.3.2. Begründend wurde ua. wörtlich vorgebracht:

"Die Bundesregierung geht davon aus, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in den bei ihm anhängigen Fällen, die in den beiden Anträgen genannt sind, sowohl §51 d VStG als auch §28 a AuslBG anzuwenden hat. Im Hinblick auf die mit dem Bundesgesetz BGBl. 666/1993 erfolgte Neufassung des §51 Abs1 VStG ist der unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich in den Anlaßfällen auch weiter funktionell zuständig (gemäß §51 Abs1 VStG in der nach dem zitierten Bundesgesetz ab 1. Oktober 1993 geltenden Fassung ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über Berufungen gegen Straferkenntnisse zuständig). Der Antrag erscheint daher insoweit zulässig.

Die Bundesregierung geht weiters davon aus, daß bei Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §51 d VStG allein auf Grund der verbleibenden Anordnung des §28 a AuslBG die vom unabhängigen Verwaltungssenat zu erkennen geglaubte Verfassungswidrigkeit weiter bestünde, da schwer argumentiert werden kann, daß §28 a AuslBG nur für das erstinstanzliche Verfahren gelte. Anders ist dies allerdings für die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §28 a AuslBG zu sehen. Da bei Aufhebung dieser Wortfolge die Parteistellung des Landesarbeitsamtes auch auf Grund des dann verbleibenden §51 d VStG nicht begründet wäre (weil eben keine Materienvorschrift besteht, die das Berufungsrecht einräumt), würde es genügen, die angefochtene Wortfolge in §28 a AuslBG aufzuheben, um die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vermeinte Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Die Bundesregierung geht daher davon aus, daß der Umfang der Anfechtung zu weit gezogen ist, wenn sowohl die Prüfung der genannten Wortfolge im §51 d VStG als auch der Wortfolge in §28 a AuslBG beantragt wird...

Die Bundesregierung vermeint, daß die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich für das 'Übergewicht' der Anklageseite ins Treffen geführten Argumente nicht stichhaltig sind. Die Frage, ob der Anklageseite ein im Hinblick auf Art6 EMRK relevantes Übergewicht zukommt, ist inhaltlich in dem Sinn zu beurteilen, welche Rechte der Anklageseite zukommen. Der bloß formale Umstand, daß im Berufungsverfahren zwei Parteien dem Beschuldigten gegenüberstehen, vermag eine Verfassungswidrigkeit mit Blickrichtung auf Art6 EMRK nicht zu begründen. Die Parteistellung in einem Verfahren nach VStG bewirkt noch keinerlei materiellen oder prozessualen Vorteil für die solcherart mit Rechten ausgestattete Stelle oder Person.

Auch im Rahmen des VStG kommt dem Institut der Parteistellung ua. die (dienende) Funktion zu, im Rahmen der allgemeinen Verfahrensvorschriften, welche grundsätzlich dem Zweck dienen, eine rechtsrichtige Entscheidung durch die zuständige Behörde herbeiführen zu helfen, zur Entscheidungsfindung beizutragen. Während hinsichtlich der natürlichen und juristischen Personen, welche als Rechtsunterworfene einem Verfahren beizuziehen sind, auch der Gesichtspunkt der Durchsetzung der jeweiligen subjektiven Rechte von Bedeutung ist, ist der rechtspolitische Gedanke, der hinter der Einräumung von Parteistellungen für Organparteien wie im vorliegenden Fall steht, derjenige, daß einerseits (da es zu einer Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung durch ein unabhängiges Organ kommt) der überprüften Stelle die Möglichkeit des Gehörs im Verfahren eingeräumt werden soll, und andererseits (im Falle der als Partei im Verfahren auftretenden Organpartei Landesarbeitsamt) die Überlegung, daß zur Sicherung jener öffentlichen Interessen, deren Schutz die übertretene Verwaltungsvorschrift dient, eine Art öffentlich-rechtlicher Anwalt im Verfahren teilnehmen können soll, der diese besonders hervorgehobenen öffentlichen Interessen im Verfahren einbringen soll. Bei den in Rede stehenden Delikten verpflichtet die Offizialmaxime die Behörde - und zwar sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde als auch den unabhängigen Verwaltungssenat - zur amtswegigen Wahrheitsfindung. Die Behörden haben sowohl bei der Einleitung als auch bei der Durchführung des Strafverfahrens einschließlich des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen vorzugehen und gemäß §25 Abs2 VStG auch die für den Beschuldigten sprechenden Umstände zu berücksichtigen. Der Hinweis des unabhängigen Verwaltungssenates, 'informelle Absprachen zwischen den Klägern, die der Einflußnahme der Beschuldigten jedenfalls entzogen sind, wären immerhin denkbar', kann wohl nicht so verstanden werden, daß Tatsachen, die nicht dem Beschuldigten, wohl aber der 'Anklageseite' bekannt sind und die ihn entlasten würden, im Verfahren nicht vorgebracht würden. Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß es nicht zutrifft, daß die vom unabhängigen Verwaltungssenat als 'Anklageseite' zusammengefaßten Parteien tatsächlich gleichgerichtete Interessen im Berufungsverfahren haben müssen. In jenen Fällen, in denen die Berufung vom Landesarbeitsamt erhoben wurde, tritt dieses gegen die Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde auf. Zumindest in diesen Fällen ist eher davon auszugehen, daß die erstinstanzliche Behörde, so sie nicht auf eine Teilnahme am Verfahren verzichtet, vor allem jene Gesichtspunkte, die für die Beibehaltung ihrer Entscheidung sprechen, ins Treffen führen wird. Schließlich ist zu der wiedergegebenen Passage der Antragsausführungen zu bemerken, daß abgesehen davon, daß über die Begründetheit derartiger Unterstellungen diskutiert werden könnte, ein in die Verfassungssphäre reichender Mangel der generellen Norm durch die Vermutung gesetzwidriger Verhaltensweisen von Behörden nicht begründet wird...

Gemäß §51 e Abs1 und 4 VStG haben Parteien im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat das Recht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, sie können sich gemäß §51 f Abs3 VStG zur Sache äußern, sie haben weiters gemäß §51 g Abs2 das Recht, Fragen an jede Person zu stellen, die vernommen wird, und haben etwa auf Grund der allgemein für Parteien geltenden Bestimmungen gemäß §17 AVG das Recht auf Akteneinsicht sowie weiters etwa das Recht auf Zustellung des Bescheides.

Es ergibt sich somit zweifelsohne eine Möglichkeit für die Partei, auf die Ermittlung der maßgebenden Sachverhaltsgrundlagen für die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates Einfluß zu nehmen. Es kann aber nicht gesagt werden, daß durch den Umstand, daß zwei Verwaltungsstellen (jene Behörde, deren Bescheid angefochten ist, und das Landesarbeitsamt als Organpartei) in dieser Weise (nämlich im Hinblick auf die Erhebung des maßgebenden Sachverhalts) am Verfahren mitwirken können, ein Ungleichgewicht zu Lasten des Beschuldigten gegeben wäre. Dazu vgl. auch den Hinweis (oben) auf die nicht unbedingt parallel laufenden Interessen der (Organ-)Parteien...

Eine bedenkliche Beeinträchtigung der Rechte des Beschuldigten kann vor allem im Hinblick auf die sonstigen Verfahrensvorschriften, wie insbesondere auf §25 Abs2 VStG, demzufolge die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden, nicht gesehen werden. Der unabhängige Verwaltungssenat hat gemäß §51 g Abs1 VStG die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen. Irgendein Vorrang der Organpartei oder der Behörde, deren Bescheid angefochten ist, in prozessualer Hinsicht ist dem VStG nicht zu entnehmen. Da §25 Abs2 VStG auch schon in erster Instanz gilt, ist auch die Behörde erster Instanz bei ihrer Entscheidung daran gebunden. Unabhängig davon, ob man die Auffassung vertritt, daß die erstinstanzliche Behörde damit auch bei Wahrnehmung ihrer Parteirechte gemäß §51 d VStG schon an diesen Grundsatz rechtlich gebunden ist, ergibt sich daraus jedenfalls für die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gezogenen Schlüsse hinsichtlich der Interessenslage der Organparteien, daß die vermutliche Parallelität der Interessen der Organparteien nicht zwingend ist...

Daraus ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung, daß der Umstand, daß neben der Behörde, deren Bescheid angefochten ist, auch eine Organpartei am Verwaltungsstrafverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat mitwirkt, keine im Hinblick auf Art6 EMRK verfassungswidrige Regelung bewirkt..."

1.4. Die am Verfahren G156-185/93 beteiligte H E trat in einer Stellungnahme dem Antrag des unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich bei; ebenso der Verfahrensbeteiligte zu G186-223/93, F S. Die übrigen verfahrensbeteiligten Parteien gaben keine Äußerung ab.

1.5.1. Der mit "Parteien" überschriebene §51 d VStG hat folgenden Wortlaut:

"Neben dem Beschuldigten und der Verwaltungsbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, ist Partei, wer nach diesem Bundesgesetz oder nach den Verwaltungsvorschriften ein Recht zur Berufung hat."

1.5.2. Der mit "Beteiligung der Landesarbeitsämter am Verwaltungsstrafverfahren" übertitelte §28 a AuslBG lautet:

"Das Landesarbeitsamt hat im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und ist berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben."

(Die zur Aufhebung begehrten Gesetzesstellen sind hervorgehoben.)

2. Über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Anträge wurde erwogen:

2.1.1. Der Verfassungsgerichtshof stimmt der Bundesregierung zu, wenn sie in ihrer Äußerung die Auffassung vertritt, daß die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §28 a AuslBG ausreiche, um die vom antragstellenden Verwaltungssenat behauptete verfassungswidrige Übergewichtung der Anklägerposition in den zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren zu beheben. Denn mit der Aufhebung schon dieser Gesetzesstelle entfiele die - durch §51 d VStG allein noch nicht begründete - Parteistellung des Landesarbeitsamtes, gegen die der Verwaltungssenat - mit Berufung auf Art6 Abs1 EMRK - verfassungsrechtliche Bedenken hegt. Soweit sich die Anträge gegen Teile des §51 d VStG richten, sind sie also - auf dem Boden der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Frage des Anfechtungsumfangs - unzulässig (vgl. zB VfGH 12.10.1993 G109/92, G13/93).

2.1.2. Im übrigen, nämlich soweit sie Teile des §28 a AuslBG betreffen, sind die Anträge, da - wie auch die Bundesregierung einräumt - in dieser Beziehung alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, aber zulässig.

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß alle (Anlaß-)Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG vom österreichischen Vorbehalt zu Art5 EMRK nicht erfaßt (VfSlg. 12948/1991; VfGH 26.6.1992 G40/92 ua., 26.6.1992 G112/92, 30.11.1993 G132/93) und darum grundsätzlich (auch) an der - im Verfassungsrang stehenden - EMRK zu messen sind.

2.2.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs trifft es jedoch nicht zu, daß die nach den vorliegenden Anträgen aufzuhebende Wortfolge des §28 a AuslBG gegen das in Art6 Abs1 EMRK statuierte Gebot des "fair hearing" verstößt. Von der Annahme des antragstellenden Verwaltungssenats ausgehend, die als Strafbehörde einschreitende Bezirksverwaltungsbehörde vertrete im Berufungsverfahren die "Anklage" iSd Art6 Abs1 EMRK (s. dazu Öhlinger, Das Recht auf Parteistellung im Strafverfahren, in Machacek-Pahr-Stadler (Hrsg.), 40 Jahre EMRK, Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. 2, 770), ist der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Bundesregierung der Meinung, daß die Frage, ob der "Anklageseite" im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ein dem Art6 Abs1 EMRK widersprechendes Übergewicht zukommt, in erster Linie nach inhaltlichen (vgl. VfSlg. 10291/1984, 10701/1985, 11414/1987, 12462/1990, 12585/1990, 12589/1990; VfGH 7.10.1992 B856/91, 30.6.1993 B295/93), nicht aber nach bloß formalen Kriterien, wie etwa der Zahl der dem Beschuldigten gegenübertretenden Parteien, entschieden werden kann: Die Rechtsmeinung des antragstellenden Verwaltungssenats läuft im Grunde nur darauf hinaus, daß das öffentliche Klagerecht nicht von einer Verwaltungsstelle allein, sondern zusätzlich von einer weiteren (zweiten) wahrgenommen werde. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß der "Anklageseite" durch Einräumung der (Organ-)Parteistellung an das Landesarbeitsamt noch keine materiell- oder prozeßrechtlichen Vorteile entstehen (so zB ein Informationsvorsprung: s. VfSlg. 8687/1979 (EuGRZ 1980, 78)). Die Beiziehung des Landesarbeitsamtes - dessen wahrzunehmende Interessen im konkreten Verwaltungsverfahren, wie die Bundesregierung richtig herausstellt, mit denen der Bezirksverwaltungsbehörde gar nicht übereinstimmen müssen - ändert nichts daran, daß der "Anklagevertretung" insgesamt, wie sie der antragstellende Senat versteht, nur Rechte gewährt sind, denen adäquate Rechte des Beschuldigten entsprechen, sodaß dem Grundsatz der Waffengleichheit Genüge getan ist (s. Wiederin, JAP 1990/91, 70, 75). Der Beschuldigte ist durch die Zulassung der in Rede stehenden Organpartei in der wirksamen Wahrnehmung aller seiner Verteidigungsrechte in keiner wie immer gearteten Weise eingeschränkt oder behindert. Sein Anspruch nach Art6 Abs1 EMRK, die Sache dem Tribunal "in angemessener Weise und unter nicht wesentlich ungünstigeren Bedingungen als der Prozeßgegner vortragen zu können" (Miehsler-Vogler, IntKomm. zur EMRK, Loseblatt, 121; s. auch Peukert, Art6. Verfahrensgarantien, in Frowein-Peukert, EMRK-Komm., 1985, 104, 136 Rz 55), wird durch die Einbindung des Landesarbeitsamtes in das Berufungsverfahren unter den gegebenen Umständen nicht geschmälert. Bei der Beurteilung der umstrittenen Norm sind letztlich auch die ihr zugrundeliegenden rechtspolitischen Überlegungen mit in Betracht zu ziehen: Im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat soll zum einen die überprüfte Stelle die Möglichkeit haben, selbst gehört zu werden, und zum andern das als Organpartei auftretende Landesarbeitsamt zur Sicherung der öffentlichen Interessen teilnehmen, deren Schutz die (nach dem Inhalt der vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpften Bescheide) übertretene Verwaltungsvorschrift - einem Offizialdelikt - vornehmlich dient. Die Bundesregierung hebt hier zutreffend hervor, daß sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde als auch der unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsinstanz zur amtswegigen Wahrheitsfindung gesetzlich verpflichtet sind und die Behörden bei der Einleitung des Strafverfahrens einschließlich des Ermittlungsverfahrens auch alle der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände berücksichtigen müssen (§25 Abs2 VStG). Auch in diesem Punkt schließt sich der Verfassungsgerichtshof der überzeugenden Argumentation der Bundesregierung an.

2.2.3. Die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bekämpfte Wortfolge in §28 a AuslBG war daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben, sodaß der Verfassungsgerichtshof spruchgemäß zu entscheiden hatte.

2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Verwaltungsstrafrecht, Parteistellung Verwaltungsstrafrecht, Verweisung, Amtspartei, Parteistellung siehe auch Amtspartei, Parteistellung Arbeitsrecht, Ermittlungsverfahren Amtswegigkeit, fair trial, Waffengleichheit (Verwaltungsstrafrecht), Anwendbarkeit Vorbehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G156.1993

Dokumentnummer

JFT_10059696_93G00156_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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