TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/27 92/13/0205

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Veröffentlicht am 27.03.1996
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §184 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1 Z6;
EStG 1988 §26;
EStG 1988 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juli 1992, Zl. GA 5 - 1932/92, betreffend Jahresausgleich 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr in Wien als Rechtsanwaltsanwärter tätig. Im Jahresausgleich für 1990 machte er unter anderem den Betrag von S 4.100,-- für den Erwerb der Jahresnetzkarte der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe als Werbungskosten geltend.

Mit dem Jahresausgleichsbescheid wurde diesem Betrag die einkommensmindernde Berücksichtigung versagt, weil er durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sei.

In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Verkehrsabsetzbetrag gelte lediglich die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab, nicht aber die zusätzlich berufsbedingt anlaufenden Fahrten. Der Beruf eines Rechtsanwaltsanwärters bringe es mit sich, daß fast täglich Fahrten zu Gerichten, Behörden etc. unternommen werden müßten. In der Folge gab der Beschwerdeführer dem Finanzamt bekannt, daß er an 235 Arbeitstagen 274 Gerichtstermine habe wahrnehmen müssen. Dem Beschwerdeführer seien die Aufwendungen für die Jahresnetzkarte vom Dienstgeber refundiert worden. Aus der Aktenlage ergibt sich, daß das Finanzamt eine Auskunft der Gemeinde Wien, MA 46, eingeholt hat, wonach die Entfernung zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers und der Kanzlei des Arbeitgebers 1,5 km betrage und auf dieser Strecke ein Autobus der Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe verkehre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe als Rechtsanwaltsanwärter im Streitjahr an 235 Arbeitstagen 274 Termine bei verschiedenen Gerichten wahrnehmen müssen. Für diese berufliche Tätigkeit habe er Massenverkehrsmittel in Anspruch genommen. Er habe nachgewiesen, daß er die Jahresnetzkarten für berufliche Fahrten zu den verschiedenen Gerichten und Ämtern benötige und ihm aus diesem Grunde die Kosten von seinem Arbeitgeber ersetzt worden seien, wobei der Arbeitgeber die Zahlung als steuerpflichtigen Lohnbestandteil behandelt habe. Es stehe für die Behörde fest, daß die Jahresnetzkarte auch beruflich verwendet worden sei. Sie nehme jedoch an, daß der Beschwerdeführer die Netzkarte auch privat nutze, was den Erfahrungen des täglichen Lebens entspreche. Schon allein die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erfüllten diesen Tatbestand. Da eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche berufliche Nutzung der Jahreskarte nicht gegeben sei, könnten die angefallenen Kosten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat in sachverhaltsmäßiger Hinsicht angenommen, der Beschwerdeführer habe die Jahresnetzkarte dazu benutzt, um private Fahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie beruflich bedingte Fahrten zu Gerichten und Ämtern durchzuführen. Dies ist das Ergebnis einer auf die Erfahrungen des täglichen Lebens gestützten Beweiswürdigung, die der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle standhält, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht konkret behauptet hat, daß er sich für andere Fahrten als solche zu Gerichten und Ämtern nicht der öffentlichen Verkehrsmittel bedient hätte. Daß eine Jahresnetzkarte für öffentliche Verkehrsmittel auch für private Fahrten Verwendung findet, entspricht durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß - wie in der Beschwerde vorgebracht wird - zur "morgendlichen Stoßzeit" die geringe Strecke zwischen Wohnung und Dienstort in der Regel ebenso schnell zu Fuß zurückgelegt werden könne wie mit einem "überbesetzten Bus". Eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung ist die Behauptung des Beschwerdeführers, daß er Fahrten zu Gerichten auch von der Wohnung aus antrete und erst anschließend den Dienstort aufsuche; im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Aufwand für derartige Fahrten, soweit er den Aufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht übersteigt, unter § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 fällt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 58).

Daß die belangte Behörde die Zahlungen des Arbeitgebers nicht dem § 26 EStG 1988 subsumiert hat, kann der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht als rechtswidrig erkennen, weil der Ersatz der Kosten einer Jahresnetzkarte der pauschalen Abgeltung von Fahrtkosten gleichkommt und somit nicht über die einzelnen Fahrten abgerechnet werden konnte, was aber eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 26 EStG wäre (vgl. Hofstätter/Reichel, § 26 EStG 1988 allgemein Tz 2.1).

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer allerdings, daß die belangte Behörde den strittigen Aufwendungen zur Gänze die Anerkennung als Werbungskosten versagt hat:

Die Fahrten des Beschwerdeführers (von seiner Arbeitsstätte) zu den Gerichten und Ämtern sind ohne Zweifel durch die berufliche Tätigkeit veranlaßt und führen daher dem Grunde nach zu Werbungskosten. Die belangte Behörde hat keine Feststellungen darüber getroffen, daß diese Fahrten auch zu privaten Zwecken unternommen worden wären. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zusätzlich andere Fahrten unternommen, die privat veranlaßt waren bzw. gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. a EStG 1988 durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind. Die Jahresnetzkarte hat den Beschwerdeführer zu all diesen Fahrten berechtigt. In gleicher Weise, wie die Anschaffungskosten eines Pkw, der zum Teil für betriebliche (berufliche) zum Teil für private Fahrten eingesetzt wird, teilweise (u.U. im Wege des Kilometergeldes) zu Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten führen (vgl. Doralt, EStG2, § 4 Tz 330 "Kraftfahrzeugkosten", § 16 Tz 220 "Fahrtkosten"), sind auch die Kosten für den Erwerb einer Netzkarte in Komponenten mit unterschiedlichem einkommensteuerlichen Schicksal aufzuteilen. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde unterlassen zu ermitteln, welches Verhältnis sich aus der Anzahl der beruflich veranlaßten, nicht unter § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 fallenden Fahrten zu der Anzahl der übrigen Fahrten des Beschwerdeführers (unter § 16 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. fallende Fahrten und Privatfahrten) ergibt. In diesem - gegebenenfalls durch griffweise Schätzung zu ermittelnden - Verhältnis wären Werbungskosten anzuerkennen gewesen.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992130205.X00

Im RIS seit

07.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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