TE Lvwg Beschluss 2022/9/30 LVwG-365-1/2022-R10

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2022
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Entscheidungsdatum

30.09.2022

Norm

GdO Vlbg 1935 §91
EGVG 2008 ArtI Abs2 Z1
EGVG 2008 ArtI Abs3Z1
BAO §1 Abs1
  1. BAO § 1 heute
  2. BAO § 1 gültig ab 01.01.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 104/2019
  3. BAO § 1 gültig von 14.01.2010 bis 31.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 9/2010
  4. BAO § 1 gültig von 26.03.2009 bis 13.01.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009
  5. BAO § 1 gültig von 01.01.1995 bis 25.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 681/1994
  6. BAO § 1 gültig von 19.04.1980 bis 31.12.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 151/1980

Text

Beschluss

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Wischenbart über die Beschwerde des M E, E, den Beschluss gefasst:

Gemäß 278 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) wird die Beschwerde mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.1.    Dem Beschwerdeführer wurde von der Gemeinde E, datiert mit 10.05.2022, folgendes Schreiben geschickt:

„…“

1.2.    Das gegenständliche Schreiben enthält eine Rechnungsnummer, ein Datum, eine Kundennummer und ist als Rechnung bezeichnet. Mit diesem Schreiben wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, für die Nichtleistung der Hand- und Zugdienste für das Jahr 2022 einen Abschätzbetrag in Höhe von 52 Euro zu bezahlen. Unter der Vorschreibung steht der Name des Bürgermeisters der Gemeinde E. Dem Schreiben ist ein Erlagschein angefügt.

Auf der zweiten Seite des Schreibens befindet sich der Hinweis, dass es sich bei der Vorschreibung auf Seite eins um eine Lastenschriftanzeige, Mitteilung bzw Abgabenbescheid, eine Rechnung für privatrechtliche Forderungen und eine Mahnung handelt. Der „Spruch“ stütze sich dabei auf die Bestimmungen der BAO und andere einschlägige Bestimmungen sowie die Verordnung und Beschlüsse der Gemeindevertretung. Auf Seite zwei findet sich außerdem eine „Rechtsmittelbelehrung“.

2.   Der Beschwerdeführer wertete dieses Schreiben offensichtlich als Bescheid und erhob gegen diese Vorschreibung Beschwerde.

3.   Der oben angeführte Sachverhalt wird aufgrund des Akteninhaltes als erwiesen angenommen.

4.1. § 91 Gemeindeordnung 1935, LGBl Nr 25/1935, idF BGBl Nr 35/1985, lautet:

„Die Gemeinde kann für Gemeindeerfordernisse Arbeiten und Dienste verlangen. Die Dienste können in Hand- und Zugdiensten bestehen; sie sind in Geld nach den ortsüblichen Preisen abzuschätzen. Besteht in einer Gemeinde eine besondere gültige Übung hinsichtlich der Verteilung und des Ausmaßes solcher Dienste, kann die Gemeinde diese Dienste nach dieser Übung weiterhin verlangen. Wenn eine solche besondere gültige Übung nicht besteht oder wenn die Gemeinde davon keinen Gebrauch machen will, so kann sie den Haushaltungsvorstand zur Leistung von Handdiensten im Ausmaße von höchstens 3 Tagschichten jährlich heranziehen. Ob die Dienste durch den Verpflichteten selbst oder durch einen tauglichen Vertreter geleistet werden, oder ob stattdessen der geschätzte Betrag in die Gemeindekassa bezahlt wird, bestimmt der Verpflichtete.“

Gemäß § 100 Abs 3 Gemeindegesetz LGBl Nr 40/1985, idF LGBl Nr 52/2020, gilt die Regelung des § 91 Gemeindeordnung 1935, LBGl Nr 25/1935, idF BGBl Nr 35/1985, betreffend Hand- und Zugdienste weiterhin.

Die Verordnung der Gemeinde E über die Festsetzung der Hand- und Zugdienste vom 22.10.2013, welche auf Grundlage von § 91 Gemeindeordnung 1935, LGBl Nr 25/1935, idF BGBl Nr 35/1985, vom Gemeindevorstand beschlossen wurde, lautet:

㤠1 Leistungsverpflichteter, Leistungsumfang

Zur Leistung der Hand- und Zugdienste ist jeder Haushaltsvorstand verpflichtet. Besteht ein Haushalt aus mehreren Personen, ist jene Person als Haushaltsvorstand anzusehen, die in der Regel am meisten zum Haushaltseinkommen beiträgt. Tragen mehrere Haushaltsmitglieder in ungefähr gleichem Umfang zum Haushaltseinkommen bei, gilt das älteste männliche Mitglied unter ihnen als Haushaltsvorstand. Bei Nichtvorhandensein von männlichen Mitgliedern tritt an dessen Stelle das älteste weibliche Haushaltsmitglied.

Jeder Haushaltsvorstand ist zur Leistung von Diensten im Ausmaß von 1 ½ Tagesschichten (das sind 12 Arbeitsstunden) jährlich verpflichtet. Ausgenommen davon sind Haushalte, deren Haushaltsvorstand

a)    das 70. Lebensjahr vollendet hat

b)    der infolge längerer Krankheit (laut ärztlicher Bestätigung oder Behindertenausweis) nicht in der Lage ist, Hand- und Zugdienste zu erbringen, kann über Antrag von der Leistung der Hand- und Zugdienste ganz oder teilweise befreit werden (hierüber entscheidet über Antrag der Gemeindevorstand).

§ 2 Leistungserbringung

Die zur Leistung von Hand- und Zugdiensten Verpflichteten haben bis spätestens 31. März eines jeden Jahres beim Gemeindeamt E die Erbringung ihrer Leistung anzumelden.

Die Gemeinde E weist innerhalb eines Monats den Verpflichteten eine Arbeit oder einen Dienst zu.

Der Verpflichtete kann die von der Gemeinde E zugewiesene Arbeit bzw den ihm übertragenen Dienst entweder selbst erbringen oder durch einen tauglichen Vertreter ableisten zu lassen.

§ 3 Abschätzbetrag

Die zur Leistung von Hand- und Zugdiensten Verpflichteten können anstelle der Ableistung von Hand- und Zugdiensten auch einen Abschätzbetrag an einer Gemeindekasse einzahlen.

Der Abschätzbetrag für die zu erbringende Tätigkeit wird mit 52 Euro (12 Stunden à 4,33 Euro) festgesetzt.

Verpflichteten, die innerhalb der in § 2 festgesetzten Frist die Erbringung ihrer Hand- und Zugdienste nicht annehmen, wird der Abschätzbetrag zur Zahlung vorgeschrieben.

Der Abschätzbetrag ist innerhalb zwei Wochen ab Zustellung der Vorschreibung zur Zahlung an die Gemeindekasse fällig.

§ 4 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 01.01.2014 in Kraft. Mit selben Zeitpunkt tritt die Verordnung über die Ausschreibung von Hand- und Zugdiensten vom 01.03.1991 außer Kraft.“

4.2.   Gemäß § 198 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961, idF BGBl Nr 151/1980, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen, soweit in Abgabevorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist.

Gemäß Abs 2 leg cit haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.

§ 93 BAO, BGBl Nr 194/1961, lautet:

     „(1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

     (2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

     (3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

                a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

                b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

     (4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

     (5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

     (6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.“

Bescheide sind ausnahmslos mit dem Wort „Bescheid“ zu kennzeichnen. Die fehlende Bezeichnung als Bescheid ist dann unschädlich, wenn sich aus dem Inhalt kein Zweifel am normativen Gehalt ergibt. Bei Zweifeln über den Bescheidcharakter ist die Bezeichnung als Bescheid jedoch essentiell, Die Bezeichnung als Bescheid dient der Erkennbarkeit einer behördlichen Ausfertigung als normativer Akt (vgl Ritz, BAO3, § 93, Rz 4).

Nach § 198 Abs 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch zu enthalten:

-    Art und Höhe der Abgaben

-    Zeitpunkt der Fälligkeit und

-    Die Bemessungsgrundlagen.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 24.10.2016, Zl Ra 2014/17/0023, die Rechtsansicht vertreten, dass „nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bescheide, die in einem Abgabenverfahren ergehen, (ebenso wie Bescheide im Verfahren nach dem AVG) bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen, damit ein Bescheid wirksam entsteht. Zu diesen Anforderungen zählen die Erkennbarkeit des Bescheidadressaten, der normative Abspruch und die Erkennbarkeit der Bescheid erlassenden Behörde (vgl VwGH vom 25. September 2012, 2010/17/0114, mwN). Grundsätzlich muss im Wortlaut der behördlichen Erledigung selbst zum Ausdruck kommen, dass die Behörde eine Abgabensache in rechtsverbindlicher Weise erledigt (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 92 E 3). Der Spruch ist die Willenserklärung der Behörde. Der normative (rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende) Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung ergeben (vgl zB die bei Ritz, BAO5, Tz 5 zu § 93 angeführte hg Rechtsprechung) […] Eine Lastschriftanzeige ist aber kein Bescheid (vgl wieder VwGH vom 25. September 2012, 2010/17/0114, mwN).“ In diesem Erkenntnis hat der VwGH einer Lastschriftanzeige, die sogar als Bescheid bezeichnet gewesen ist und sehr ähnlich, wie das gegenständliche Schreiben aufgebaut war, die Bescheidqualität abgesprochen.

4.3. Das Landesverwaltungsgericht ist daher zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem vorliegenden Schreiben vom 10.05.2022 nicht um einen Bescheid handelt, zumal die Mindestanforderungen, die das Gesetz an einen Bescheid stellt, nicht vorhanden sind. So ist bspw nicht erkennbar, wer gegenständlich bescheiderlassende Behörde war. Das Schreiben wurde nicht unterschrieben oder elektronisch amtssigniert. Es ist auch kein Spruch erkennbar, der den Anforderungen des § 198 Abs 2 BAO entspricht. Es wurde dem Beschwerdeführer vielmehr eine Rechnung zugeschickt, mit welcher er zu einer Abschlagzahlung in Höhe von 52 Euro verpflichtet wird, weil er den physischen Hand- und Zugdienst nicht angetreten hat.

Die Beschwerde war daher mangels Vorliegens eines Bescheides wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen.

5.3. Der Vollständigkeit halber soll noch Folgendes erwähnt werden:

5.3.1. Unter Abgaben sind nur Geldleistungen zu verstehen. Sachleistungspflichten wie zB die Wehrpflicht, Pflicht zur Einstellung von behinderten Arbeitskräften, Pflicht zur Ersatzpflanzung bei Fällen von Bäumen, Abtretung von Grundstücksflächen, Hand- und Spanndienste nach der Gemeindeordnung [gegenständlich werden diese „Hand- und Zugdienste“ genannt] udgl) zählen nicht zu den Abgaben. Geldleistungen, die bei Nichterbringung einer Sachleistung zu entrichten sind, sind grundsätzlich keine Abgaben, wenn eine Möglichkeit besteht, zwischen Erfüllung der (primären) Sachleistungsverpflichtung und der Ablöse durch Geldleistung zu wählen, die Geldleistung somit nur subsidiären Charakter hat. Tritt die Verpflichtung zur Erbringung der Geldleistung hingegen unabhängig vom Willen des Verpflichteten ein, so liegt (weil etwa die Erbringung der Sachleistung gar nicht möglich ist) wenn auch die sonstigen Bedingungen erfüllt sind, eine Abgabe vor (Doralt/Ruppe, Steuerrecht II. (2006) Rz 338).

Der gegenständlich vorgeschriebene Abschätzbetrag in Höhe von 52 Euro stellt keine Primärverpflichtung dar. Vielmehr wird laut Verordnung der Gemeinde E über die Festsetzung der Hand- und Zugdienste vom 22.10.2013 zumindest ein Haushaltsmitglied verpflichtet, Hand- und Zugdienste im Ausmaß von zwölf Arbeitsstunden jährlich zu leisten. Subsidiär steht es diesem Haushaltsmitglied frei, anstatt der physischen Leistung der Hand- und Zugdienste, einen Abschätzbetrag zu leisten. Somit hatte gegenständlich auch der Beschwerdeführer die Möglichkeit, zwischen Erfüllung der (primären) Sachleistungsverpflichtung und der Ablöse durch Geld zu wählen. Beim Abschätzbetrag für Hand- und Zugdienste handelt es sich somit um keine Abgabe iSd BAO.

Das bedeutet, dass die BAO nicht anwendbar ist. Vielmehr würden gegenständlich die Verfahrensregeln des AVG zur Anwendung kommen:

§ 18 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, idF BGBl I Nr 5/2008, lautet:

„Erledigungen
  1. (1) Die Behörde hat die Sache möglichst zweckmäßig, rasch, einfach und kostensparend zu erledigen und den wesentlichen Inhalt der Amtshandlung erforderlichenfalls in einer Niederschrift oder einem Aktenvermerk festzuhalten.
  2. (2) Erledigungen haben jedenfalls schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird.
  3. (3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
  4. (4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

    […]“

5.3.2.  § 19 des Bundesgesetzes über Regelungen zur Erleichterung des elektronischen Verkehrs mit öffentlichen Stellen (E-Government-Gesetz – E-GovG), BGBl I Nr 10/2004, idF BGBl I Nr 104/2018, lautet wie folgt:

„Amtssignatur

  1. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.
  2. (2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihm erzeugten Dokumente verwendet werden.
  3. (3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.“

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 24.10.2017, Ra 2016/10/0079 wie folgt festgestellt:

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss also jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sein. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH vom 29.11.2011, 2010/10/0252, unter Hinweis auf die in Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 8 zu § 18, zitierte Literatur und Judikatur). Im vorliegenden Fall erfolgte keine iSd § 18 Abs. 3 AVG dokumentierte Genehmigung der Erledigung vom 04.11.2015, sodass diese nichtig ist. Darüber hinaus entspricht auch deren Ausfertigung nicht den in § 18 Abs. 4 AVG festgelegten Fertigungserfordernissen. Die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem VwG setzt einen wirksam erlassenen Bescheid, gegen den sie sich richtet, voraus (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG 24). Ein solcher liegt hier nicht vor. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht somit das Fehlen eines erstbehördlichen Bescheides entgegen.

Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde des Revisionswerbers mangels Bescheidqualität der Erledigung der belangten Behörde zurückzuweisen war.

Nach § 18 Abs 3 AVG ist die schriftliche Erledigung vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen. Wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung treten. Die Ausfertigung einer internen Genehmigung regelt § 18 Abs 4 AVG iVm § 19 E-GovG. Nach § 18 Abs 4 zweiter Satz AVG müssen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein. Solche Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Dagegen haben entsprechend dem dritten Satz des § 18 Abs 4 AVG sonstige Ausfertigungen die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß § 18 Abs 3 AVG genehmigt worden ist.

Daraus ergibt sich, dass insgesamt mehrere Möglichkeiten bestehen, eine Erledigung wirksam nach außen treten zu lassen, wobei der grundlegende Unterschied in der Form der Ausfertigung – elektronisches Dokument oder Papierform – zu sehen ist.

Einer Erledigungsausfertigung, die keiner der im § 18 AVG genannten Fertigungsformen entspricht, die also weder die Unterschrift des Genehmigenden, noch eine Beglaubigung, noch eine Amtssignatur (zumindest als Ausdruck oder in Kopie) aufweist, mangelt es an der Qualität als behördlicher Akt und somit insbesondere als Bescheid. Es handelt sich dabei um einen wesentlichen Fehler, die zur absoluten Nichtigkeit der behördlichen Erledigung (hier im Konkreten des angefochtenen Bescheides) führt.

Im konkreten Fall hat die angefochtene Erledigung weder eine Unterschrift einer genehmigenden Person, noch eine Beglaubigung und auch keine Amtssignatur aufgewiesen. Diese Erledigung stellt somit auch aus diesem Grund einen „Nicht-Bescheid“ iSd AVG dar. Es liegt insofern eine dem Gesetz entsprechende bescheidmäßige Erledigung nicht vor, weshalb sich die dagegen erhobene Beschwerde auch nach den Regeln des AVG als unzulässig erweist.

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass zur Vorschreibung von Hand- und Zugdiensten nicht der Bürgermeister, sondern gemäß § 60 Abs 1 Gemeindegesetz, LGBl Nr 40/1985, der Gemeindevorstand zuständig ist.

6.   Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, zumal die Beschwerde zurückzuweisen war.

7.   Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Hand- und Zugdienste, subsidiäre Geldverpflichtung, AVG anzuwenden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.365.1.2022.R10

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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