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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Jänner 1995, Zl. 4.324.022/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Pakistans, reiste am 18. Juni 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 21. Juni 1991 Asyl.
Am 9. August 1991 wurde er vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich zu seinen Fluchtgründen einvernommen. Er gab an:
"Ich bin seit 1971 Mitglied der PPP "Pakistanischen People Party". Diese Partei steht in Opposition zur Regierungspartei der I.J.I.. Unser Ziel ist die Befreiung von Panschab. Ich nahm als Mitglied der P.P.P. an Demos und anderen Veranstaltungen teil. Ich verteilte auch Flugzettel und Aufrufe zum Widerstand gegen die Regierung. Am 25. 5. 1991 am Markt von Chakwal als ca. 10 Schläger der I.J.I. Partei mich verprügelten und mir dabei vermutlich den Zeigefinger der linken Hand vermutlich gebrachen. In der Nacht des gleichen Tages kamen die gleichen Personen und 4 bewaffnete Polizisten in meine Wohnung und wollten mich wegen meiner pol. Tätigkeit umbringen. Ich konnte durch die Hintertüre meiner Wohnung flüchten. Aus diesem Grund bin ich geflüchtet."
Mit Bescheid vom 19. September 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968). Die formularmäßige Bescheidbegründung enthielt keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtgründen.
In der Berufung kritisierte der Beschwerdeführer diesen Umstand, aber nicht die mit ihm aufgenommene Niederschrift.
Zugleich ergänzte er seine Darstellung wie folgt:
"Wie ich bereits im Erstinterview angegeben habe, werde ich in meiner Heimat Pakistan aus politischen Gründen verfolgt. Ich war Geschäftsmann und hatte eine Zeitungsagentur in meiner Heimatstadt Chakwal. Seit 1971 bin ich Mitglied der Pakistan Peoples Party. (PPP) Ich war ein wichtiger Funktionär der PPP in Chakwal. Nach dem Militärputsch 1990 arbeitete ich noch härter für die Anliegen meiner Partei. Für die Wahlen im Oktober 1990 organisierte ich viele Veranstaltungen und gab eine Lokalzeitung der PPP heraus. Immer wieder haben Vertreter der Opposition, der Muslim Liga, versucht, mich für ihre Partei zu gewinnen, sie setzten mich unter Druck und wollten, daß ich für sie arbeite. Doch ich widersetzte mich und setzte meine Arbeit für die PPP fort. Nachdem die Muslim Liga die Wahlen gewonnen hat, wurde ich immer wieder von deren Vertretern angegriffen und verfolgt. Sie schlugen mich auf der Straße zusammen, drangen in mein Haus ein und verhafteten meinen Vater. Ich versteckte mich kurze Zeit und beschloß dann meine Heimat zu verlassen, da die Situation für mich zu gefährlich wurde. Zur Zeit ist es für mich also unmöglich nach Pakistan zurückzukehren."
Der Berufung schloß der Beschwerdeführer Kopien seines Ausweises als Mitglied der PPP und eines Affidavits an, worin er zu seiner Verfolgung in Pakistan erklärte, daß diese von der Regierung ausgehe ("that the Government of Pakistan is pressing hard and involved us in many political cases").
Mit Schriftsätzen vom 23. Juni 1992 und vom 3. August 1992 legte der Beschwerdeführer Kopien sieben weiterer Urkunden vor.
Mit Bescheid vom 20. Jänner 1993 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0468, unter Verweis auf das Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435 (wegen Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) auf.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 1994, dem Beschwerdevertreter zugestellt am 7. Dezember 1994, räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zunächst eine zweiwöchige Frist ein, um die Berufung im Sinne der bereinigten Rechtslage (Geltendmachung nicht nur "offenkundiger" Verfahrensmängel) zu ergänzen. Der weitere Inhalt dieses Schreibens lautete:
"Darüber hinaus wird Ihnen mitgeteilt, daß es die Berufungsbehörde als notorische Tatsache ansieht, daß unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten in Ihrem Heimatland eine Verfolgung von Mitgliedern der "Pakistan People"s Party" (PPP) aus Gründen des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht glaubhaft ist.
Die "PPP" ging bei den Parlamentswahlen am 6. 10. 1993 als stärkste Partei hervor und stellt mit Benazir Bhutto auch die Premierministerin Pakistans.
Es ist daher davon auszugehen, daß Sie als Mitglied der "PPP" im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland mit keinen politisch motivierten Verfolgungen zu rechnen haben, bzw. Ihnen staatlicher Schutz gegen Übergriffe Privater nicht in diskriminierender Weise vorenthalten werden würde. Sie können innerhalb einer Frist von zwei Wochen auch zu diesen von der Behörde als erwiesen angenommenen Tatsachen Stellung nehmen. Der Bescheid wird auf der Grundlage dieser Tatsachen erlassen werden, soweit nicht Ihre Stellungnahme anderes erfordert."
Mit Schriftsatz vom 2. Jänner 1995 äußerte sich der Beschwerdevertreter wie folgt:
"Unter Bezugnahme auf die Zuschrift vom 5. 12. 1994 ersuche ich in umseits bezeichneter Verwaltungsangelegenheit wegen notwendiger aufwendiger Recherchen um Erstreckung der Frist zur Ergänzung der Berufung um drei Wochen."
Mit dem angefochtenen Bescheid, der dem Beschwerdevertreter am 20. Jänner 1995 zugestellt wurde, wies die belangte Behörde die Berufung ab, weil der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Behörde stützt ihre Entscheidung unter anderem darauf, daß die Partei des Beschwerdeführers aus den Wahlen im Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen sei und im Heimatland des Beschwerdeführers seither den Regierungschef stelle. Der Beschwerdeführer müsse auch deshalb nicht damit rechnen, daß er im Falle seiner Rückkehr aus politischen Gründen verfolgt oder daß ihm staatlicher Schutz in diskriminierender Weise versagt werden würde (Seite 6 des Bescheides).
Dieser Teil der Begründung entspricht dem Vorhalt, den der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht beantwortet hat. In der Beschwerde macht er dazu geltend, die Behörde habe das Parteiengehör verletzt, weil sie ihm zur Stellungnahme nicht ausreichend Frist gewährt habe. In seinem Antrag vom 2. Jänner 1995 habe der Beschwerdeführer "dargelegt", daß er "wegen notwendiger und aufwendiger Recherchen bezüglich der Situation in Pakistan" um Erstreckung der Frist ersuche.
Einen Verfahrensmangel und dessen Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zeigt der Beschwerdeführer damit nicht auf. Der Beschwerdeführer ließ die ihm eingeräumte Frist zunächst verstreichen, ohne auch nur um ihre Verlängerung ersucht zu haben. 12 Tage nach Fristablauf beantragte er die "Erstreckung" der Frist "um drei Wochen". Wäre die zweiwöchige Frist in diesem Sinne auf fünf Wochen verlängert worden, so wäre sie am 11. Jänner 1995 abgelaufen. Der Beschwerdevertreter übernahm den angefochtenen Bescheid am 20. Jänner 1995, ohne der Berufungsbehörde das Ergebnis der in der Zwischenzeit angestellten Recherchen mitgeteilt zu haben. Eine bis zu diesem Zeitpunkt abgegebene Stellungnahme hätte die Behörde zu berücksichtigen gehabt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 332, Entscheidung 28 zu § 45 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung). Selbst die Beschwerde verzichtet noch darauf, Ergebnisse der Recherchen darzustellen oder auch nur anzudeuten, worin die "notwendigen aufwendigen Recherchen über die Situation in Pakistan" überhaupt bestanden hätten. Daß die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt und inwiefern sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist daher nicht erkennbar.
Die Annahme der belangten Behörde, er habe wegen seiner Mitgliedschaft in der PPP auch wegen der inzwischen eingetretenen Änderungen in Pakistan im Falle seiner Rückkehr dorthin mit keiner politisch motivierten Verfolgung zu rechnen, bekämpft der Beschwerdeführer in der Beschwerde nur als "unschlüssig". Begründet wird dies mit einem einzigen Satz folgenden Inhalts:
"Der von der belangten Behörde hergestellte Zusammenhang zwischen einer Vertretung einer Partei im Parlament und einem Ausschluß individueller Verfolgung von Mitgliedern einer im Parlament vertretenen Partei ist ohne weitere Hilfstatsachen als gewillkürt anzusehen."
Diese Argumentation verfehlt schon insofern ihr Ziel, als sie auf den Umstand, daß die Partei des Beschwerdeführers seit Oktober 1993 den Premierminister stellt, mit keinem Wort eingeht. Der zitierte Satz stammt wortwörtlich aus der Beschwerde gegen den Bescheid vom 20. Jänner 1993, worin die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten hatte, seine Partei sei "durch die zwei Damen Bhutto (Mutter und Tochter) und eine größere Anzahl von Abgeordneten im Parlament vertreten". Das bezog sich auf die Zeit nach den Parlamentswahlen am 24. Oktober 1990, bei denen die Partei, durch die sich der Beschwerdeführer als verfolgt erachtet, an die Macht gekommen war. Daß durch die Wahlen am 6. Oktober 1993 in dieser Hinsicht eine Umkehr eintrat, läßt die Beschwerde daher völlig unbeantwortet.
Im Verwaltungsverfahren brachte der Beschwerdeführer die Gefahr, die ihm nach seinen Angaben in seinem Heimatland drohte, mit staatlichen Autoritäten in seiner Niederschrift nur in Zusammenhang, indem er ausführte, seine Partei stehe "in Opposition" zur "Regierungspartei IJI", deren "Schläger" ihn - mit Unterstützung von vier Polizisten - zu töten versucht hätten. In der Berufung hob er den Zusammenhang mit den Regierungsverhältnissen erneut hervor ("Nachdem die Muslimliga die Wahlen gewonnen hat, ... Zur Zeit ist es für mich also unmöglich, nach Pakistan zurückzukehren"). Auch das Affidavit des Beschwerdeführers nannte keinen anderen Verfolgungsgrund. Die dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde vorgehaltenen Umstände hätten daher eine substantielle Reaktion erfordert (wie sie etwa in dem Fall erfolgte, der dem Pakistan betreffenden Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/20/0070, zugrundelag). Ohne eine derartige Reaktion konnte die belangte Behörde für den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer in seiner Heimat keine dem Staat zurechenbare Verfolgung drohe. Inwieweit dies auch auf die Verhältnisse vor dem Oktober 1993 zutraf, braucht unter diesen Umständen nicht mehr geprüft zu werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200106.X00Im RIS seit
20.11.2000