TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 94/04/0176

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §18 Abs1;
GewO 1994 §127 Z4;
GewO 1994 §127;
GewO 1994 §175 Abs1;
GewO 1994 §176 Abs1;
GewO 1994 §341 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der S-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Juli 1994, Zl. 317.206/1-III/5a/94, betreffend Nichterteilung einer Bewilligung für die Gewerbeausübung und die Geschäftsführerbestellung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde am 13. Jänner 1994 im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN n1 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen. Gleichzeitig wurde F als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin in das Firmenbuch eingetragen. Des weiteren ist Ing. R - der zufolge einer auf das Stammkapital von S 500.000,-- übernommenen Einlage von S 260.000,-- Mehrheitsgesellschafter der Beschwerdeführerin ist - als gemeinsam mit dem genannten F zur Vertretung der Beschwerdeführerin befugter Geschäftsführer der Beschwerdeführerin im Firmenbuch eingetragen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. März 1994 wurde über das (am 2. Februar 1994 erhobene) Ansuchen der Beschwerdeführerin um Bewilligung zur Ausübung des Baumeistergewerbes sowie der Bestellung des Ing. R zum Geschäftsführer bei Ausübung dieses Gewerbes wie folgt abgesprochen:

"Das Amt der Wiener Landesregierung verweigert gemäß § 175 Abs. 2 GewO 1994 der S-Gesellschaft m.b.H. die Bewilligung zur Ausübung des Gewerbes der Baumeister (§ 202 GewO 1994) mit dem Standort in W, U-Straße 22, und gibt weiters gemäß § 176 Abs. 3 GewO 1994 dem Ansuchen um Genehmigung der Bestellung des Herrn Ing. R zum Geschäftsführer bei Ausübung dieses Gewerbes keine Folge."

In dem genannten (erstbehördlichen) Bescheid wurde festgestellt, daß der als Geschäftsführer für die Ausübung des Baumeistergewerbes vorgesehene Ing. R folgende Verwaltungsübertretungen begangen und dafür wie folgt bestraft worden sei:

"Mit dem Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 13. April 1993,

GZl. MBA 04/20/044/1/Str, wurde über ihn eine Geldstrafe von 3.500,-- S, im Uneinbringlichkeitsfall 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe wegen Übertretung des § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verhängt, weil er als Arbeitgeber am 3. April 1991 auf der Baustelle in X, Parzellennummern 54/20-54/54 und 791/183-791/187, bei den Doppelreihenhäusern 5/6, 7/8, 9/10, 7 Arbeitnehmern keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutz und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt hatte, obwohl bei ihrer beruflichen Tätigkeit die Gefahr einer Fußverletzung bestanden hatte.

Mit dem Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 8. Juni 1993,

GZl. MBA 04/20/055/1/Str, wurden über ihn acht Geldstrafen von insgesamt S 36.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall insgesamt 36 Tage Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen der §§ 38 Abs. 1, 38 Abs. 3 und 3 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung, § 38 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Elektrotechnikverordnung und § 100.6 ÖVE-IG 31b/1984, § 38 Abs. 1 AAV in Verbindung mit § 13 Abs. 2 ETV und § 55.4.1 ÖVE-EN 1, Teil 4 sowie der §§ 61 Abs. 4, 18 Abs. 1 und 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verhängt, weil er als Baumeister und Arbeitgeber am 18. Juni 1991 auf der von ihm geleiteten Baustelle in X, Gst.Nr. 791/183, 791/184, 54/20, 54/21, 54/22, 54/23, 54/24, 54/25, 54/26, 54/27, 54/28, 54/52, 54/53 KG X, folgenden gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern nicht entsprochen hatte:

1) Die Lauftreppen in die Doppelhäuser Nr. 1/2, 3/4, 37/38, 39/40, die auch beim Materialtransport befahren wurden, wiesen nicht die gesetzlich erforderliche Mindestbreite von 1,25 m auf, sondern betrug deren Breite lediglich 50 cm.

2) Obwohl von den Lauftreppen in die Häuser Nr. 39/40, 37/38 ein Abstürzen über einen Höhenunterschied von mehr als 2 m (ca. 2,70 m) möglich war, waren diese nicht mit Brust-, Mittel- und Fußwehren gesichert.

3) Obwohl auf der Baustelle mehr als ein Arbeitnehmer (nämlich 13 Arbeitnehmer) beschäftigt waren und die Aufsichtsperson nicht anwesend war, war kein auf der Baustelle beschäftigter Arbeitnehmer über die bei den auszuführenden Arbeiten zu beobachtenden Dienstnehmerschutzvorschriften belehrt und als Anordnungsbefugter für die Einhaltung der für diese Arbeitsstelle geltenden Dienstnehmerschutzvorschriften bestimmt worden.

4) Die in Verwendung befindlichen Kabeltrommeln waren nicht spritzwassergeschützt, obwohl sie im Freien verwendet wurden.

5) Es wurden im Baustellenbereich statt gekennzeichneter Gummimantelleitungen weiße PVC-ummantelte, nicht gekennzeichnete Elektrokabel verwendet, die für den Baustellengebrauch verboten sind.

6) Bei den Doppelhäusern Nr. 1/2, 3/4, 37/38, 39/40 betrug der Böschungswinkel der Baugrubenwände mehr als 60 Grad (nämlich mehr als 80 Grad), obwohl es sich um lehmig-kiesigen Boden, der einem steifen, halbfesten bindigen Boden entspricht, handelte.

7) Die Stiegenhausöffnungen in der Kellerdecke der Doppelhäuser Nr. 1/2, 3/4, 37/38, 39/40 mit einer Absturzhöhe von ca. 2,60 m und die Stiegenhausöffnungen auf der Erdgeschoßdecke der Doppelhäuser Nr. 5/6, 7/8, 9/10 mit einer Absturzhöhe von ca. 2,80 m waren nicht gegen den Absturz von Personen, Gegenständen und Material durch Umwehrungen gesichert und auch nicht tragsicher und nicht verschiebbar zugedeckt.

8) 13 Arbeitnehmern wurden keine Sicherheitssschuhe mit Zehenschutzkappe und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt, obwohl bei ihrer beruflichen Tätigkeit die Gefahr einer Fußverletzung bestand, da sie mit Rohbauarbeiten (Mauerungs-, Bewehrungs- und Schalarbeiten) beschäftigt waren.

Mit dem Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 8. Juni 1993,

GZl. MBA 4/5 - S 6762/92, wurde über ihn eine Geldstrafe von S 4.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe wegen Übertretung des § 70 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verhängt, weil er als Arbeitgeber am 11. Juni 1992 auf der von ihm geführten Baustelle in Y, Gst.Nr. 2450/27, 2450/29, 2450/31, 2450/33, 2450/35, 2450/37, 2450/39, 2450/41, 2450/43, 2450/45 4 Arbeitnehmern, für die bei der beruflichen Tätigkeit die Gefahr von Verletzungen für die Beine bestand, keine Sicherheitsschuhe mit Zehenschutz und durchtrittsicherer Sohle zur Verfügung gestellt hatte.

Mit dem Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 18. Oktober 1993,

GZl. MBA 4/5 -S 9504/93, wurden über ihn acht Geldstrafen von insgesamt S 12.500,--, im Uneinbringlichkeitsfall insgesamt 12 Tage und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen des § 46 Abs. 46 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, der §§ 19 Abs. 4 und 31 Abs. 4 der Bauarbeiterschutzverordnung sowie des § 55.5.1 ÖVE-EN 1, Teil 4/1987 in Verbindung mit § 13 Abs.2 der Elektrotechnikverordnung und § 38 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung verhängt, weil er als Arbeitgeber am 8. September 1993 auf der Baustelle in X, F-Gasse 5 und 7 (Doppelhaus) den gesetzlichen Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer in folgender Weise nicht entsprochen hatte:

Das bei dem Doppelhaus an der Rückseite (Gartenfassade) errichtete aus 5 Gerüstfeldern (Länge ca. 15 m) und bis zu 3 Gerüstlagen (Höhe: 1. Lage ca. 2,20 m, 2. Lage ca. 4,20 m. 3. Lage ca. 6,20 m) bestehende Metallrohrstreckgerüst, von dem aus vier Arbeitnehmer mit dem Aufbringen des Fassadenputzes beschäftigt waren, wies folgende Mängel auf:

1) In der ersten Gerüstlänge fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 2,20 m vorhanden war.

2) In der zweiten Gerüstlänge fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 4,20 m vorhanden war.

3) In der dritten Gerüstlage fehlten die Mittelwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 6,20 m vorhanden war.

4) In der ersten Gerüstlänge fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 2,20 m vorhanden war.

5) In der zweiten Gerüstlage fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 4,20 m vorhanden war.

6) In der dritten Gerüstlage fehlten die Fußwehren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 6,20 m vorhanden war.

7) Für das gefahrlose Besteigen und Verlassen des Gerüstes, sowie für die Verbindung zu den Gerüstgeschoßen waren keine Einrichtungen, wie Laufbrücken, Treppen oder Leitergänge, angelegt.

8) Für den Anschluß eines Handmischgerätes (Quirler, zum Durchmischen des in Kübeln befindlichen Fassadenverputzes) wurde eine Kabeltrommel verwendet, bei der die Steckvorrichtungen nicht spritzwassergeschützt (die Steckdosen waren nicht mit Schutzdeckel versehen) ausgeführt waren."

Zur Begründung wurde ausgeführt, diese festgestellten Verwaltungsübertretungen - die Ing. R im Zusammenhang mit der Ausübung des Baumeistergewerbes begangen habe - würden die Annahme rechtfertigen, daß der Genannte die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin stehe Ing. R maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte dieser Gesellschaft zu.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin (wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung) Berufung.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Juli 1994 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der erstbehördliche Bescheid "gemäß § 175 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m. § 175 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 und § 176 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 leg. cit. bestätigt".

Zur Begründung wurde auf "die Gründe des angefochtenen (erstinstanzlichen) Bescheides" verwiesen und ergänzend ausgeführt, daß im Zeitraum 13. April 1993 bis 18. Oktober 1993 über den als gewerberechtlicher Geschäftsführer vorgesehenen Ing. R wegen der Übertretung von Rechtsnormen, die zufolge ihres Regelungstatbestandes (Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung und Bauarbeiterschutzverordnung) die im Zusammenhang mit der Ausübung des Baumeistergewerbes zu beachtenden öffentlichen Interessen bestimmen bzw. mitbestimmen würden, insgesamt 18 (teils empfindliche) rechtskräftig gewordene Geldstrafen verhängt worden seien. Aufgrund der in diesen Übertretungen sich manifestierenden Vorgangsweise bzw. des daraus zu gewinnenden Persönlichkeitsbildes müsse unter Bedachtnahme auf die bei der Ausübung des Baumeistergewerbes sich bietenden Gelegenheit befürchtet werden, daß Ing. R beim Betrieb des von der Beschwerdeführerin angestrebten Gewerbes gegen die hiebei zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen werde. Der Genannte habe zu verantworten, daß bei Ausübung seines Baumeistergewerbes zum wiederholten Mal dem Schutz des Lebens und der Gesundheit seiner Arbeitnehmer dienende Rechtsvorschriften nicht eingehalten worden seien. Im Hinblick auf Art und Anzahl dieser Übertretungen sei der seit seiner letzten Bestrafung verstrichene Zeitraum zu kurz, um annehmen zu können, Ing. R werde sich bei Ausübung des angestrebten Gewerbes einwandfrei verhalten. Die Zuverlässigkeit des als gewerberechtlicher Geschäftsführer vorgesehenen Ing. R sei daher nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in den von ihr angenommenen Rechten auf "Bewilligung der Ausübung des Gewerbes der Baumeister gemäß § 175 Abs. 1 GewO 1994 und auf Genehmigung der Bestellung des Ing. R zum Geschäftsführer für die Ausübung dieses Gewerbes gemäß § 176 Abs. 3 GewO 1994" verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, in einem Entziehungsverfahren dürfe die Zuverlässigkeit (gemäß § 87 GewO) erst dann aberkannt werden, wenn schwere bzw. schwerwiegende Verstöße gegen die bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes zu beachtenden Vorschriften festgestellt worden seien. Durch diese Einschränkung (auf schwerwiegende Verstöße) werde sichergestellt, daß nicht "jede geringfügige Verletzung" zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen könne. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen, wenn er geeignet sei, das "Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen". Des weiteren vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung müsse "deutlich unterschieden werden", ob "jemand wie Ing. R" auf Baustellen seinen Arbeitern keine Sicherheitsschuhe zur Verfügung gestellt und Lauftreppen ohne die erforderliche Mindestbreite sowie nicht spritzwassergeschützte Kabeltrommeln verwenden habe lassen, oder ob "beispielsweise jemand" durch illegale Beschäftigung von Arbeitskräften sich Wettbewerbsvorteile verschaffe und dadurch "einen nachteiligen Einfluß auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen in einem Berufszweig ausübt oder sonst konkrete Beeinträchtigungen für Leib und Leben zu verantworten hat, deretwegen er auch strafgerichtlich abgeurteilt wurde". Bei den von Ing. R begangenen Verwaltungsübertretungen sei es in keinem Fall zu "konkreten Gefährdungen für Leib und Leben seiner Mitarbeiter" gekommen. Aufgrund der Anzahl dieser Übertretungen allein könne ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten noch nicht befürchtet werden. Ing. R besitze eine solide Ausbildung und eine in seinem Bauunternehmen erworbene langjährige Praxis; da er über das "erforderliche Verantwortungsbewußtsein" verfüge, seien begründete Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit "nicht ernstlich" gegeben. Für die zu erstellende Prognose sei nicht der Zeitpunkt der Bestrafung sondern jener des strafbaren Verhaltens maßgebend. Der letzte Verstoß sei am 8. September 1993 begangen worden, die letzte Bestrafung sei am 18. Oktober 1993 erfolgt. Dies allein reiche für eine negative Prognose nicht aus.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die Höhe der einzelnen verhängten Geldstrafen nicht genau festgestellt. Unter Berücksichtigung dieser Geldstrafen hätte sie aber zu dem Ergebnis gelangen "müssen", daß sich sämtliche Verwaltungsübertretungen keinesfalls als "so schwere Verstöße" dargestellt hätten, zumal "bei weitem nicht die Höchststrafen" verhängt worden seien. Die belangte Behörde habe im Rahmen ihrer Ermessensausübung die Zuverlässigkeit fehlerhaft beurteilt.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Das gebundene Gewerbe "Baumeister" darf gemäß § 127 Z. 4 GewO 1994 erst nach Erlangung einer Bewilligung ausgeübt werden.

Juristische Personen (im Beschwerdefall: eine gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG mit Eintragung in das Firmenbuch bestehende Gesellschaft mit beschränkter Haftung) können zufolge § 9 Abs. 1 GewO 1994 Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.

§ 175 Abs. 1 und 2 GewO 1994 lauten:

"(1) Die Bewilligung für ein im § 127 angeführtes gebundenes Gewerbe ist zu erteilen, wenn

1. bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben (§§ 8 bis 15) keine Tatsachen vorliegen, die es zweifelhaft machen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes um die Bewilligung bewirbt, eine der im § 13 Abs. 7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, und

2. die hinsichtlich der Ausübung des betreffenden im § 127 angeführten gebundenen Gewerbes allenfalls vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Liegt eine der im Abs. 1 angeführten Voraussetzungen nicht vor, so ist die Bewilligung zu verweigern."

§ 176 Abs. 1 und 3 GewO 1994 bestimmen:

"(1) Der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung eines im § 127 angeführten gebundenen Gewerbes bedarf einer Genehmigung für

1. die Bestellung eines Geschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes,

2. die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an einen Pächter und

3. die Bestellung eines Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte.

(3) Die Genehmigung gemäß Abs. 1 Z. 1 ist auf Ansuchen des Gewerbeinhabers zu erteilen, wenn die im § 39 Abs. 2 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Das Ausscheiden eines Geschäftsführers ist vom Gewerbeinhaber der für die Erteilung der Bewilligung für das betreffende im § 127 angeführte gebundene Gewerbe zuständigen Behörde anzuzeigen."

Wer ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe (§ 127) ausüben will, hat zufolge § 341 Abs. 1 GewO 1994 das Ansuchen bei der Behörde (§ 177), die für den beabsichtigten Standort zuständig ist, einzubringen. In einem solcherart erforderlichen Bewilligungsverfahren hat nicht schon das die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende Ansuchen sondern erst der darüber zu erlassende Bewilligungsbescheid bzw. Genehmigungsbescheid rechtsbegründende Wirkung. Die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Bewilligung bzw. Genehmigung (im Sinn des § 176 leg. cit.) müssen daher im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall allein strittig, ob der von der Beschwerdeführerin als Geschäftsführer für die Ausübung des Baumeistergewerbes vorgesehene Ing. R die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.

Die Bestimmung des § 175 GewO 1994 enthält keine nähere (positive) Umschreibung des Tatbestandselementes der "erforderlichen Zuverlässigkeit". Für die Auslegung und Wertung des Begriffes "Zuverlässigkeit" kann aber auf das vom Gesetzgeber im § 87 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. gleichlautend gebrauchten Merkmal mit der darin in negativer Umschreibung zum Ausdruck kommenden Legaldefinition zurückgegriffen werden, zumal der Gewerbeordnung 1994 weder aufgrund der in Rede stehenden Bestimmungen noch aus anderen Regelungen zu entnehmen ist, daß der normative Gehalt des Begriffes "Zuverlässigkeit" zum einen bei Erteilung einer Bewilligung für die Ausübung eines Gewerbes und zum anderen bei der Entziehung einer Gewerbeberechtigung ein verschiedener sein sollte (vgl. auch Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, 3. Auflage, Seite 405, Anm. 3 zu § 175).

Nach dem durch die Gewerberechtsnovelle 1992 (BGBl. Nr. 29/1993) erstmals für alle Gewerbe vorgesehenen Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. besitzt ein Gewerbetreibender die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit dann nicht mehr, wenn er infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die ihm solcherart auferlegten Verpflichtungen verletzt hat. Schutzinteressen gemäß Z. 3 sind nach dem Schlußsatz des § 87 Abs. 1 leg. cit. insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs sowie der illegalen Prostitution.

Durch die Einschränkung auf "schwerwiegende" Verstöße soll sichergestellt werden, daß nicht schon jede geringfügige Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung (bzw. aus Sicht des Beschwerdefalles: zur Verneinung der Zuverlässigkeit in einem Verfahren über die Bewilligung der Gewerbeausübung) führen kann. So liegt - abgesehen von an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstößen - ein solcher zwar nicht schon im Fall jeder geringfügigen Verwaltungsübertretung vor, wohl aber dann, wenn durch eine Vielzahl geringfügiger Übertretungen ein weiteres vorschriftwidriges Verhalten des Gewerbeinhabers zu befürchten ist (vgl. hiezu auch RV 636 BlgNR 18. GP, 86).

Ausgehend von der dargelegten Rechtslage bzw. dem so zu verstehenden normativen Gehalt der "erforderlichen Zuverlässigkeit" bedeutet dies für den Beschwerdefall, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Beurteilung, der als Geschäftsführer für die Ausübung des gebundenen Gewerbes "Baumeister" vorgesehene Ing. R besitze im Hinblick auf die von ihm (im Zeitraum April 1991 bis September 1993) als Baumeister und Arbeitgeber wiederholt begangenen Verwaltungsübertretungen nicht die für das angestrebte Gewerbe erforderliche Zuverlässigkeit, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist. Der belangten Behörde kann auch insoweit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diese festgestellten Verstöße als insgesamt erheblich gewertet hat, zumal der vorgesehene Geschäftsführer Ing. R nach den diesen Verwaltungsübertretungen zugrunde liegenden Handlungen (bzw. Unterlassungen) die für einen Baumeister als Arbeitgeber sich aus einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften ergebenden Verpflichtungen wiederholt verletzte (vgl. dazu etwa auch sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 94/04/0076).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin vermag der Umstand, daß Arbeitnehmer am Körper nicht verletzt bzw. an ihrem Leben oder ihrer Gesundheit nicht konkret beeinträchtigt wurden, ihr in diesem Zusammenhang nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil nicht der Eintritt tatsächlicher, konkreter Verletzungen oder eines bestimmten Erfolges, sondern die aus den Arbeitnehmerschutzvorschriften sich ergebende Verletzung von Schutzinteressen (im Beschwerdefall: das Interesse am Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer) für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgeblich ist. Insoweit die Beschwerdeführerin die behördliche Wertung der Verstöße als "schwerwiegend" im dargelegten Sinn in Zweifel zu ziehen sucht, ist zu erwidern, daß die dazu - teilweise jedoch nur rechtstheoretisch und nicht sachverhaltsbezogen - erstatteten Beschwerdeausführungen im Hinblick auf die im Beschwerdefall maßgebenden Tatbestandsmerkmale nicht als relevant anzusehen sind. Mit der unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Rüge, die belangte Behörde habe die Höhe der über Ing. R verhängten Geldstrafen nicht festgestellt, befindet sich die Beschwerdeführerin im Widerspruch mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und damit aber auch die darin enthaltenen Feststellungen über die Höhe der verhängten Strafen ausdrücklich übernommen hat, sodaß die von der Beschwerdeführerin vermißten Feststellungen ohnedies getroffen wurden.

Insgesamt betrachtet, zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die aus der Sicht des Beschwerdefalles geeignet wären, einen im Ergebnis anderen Bescheid herbeizuführen.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze erkennen lassen, daß die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht von einer weiteren Klarstellung des Sachverhaltes abhängt, sodaß eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten ließ. Die Beschwerdeführerin hat nämlich auch im Zusammenhang mit ihrem Verhandlungsantrag keine Gründe vorgebracht, die im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage eine Erörterung des vorliegenden Beschwerdefalles in einer mündlichen Verhandlung angezeigt erschienen ließen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994040176.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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