TE Vwgh Erkenntnis 2022/9/1 Ra 2022/02/0125

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Veröffentlicht am 01.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. März 2022, VGW-031/029/846/2022-2, betreffend Übertretung nach der StVO (mitbeteiligte Partei: Mag. S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 29. November 2021 wurde über den Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 99 Abs. 1a iVm § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 99 Abs. 1a StVO eine Geldstrafe von € 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt, weil er am 30. September 2021 um 00:10 Uhr an einem näher bestimmten Ort ein Fahrrad gelenkt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,77 mg/l) befunden habe.

2        Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, wobei er das Straferkenntnis ausdrücklich nur hinsichtlich der Höhe der Strafe bekämpfte.

3        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde insofern statt, als es die festgesetzte Geldstrafe auf € 600,-- (die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage) herabsetzte (Spruchpunkt I.) sowie den Beitrag zu den Verfahrenskosten der Behörde neu mit € 60,-- festsetzte (Spruchpunkt II.) und aussprach, dass der Mitbeteiligte keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt III.). Weiters erklärte es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (Spruchpunkt IV.).

4        Das Verwaltungsgericht begründete das angefochtene Erkenntnis damit, dass die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG erfüllt seien, weil zu dem Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit hinzukomme, dass sich der Mitbeteiligte von vornherein während des gesamten Verfahrens geständig verantwortet habe. Diesem reumütigen Geständnis sei als weiterem Milderungsgrund wesentliche Bedeutung beizumessen, zumal der Mitbeteiligte offenkundig das Unrecht seiner Tat eingesehen habe und gleichartigen weiteren Taten abgeschworen habe. Den Milderungsgründen käme ein beträchtliches Übergewicht zu, Erschwerungsgründe lägen nämlich nicht vor.

5        Dagegen richtet sich vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde, mit der die Aufhebung dieses Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird. Das Verwaltungsgericht hat die Akten vorgelegt. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Bei der Strafbemessung handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (VwGH 6.8.2021, Ra 2020/02/0030).

8        In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, dem Revisionswerber komme lediglich der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute. Das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG als gegeben erachtet.

9        Die Revision ist im Hinblick darauf zulässig und begründet.

10       Die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) setzt voraus, dass die vorliegenden Milderungsgründe - und zwar nicht der Zahl nach, sondern - dem Gewicht nach die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen (vgl. etwa VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009, mwN).

11       Ferner entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei einer Übertretung wie der vorliegenden nach § 5 Abs. 1 StVO dem alleinigen Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kein solches Gewicht beigemessen werden kann, dass deshalb - auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen - § 20 VStG anzuwenden wäre, weil keine Rede davon sein kann, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen würden (vgl. ebenfalls VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009, mwN).

12       Bei dem vom Verwaltungsgericht als wesentlich angenommenen Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 17 StGB (Ablegung eines reumütigen Geständnisses) übersieht das Verwaltungsgericht, dass der Mitbeteiligte auf frischer Tat betreten wurde. Ein Geständnis kann aber einen Milderungsgrund dann nicht abgeben, wenn dem Täter im Hinblick auf sein Betretenwerden auf frischer Tat nicht anders übrig geblieben ist, als die Übertretung zuzugeben (vgl. etwa VwGH 28.9.1988, 88/02/0109; VwGH 14.12.1988, 88/02/0027; VwGH 20.9.2000, 2000/03/0151). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass ein Geständnis im Rahmen der Feststellung des Alkoholgehaltes der Atemluft mit einem Alkomat keine maßgebliche Bedeutung hat (vgl. VwGH 27.2.1992, 92/02/0095). Damit kommt aber dem vom Mitbeteiligten abgegebenen Geständnis mangelnde Bedeutung zu. Der vom Verwaltungsgericht bei der Strafbemessung tragend herangezogene Milderungsgrund liegt daher nicht vor.

13       Aufgrund dessen kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht ausgegangen werden, sodass die Anwendung des § 20 VStG durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgte, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 1. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020125.L00

Im RIS seit

26.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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