TE Vwgh Beschluss 2022/9/2 Ra 2021/14/0373

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Veröffentlicht am 02.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A H, vertreten durch Mag. Jochen Serenyi, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Hauptplatz 11 Atrium Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Oktober 2021, W272 2175203-1/27E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 24. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und brachte zusammengefasst vor, dass bereits seine Eltern aufgrund der schlechten Lage aus Afghanistan in den Iran geflohen seien und er von der iranischen Regierung nach Syrien geschickt worden sei, um dort an Kriegshandlungen teilzunehmen.

2        Mit Bescheid vom 4. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt [SP.] I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (SP. III.), und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (SP. IV.).

3        Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 6. Februar 2021 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon 10 Monate unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. Oktober 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 4. Oktober 2017 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der SP. I. und IV. des Bescheides als unbegründet ab. Die Beschwerde gegen die SP. II. und III. des Bescheides wies das Bundesverwaltungsgericht insoweit ab, als dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde. Gleichzeitig wurde gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan unzulässig sei. Zudem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Soweit die Revision in der Begründung zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts weiche von den in „zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen“ aufgestellten Mindestanforderungen an die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung ab, lässt sie jede Konkretisierung vermissen, worin die Verletzung der Begründungspflicht bestünde bzw. inwiefern das Bundesverwaltungsgericht hier von welcher einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

9        Wenn der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht hätte erheben müssen, warum bereits seine Eltern aus Afghanistan geflüchtet seien, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0365, mwN). In der Revision wird nicht dargetan, weshalb das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hätten ausgehen müssen. Der Revision ist auch nicht zu entnehmen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht über relevantes Vorbringen des Revisionswerbers hinweggesetzt hätte.

10       Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht hätte die Manuduktionspflicht verletzt, weil es ihn hätte anleiten müssen, weiteres entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ist ihm zu entgegnen, dass - abgesehen davon, dass der Revisionswerber im gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten war und die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht durch das Verwaltungsgericht verlangt - die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang nicht dargelegt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 4.9.2017, Ra 2017/20/0097, mwN).

11       Soweit sich der Revisionswerber im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten darauf stützt, dass das Bundesverwaltungsgericht das Fluchtvorbringen nicht vor dem Hintergrund der Länderberichte ausreichend geprüft habe, ist darauf hinzuweisen, dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/14/0122, mwN).

12       Darüber hinaus ist der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 29.6.2022, Ra 2022/14/0154, mwN).

13       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck des Revisionswerbers verschaffte, mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und mit näherer Begründung dargelegt, weshalb es von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers ausging. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Volksgruppenzugehörigkeit des Revisionswerbers in seine beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogen. Eine Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen des dargelegten Maßstabes für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Revision mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen nicht auf.

14       Wenn sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet und dazu zusammengefasst geltend macht, dass die veränderte Lage in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, ist festzuhalten, dass die Revision dabei übersieht, dass das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzuerkennung dieses Status im vorliegenden Fall auf § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gestützt hat. Nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 hat ausnahmsweise ungeachtet dessen, dass die Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde, die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu unterbleiben, und zwar auch dann, wenn ein Grund für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0222, mwN). Die Zulässigkeitsbegründung tritt der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, wonach im Fall des Revisionswerbers ein Grund für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Die Zulässigkeitsbegründung zeigt somit nicht auf, dass die Entscheidung von der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt.

15       Mit der Bezugnahme auf Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes übersieht die Revision zudem, dass ein (behauptetes) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag (vgl. VwGH 18.3.2021, Ra 2020/20/0414, mwN).

16       Insoweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit schließlich pauschal fehlende Rechtsprechung zur Frage, wie mit geflüchteten Afghanen seit der Machtübernahme durch die Taliban umzugehen sei, vorbringt, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Frage wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. zum Ganzen VwGH 3.9.2021, Ra 2020/14/0468, mwN).

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140373.L00

Im RIS seit

26.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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