TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 96/08/0058

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
23/01 Konkursordnung;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §6;
AlVG 1977 §18 Abs8;
AlVG 1977 §39;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7;
KO §25;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 6. Februar 1996, Zl. 12/7022/7100 B, 920/5038 280952, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Anschluß an den Bezug von Karenzurlaubsgeld ab 7. Juli 1995 keine Folge gegeben.

Nach der Begründung dieses Bescheides (in Übereinstimmung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen) besteht zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde in folgender Frage Streit:

Die Beschwerdeführerin befand sich bis einschließlich 6. Juli 1995 im Karenzurlaub und im Bezug von Karenzurlaubsgeld. Sie hat am 7. Juli 1995 ihre Beschäftigung bei ihrem Arbeitgeber deshalb nicht wieder antreten können, weil sich dieser bereits seit 16. Dezember 1994 in Konkurs befunden und die Beschwerdeführerin bereits am 24. Februar 1995 ihren berechtigten vorzeitigen Austritt gemäß § 25 Konkursordnung erklärt hatte. Im Konkursverfahren habe die Beschwerdeführerin - ihrem Vorbringen zufolge - aufgrund des berechtigten vorzeitigen Austrittes Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 7. Juli 1995 bis 7. November 1995 geltend gemacht.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin nach Ausschöpfung ihres Anspruches auf Karenzurlaubsgeld eine Anwartschaft auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Sinne des § 14 Abs. 1 oder 2 AlVG nicht erfüllt hat.

Die Beschwerdeführerin vertrat jedoch die Auffassung, daß die Bestimmung des § 18 Abs. 8 AlVG auf ihren Anspruch anzuwenden sei, weil - der Sache nach - dem Antritt der Beschäftigung nach Ende des Karenzurlaubes die unverschuldete Unmöglichkeit dieses Antrittes gleichzuhalten sei; ebenso sei ihr berechtigter vorzeitiger Austritt einer Arbeitgeberkündigung gleichzuhalten. Demgegenüber vertrat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, es fehle im Falle der Beschwerdeführerin an der Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Wiederaufnahme der Beschäftigung nach Beendigung des Karenzurlaubes und der weiteren Voraussetzung, daß das Dienstverhältnis nach Ablauf des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes vom Arbeitgeber gekündigt worden sei. Werde der Betrieb während des Karenzurlaubes stillgelegt und könne daher die Beschäftigung nicht wieder aufgenommen werden, so gebühre auch kein "Ausbildungs-Arbeitslosengeld" gemäß § 18 Abs. 8 AlVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 8 AlVG in der Fassung des Art. XII Z. 2 des Arbeitsrechtlichen Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 833/1992, wird das Arbeitslosengeld für die Dauer einer Ausbildung maximal für 26 Wochen gewährt, wenn

"a)

ein Arbeitsloser nach einem Karenzurlaub aus Anlaß der Elternschaft und einem Bezug von Karenzurlaubsgeld die Beschäftigung bei seinem Arbeitgeber wieder aufgenommen hat,

b)

diese Beschäftigung nach Ablauf des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes vom Arbeitgeber gekündigt wurde und ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den vorstehenden Absätzen nicht gegeben ist,

c)

der Arbeitslose sich ohne Verzug, spätestens binnen einer Woche arbeitslos meldet und keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann und

d)

der Arbeitslose sich einer Ausbildung im Rahmen der Arbeitsmarktförderung unterzieht oder deshalb nicht unterzieht, weil vom Arbeitsmarktservice keine geeignete Ausbildung angeboten werden kann."

(Die Ersetzung der Worte "von der Arbeitsmarktverwaltung" durch die Wendung "vom Arbeitsmarktservice" in lit. d) erfolgte durch die Novelle BGBl. Nr. 314/1994.)

Die Gesetzesmaterialien (735 BlgNR 18. GP, S. 46) führen dazu aus:

"Derzeit werden durch den Bezug des Karenzurlaubsgeldes alle Anwartschaften auf Arbeitslosengeld verbraucht, dh Mütter oder Väter müssen nach einem Bezug von Karenzurlaubsgeld mindestens 20 Wochen beschäftigt sein, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben.

Für den Fall, daß sie nach Arbeitsantritt nach dem Karenzurlaub von ihrem Arbeitgeber gekündigt werden und die Anwartschaften auf das normale Arbeitslosengeld nicht erfüllen können, soll daher einerseits zur Absicherung der Existenz und andererseits zur Förderung ihrer Aus- und Weiterbildung ein Schulungsarbeitslosengeld für die Maximaldauer von 26 Wochen gewährt werden, um so die neuerliche Unterbringung auf dem Arbeitsmarkt zu fördern und sicherzustellen."

Die Beschwerdeführerin argumentiert in ihrer Beschwerde auf dem Boden des dargelegten Gesetzeswortlautes und der Gesetzesmaterialien nun in der Richtung, daß dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, er habe jene Fälle, bei denen zwar nicht der Arbeitgeber gekündigt habe, in denen aber dem Arbeitnehmer ein Austrittsrecht zustehe, das der Arbeitgeber zu verantworten habe, von der Anwendung des § 18 Abs. 8 AlVG ausschließen wollen. Es liege vielmehr - auch im Hinblick auf "die Gesetzesflut und die Gesetzestechnik der letzten Jahre", aber auch die sozialpolitische Zielsetzung des § 18 Abs. 8 AlVG - die Annahme einer Gesetzeslücke nahe, die unter Beachtung des Gleichheitsgebotes des Art. 7 B-VG und der "Systematik und Dogmatik des AlVG" zu schließen sei. Mit dem Erfordernis der arbeitgeberseitigen Kündigung solle lediglich die Arbeitswilligkeit des Arbeitnehmers zum Ausdruck gebracht werden, was ausgeschlossen sei, wenn der Auflösungsgrund dem Arbeitnehmer zugerechnet werden müsse.

Die weiteren Beschwerdeausführungen versuchen darzulegen, daß der Bezug von Kündigungsentschädigung für den Zeitraum, während dessen die Beschwerdeführerin - wäre nicht der Arbeitgeber in Insolvenz verfallen - die Arbeit hätte antreten müssen, einer Beschäftigung gleichgehalten werden müsse.

Diesem Vorbringen vermag der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht beizupflichten:

Was die von der Beschwerdeführerin zunächst angestrebte "verfassungskonforme Interpretation" des § 18 Abs. 8 AlVG anlangt, so übersieht sie, daß eine solche Interpretation - wie jede andere Auslegung auch - voraussetzen würde, daß sie im äußersten Wortsinne des Gesetzes noch eine Deckung fände (vgl. Bydlinski in: Rummel I2 Rz 17 in Verbindung mit Rz 21 a.E. zu § 6 ABGB).

Nun läßt der - oben wiedergegebene - Wortlaut des § 18 Abs. 8 AlVG eine Auslegung dahin, daß der Bezug von Kündigungsentschädigung der Wiederaufnahme der Beschäftigung gleichzuhalten sei und - aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles - der vorzeitige begründete Austritt gemäß § 25 KO der Arbeitgeberkündigung entspreche, offenkundig nicht zu.

Die danach zu untersuchende weitere Frage, ob aus der Regelung des § 18 Abs. 8 AlVG ein Gegenschluß dahin zu ziehen sei, daß alle anderen Fälle von Beschäftigungslosigkeit nach Abschluß des Karenzurlaubes dieser Begünstigung nicht teilhaftig werden sollten, oder ob diese Bestimmung allenfalls analog auf verwandte, darin aber nicht ausdrücklich geregelte Sachverhalte (etwa auf eine unbegründete Entlassung durch den Arbeitgeber oder einen begründeten Austritt durch den Dienstnehmer) angewendet werden müßte, ist jedenfalls in bezug auf den vorliegenden Fall (Austritt während des Karenzurlaubes wegen Insolvenz des Arbeitgebers) im erstgenannten Sinne zu beantworten: Dies vor allem deshalb, weil die sich daraus ergebende unterschiedliche Behandlung des in § 18 Abs. 8 AlVG ausdrücklich geregelten Falles mit dem Sachverhalt des Beschwerdefalles nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auf keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes des Art. 7 B-VG stößt und daher schon das Vorliegen einer Lücke als wesentliche Voraussetzung einer solchen Analogie verneint werden muß. Es kann nämlich nicht als unsachlich erachtet werden, wenn der Gesetzgeber die Begünstigung des § 18 Abs. 8 AlVG nur unter der Voraussetzung gewährt, daß ein Arbeitsloser nach einem Karenzurlaub die Beschäftigung bei seinem Arbeitgeber wieder aufgenommen hat, und diese Beschäftigung sodann durch Arbeitgeberkündigung zu einem Zeitpunkt endet, zu dem eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld noch nicht wiedererlangt werden konnte, während er anderen, nicht vom Arbeitgeber in der geschilderten Weise veranlaßten Fällen von Arbeitslosigkeit im Anschluß an Karenzurlaub nur im Falle der Bedürftigkeit durch Gewährung von Sondernotstandshilfe im Sinne des § 39 AlVG Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung zubilligt.

Aus den gleichen Gründen hegt der Verwaltungsgerichtshof aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 18 Abs. 8 AlVG.

Auch die Hinweise der Beschwerdeführerin auf die "Gesetzesflut und die Gesetzestechnik der letzten Jahre" (womit offenbar die rege, zur Erhaltung des Überblicks nicht förderliche Gesetzgebungstätigkeit des Gesetzgebers des Arbeitslosenversicherungsgesetzes angesprochen werden sollte) vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da diese Umstände allenfalls im Zusammenhang mit einem angenommenen oder vermuteten Redaktionsversehen von Bedeutung sein könnten, der Vollziehung aber keinen weiteren als den sonst gegebenen Interpretationsspielraum eröffnen.

Auch der Hinweis auf das Ziel der Regelung hilft dann nicht weiter, wenn dieses - vermutete - Ziel im Wortlaut des Gesetzes keine Deckung findet und - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes - auch keine Deckung finden müßte.

Schließlich ist auch aus dem Umstand, daß die Kündigungsentschädigung arbeitslosenversicherungspflichtiges Entgelt darstellt, für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da damit lediglich dargetan ist, daß sie einen Teil der Anwartschaft für einen künftigen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat. Dies bewirkt aber noch nicht, daß der Bezug einer Geldleistung der tatsächlichen Aufnahme einer Beschäftigung (wie er in § 18 Abs. 8 lit. a AlVG gefordert ist) gleichzuhalten wäre.

Letztlich verhilft auch das Argument der sozialpolitischen Unzweckmäßigkeit der vorliegenden Regelung der Beschwerde nicht zum Erfolg, weil der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht verhalten ist, die zweckmäßigste aller in Betracht kommenden Regelungen vorzusehen, solange er nur für die tatsächlich getroffene Regelung sachliche Gründe ins Treffen führen kann. Solche sachlichen Gründe erachtet der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls im Verhältnis zum Austritt eines Arbeitnehmers aus Anlaß der Insolvenz des Arbeitgebers während des Karenzurlaubes für hinreichend gegeben.

Da somit bereits aus der vorliegenden Beschwerde erkennbar ist, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080058.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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