TE Vwgh Beschluss 2021/6/11 Ra 2019/13/0112

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Veröffentlicht am 11.06.2021
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §272
BAO §274
BAO §85
BAO §86a
EStG 1988 §20
EStG 1988 §4 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des A.A. in Y, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. September 2019, Zl. RV/7101646/2018, betreffend Einkommensteuer 2014, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Rechtsanwalt. Er beteiligte sich im Jahr 2012 an der D GmbH, die zum Zweck des Ankaufes, der Sanierung und des Weiterverkaufs einer Liegenschaft in W gegründet worden war. Der Revisionswerber gewährte der D GmbH ein Gesellschafterdarlehen mit einer 15%igen Verzinsung, um - gemeinsam mit einem anderen Gesellschafterdarlehen und einem Bankkredit - der D GmbH den Ankauf der Liegenschaft zu finanzieren. Dieses Darlehen sollte mit Verkauf der Liegenschaft, spätestens aber mit 31. März 2014 getilgt werden. Der Revisionswerber nahm seinerseits einen Bankkredit zur Finanzierung des Gesellschafterdarlehens auf. Im März 2012 erwarb die D GmbH besagte Liegenschaft. Im April 2013 veräußerte die D GmbH die Liegenschaft. Eine Rückzahlung des Darlehens erfolgte nicht. Im März 2014 wurde über die D GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

2        Der Kaufpreis wurde nach Angaben des Revisionswerbers vom Geschäftsführer der D GmbH veruntreut. Der Revisionswerber zahlte im Jahr 2014 ca. € 169.000 für den von ihm aufgenommenen Kredit zurück.

3        Der Revisionswerber machte diese Zahlung als betriebliche Aufwendungen in seiner Steuererklärung für das Jahr 2014 geltend. Das Finanzamt anerkannte diese Aufwendungen nicht. In der dagegen erhobenen Beschwerde, in der er eine mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat beantragte, brachte der Revisionswerber vor, im Vordergrund sei bei der Investition der Umstand gestanden, dass er als Anwalt langfristig in Projekte eingebunden werde. Selbst unter der Annahme, dass es keinen Zusammenhang mit der Anwaltskanzlei gäbe, wäre die Tätigkeit eine eigenständige Geschäftstätigkeit gewesen, weil weitere Objekte erworben und vermittelt worden wären.

4        Nach in diesem Punkt abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte der Revisionswerber einen Vorlageantrag. In einer E-Mail vom 31. Juli 2019 verzichtete der Revisionswerber zudem auf die Senatsverhandlung, ihm reiche ein Einzelrichter.

5        Das Bundesfinanzgericht führte in Senatsbesetzung eine mündliche Verhandlung durch und gab der Beschwerde teilweise - in einem hier nicht relevanten Punkt - Folge. Begründend führte es aus, es gehöre nicht zu den Obliegenheiten eines Rechtsanwaltes, sich an Liegenschaftsmodellen zu beteiligen, um diesen Gesellschaften Eigenkapital zu verschaffen. Die Beteiligung an der D GmbH gehöre nicht zum notwendigen Betriebsvermögen eines Rechtsanwaltes. Im Zusammenhang mit der Beteiligung seien auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt worden. Nur wenn Geldbeträge in Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt vorgestreckt würden, seien diese Beträge betriebliche Forderungen. Forderungen, die darauf zurückzuführen seien, dass ein Rechtsanwalt seinem Klienten Geldmittel für Aufwendungen vorstrecke, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit des Rechtsanwaltes erwachsen seien, seien als Kapitalforderungen im Sinne des § 27 EStG 1988 anzusehen. Daher gingen die Ausführungen des Revisionswerbers betreffend Berücksichtigung eines erlittenen finanziellen Schadens in Leere. Erhoffte Folgeaufträge als Berater machten ein Gesellschafter-Darlehen noch nicht zu Betriebsausgaben eines Rechtsanwaltes. Dass ein Rechtsanwalt auch berechtigt sei, im Immobilienbereich tätig zu sein, werde nicht bestritten, nur führten die diesbezüglichen Ausführungen ins Leere, weil der Revisionswerber für seine Behauptung, bei mehreren Liegenschaftsprojekten tätig gewesen zu sein, im gesamten Verfahren keine tauglichen Beweismittel beigebracht habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber weder positive noch negative Einkünfte im Zusammenhang mit solchen Liegenschaftsprojekten erklärt habe, weshalb davon ausgegangen werde, dass es sie nicht gegeben habe. Ein gewerblicher Grundstückshandel liege daher nicht vor. Es handle sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen, weil der Revisionswerber keine Liegenschaft, sondern einen GmbH-Anteil erworben habe, wobei er dieser Gesellschaft ein Darlehen gewährt habe. Der Verlust aus dem Darlehen sei daher steuerlich nicht anzuerkennen. Zur Eingabe mittels E-Mail führte das Bundesfinanzgericht aus, einer E-Mail komme nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu; es sei auch kein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten. Die E-Mail sei daher nicht rechtswirksam eingebracht worden, weshalb ein Tätigwerden des Bundesfinanzgerichts nicht erforderlich gewesen sei.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Übernahme von Haftungen von Anwälten, die diese eingegangen seien, um eine Funktion als Berater zu erlangen, abgegangen. Der Revisionswerber sei mit spezifischem unternehmerischen Interesse tätig geworden, weil er in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu Handelszwecken einen Anteil an einem Haus mitangeschafft habe. Die Hingabe eines Darlehens wäre nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtlich und könne auch beim Einzelunternehmer geltend gemacht werden. Der kurzfristige Erwerb von Liegenschaften sei gewerblich, schon bei wenigen Wohnungen. Diebstahl werde gleichbehandelt wie Veruntreuung und gelte als Betriebsausgabe. Das Bundesfinanzgericht verkenne den Umfang der Berufsberechtigung des Revisionswerbers. Das Bundesfinanzgericht habe ferner Willkür geübt. Die Entscheidung sei teilweise aktenwidrig. Das Bundesfinanzgericht habe auch die E-Mail nicht behandelt, die eine „Befangenheitsüberprüfung“ und einen wirksamen Verzicht auf Senatsentscheidung enthalten habe. Die Entscheidung sei daher in nicht gesetzmäßiger Besetzung ergangen.

7        Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Nach der gesetzlichen Definition in § 4 Abs. 4 EStG 1988 ist nicht ausschlaggebend, ob durch aus anderen (privaten) Gründen veranlasste Aufwendungen und Ausgaben eine Einkunftsart gefördert wird, sondern kommt es darauf an, dass die Aufwendungen und Ausgaben durch die konkrete Einkunftstätigkeit veranlasst werden (vgl. VwGH 28.11.2007, 2004/15/0128, VwSlg. 8285/F).

12       Mit der Frage, was zum Berufsbild eines freiberuflich Tätigen, so auch eines Rechtsanwalts, gehört, hat sich der Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus Anlass von verlorenen Darlehen an Klienten sowie Bürgschaftsübernahmen zu Gunsten von Klienten eingehend beschäftigt (vgl. etwa VwGH 28.1.1998, 95/13/0260; 28.4.2011, 2008/15/0149, VwSlg. 8638/F, jeweils mwN). Nach dieser ständigen Rechtsprechung kommt es für den Betriebsausgabencharakter von damit im Zusammenhang stehenden Zahlungen entscheidend darauf an, ob ein bestimmtes Verhalten in Ausübung des Berufes als freiberuflich Tätiger gesetzt wird oder ob die Berufsausübung dazu nur Gelegenheit schafft. Der Betriebsausgabencharakter eines Darlehens ist bei eindeutiger und unmittelbarer Verknüpfung zwischen künftiger Einnahmenerzielung und Darlehenshingabe nicht ausgeschlossen (vgl. VwGH 21.3.1996, 95/15/0092, VwSlg. 7078/F, zu einer dokumentierten Abhängigkeit der Aufträge des Klienten von der Übernahme der Bürgschaft durch den Rechtsanwalt).

13       Ein mittelbarer Zusammenhang zwischen einer Bürgschaftsübernahme und der (erhofften) weiteren Beauftragung als Rechtsanwalt reicht demnach nicht aus, um eine betriebliche Veranlassung zu begründen; ebenso wenig der Umstand, dass es in der Folge tatsächlich zu den (erwarteten) Betriebseinnahmen aus der Klientenbeziehung gekommen ist. Für den Betriebsausgabencharakter einer Bürgschaftsübernahme kommt es entscheidend auf die eindeutige und unmittelbare Verknüpfung zwischen künftiger Einnahmenerzielung als Rechtsanwalt und Übernahme der Garantenstellung an (VwGH 27.11.2001, 98/14/0052). Dies gilt auch für die Gewährung eines Darlehens. Nur in solchen Fällen sind die vorgestreckten Beträge betriebliche Forderungen. Aufwendungen zur Einbringung solcher Forderungen und das Uneinbringlichwerden solcher Forderungen stellen diesfalls einen betrieblich veranlassten Aufwand dar.

14       Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber weder geltend macht, dass die D GmbH seine Klientin gewesen wäre noch, dass er ihr in Ausübung seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt das Darlehen gewährt habe. Er führt an, dass die Darlehenshingabe deshalb erfolgte, um der D GmbH den Ankauf der Liegenschaft zu ermöglichen.

15       Wenn der Revisionswerber nun in der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, er habe für zahlreiche Immobilien-Großprojekte als Rechtsberater und Abwickler, Vermittler und auch als Mitglied der Geschäftsführung tätig werden sollen, wird damit nicht dargelegt, dass eine eindeutige und unmittelbare Verknüpfung zwischen der Darlehenshingabe und einer konkreten Beauftragung als Rechtsanwalt bestanden habe, also dass - im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - der Revisionswerber Klienten nur durch diese Darlehenshingabe gewinnen oder halten hätte können (vgl. nochmals VwGH 21.3.1996, 95/15/0092). Der Revisionswerber macht nur einen mittelbaren Zusammenhang im Sinne von erhofften zusätzlichen Beauftragungen geltend.

16       Eine unmittelbare Verknüpfung von Darlehenshingabe und konkreten Aufträgen ergibt sich auch nicht aus den im Verwaltungsakt einliegenden Verträgen. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde das Darlehen als Gesellschafterdarlehen gewährt, um den Kauf der Liegenschaft durch die D GmbH zu ermöglichen, und der Revisionswerber im Gegenzug aufgrund eines Syndikatsvertrages zu 33,33% am Verkaufserlös des Grundstückes beteiligt. Dem tritt der Revisionswerber nicht entgegen.

17       Insoweit die Revision vorbringt, das Bundesfinanzgericht verkenne den Umfang der Berufsberechtigung eines Rechtsanwaltes, der auch als Hausverwalter und Immobilienvermittler tätig sein könne, ist darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass der Revisionswerber als Rechtsanwalt allfällige Honorare aus rechtsanwaltlicher Tätigkeit bei der D GmbH erzielt hätte, die Darlehenshingabe noch nicht „als in Ausübung des Berufs des Rechtsanwaltes hingegeben“ qualifizieren würde, wenn die bereits dargelegten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

18       Dass die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, bei der Darlehenshingabe sei kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rechtsanwalt zu erkennen und die Beteiligung an der D GmbH stelle kein Betriebsvermögen dar, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, vermag die Revision nicht darzulegen.

19       Soweit die Revision auf ein Judikat des Verwaltungsgerichtshofes verweist, wonach die Gewährung eines Darlehens durch einen Einzelunternehmer an seine GmbH steuerlich zu beachten wäre, genügt der Hinweis, dass es bei dem genannten Erkenntnis vom 26. Februar 2015, 2012/15/0005, um einen anderen Sachverhalt ging, nämlich um die Beteiligung an einem branchengleichen Unternehmen durch einen § 4 Abs. 1 EStG 1988 Ermittler, bei dem es direkte wirtschaftliche Verflechtungen in Zusammenhang mit dem Vertrieb der Produkte zwischen dem Einzelunternehmen (Großhandel) und der GmbH (Einzelhandel) gegeben hatte. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

20       Wenn der Revisionswerber vorbringt, der kurzfristige Erwerb von Liegenschaften sei gewerblich und er hätte zu Handelszwecken in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Anteil eines Hauses mitangeschafft, übersieht der Revisionswerber, dass er einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft und nicht an einem Grundstück erworben hat. Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt dann vor, wenn eine Veräußerung von Grundstücken auf planmäßige Art und Weise erfolgt (vgl. VwGH 24.6.2010, 2007/15/0033). Ein gewerblicher Grundstückshandel hätte daher nur von der D GmbH als Veräußerin der Liegenschaft verwirklicht werden können und nicht vom Revisionswerber. Das Bundesfinanzgericht hat zudem - wenn auch disloziert - festgestellt, dass weder vor dem Streitjahr, noch im Streitjahr oder danach eine Marktteilnahme im Bereich Grundstückshandel stattgefunden habe und der Revisionswerber diesbezüglich keine (positiven oder negativen) Einkünfte erklärt habe. Dem tritt die Revision nicht entgegen.

21       Soweit die Revision eine Aktenwidrigkeit moniert, weil Feststellungen falsch wiedergegeben worden seien, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt jedoch voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2020/17/0046; 13.10.2020, Ra 2020/15/0032, jeweils mwN). Das Bundesfinanzgericht hat die gerügten Feststellungen zwar im angefochtenen Erkenntnis getroffen, darauf aber in der rechtlichen Beurteilung keinen Bezug genommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Feststellungen in irgendeiner Weise in die Überlegungen des Bundesfinanzgerichts zur Beurteilung der strittigen Aufwendungen Eingang gefunden hätten. Der behauptete Verfahrensmangel erweist sich somit als nicht relevant.

22       Wenn die Revision rügt, das Bundesfinanzgericht halte dem Revisionswerber in der Entscheidungsausfertigung „völlig überraschend“ vor, er hätte „Urkundenbeweise“ zu seiner Tätigkeit als Anwalt für die Immobilienprojekte vorlegen sollen, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht keine Urkundenbeweise für die Tätigkeit als Anwalt für Immobilienprojekte verlangt hat, sondern festgestellt hat, dass der Revisionswerber im gesamten Verfahren keine Belege für eine entsprechende Marktteilnahme hinsichtlich des behaupteten gewerblichen Grundstückshandels vorgelegt habe. Aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass diese Thematik dort besprochen wurde und der Revisionswerber selbst eingeräumt hat, dass sich andere Immobilienprojekte nicht realisiert hätten. Ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot - d.h. der Einbeziehung von Sachverhaltselementen in die rechtliche Würdigung, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2016/15/0004), - liegt nicht vor.

23       Soweit die Revision vorbringt, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts sei in nicht gesetzmäßiger Besetzung ergangen, weil der Revisionswerber per E-Mail auf eine Senatsentscheidung verzichtet habe und dies nicht behandelt worden sei, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zukommt, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das „Anbringen“ als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2015/15/0007). Dies gilt auch für „Eingaben“, die an das Bundesfinanzgericht übermittelt werden. Das Bundesfinanzgericht war daher nicht verpflichtet, den in der E-Mail ausgesprochenen Verzicht auf die Senatsverhandlung zu berücksichtigen. Eine nicht gesetzmäßige Besetzung lag daher nicht vor.

24       Was das Revisionsvorbringen betrifft, das Bundesfinanzgericht habe sich nicht mit dem Einwand beschäftigt, die Beträge seien als Sonderausgabe gemäß § 18 Abs. 7 EStG 1988 in der damals geltenden Fassung zu berücksichtigen, übersieht der Revisionswerber, dass es dabei um den Verlustvortrag geht, der schon nach dem Gesetzestext voraussetzt, dass es sich um Verluste aus vorangegangenen Jahren handeln muss, und sich daher nicht auf Verluste des betreffenden Wirtschaftsjahres beziehen kann. Abgesehen davon hat sich das Bundesfinanzgericht mit diesem Vorbringen beschäftigt und zutreffend ausgeführt, dass es sich bei dem Verlust aus der Darlehensgewährung um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt und damit ein Verlustvortrag nicht zusteht.

25       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

26       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

27       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Juni 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130112.L00

Im RIS seit

20.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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