TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/25 96/06/0011

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Veröffentlicht am 25.04.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
95/06 Ziviltechniker;

Norm

B-VG Art139 Abs3 litc;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art89 Abs1;
IngKG §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, in der Beschwerdesache der Dipl.-Ing. H in H, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Kammervorstandes der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland (nunmehr: Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland) vom 17. September 1993, Zl. 104/93 Sö, betreffend Festsetzung eines Zuschlages zur Kammerumlage 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde am 19. Juli 1968 die Befugnis einer Architektin mit dem Sitz in Niederösterreich verliehen. Diese Befugnis der Beschwerdeführerin - deren Kanzleisitz in H, ist - war zum Stichtag 1. Jänner 1993 aufrecht.

Mit Bescheid vom 17. September 1993, beruhend auf dem Beschluß des Kammervorstandes vom 16. September 1993, wurde ausgesprochen, daß der Zuschlag zur Kammerumlage 1993 (Umlagenteil für die Berufshaftpflichtversicherung) gemäß §§ 6 Abs. 3, 11 Abs. 4 Z. 4, 45 Abs. 1 Ingenieurkammergesetz entsprechend dem Umlagenbeschluß der Kammervollversammlung vom 5. Juli 1993 für die Beschwerdeführerin im Ausmaß von S 2.358,-- festgesetzt werde.

In der Bescheidbegründung wird unter Berufung auf die §§ 45 Abs. 1 und 6 Abs. 3 Ingenieurkammergesetz im Zusammenhalt mit der am 23. November 1992 für das Kalenderjahr 1993 beschlossenen Kammerumlagenordnung dargelegt, daß für Architekten der Grundbetrag des Anteiles für die Berufshaftpflichtversicherung S 6.225,-- betrage. Im Fall der Beschwerdeführerin sei der Hebesatz nicht zur Anwendung gekommen, weil diese im Jahr 1991 Beiträge an die Sozialversicherung nicht abgeführt habe. Die Kammervollversammlung habe am 5. Juli 1993 den Beschluß gefaßt, den Anteil für die Berufshaftpflichtversicherung um 37,88 % zu erhöhen. Demnach ergebe sich im Fall der Beschwerdeführerin ein Zuschlag im Ausmaß von S 2.358,--.

Gegen den eingangs angeführten Bescheid des Kammervorstandes der (damaligen) Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 14. Juni 1994, B 1822/93-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.

In ihrer über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, sie erachte sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf fehlerfreie Anwendung der Bestimmung "des § 11 in Verbindung mit § 45 Ingenieurkammergesetz" verletzt. Die belangte Behörde habe die vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungsbeiträge zu Unrecht den im § 45 Ingenieurkammergesetz normierten "Umlagen und sonstigen Beiträgen" unterstellt. Als derartige "sonstige Beiträge" könnten nur die für die Kammer selbst erforderlichen Beiträge angesehen werden, keinesfalls aber Beiträge, die dazu verwendet würden, um für alle Mitglieder eine Gesamthaftpflichtversicherung abzuschließen und die daraus resultierenden Versicherungsprämien zu begleichen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. Nr. 71/1969 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 735/1990, lauten wie folgt:

"§ 2. Wirkungsbereich

(1) Die Länderkammern sind berufen, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern, für die Wahrung des Standesansehens zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker zu überwachen.

...

§ 6. Rechtsstellung der Mitglieder

...

(3) Die Mitglieder sind verpflichtet, die ihnen durch das Ziviltechnikergesetz auferlegten Berufspflichten sowie die Standesregeln (§ 30) einzuhalten. Sie sind weiters verpflichtet, die Beschlüsse der Kammerorgane zu befolgen, die vorgeschriebenen Umlagen und sonstigen Beiträge zu entrichten und die Länderkammer sowie die Bundeskammer in ihren Aufgaben zu unterstützen. Die Mitglieder sind ferner verpflichtet, Hilfskräfte, deren praktische Betätigung für eine Anrechnung nach § 10 Ziviltechnikergesetz in Betracht kommt, bei der Länderkammer anzumelden.

...

§ 11. Kammervollversammlung

...

(4) Die Kammervollversammlung ist berufen zur:

...

4. Festsetzung der von den Kammermitgliedern zu leistenden Umlagen und sonstigen Beiträge (§ 45);

...

§ 45. Bedeckung der Kosten

(1) Zur Bestreitung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen, durch besondere Einnahmen nicht bedeckten eigenen Kosten und der Kostenanteile gemäß Abs. 2, erster Satz, haben die Länderkammern von ihren Mitgliedern Umlagen und sonstige Beiträge einzuheben. Als sonstige Beiträge kommen Einverleibungsgebühren anläßlich der Befugnisverleihung und Übertrittsgebühren anläßlich eines Wechsels der Kammermitgliedschaft oder Sektionszugehörigkeit in Betracht. Umlagen und sonstige Beiträge sind unter Bedachtnahme auf den Jahresvoranschlag und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesamtheit der Kammermitglieder in angemessener Höhe festzusetzen."

Der Beschluß der Kammervollversammlung vom 23. November 1992, kundgemacht durch Versendung mit dem an alle Mitglieder gerichteten Schreiben vom 25. November 1992 (u.a. mit dem Inhalt, daß die Vollversammlung am 23. November 1992 beschlossen habe, die Kammerumlage 1993 mit den aus den Zahlscheinen hervorgehenden Beträgen festzusetzen, deren Ermittlung dem beiliegenden Umlagenbeschluß zu entnehmen sei), hat - soweit es für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung ist - folgenden Wortlaut:

"KAMMERUMLAGE 1993

Die Kammervollversammlung hat am 23.11.1992

folgende Beschlüsse gefaßt:

Die von den Mitgliedern zu leistenden Umlagen und sonstigen Beiträge werden für das Kalenderjahr 1993 gemäß § 45 Abs. 1 und 2 des Ingenieurkammergesetzes wie folgt festgesetzt:

I. Kammerumlage

1. Kammerumlage für Mitglieder mit

   aufrechter Befugnis

   1.1 Grundbetrag                              S  6.500,--

   1.2 Hebesatz

       1 % der im Jahr 1991 dem Dienstgeber

       von den Trägern der Sozialversicherung

       vorgeschriebenen Gesamtbeiträge (Soll-

       stellungen) soferne diese S 25.000,--

       übersteigen bis zu S 2,5 Mio. höch-

       stens                                    S 25.000,--

2. Kammerumlage für Mitglieder mit aufrechter

   Befugnis

   Umlagenanteil für Berufshaftpflichtver-

   sicherung

   2.1 für Ziviltechniker des Fachgebietes

       BAUWESEN                                 S  9.960,--

       zuzüglich 2,78 % der im Jahr 1991 dem

       Dienstgeber von den Trägern der Sozial-

       versicherung vorgeschriebenen Gesamt-

       beiträge (Sollstellungen) soferne

       diese S 35.000,-- übersteigen

   2.2 für Ziviltechniker der Fachgebiete LAND-,

       FORST- UND HOLZWIRTSCHAFT, LEBENSMITTEL-

       UND GÄRUNGSTECHNOLOGIE, RAUMORDNUNG UND

       RAUMPLANUNG                              S  3.370,--

       zuzüglich 0,87 % der im Jahr 1991 dem

       Dienstgeber von den Trägern der Sozial-

       versicherung vorgeschriebenen Gesamtbei-

       träge (Sollstellungen) soferne diese

       S 35.000,-- übersteigen

   2.3 für Ziviltechniker des Fachgebietes

       VERMESSUNGSWESEN                         S  4.670,--

       zuzüglich 1,30 % der im Jahr 1991 dem

       Dienstgeber von den Trägern der Sozial-

       versicherung vorgeschriebenen Gesamtbei-

       träge (Sollstellungen) soferne diese

       S 35.000,-- übersteigen

   2.4 für Ziviltechniker ALLER ÜBRIGEN FACH-

       GEBIETE                                  S  6.225,--

       zuzüglich 1,73 % der im Jahre 1991 dem

       Dienstgeber von den Trägern der Sozial-

       versicherung vorgeschriebenen Gesamt-

       beiträge (Sollstellungen) soferne diese

       S 35.000,-- übersteigen

3. Kammerumlage für Mitglieder mit ruhender

   Befugnis

   3.1 soferne nicht 3.2 zur Anwendung kommt    S  3.270,--

   3.2 bei Zuwendungsempfängern der Wohlfahrts-

       einrichtungen                            keine Umlage

...

VIII. Inkrafttreten

1.

Die Punkte I. bis VI. treten am 1.1.1993 in und am 31.12.1993 außer Kraft.

2.

Punkt VII. tritt am 24.11.1992 in und am 31.12.1992 außer Kraft. Er ist auf alle Kammermitglieder anzuwenden, denen die Befugnis nach diesem Zeitpunkt verliehen wurde."

Aus den Akten ergibt sich, daß die angeführte Länderkammer für alle staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker mit aufrechter Befugnis, die Mitglieder der Kammer sind, bzw. für jene Ziviltechniker, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages die Befugnis erhalten (ab dem auf die Vereidigung folgenden Kalendertag), weiters die, die eine ruhende Befugnis wiederaufnehmen bzw. durch eine Sitzverlegung Mitglied dieser Länderkammer werden - immer nur solange die Befugnis aufrecht ist und nicht ruht -, einen Versicherungsvertrag betreffend die gesetzliche Haftpflicht abgeschlossen hat (zunächst mit der Geltungsdauer

1. Jänner 1981 bis 1. Jänner 1991; in der Folge Vertragsabänderung mit der Geltungsdauer 1. Jänner 1988 bis 1. Jänner 1998). Der Vertrag betrifft die sich u.a. für die Ziviltechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung u.U. ergebende Schadenersatzverpflichtung gemäß ABGB oder sonstiger privatrechtlicher Normen. Art. 1 1.1.1. der Versicherungsbedingungen sieht in diesem Sinne vor, daß der Versicherer die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen aus Personenschäden und sonstigen Schäden trägt, die den Versicherten aus ihrer beruflichen Tätigkeit als Ziviltechniker auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen. Im Versicherungsvertrag sind die Prämie pro Versicherten zuzüglich der Versicherungssteuer pro aufrechter Befugnis und Jahr und die Gesamttarifprämie (für alle versicherten Ziviltechniker) und die gesamten Gebühren und Steuern bestimmt. Die Vertragsgestaltung wurde vom Obersten Gerichtshof (siehe das Urteil vom 11. Dezember 1986, Ob 48/86) dahin beurteilt, daß Versicherungsnehmer allein die Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland und Versicherer die Versicherungsgesellschaft ist. Es handle sich um einen Vertrag zugunsten der Mitglieder der Ingenieurkammer und nicht um einen Vertrag, der im Namen der Mitglieder der Kammer geschlossen wurde.

Mit Beschluß der Kammervollversammlung der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Juli 1993 wurde dem Antrag des Präsidenten

"Die Kammervollversammlung möge dem vom Versicherungsausschuß ausgehandelten Angebot der I.... Versicherung, das an die Kammermitglieder mit dem Bericht des Versicherungsausschusses vom 4.6.1993 ausgesandt wurde"

mit 66 Prostimmen (9 Enthaltungen) zugestimmt. In dem in dieser Sitzung vorliegenden Bericht des Versicherungsausschusses wird u. a. festgestellt, daß bei Annahme des neuen Anbotes des Versicherers jeder Ziviltechniker 37,88 % der ihm für 1993 vorgeschriebenen Prämie zusätzlich entsprechend den Richtwerten in Anlage 1 zahlen müßte. Die belangte Länderkammer hat im Vorverfahren den Beschluß dieser Kammervollversammlung vorgelegt und wie folgt dazu ausgeführt:

"Anbei übersenden wir ... den Beschluß der außerordentlichen Kammervollversammlung vom 5.7.1993 betreffend Änderungen des Vertrages über die Gemeinschaftsversicherung.

Dieser Beschluß verweist auf detaillierte Ausführungen im Bericht des Versicherungsausschusses vom 4.6.1993, welcher an sämtliche Kammermitglieder vor der a.o. Kammervollversammlung versandt wurde. Die damit verbundene Änderung der Kammerumlage 1993 ist auf Seite 2 dieses Berichtes in Fettdruck ersichtlich.

In der Vorschreibung der Zusatzumlage 1993 vom 6.7.1993 wurde der Beschluß der a.o. Kammervollversammlung kundgemacht. ..."

Auf Seite 2 des erwähnten Berichtes des Versicherungsausschusses ist diesbezüglich in Fettdruck folgendes zu lesen:

"Für das Jahr 1993 müßte jeder Ziviltechniker 37,88 % seiner ihm für 1993 bereits vorgeschriebenen Prämie zusätzlich zahlen (Richtwerte in Anlage 1)."

Aus dem übermittelten Protokoll der Kammervollversammlung vom 5. Juli 1993 ergibt sich nicht, daß ein Beschluß der Kammervollversammlung über einen Antrag betreffend eine Erhöhung der Umlage für das Jahr 1993 und somit eine Änderung des Punktes I. 2 des Umlagenbeschlußes (betreffend den Umlagenanteil für Berufshaftpflichtversicherung) vom 23. November 1992 (im Hinblick auf die auf Grund der Verlängerung des Versicherungsvertrages sich ergebende Erhöhung der Prämienzahlungen pro Jahr) in dieser Sitzung der außerordentlichen Kammervollversammlung gefaßt wurde. Mit Schreiben der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Juli 1993 wurde den Mitgliedern mitgeteilt, daß in der außerordentlichen Vollversammlung vom 5. Juli 1993 die Verlängerung des Versicherungsvertrages beschlossen wurde; weiters lautet es in diesem Schreiben:

"Die dadurch notwendige Prämienerhöhung von 37,88 % für 1993 wird Ihnen mit dem aus dem beiliegenden Zahlschein hervorgehenden Betrag vorgeschrieben.

Wir ersuchen um Überweisung bis längstens 30.9.1993.

Mit dem Ausdruck kollegialer Hochachtung

Der Präsident

Dipl.Ing. M E" (mit dessen Unterschrift)

Der angefochtene Bescheid stützt die Erhebung des Zuschlages zur Kammerumlage 1993 (Umlagenanteil für die Berufshaftpflichtversicherung) im Ausmaß von S 2.358,-- für das Jahr 1993 auf die Umlagenbeschlüsse der Kammervollversammlung vom 23. November 1992 und vom 5. Juli 1993. Aus den bereits wiedergegebenen Vorgängen bei der außerordentlichen Kammervollversammlung vom 5. Juli 1993 ergibt sich, daß ein Beschluß über einen Antrag betreffend die Erhöhung der Umlage in dieser Vollversammlung nicht gefaßt wurde. Die im Bericht des Versicherungsausschusses angeführte sich aus der Annahme des Anbotes des neuen Haftpflichtversicherungsvertrages ergebende PRÄMIENERHÖHUNG kann nicht dahin umgedeutet werden, daß dieser Ausdruck mit dem Ausdruck "Umlagenerhöhung" gleichzusetzen sei. Die PRÄMIENERHÖHUNG hat ihre Grundlage im Versicherungsvertrag und trifft diese Prämienerhöhung im Sinne des Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 11. Dezember 1986, 7 Ob 48/86, allein den Vertragspartner des Versicherers (hier die belangte Länderkammer). Demgegenüber handelt es sich bei der Umlage um ein der Kammer gesetzlich zur Verfügung gestelltes hoheitliches Instrumentarium, mit dem die Mitglieder der Kammer zur Tragung der Kosten der Kammer gemäß 45 Abs. 1 Ingenieurkammergesetz herangezogen werden können. Wenn somit Teile der mit Verordnung festgesetzten Umlage erhöht werden sollen, bedarf es hiefür eines entsprechenden Beschlusses des zuständigen Kammerorganes. Daß die der Kammer auf Grund des Versicherungsvertrages vorgeschriebene Prämie de facto in Form eines Umlagenanteiles auf die Mitglieder der Kammer überwälzt wird, ändert nichts daran, daß es sich bei der Prämienerhöhung des vorliegenden Haftpflichtversicherungsvertrages und einer Umlagenerhöhung, die eine Verordnungsänderung darstellt, (auch wenn sie in der vorgenannten Prämienerhöhung ihren Grund hatte) um völlig Unterschiedliches handelt.

Aber selbst wenn man den Beschluß über die Verlängerung eines inhaltlich geänderten Versicherungsvertrages der Kammervollversammlung an diesem Tag implizit als Beschluß über eine Erhöhung der Umlage für das Jahr 1993 deutete, wurde diese Änderung des Umlagebenschlusses vom 23. November 1992, der eine Verordnung darstellt, nicht bzw. nicht gehörig kundgemacht. Das angeführte Schreiben der Kammer vom 6. Juli 1993, mit dem die auf Grund der Verlängerung des Versicherungsvertages notwendige Prämienerhöhung von 37,88 % für 1993 in der Höhe des aus dem beiliegenden Zahlschein hervorgehenden Betrages vorgeschrieben wurde, stellt - entgegen der Auffassung der Kammer - keine gehörige Kundmachung der Änderung des Umlagenbeschlusses vom 23. November 1992 in bezug auf Punkt I.2. (u.a. Punkt I.2.2.4) dar. Bei der Kundmachung einer Verordnung oder einer Änderung einer Verordnung mittels Versendung an die davon Betroffenen muß jedenfalls eindeutig hervorgehen, welchen Inhalt die Verordnung bzw. die Änderung der Verordnung hat. Im vorliegenden Fall wäre somit den Mitgliedern mitzuteilen gewesen, daß sich die Umlage für das Jahr 1993 betreffend den Anteil für die Berufshaftpflichtversicherung um 37.88 % erhöht. Es ist in dem angeführten Schreiben der Kammer vom 6. Juli 1993 jedoch nicht von der Erhöhung der Umlage die Rede.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 28. März 1977, Slg. Nr. 9283/A, ausgehend von Art. 89 Abs. 1 B-VG, in der Fassung der B-VG-Novelle BGBl. Nr. 302/1975, e contrario abgeleitet, daß Gerichte in bezug auf Gesetze, Staatsverträge und Verordnungen überprüfen können, ob sie gehörig kundgemacht wurden, und diese, wenn dies nicht der Fall sei, nicht anzuwenden haben. Dies muß umso mehr in den Fällen gelten, daß eine der genannten generellen Normen gar nicht vom zuständigen Organ beschlossen oder gar nicht kundgemacht wurde. Unabhängig davon, ob man annimmt, daß überhaupt kein Beschluß der Kammervollversammlung über die Erhöhung der Umlage für 1993 oder keine Kundmachung bzw. keine gehörige Kundmachung dieser Änderung des Umlagenbeschlußes vorliegt, kommt man zu dem Ergebnis, daß keine Rechtsgrundlage für den im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Zuschlag zur Kammerumlage 1993 besteht, da eine entsprechende Änderung der Höhe der Umlage für das Jahr 1993 nicht erfolgt ist. Auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungsbeiträge zu Recht unter die Begriffe "Umlagen und sonstige Beiträge" gemäß § 45 Ingenieurkammergesetz subsumiert wurden, war daher nicht mehr einzugehen.

Ist aber die für den angefochtenen Bescheid maßgebliche Erhöhung der Umlage nicht wirksam erfolgt, so erübrigte es sich, auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit bzw. der Gesetzmäßigkeit der Vorschreibung von Prämien eines Haftpflichtversicherungsvertrages als Umlagenanteil gemäß § 45 Abs. 1 Ingenieurkammergesetz durch die Kammer einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß neben den in der angeführten Verordnung festgesetzten Pauschalbeträgen für Schriftsatzaufwand kein eigenständiger Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer besteht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060011.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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