TE Vwgh Beschluss 2022/8/30 Ra 2022/06/0191

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Veröffentlicht am 30.08.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs5
AVG §32 Abs2
AVG §33 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/06/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des E W und 2. der Mag. D W, beide in G, beide vertreten durch die Hauer Majer Rechtsanwälte OG in 8200 Gleisdorf, Bürgergasse 37, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 15. Juni 2022, 1. LVwG 40.34-6092/2022-2 und 2. LVwG 50.34-5958/2022-4, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) den Antrag der revisionswerbenden Parteien auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend deren Beschwerde gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (Behörde) vom 14. April 2022 in einer Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Straßengesetz ab (Spruchpunkt I.), die Beschwerde als verspätet zurück (Spruchpunkt II.) und erklärte eine ordentliche Revision gegen beide Spruchpunkte für unzulässig.

Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, der Bescheid sei nachweislich am 20. April 2022 zugestellt worden. Die am 18. Mai 2022 um 17:36 Uhr mittels Web-Formular im elektronischen Rechtsverkehr eingelangte Beschwerde sei verspätet, weil die Amtsstunden um 15 Uhr geendet hätten. In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides sei auf die im Internet veröffentlichten organisatorischen Beschränkungen hingewiesen worden; diese legten fest, dass elektronische Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden übermittelt würden, erst mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden als eingelangt gelten.

Eine Verkürzung der gemäß § 32 AVG zu berechnenden Fristen erfolge durch die organisatorischen Beschränkungen der Einbringung elektronischer Anbringen auf die Amtsstunden nicht. § 13 Abs. 5 AVG verpflichte die Behörde nur während der Amtsstunden, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen und Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten. Durch die Kundmachung der Amtsstunden für die Entgegennahme schriftlicher Eingaben im Internet werde dies hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. Das Postenlaufprivileg gemäß § 33 Abs. 3 AVG gelte nicht bei elektronischer Einbringung (Hinweis auf VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0092).

5        In der Zulässigkeitsbegründung wird ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der hg. Rechtsprechung betreffend die „Rechtzeitigkeit des Einbringens der Beschwerde“ gerügt, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung das Verwaltungsgericht nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien in welchen Punkten abgewichen sein soll. Die Zulässigkeitsbegründung wurde somit nicht gesetzmäßig ausgeführt und die Revision war schon aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 15.6.2022, Ra 2022/06/0073, Rn. 8, mwN).

6        Im Übrigen wird in der Zulässigkeitsbegründung auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass elektronische Anbringen in jenen Fällen, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen zum Ausdruck bringt, auch dann, wenn sie bereits in den elektronischen Verfügungsbereich der Behörde gelangten, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/08/0021, Rn. 8, mwN). Von dieser Rechtsprechung wich das LVwG im vorliegenden Fall nicht ab.

Wenn die revisionswerbenden Parteien unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2014, G106/2013 (VfSlg. 19.849), vorbringen, durch die organisatorischen Beschränkungen betreffend elektronische Anbringen würden die gemäß § 32 Abs. 2 AVG zu berechnenden Fristen verkürzt bzw. das Postenlaufprivileg gemäß § 33 Abs. 3 AVG ausgeschlossen, übersehen sie, dass der Verfassungsgerichtshof in Rn. 36 dieses Erkenntnisses unterschiedliche Regelungen hinsichtlich des Einbringens schriftlicher Anbringen (gleichgültig ob sie elektronisch oder nicht elektronisch sind) direkt bei der Behörde einerseits und von Anbringen, die im Weg eines Zustelldienstes übergeben werden andererseits, ausdrücklich als nicht unsachlich beurteilte. Entgegen der in der Zulässigkeitsbegründung vertretenen Ansicht beziehen sich diese Aussagen nicht nur auf Fälle der Einbringung per E-Mail, sondern allgemein auf alle Anbringen direkt bei der Behörde, somit auch auf solche, die mittels Web-Formular bei der Behörde einlangen.

7        Darüber hinaus wurden die Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) nicht ordnungsgemäß ausgeführt (vgl. etwa VwGH 23.5.2022, Ra 2022/06/0057, Rn. 4 und Rn. 6, mwN), weshalb sich die Revision auch aus diesem Grund als unzulässig erweist.

8        Die Revision war aus den oben genannten Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060191.L00

Im RIS seit

19.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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