TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 94/10/0079

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
80/02 Forstrecht;

Norm

ABGB §1379;
ABGB §1380;
ABGB §1438;
ABGB §1439;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art140 Abs1;
ForstG 1975 §170;
ForstG 1975 §70 Abs3;
ForstG 1975 §70 Abs4;
ForstG 1975 §70 Abs5;
ForstG 1975 §70;
ForstG 1975 §72 Abs1;
ForstG 1975 §73 Abs1;
ForstG 1975 §73 Abs2;
MRK Art6 Abs1;
MRKZP 01te Art1 Abs1;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der DA in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. Jänner 1993, Zl. Agrar 11-415/5/92, betreffend Vorschreibung von Genossenschaftsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Bringungsgenossenschaft "S", vertreten durch den Obmann L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bringungsgenossenschaft Schwarzgupf-Ost ist eine gemäß § 68 ForstG gebildete Bringungsgenossenschaft, der die jeweiligen Eigentümer der in die Genossenschaft einbezogenen Liegenschaften angehören. Elmar A. gehörte der Genossenschaft als Eigentümer der Liegenschaft "vulgo L." (im folgenden Liegenschaft) an; die Beschwerdeführerin ist Erbin nach Elmar

A.

Mit Schreiben vom 7. März 1990 beantragte die Bringungsgenossenschaft bei der BH unter Vorlage verschiedener Urkunden, darunter "Beschlußfassungen des Vorstandes vom 14. Juni 1981 und 12. Jänner 1989 betreffend Umwandlung von Geld- in Sachleistung und Wiederaufhebung", gegenüber der Verlassenschaft nach Elmar A. rückständige Genossenschaftsbeiträge von S 107.416,90 vorzuschreiben. Einem beigefügten Schreiben der Bringungsgenossenschaft zufolge setze sich der erwähnte Betrag zusammen aus "Anteilskosten" von S 226.000,-- abzüglich mit S 118.583,10 bewerteter "Sachbezüge".

Die Beschwerdeführerin brachte namens des Nachlasses nach Elmar A. sinngemäß vor, es bestehe eine Vereinbarung aus dem Jahr 1981, wonach die Genossenschaftsbeiträge durch laufend zu erbringende und auch tatsächlich erbrachte "Sachleistungen" abgegolten sein sollten.

Die mitbeteiligte Bringungsgenossenschaft erwiderte, Gegenstand einer Vorstandssitzung vom 14. Juni 1981 sei die "satzungsgemäße Umwandlung von Geld in Sachleistung zur Abdeckung der Anteilskosten für die Liegenschaft" unter den "Auflagen" von freier Schotterentnahme und Bauholzbezug, der Zurückziehung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde und des Verzichtes auf Ersatzansprüche für allfällige Schäden durch den Wegebau gewesen. Die von der Genossenschaft aus der Liegenschaft bezogenen Sachleistungen (Schotter- und Bauholz) seien laufend auf dem Konto der Liegenschaft verrechnet worden. Eine "Zahlungsbefreiung bzw. Enthebung der Zahlungsverpflichtung" sei nicht vereinbart worden.

Mit Bescheid vom 4. Juli 1991 schrieb die BH dem Nachlaß nach Elmar A. die Entrichtung von Genossenschaftsbeiträgen von S 107.416,90 an die mitbeteiligte Bringungsgenossenschaft vor. Nach Wiedergabe des Vorbringens der Beteiligten und Hinweisen auf die Satzung der Bringungsgenossenschaft wurde begründend dargelegt, es sei mit Beschluß des Vorstandes der Bringungsgenossenschaft vom 14. Juni 1981 (Punkt 2 des Protokolles) "die Wegbeitragsleistung für die Liegenschaft unter bestimmten, bereits oben angeführten Bedingungen von Geld- in Sachleistungen umgewandelt" worden. Es sei "laut Punkt 3 dieses Protokolles seitens der Genossenschaft erklärt worden, bei Berücksichtigung dieser Bedingungen keine weiteren Forderungen anderer Art an Herrn Elmar A. als Besitzer der Liegenschaft zu stellen". Die Verwaltung der Liegenschaft sei mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der erfolgte Sachbezug die Beitragsleistungen nicht zur Gänze abdecke (Schreiben des Obmannes vom 16. Mai 1988 und 23. Jänner 1989). In der Folge habe der Vorstand der Genossenschaft in seiner Sitzung vom 12. Jänner 1989 "den Beschluß vom 14. Juni 1981 außer Kraft gesetzt". Aus § 5 Abs. 1 der Satzung gehe hervor, daß die Beiträge der Genossenschafter aus Geldbeträgen sowie Sach- und Arbeitsleistungen bestehen könnten; Sach- und Arbeitsleistungen seien zum Zweck ihrer Bewertung gegenüber Geldleistungen in Geld umzurechnen. Die Erbringung von Sachleistungen sei daher im vorliegenden Fall als eine Form der Beitragsleistung anzusehen; sie begründe keine Forderung anderer Art. Die Umwandlung von Geldbeträgen in Sachleistungen bedeute keine Zahlungsbefreiung. Die Überprüfung der Kontenaufstellung anhand der Originalbelege ergebe unter Berücksichtigung der Gutschriften einen Sollsaldo von S 107.416,90 an ausstehenden Genossenschaftsbeiträgen.

Die Beschwerdeführerin erhob namens des Nachlasses Berufung. Deren weitwendige Darlegungen gehen im wesentlichen dahin, daß am 14. Juni 1981 zwischen der Genossenschaft ("vertreten durch den Obmann und eine Reihe weiterer Funktionäre") und Elmar A. eine zivilrechtliche Vereinbarung geschlossen worden sei, die auf die Bereinigung der seit Jahren bestehenden Meinungsverschiedenheiten abgezielt habe. Danach sollten die Mitgliedschaftspflichten des Elmar A. als Eigentümer der Liegenschaft auch für die Zukunft mit der Einräumung des Rechtes der Genossenschaft auf Bezug von Schotter und Bauholz von der Liegenschaft abgegolten sein. Der Obmann der Bringungsgenossenschaft habe gegenüber Elmar A. den von Genossenschaftsorganen verfaßten Text der Vereinbarung dahin erläutert, wonach diese "für immerwährende Zeiten zu gelten hat und sämtliche Errichtungs- und Erhaltungsbeiträge durch die laufenden Sachleistungen abzugelten sind und niemals und nie mehr Geldleistungen gefordert werden können". Diese Vereinbarung sei auch jahrelang vollzogen worden; die Genossenschaft habe sich an der Liegenschaft durch Schotter- und Holzentnahme frei bedient wie im Selbstbedienungsladen, und weder Verständigung noch Abrechnungen übermittelt. In den Jahren 1982 bis 1988 habe die Genossenschaft - anders als in den Vorjahren - keine Genossenschaftsbeiträge vorgeschrieben. Die Möglichkeit eines einseitigen Widerrufs der Vereinbarung sei nicht vereinbart worden.

Die mitbeteiligte Bringungsgenossenschaft führte ergänzend aus, auf die Liegenschaft entfielen zufolge der Beitrittserklärung aus dem Jahr 1976 19 Anteile im Abschnitt I der Bringungsanlage und 35 Anteile in deren Abschnitt II. Der Genossenschaftsbeitrag sei (zuletzt) mit S 3.500,-- je Anteil für den Abschnitt I und S 4.500,-- je Anteil für den Abschnitt II festgesetzt worden; auf die Liegenschaft entfalle daher ein Beitrag von insgesamt S 224.000,--. Die Beiträge seien zu je einem Drittel mit Beschlüssen der Vollversammlung in den Jahren 1976, 1979 und 1984 fällig gestellt worden. Der Gegenwert der Wegerhaltungsarbeiten sei für die Liegenschaft mit S 500,-- jährlich mit Beschluß der Vollversammlung festgesetzt worden. Insgesamt ergebe sich eine Beitragsschuld von S 226.500,--. Dem stünden - der beigelegten Kontoaufstellung zufolge - "Abstattungen" im Gegenwert von insgesamt S 118.583,10 gegenüber, woraus sich eine Beitragsschuld von S 107.916,90 ergebe. Bei der behaupteten Vereinbarung betreffend die Erbringung von Sachleistungen handle es sich um eine - mittlerweile "außer Kraft gesetzte" - Zahlungserleichterung, die dem Elmar A. wegen seiner damaligen finanziellen Situation gewährt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend vertrat sie u.a. die Auffassung, die Beschwerdeführerin berufe sich auf "zivilrechtliche Gegenforderungen". Diese seien in einem Verwaltungsverfahren betreffend die Vorschreibung rückständiger Genossenschaftsbeiträge nicht aufrechenbar, solange sie nicht im ordentlichen Rechtsweg entschieden oder anerkannt worden seien. Der belangten Behörde sei es daher verwehrt, die Vereinbarung vom 14. Juni 1981 auszulegen oder die Gegenforderungen den Genossenschaftsbeiträgen gegenüberzustellen und aufzurechnen; sie dürfe die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht beurteilen. Die Mitgliedschaft in der Bringungsgenossenschaft und die Höhe der Beiträge seien nicht bestritten worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 28. Februar 1994, Zl. B 333/93, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 erster Satz ForstG obliegt die Aufsicht über die Bringungsgenossenschaft der Behörde; diese hat auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle der Mitglieder zu entscheiden. Nach Abs. 2 erster Satz leg. cit. hat die Behörde auf Antrag der Genossenschaft dem säumigen Mitglied rückständige Genossenschaftsbeiträge mit Bescheid vorzuschreiben.

In der Beschwerde wird zunächst "ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie gegen Art. 5 StGG und Art. 1 erstes ZP zur MRK behauptet", ohne zu konkretisieren, worin der behauptete Verstoß bestehe. Sofern damit eine Rechtswidrigkeit jener den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet werden sollte, mit denen die Zuständigkeit der Forstbehörden zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis, insbesondere über den Genossenschaftsbeitrag, begründet wird, genügt der Hinweis auf die im Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes zitierte Judikatur (VfSlg. 11500/1987, 11937/1988 und 12933/1991). Danach besteht kein Anlaß zu Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 73 Abs. 1 und 2 ForstG.

Im übrigen macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht auf die "Vereinbarung" vom 14. Juni 1981 nicht Bedacht genommen; aus dieser ergebe sich eine Einigung in der Richtung, daß Elmar A. ab 1981 keine Geldleistungen, sondern nur noch Sachleistungen hätte erbringen müssen. Seit dem Jahr 1981 sei auch keine "Vorschreibung in Geld" erfolgt. Die Vereinbarung könne nicht einseitig "außer Kraft gesetzt" werden. Die belangte Behörde habe die von der Genossenschaft vorgelegte "Kontoaufgliederung" ungeprüft ihrem Bescheid zugrunde gelegt.

Mit diesen Darlegungen ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.

Der von der mitbeteiligten Genossenschaft geltend gemachte Betrag stellt sich - deren Vorbringen zufolge - als Ergebnis einer Abrechnung dar. Danach entfalle auf die Liegenschaft ein Mitgliedsbeitrag von insgesamt S 226.500,-- (fällig zu je einem Drittel in den Jahren 1976, 1979 und 1984). Davon seien Sachbezüge aus der Liegenschaft im Gegenwert von S 118.583,10 in Abzug gebracht worden; aus dieser Abrechnung ergebe sich der geltend gemachte Betrag von S 107.916,90. Dem setzte die Beschwerdeführerin sinngemäß ihre Behauptung entgegen, die mitbeteiligte Genossenschaft und der frühere Eigentümer der Liegenschaft hätten eine auch allenfalls in der Zukunft entstehende Ansprüche der Genossenschaft gegen den jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft umfassende Vereinbarung des Inhaltes getroffen, daß alle Ansprüche auf Leistung des Mitgliedsbeitrages durch Einräumung eines (offenbar nicht näher bestimmten), in der Folge tatsächlich ausgeübten Bezugsrechtes abgegolten sein sollten.

Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinandergesetzt. Im angefochtenen Bescheid fehlen Feststellungen über die Grundlagen des Anspruches auf Leistung des Genossenschaftsbeitrages, insbesondere über eine entsprechende Beschlußfassung des hiezu berufenen Organes der Genossenschaft entsprechend den (im einzelnen festzustellenden) Vorschriften der Satzung. Ebenso fehlen Feststellungen über den Inhalt der von der Beschwerdeführerin behaupteten Vereinbarung und den Umfang der Ausübung des Bezugsrechtes durch die Genossenschaft; die Auffassung der belangten Behörde, sie müsse sich mit der Vereinbarung nicht auseinandersetzen, weil es sich um "zivilrechtliche Gegenforderungen" handle, kann nicht geteilt werden.

§ 73 Abs. 1 erster Satz ForstG iVm Abs. 2 erster Satz leg. cit. begründet die Zuständigkeit der Forstbehörde zur Entscheidung über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle der Mitglieder einschließlich der Streitigkeiten über rückständige Genossenschaftsbeiträge. Es ist somit nicht zweifelhaft, daß Streitigkeiten über Grund und/oder Höhe der Genossenschaftsbeiträge nach der zitierten Vorschrift von der Forstbehörde zu entscheiden sind. Hingegen erstreckt sich die Zuständigkeit der Forstbehörde nach den zitierten Vorschriften nicht auf die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen der Genossenschaft und Dritten, allenfalls auch Mitgliedern, über Ansprüche, die ihre Grundlage nicht im Genossenschaftsverhältnis haben; denn nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift sind Anknüpfungspunkte für die Zuständigkeit der Forstbehörde das Genossenschaftsverhältnis und die darin begründeten Rechte und Pflichten der Genossenschaft bzw. der Genossenschafter und nicht allein die Eigenschaft der Streitteile als Genossenschafter bzw. Genossenschaft. Eine Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis liegt vor, wenn das Genossenschaftsverhältnis für die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach bestimmend ist (vgl. - bei entsprechender Rechtslage - z.B. das Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 95/07/0048). Zur Entscheidung von Streitigkeiten aus Verträgen zwischen der Genossenschaft und Dritten, allenfalls auch Mitgliedern, die nicht die im Genossenschaftsverhältnis begründeten Rechte und Pflichten, sondern Angelegenheiten betreffen, die ebenso Gegenstand eines Vertrages zwischen der Genossenschaft und einem Nichtmitglied sein könnten, ist die Forstbehörde auf Grund ihrer durch § 73 Abs. 1 und 2 ForstG begründeten Zuständigkeit nicht berufen.

Aus dem Gesagten folgt zunächst, daß die Forstbehörde gemäß § 73 Abs. 1 und 2 ForstG nicht zuständig ist zur Entscheidung über aktiv geltend gemachte Ansprüche, für die das Genossenschaftsverhältnis nicht dem Grunde nach bestimmend ist. In der Frage, ob die Zuständigkeit der Forstbehörde zur Entscheidung über solche Ansprüche durch "aufrechnungsweise" Geltendmachung begründet wird, ist folgendes zu beachten: Eine einseitige Aufrechnung im Sinne der §§ 1438 ff ABGB mit einer zivilrechtlichen Forderung gegen einen öffentlich-rechtlichen Anspruch setzt (anders als eine einverständliche Aufrechnung; vgl. hiezu das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992,

Zlen. 91/08/0068, 0113, 0114) u.a. Liquidität der zivilrechtlichen Forderung als Erfordernis ihrer Richtigkeit im Sinne der §§ 1438, 1439 ABGB voraus. Eine zivilrechtliche Gegenforderung kann daher - sei es durch im Prozeß (hier: Verwaltungsverfahren) erhobene Aufrechnungseinrede, sei es durch (materiell-rechtlichen) Schuldtilgungseinwand - nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die zivilrechtliche Forderung anerkannt oder im Prozeßweg rechtskräftig festgestellt worden ist, d.h. formelle Liquidität gegeben ist (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 26. April 1994, Zlen. 93/08/0194, 0247, 0248, 0265, 0266).

Auf diese Auffassung kann sich die belangte Behörde zur Stützung ihres Standpunktes, sie brauche sich mit der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren behaupteten Vereinbarung nicht befassen, nicht mit Erfolg berufen. Die Forstbehörde wäre nach dem Gesagten zur Entscheidung über eine prozessuale Aufrechnungseinrede oder einen Schuldtilgungseinwand aus dem Titel der materiell-rechtlichen Aufrechnung, die sich auf eine formell nicht liquide Gegenforderung bezögen, nicht zuständig; diesfalls wäre auch ein Leistungsbefehl betreffend die Zahlung des Genossenschaftsbeitrages - entsprechende Feststellungen, aus denen sich dessen Rechtsgrundlage ergibt, vorausgesetzt - nicht deshalb rechtswidrig, weil der Genossenschafter mit seiner zivilrechtlichen Gegenforderung auf den Zivilrechtsweg zu verweisen ist. Ein solcher Fall liegt aber nach dem Inhalt der Behauptungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vor. Die Beschwerdeführerin leitet aus der von ihr behaupteten Vereinbarung weder eine Aufrechnungseinrede im Prozeß noch einen Schuldtilgungseinwand aus dem Titel der materiell-rechtlichen Aufrechnung ab. Ihr Vorbringen geht nicht (auch nicht hilfsweise) dahin, daß der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Forderung der Genossenschaft auf Zahlung des Genossenschaftsbeitrages eine Gegenforderung (etwa aus dem Titel von Bauholz- und Schotterlieferungen) aufrechnungsweise entgegengesetzt werde; ebensowenig wird - im Sinne des Schuldtilgungseinwandes - vertragliche Aufrechnung behauptet. Vielmehr wird (sinngemäß) eine Vereinbarung behauptet, wonach sämtliche Genossenschaftsbeiträge durch die Einräumung von - in der Folge auch tatsächlich in Anspruch genommenen - Bezugsrechten abgegolten sein sollten. Dabei handelte es sich gegebenenfalls um eine - je nach näherer Ausgestaltung Elemente der Schuldänderung (§ 1379 ABGB) und/oder des Vergleiches (§ 1380 ABGB) beinhaltende - Vereinbarung, die sich auf die Genossenschaftsbeiträge dem Grunde nach bezöge und deren rechtliches Schicksal regelte. Streitigkeiten über wirksames Zustandekommen und Erfüllung einer solchen Vereinbarung sind Streitigkeiten, für die - im Hinblick auf den Zusammenhang mit dem Anspruch auf Leistung des Genossenschaftsbeitrages - das Genossenschaftsverhältnis bestimmend ist und die daher Gegenstand des Verfahrens über die Vorschreibung von Genossenschaftsbeiträgen im Sinne des § 73 Abs. 2 ForstG sind. Die belangte Behörde durfte ein Eingehen auf die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei eine den Grund des Anspruches auf Leistung des Genossenschaftsbeitrages betreffende Vereinbarung getroffen worden, daher nicht mit der Begründung verweigern, es handle sich um eine zivilrechtliche Gegenforderung.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; dieser war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist folgendes zu bemerken:

Gemäß § 72 Abs. 1 ForstG sind die Kosten, die der Genossenschaft aus der Erfüllung ihrer Aufgaben erwachsen, wenn nicht nach der Satzung etwas anderes vorgesehen ist, von den Mitgliedern nach einem Aufteilungsschlüssel, der sich aus der Größe der einzubeziehenden Grundfläche ergibt, zu tragen. Nach Abs. 2 leg. cit. ist eine Änderung des Aufteilungsschlüssels durch die Satzung dann nicht zulässig, wenn hiedurch in einer Bringungsgenossenschaft mit Beitrittszwang die zum Beitritt gezwungene Minderheit gegenüber der Mehrheit schlechter gestellt würde. Nach Abs. 3 leg. cit. können bei der Festlegung des Kostenaufteilungsschlüssels auf Verlangen des Mitgliedes eingebrachte Bringungsanlagen, bestehende Verpflichtungen und besondere Vorteile, die die Genossenschaft einzelnen Mitgliedern auferlegt oder bietet, entsprechend berücksichtigt werden. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. April 1987, Zl. 85/07/0267, ausgesprochen, das Gesetz schreibe eine Aufteilung der Kosten in objektivierbarer Weise vor. Der Aufteilungsschlüssel muß stets einen Maßstab (§ 70 Abs. 3 und 5 ForstG) darstellen, auch wenn das Maß nicht an der Größe der einzubeziehenden Grundfläche genommen wird. Eine Kostenaufteilung nach freier Übereinkunft sieht das Gesetz nicht vor.

Sollte der Abschluß einer Vereinbarung, wie sie die Beschwerdeführerin behauptet, festgestellt werden können, stellten sich - auf der Grundlage entsprechender Feststellungen u. a. über den Inhalt der Satzung der Bringungsgenossenschaft - die Fragen nach der Gesetz- und Satzungsmäßigkeit des Zustandekommens einer solchen Regelung sowohl unter dem Gesichtspunkt der satzungsgemäßen Verteilung der Zuständigkeiten auf die Organe der Genossenschaft, einer allfälligen satzungsändernden Wirkung der Regelung als auch der Objektivierbarkeit des Maßstabes und der Bestimmbarkeit des Leistungsgegenstandes.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für Ausfertigungen und Eingaben, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994100079.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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