TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/9 95/20/0382

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Veröffentlicht am 09.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995, Zl. 4.293.143/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, der am 23. Dezember 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. Dezember 1989 den Asylantrag gestellt hat, hat anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 5. März 1990 zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, er sei kurdischer Abstammung, Kurden hätten in der Türkei keine Rechte und würden als Menschen zweiter Klasse behandelt. Er sei Sympathisant der PKK gewesen und habe für diese Gruppierung Flugblätter verteilt. Dabei sei er im Jahre 1982 von der Gendarmerie betreten, mitgenommen und gefoltert worden. Während seiner Militärdienstzeit habe man ihn beim Sport so schikaniert, daß er am 17. Februar 1988 sich eine Niere habe operativ entfernen lassen müssen. Er sei dennoch weiter schikaniert worden, weshalb er zwischen 25. Oktober und 4. November 1988 neuerlich wegen seiner Nieren in Behandlung gestanden sei. Dieses Leiden sei bis heute nicht ausgeheilt. Sein Onkel K sei als Sympathisant der PKK bereits zwei Monate in Haft gewesen. Da er für sich in der Türkei kein normales Leben mehr für möglich halte, habe er sich entschlossen, nach Österreich zu fliehen. Außerdem sei seine Behandlung im Krankenhaus nicht in Ordnung gewesen, weil er kurdischer Abstammung sei. Er sei im Spital nicht wie ein Mensch behandelt worden. Auch seinen Militärausweis habe er erst mit einjähriger Verspätung ausgestellt erhalten.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Mai 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung bekräftigte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine erstinstanzlichen Angaben und ergänzte, 1982 sei er anläßlich eines Polizeieinsatzes in seinem Heimatdorf von Polizisten mit einem Hieb des Gewehrkolbens derart niedergeschlagen worden, daß er eine 5 cm lange Narbe an der linken Hüfte davongetragen habe. In der Zeit von 1987 bis 21. November 1988 habe er seinen Militärdienst abgeleistet, sei von seinen Vorgesetzten aber ungerechtfertigt hart behandelt worden. Bei der Ausbildung habe er Schmerzen in seiner linken Niere verspürt. Im Verlauf des Armeedienstes habe sich dieses Leiden verschlechtert. Nach jedem Training habe er Blut im Urin gehabt. Seine Vorgesetzten hätten ihm jedoch nicht geglaubt, sondern ihn bezichtigt, zu simulieren und Wassermelonen gegessen zu haben, um die rote Färbung des Urins zu erreichen. Erst nachdem er sich wegen der Schmerzen nicht mehr habe bewegen können, sei er am 17. Februar 1988 operiert worden, wobei die Niere habe entfernt werden müssen. Auch nach der Operation habe er weiter seinen Armeedienst versehen, sei jedoch nach wie vor bei Übungen schikaniert worden, was einen weiteren Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 25. Oktober bis 4. November 1988 nach sich gezogen habe. Seit seiner Entlassung aus dem Armeedienst am 21. November 1988 sei er in der Landwirtschaft seiner Eltern mittätig gewesen. Leute der PKK seien auch in dieses Dorf gekommen und hätten die Zivilisten unter Druck gesetzt, ihnen zu helfen. Auch er habe wieder die PKK unterstützen sollen. Nach seinen negativen Erfahrungen während seiner Militärdienstzeit wegen seiner Herkunft und wegen seiner Vergangenheit als PKK-Sympathisant habe er jedoch "in Ruhe und Würde" leben wollen. Als Zivilist lebe man zwischen zwei Fronten, man habe nichts anderes als Angst und Gewalt zu erwarten. Er habe die ständige Angst und Bedrohung nicht mehr ausgehalten und daher beschlossen, aus seiner Heimat zu fliehen.

Im Zuge eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zu den behaupteten Folterungen sowie seiner Nierenoperation Urkunden bzw. ärztliche Atteste vorzulegen. Er ergänzte über Befragung, daß es sich bei der Operation offenbar um die Entfernung von Nierensteinen gehandelt habe, deren Ursache ihm nicht bekannt gewesen sei. Tatsächlich legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung seines Krankenhausaufenthaltes in der Türkei vom 25. Oktober bis 4. November 1988 sowie einen Arztbrief des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Elisabethinen in Linz vom 24. Jänner 1991 vor.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 94/20/0324, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94), aufgehoben, wodurch das Berufungsverfahren wiederum bei der belangten Behörde anhängig wurde.

In Entsprechung der im vorzitierten Verfassungsgerichtshoferkenntnis ausgesprochenen Rechtsmeinung stellte die belangte Behörde mit ihrem Schreiben vom 30. Jänner 1995 dem Beschwerdeführer frei, einfache Verfahrensmängel des Verfahrens erster Instanz geltend zu machen und daraus etwa folgende Sachverhaltsergänzungen der Behörde erster Instanz im Rahmen der Berufungsergänzung vorzutragen. Dem kam der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14. Februar 1995 unter Hinweis auf die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei und unter Wiederholung der bereits vorliegenden Darstellung seiner Fluchtgründe nach.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Sie begründete dies im wesentlichen damit, die Tatsache, daß die kurdische Volksgruppe in der Heimat des Beschwerdeführers keine Rechte habe und als "Menschen dritter Klasse" behandelt würde, rechtfertige die Gewährung von Asyl nicht. Außerdem stünden die von ihm geschilderten Vorfälle des Jahres 1982 in keinem zeitlichen Naheverhältnis mehr zu seiner Ausreise. Die von ihm behauptete schlechte Behandlung während seiner Militärdienstzeit stelle ebenfalls kein Indiz von drohender illegitimer Verfolgung dar, weil der Beschwerdeführer auch nicht dargetan habe, daß er nach Ableistung seines Militärdienstes solchen Behandlungen weiterhin ausgesetzt gewesen wäre. Die bloße Behauptung allein, auf Grund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe habe er eine mangelhafte medizinische Betreuung zu erleiden gehabt, erscheine zu unsubstantiiert, um daraus die Flüchtlingseigenschaft abzuleiten, insbesondere da er ja tatsächlich medizinisch ausreichend behandelt worden sei. Das Asylrecht schütze vor drohender Unbill, stelle jedoch keine Entschädigung für möglicherweise erlittenes Ungemach dar. Auch sein Vorbringen, wonach er und die übrigen Dorfbewohner seitens der PKK unter Druck gesetzt worden seien, sei nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen, da mögliche Übergriffe der PKK nicht als vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen erkannt werden könnten. Die erkennende Behörde könne auch nicht feststellen, daß diese von staatlichen Stellen geduldet oder gebilligt worden wären. Auch die Inhaftierung seines Onkels stelle eine Maßnahme diesem gegenüber dar, bedeute jedoch nicht, daß auch der Beschwerdeführer aus objektiv begründeter Furcht vor Verfolgung sich außerhalb seines Heimatlandes befinde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde habe jeweils nur einzeln vorgebrachte Umstände getrennt einer rechtlichen Beurteilung unterzogen, nicht jedoch die Situation des Beschwerdeführers in einer Gesamtsicht beurteilt. Dem ist zu entgegnen, daß es zwar grundsätzlich zutrifft, daß die jeweilige konkrete Situation eines Asylwerbers, die Anlaß zur Flucht gewesen war, einer Gesamtschau zu unterziehen ist, und der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehrfachen Erkenntnissen die Einzelbeurteilung von letztlich in möglicherweise asylrelevantem Zusammenhang stehenden Einzelvorkommnissen abgelehnt hat. Dies ändert jedoch im vorliegenden Fall am Ergebnis nichts, da der Beschwerdeführer konkret ihn selbst betreffende derartige Vorkommnisse lediglich im Zusammenhang mit einem im Jahr 1982 erfolgten Polizeieinsatz in seinem Heimatdorf und zum anderen lediglich im Zusammenhang mit einer Militärdienstleistung, die am 21. November 1988 endete, vorgebracht hat. Wie auch immer man eine möglicherweise nachlässige medizinische Behandlung seiner Nierenerkrankung (die er im Verfahren durchaus widersprüchlich darstellte:

einmal operative Entfernung einer Niere nach schikanöser Mißhandlung durch militärische Kameraden und Vorgesetzte, zum anderen Nierensteinentfernung, deren Ursache unbekannt war - was mit dem Inhalt des Arztbriefes näher in Einklang zu bringen ist, wonach der Beschwerdeführer nach wie vor eine linke Niere hat) rechtlich beurteilen mag, fehlten diesen Vorkommnissen jedenfalls der zeitliche Konnex zu der erst im Dezember 1989 erfolgten Ausreise des Beschwerdeführers. Schon aus diesem Grunde erweist sich die Abstandnahme der belangten Behörde von der Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens über Art, Verlauf und Intensität der Erkrankung bzw. deren Behandlung nicht als rechtswidrig. Im Hinblick auf den dazwischen liegenden Zeitraum von rund einem Jahr hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch auch nunmehr in der Beschwerde konkrete gegen ihn individuell gesetzte Verfolgungshandlungen von seiten staatlicher Behörden behauptet. Lediglich der Hinweis auf die allgemeine Situation der Kurden im Heimatland des Beschwerdeführers reicht jedoch - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - für eine Asylgewährung im Sinn des § 3 AsylG 1991 nicht aus.

Insgesamt erweist sich daher der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200382.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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