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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1996, Zl. 4.319.812/12-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der dieser beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie dem Inhalt des den Beschwerdeführer betreffenden hg. Aktes 94/20/0519 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juni 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 25. Juni 1991 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 7. August 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich niederschriftlich erfolgten Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, seine Großeltern seien vor der Machtübernahme durch die Kommunisten Großgrundbesitzer gewesen, man habe sie enteignet und verhaftet. Seine Eltern hätten aus der Ortschaft fliehen müssen, um nicht umgebracht zu werden. Da seine Familie in ärmlichen Verhältnissen gelebt habe und er in Vietnam keine Arbeit gefunden habe, hätten ihm seine Eltern einen Ausweis der kommunistischen Arbeiter- bzw. Jugendpartei gekauft, um ihm eine Reise in die CSFR zu ermöglichen. Seine Eltern hätten einen Beamten der Ausreisebehörde bestochen, wodurch er eine Ausreisebewilligung erhalten habe, sodaß er im Jahr 1986 in die CSFR gekommen und dort als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei. Im Februar 1991 habe er seine jetzige Gattin geheiratet. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage in der CSFR habe man sowohl ihn als auch seine Gattin am 11. Juni 1991 entlassen; seine Arbeitsbewilligung sei jedoch bis 1992 gültig gewesen. Es sei jedoch unmöglich gewesen, in der CSFR neue Arbeit zu finden, weshalb er ausgewiesen worden wäre. Da er jedoch nach Vietnam nicht habe zurückkehren wollen, hätte er sich entschlossen, nach Österreich zu kommen. Wegen der Vergangenheit seiner Großeltern habe er in Vietnam keine Zukunft; dort gäbe es keine Freiheit und Gerechtigkeit.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. April 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, die die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 26. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abwies. Infolge der daraufhin vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/20/0519, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Worten "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) aufgehoben.
Dadurch wurde das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig. In der dem Beschwerdeführer freigestellten Berufungsergänzung brachte er vor, im Falle seiner Rückkehr nach Vietnam müsse er auf Grund seines (unerlaubten) Auslandsaufenthaltes mit einer Verhaftung rechnen, im übrigen habe er auch im Falle der Rückkehr in sein Heimatland mit einer Einberufung zum Militär zu rechnen.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Sie erhob die Begründung ihres Bescheides vom 26. April 1994 auch zur Begründung des vorliegenden Bescheides und ergänzte, Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen die den Grenzübertritt oder den Aufenthalt eines Staatsangehörigen im Ausland regelnden Vorschriften stellten keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes dar; auch einer möglichen Einberufung zum Militär fehle eine derartige Qualifikation, weil es sich beim Militärdienst um eine Pflicht handle, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne. Eine wegen Entziehung aus dieser Pflicht drohende Bestrafung könne daher auch nicht als illegitime Verfolgung angesehen werden. Auch die Tatsache, daß es im Heimatland des Asylwerber keinen Wehrersatzdienst gebe, könne Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland mit asylrechtlich relevanten Verfolgungen seitens der vietnamesischen Behörden zu rechnen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde hätte erkennen müssen, daß er durch "Republikflucht" einen Nachfluchtgrund gesetzt habe, weil das Verlassen der kommunistischen Tschechoslowakei seine politische Gesinnung, welche sich gegen das totalitäre kommunistische System gerichtet hatte, zum Ausdruck gebracht habe. Bei einer Rückkehr (offenbar gemeint: nach Vietnam) habe er mit einer bis zu lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen. Daraus sei ersichtlich, daß es sich nicht nur um ein reines Strafdelikt, sondern um ein politisches Delikt handle. Dadurch aber seien alle Voraussetzungen des § 1 AslyG 1991 erfüllt, nämlich eine intensive Verfolgungshandlung (Verbüßung einer lebenslangen Haftstrafe), politische Gesinnung (Republikflucht) und sohin die objektiv vorliegende begründete Furcht vor Verfolgung. Hinzu komme seine Abstammung, die ihn nicht in die Lage versetze, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, weshalb jegliche Existenzgrundlage entzogen sei. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die Behörde wäre verpflichtet gewesen, Ermittlungen dahingehend anzustellen, wie die derzeitige Menschenrechtssituation in seinem Heimatland beschaffen sei, welche Strafen auf Republikflucht stünden, welcher Behandlung ehemalige Großgrundbesitzerfamilien ausgesetzt seien und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, glaubhaft zu machen, daß sich der Beschwerdeführer aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründen außerhalb seines Heimatlandes befindet und deshalb nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes (wiederum) zu bedienen. Der Beschwerdeführer irrt zunächst, wenn er meint, seine "Republikflucht" stelle einen "Nachfluchtgrund" dar, weil er dadurch eine politische Gesinnung zum Ausdruck gebracht habe. Ausgehend von seinen Angaben anläßlich seiner Erstvernehmung kann diese Ansicht vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden. Der Beschwerdeführer hat das Verlassen der CSFR anläßlich seiner Ersteinvernahme keineswegs mit einer politischen Gesinnung begründet, sondern mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in der CSFR und in seinem Heimatland. In seiner Ersteinvernahme (gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 und Nichtvorliegen einer der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. Grundlage der Entscheidung der belangten Behörde) hat der Beschwerdeführer lediglich angegeben, "nicht mehr nach Vietnam zurück zu wollen", ohne hiefür eine detailliertere Begründung abzugeben. Ebensowenig kann die lediglich abstrakte Vermutung des Beschwerdeführers als Asylgrund herangezogen werden, es werde ihm, weil er aus einer Großgrundbesitzerfamilie stamme, jegliche Möglichkeit zu arbeiten entzogen, und er könne daher auch nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten, ihm sei daher jegliche Existenzgrundlage aus einem der in § 1 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen entzogen.
Aber auch mit ihrer Argumentation, eine allfällige Bestrafung wegen Verletzung von den Grenzübertritt oder den Aufenthalt eines Staatsangehörigen im Ausland regelnden Vorschriften bilde keinen tauglichen Asylgrund, bewegt sich die belangte Behörde auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zlen. 93/01/1360, 1361, und die dort wiedergegebene Judikatur).
Insgesamt ergibt sich daher bereits aus dem Inhalt der Beschwerde, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen war.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich auch ein Eingehen auf den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200060.X00Im RIS seit
20.11.2000