TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/26 LVwG-AV-1811/001-2021

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Veröffentlicht am 26.03.2022
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Entscheidungsdatum

26.03.2022

Norm

GewO 1994 §9 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 29. September 2021, Zl. ***, betreffend Fristverkürzung für die weitere Gewerbeausübung nach § 9 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (in der Folge: belangte Behörde) vom 29. September 2021, Zl. ***, wurde der A GmbH (in der Folge: beschwerdeführende Gesellschaft) die Frist für die weitere Ausübung des Gewerbes Baumeister ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer im Standort ***, ***, bis 15. Oktober 2021 verkürzt.

Begründend ist ausgeführt, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer mit Wirkung vom 1. Juli 2021 ausgeschieden sei. Im Rahmen des Parteiengehörs sei keine Stellungnahme erstattet worden. Da mit der Ausübung des Gewerbes offenkundig eine besondere Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen verbunden sei, sei die Frist für die Ausübung des Gewerbes bis zur Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers bis 15. Oktober 2021 zu verkürzen gewesen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2021 Beschwerde.

In dieser wird – im Wesentlichen – vorgebracht, dass der belangten Behörde am 19. August 2021 nachweislich eine Stellungnahme samt Begründung für eine Fristverlängerung übermittelt worden sei. Dies sei im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden. Der angefochtene Bescheid sei erst auf Nachfrage am 4. Oktober 2021 zugestellt worden. Durch die verzögerte Zustellung des Bescheides sei der Zeitraum für die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht mehr angemessen.

Beantragt wurden die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides und die Gewährung einer Frist bis 1. Jänner 2022.

3.   Feststellungen:

Am 7. Juli 2021 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Pflichtversicherung des gewerberechtlichen Geschäftsführers B zum 1. Juli 2021 geendet habe. Die belangte Behörde ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Stellungnahme, ob mit der Abmeldung beim Versicherungsträger auch das Ausscheiden als Geschäftsführer verbunden sei. Unter einem übermittelte sie an die beschwerdeführende Gesellschaft u.a. ein Formblatt zur Anzeige eines Geschäftsführerwechsels. Mit Schreiben vom 30. Juli 2021 gab die belangte Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Umstand, dass die Frist zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers bis 10. September 2021 zu verkürzen sei.

Mit Schreiben vom 19. August 2021 beabsichtigte die beschwerdeführende Gesellschaft der belangten Behörde mitzuteilen, dass seitens der belangten Behörde nicht ausgeführt werde, worauf sich die Befürchtung einer besonderen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen stützte; die Bestellung eines neuen Geschäftsführers zum 1. November 2021 sei in die Wege geleitet worden. Um die Gewährung einer Frist bis 1. November 2021 werde ersucht. Das Schreiben, das mit Fax an die belangte Behörde zugestellt werden sollte, langte bei der belangten Behörde nicht vollständig ein.

Am 23. September 2021 wurde die belangte Behörde von der beschwerdeführenden Gesellschaft telefonisch darauf aufmerksam gemacht, dass am 19. August 2021 ein Schreiben an Sie gerichtet worden sei. Dieses wurde sodann per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt und langte am 23. September 2021 ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. September 2019 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft die Frist für die weitere Ausübung des Gewerbes Baumeister ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer bis 15. Oktober 2021 verkürzt. In der Zustellverfügung dieses Bescheides ist die beschwerdeführende Gesellschaft bezeichnet und erfolgte eine Zustellung des Bescheides an diese Gesellschaft.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (vgl. hierzu oben Punkt 2.).

Die beschwerdeführende Gesellschaft übt seit 24. August 2007 das Gewerbe Baumeister im Standort ***, ***, aus. Zum gewerberechtlichen Geschäftsführer war bis zu dessen Ausscheiden Herrn B bestellt. Bis dato wurde kein neuer gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt bzw. bei der belangten Behörde angezeigt und genehmigt. Die Gewerbeberechtigung endete am 17. Jänner 2022. Mit Beschluss des Landesgerichtes *** vom 15. Dezember 2021 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet.

4.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen sind zwischen den Parteien unstrittig und ergeben sich klar und eindeutig aus den Inhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde. Die Feststellungen zum Enden der Gewerbeberechtigung und zur Eröffnung des Konkursverfahrens gründen in einem vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingeholten Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) und dem Firmenbuch (zum Stichtag 12. März 2022).

5.   Rechtslage:

5.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO) lauten:

§ 9. (1) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften (offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften) können Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer (§ 39) bestellt haben.

(2) Scheidet der Geschäftsführer aus, so darf das Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch während sechs Monaten, weiter ausgeübt werden. Die Behörde hat diese Frist zu verkürzen, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist oder in den vorangegangenen zwei Jahren vor dem Ausscheiden des Geschäftsführers das Gewerbe insgesamt länger als sechs Monate ohne Geschäftsführer ausgeübt wurde.

[…]

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

[…]

5. Baumeister, Brunnenmeister

[…]

§ 95. (1) Bei den im § 94 Z 5, 10, 16, 18, 25, 32, 36, 56, 62, 65, 75, 80 und 82 angeführten Gewerben ist von der Behörde zu überprüfen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft um die Gewerbeberechtigung bewirbt, die im § 13 Abs. 7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 87 Abs. 1 Z 3) besitzen. Mit der Gewerbeausübung darf der Anmelder erst mit der Rechtskraft des Bescheides gemäß § 340 beginnen.

(2) Bei den im Abs. 1 angeführten Gewerben ist die Bestellung eines Geschäftsführers oder eines Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes genehmigungspflichtig. Die Genehmigung ist auf Ansuchen des Gewerbeinhabers zu erteilen, wenn die im § 39 Abs. 2 bzw. § 47 Abs. 2 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.

5.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

6.   Erwägungen:

6.1. Die Beschwerde ist zulässig.

6.2. Die Beschwerde ist nicht begründet.

6.2.1. § 9 Abs. 2 erster Satz GewO bestimmt für den Fall des Ausscheidens eines (gemäß § 9 Abs. 1 GewO obligatorisch zu bestellenden) gewerberechtlichen Geschäftsführers, dass das Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch binnen sechs Monaten, weiter ausgeübt werden darf. Gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz leg.cit. ist die Behörde zur Verkürzung dieser Frist verpflichtet, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist.

6.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt den Regelungen des § 9 Abs. 2 GewO (mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien) die Einsicht des Gesetzgebers zugrunde, dass es nicht vertretbar sei zu verlangen, dass ein Gewerbebetrieb einer juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft von dem Zeitpunkt an nicht weitergeführt werden könne, zu dem der (erforderliche) gewerberechtliche Geschäftsführer – allenfalls überraschend – ausscheide. Aus diesem Grund sehe das Gesetz eine sechsmonatige Frist vor, innerhalb derer das Gewerbe nach Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers (ohne einen solchen) weiter ausgeübt werden dürfe. In Einzelfällen könne sich aber – so der Verwaltungsgerichtshof – die Notwendigkeit ergeben, wegen besonderer Gefahren, etwa aus Gründen der Volksgesundheit, die für die weitere Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer vorgesehene Frist durch behördlichen Bescheid zu verkürzen. Dieser Ausnahmetatbestand der Fristverkürzung gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz GewO liege (unter anderem) dann vor, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist (vgl. NÖ LVwG 6. Februar 2020, LVwG-AV-1253/001-2019).

6.2.3. Die Voraussetzungen für die verfügte Verkürzung der sechsmonatigen Frist für die weitere Ausübung des Gewerbes Baumeister sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Es liegt im öffentlichen Interesse, einen bestimmten Standard gewerblicher Leistungen durch eine entsprechende Befähigung des Gewerbeberechtigten – bei juristischen Personen durch die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers, der für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 GewO) – sicherzustellen. Dies gilt im Besonderen für das mit besonderen Anforderungen verbundene reglementierte Baumeistergewerbe (vgl. insbesondere § 94 Z 5 iVm § 95 GewO), für das eine besondere Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen, insbesondere durch eine nicht sachgerechte Planung und Errichtung von Bauwerken, besteht (in diesem Sinne VwGH 25. Juni 2008, 2007/04/0137; zur besonderen Gefahrenneigung des Baumeistergewerbes vgl. überdies VwGH 21. Dezember 2011, 2007/04/0222).

Zur Begegnung ebendieser für das Baumeistergewerbe bestehenden Gefahrenlage ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die für die Ausübung dieses Gewerbes durch die beschwerdeführende Gesellschaft ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer vorgesehene Frist von sechs Monaten auf dreieinhalb Monate verkürzt hat. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat keine Umstände vorgebracht, welche der besonderen Gefahrenlage entgegenstehen könnten (etwa bezogen auf die Organisation des konkreten Betriebes der beschwerdeführenden Gesellschaft; in diesem Zusammenhang vgl. auch § 7 Abs. 5 GewO, wonach ein Befähigungsnachweis sogar bei Ausübung des Baumeistergewerbes in Form eines Industriebs zu erbringen ist). Darüber hinaus kann eine Frist von dreieinhalb Monaten zur Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers – unter Bedachtnahme auf die dargelegte Gefahrenlage bei Ausübung des Baumeistergewerbes – jedenfalls nicht als unangemessen betrachtet werden.

6.3. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

7.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und konnte auch gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde und die dem Verwaltungsgericht vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Insbesondere wurde seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft ein konkret substantiiertes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, etwa zum Fehlen einer besonderen Gefahrenlage gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz GewO vor dem Hintergrund des Berechtigungsumfangs des Baumeistergewerbes und der konkreten Organisation des Gewerbebetriebes, nicht erstattet. Auch wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, die eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte (vgl. VwGH 12. November 2019, Ra 2019/17/0089).

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich überdies auf den eindeutigen Wortlaut der angewendeten Gesetzesbestimmungen stützen kann (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutigen Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen etwa VwGH 23. Mai 2017, Ra 2017/05/0086).

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Baumeistergewerbe; Ausscheiden; Geschäftsführer; Fristverkürzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1811.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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