TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/9 95/20/0232

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Veröffentlicht am 09.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 1995, Zl. 4.342.640/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste am 1. März 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. März 1993 den Asylantrag. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme gab sie zu ihren Fluchtgründen befragt an, daß sie im Iran aufgrund ihrer kurdischen Herkunft benachteiligt gewesen sei. Kurden würden im Iran zu den wichtigen öffentlichen Stellen nicht zugelassen und deren Kinder dürften an der Universität nicht studieren. Sie selbst habe weder aufgrund ihres Glaubens noch aufgrund ihrer politischen Gesinnung Probleme gehabt. Vor zehn Jahren sei ihre Tochter für zwei Monate verhaftet gewesen, weshalb dieser alle Wege verschlossen seien. Dies wirke sich auch auf die ganze Familie aus. Die Beschwerdeführerin habe deshalb noch keinen Reisepaß beantragt, weil sie gehört habe, daß Kurden ohnehin keine Ausreiseerlaubnis erhalten würden. Sie habe mit ihrem Gatten schon länger die Absicht gehabt, den Iran zu verlassen, weil sie "nicht länger dahin vegetieren wollen". Ihr Ehemann sei zur Zeit des Schah-Regimes Regierungsangestellter gewesen. Er sei danach abgesetzt worden und seither lebten sie von den Ersparnissen. Es stelle niemand mehr ihren Ehemann ein. Müßte sie zurückkehren, so hätte sie wegen ihrer illegalen Ausreise eine mehrjährige Haftstrafe zu erwarten. Dies würde sich sehr negativ auf die Familie auswirken.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 3. März 1993 ab.

Im Berufungsverfahren legte die Beschwerdeführerin noch Urkunden vor, denen entnommen werden könne, daß sie den Iran illegal verlassen habe und ihre Tochter im Jahr 1981 im Ewin-Gefangenenhaus in Untersuchungshaft gewesen sei.

In ihrer Berufung brachte sie zusammengefaßt vor, ihr Mann sei während des Schah-Regimes Sekretär im Kulturministerium gewesen. Nach dem Sturz habe er nie wieder eine feste Anstellung gefunden. Ihre Tochter sei 1982 von Revolutionswächtern festgenommen worden, weil sie politisch tätig gewesen sei. Während der zweimonatigen Haft sei sie geschlagen und vergewaltigt worden. Nach ihrer Entlassung hätten sie ständig ihren Wohnsitz aus Angst vor neuerlichen Schwierigkeiten gewechselt. Sie hätten immer wieder regimefeindliche Versammlungen in ihrem Haus abgehalten, weshalb sie im Februar 1993 von Nachbarn denunziert worden seien. Aufgrund ihr zugegangener Informationen seien deshalb die Revolutionswächter in ihrem Haus erschienen, um die ganze Familie zu verhaften. Sie sei deshalb mit ihrem Sohn bei Freunden geblieben. Sie nehme an, daß ihr Mann und ihre beiden weiteren Kinder festgenommen worden seien. Da zu erwarten gewesen sei, daß ihr Haus weiter kontrolliert werde, sei sie mit Hilfe von Freunden und eines Schleppers aus dem Iran geflüchtet. Das Ewin-Gefängnis, in dem ihre Tochter inhaftiert gewesen sei, sei eines der gefährlichsten im Iran, wo Folterungen, Menschenrechtsverletzungen und Vergewaltigungen an der Tagesordnung stünden. Eine Rückkehr in den Iran hätte somit für sie und ihren Sohn erhebliche negative Folgen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides zutreffend unter Verweis auf die hg. Judikatur ausgeführt, daß grundsätzlich nur solche Umstände zu einer Asylgewährung führen können, welche eine Person unmittelbar betreffen, und daher im allgemeinen, wenn die besondere Fallgestaltung nicht eine andere Beurteilung geboten erscheinen läßt, Ereignisse gegen Familienmitglieder nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken können. Ebenso können allgemein herrschende politische Verhältnisse, insbesondere die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Benachteiligungen (Ausschluß der Kurden von öffentlichen Stellen im Iran, Nichtzulassung ihrer Töchter zum Universitätsstudium wegen ihrer kurdischen Herkunft) keine Flüchtlingseigenschaft begründen (vgl. dazu hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0941 uva.). Die belangte Behörde hat richtig aufgezeigt, daß eine subjektive Furcht vor Verfolgung grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen und solche Zustände im Heimatland des Asylwerbers glaubhaft gemacht werden, die, aus objektiver Sicht betrachtet, seinen weiteren Verbleib unerträglich machten. Auch wenn die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht notwendig voraussetzt, daß die Beschwerdeführerin vor ihrer Ausreise eine individuell gegen sie gerichtete Verfolgung bereits erlitten haben mußte, muß doch zumindest mit einem ausreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit aus objektiver Sicht eine asylrelevante Verfolgung drohen.

Die Beschwerdeführerin hat in erster Instanz vorgebracht, daß sie selbst nie politische Probleme gehabt habe und nie Verfolgungshandlungen seitens der Behörde ausgesetzt gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hat auch keinerlei konkretes Vorbringen dahingehend erstattet, daß etwa ihr Ehemann wegen seiner früheren Tätigkeit als "Regierungsangestellter während des Schah-Regimes" konkreten Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre. Auch aus der seinerzeitigen zwei-monatigen Verhaftung ihrer Tochter hat die Beschwerdeführerin nur allgemeine negative Auswirkungen für die Familie abgeleitet und dazu lediglich näher ausgeführt, daß ihrer Tochter deshalb "alle Wege verschlossen wären". Somit verbleiben nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in erster Instanz - worauf gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 abzustellen ist - nur wirtschaftliche Gründe, die die Beschwerdeführerin veranlaßten, ihr Heimatland zu verlassen. Diese reichen aber nicht aus, im hier vorliegenden Fall eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung gegen die Beschwerdeführerin darzutun.

Soweit die Beschwerdeführerin in der Berufung geltend machte, daß sie sich selbst politisch betätigt habe, sie politische Veranstaltungen abgehalten und gegen das Regime demonstriert habe, weshalb sich ein Revolutionskommando zur Verhaftung der gesamten Familie zu ihrer Wohnung in Teharan begeben habe, so ist daraus für sie nichts zu gewinnen, weil die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung den in erster Instanz vorgebrachten Sachverhalt zugrunde zu legen hatte.

Da in der vorliegenden Beschwerde ohnehin nicht behauptet wird, die belangte Behörde wäre aufgrund der im Berufungsverfahren vorgelegten Urkunden verpflichtet gewesen, das Ermittlungsverfahren gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu wiederholen bzw. zu ergänzen, darauf vielmehr in der Beschwerde nicht eingegangen wird, genügt dazu der Hinweis, daß auch aus den vorgelegten Urkunden lediglich der Umstand der seinerzeitigen Untersuchungshaft der Tochter der Beschwerdeführerin hervorgeht, weitergehende Rückschlüsse für ihre Flüchtlingseigenschaft daraus jedoch nicht gewonnen werden können. Aus dem Umstand ihrer illegalen Ausreise und der ihr deshalb im Iran drohenden Haftstrafe läßt sich eine asylrelevante Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention nicht begründen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1014, vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0039, und vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0932).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200232.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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