TE Vwgh Beschluss 2022/4/27 Ra 2022/15/0025

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Veröffentlicht am 27.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §22 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der W Rechtsanwälte GmbH in L, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Juli 2021, Zl. RV/5100740/2019, betreffend Dienstgeberbeitrag für die Monate Jänner bis April 2018, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes ist, fand eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) statt. Der Prüfer stellte fest, die wesentlich beteiligten Gesellschafter Dr. W und Mag. O hätten in den Jahren 2013 bis 2017 Tätigkeiten im operativen Bereich der Gesellschaft erbracht und daneben die Geschäftsführungsagenden wahrgenommen. Er vertrat den Standpunkt, die an Dr. W und Mag. O ausbezahlten Vergütungen stellten Einkünfte aus sonstiger Arbeit iSd § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 dar, welche in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen einzubeziehen seien.

2        Das Finanzamt folgte dem Prüfer und setzte mit Bescheiden vom 20. Juni 2018 die - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 2013 bis 2017 den Feststellungen des Prüfers entsprechend fest. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Februar 2019 schrieb das Finanzamt der Revisionswerberin Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Monate Jänner bis April 2018 vor. Als Bemessungsgrundlage zog es nur die an den Gesellschafter-Geschäftsführer Dr. W ausbezahlten Vergütungen heran, zumal Mag. O am 13. April 2018 aus der Gesellschaft ausgeschieden war.

3        Die Revisionswerberin erhob gegen den am 7. Februar 2019 ergangenen Bescheid Beschwerde und führte zur Begründung aus, die wesentlich beteiligten Gesellschafter Dr. W und Mag. O hätten auf Grundlage eines Rahmen- und Werkvertrages rechtsanwaltliche Leistungen an die Revisionswerberin erbracht. Der angeführte Vertrag habe die werkvertragliche Abgeltung der Leistungen der Gesellschafter und die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern geregelt. Die von der Revisionswerberin vereinnahmten Umsätze seien zu gleichen Teilen auf einen Rücklagen- (Zuweisung an die Gesellschafter entsprechend dem Beteiligungsverhältnis), Akquisitions- (Zuweisung an die Gesellschafter entsprechend der prozentuellen Akquisition des jeweiligen Gesellschafters), und Abarbeitungstopf (Zuweisung an die Gesellschafter entsprechend der prozentuellen Abarbeitung von Aufträgen/Projekten durch den jeweiligen Gesellschafter) aufgeteilt worden und alle laufenden Kosten der Revisionswerberin (Miete, Personalkosten etc.) seien nach dem Beteiligungsausmaß vom jeweiligen Gesellschafter zu tragen gewesen. Wenn die den Gesellschaftern zugeteilten Umsätze geringer gewesen seien als die diesem zugeteilten Kosten, habe die Revisionswerberin gegenüber den Gesellschaftern eine Forderung in Höhe des Differenzbetrages gehabt. Die Gesellschafter, die keinen Fixbezug erhalten hätten und keinen Vorgaben betreffend Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsumfang unterlegen seien, hätten demnach das volle wirtschaftliche Risiko zu tragen und zudem alle Aufwendungen abzudecken gehabt, welche deren Person betroffen hätten (Rechtsanwaltskammerumlage, Pensionsbeiträge, Krankenversicherung). Die Revisionswerberin habe als reine Haftungsbeschränkungsgemeinschaft gegenüber Dritten fungiert.

4        Der im Streitzeitraum verwirklichte Sachverhalt sei mit jenem vergleichbar, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2003, 2002/13/0186, zugrunde gelegen habe. Im angeführten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichthof die an Gesellschafter-Geschäftsführer ausbezahlten Vergütungen aufgrund des Unternehmerwagnisses bzw. Unternehmerrisikos nicht als Einkünfte iSd § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 qualifiziert und den dort angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

5        Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Erledigung vor, nachdem von der Revisionswerberin ein Antrag auf deren Unterbleiben gestellt worden ist.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge. Es stellte u.a. fest, der Gesellschafter Dr. W sei im Streitzeitraum zu 40% bzw. (ab 13. April 2018) zu 75% am Stammkapital der Revisionswerberin beteiligt gewesen. Er habe seit Juli 2013 die Geschäftsführung der Gesellschaft besorgt und anwaltliche Leistungen für Klienten der Revisionswerberin erbracht. Bei diesen Tätigkeiten habe er sich des Personals und der Büroinfrastruktur der Revisionswerberin bedient. Für die erbrachten anwaltlichen Leistungen habe Dr. W in den Monaten Jänner (10.000 €), Februar (38.920,54 €), März (20.000 €) und April 2018 (10.000 €) Vergütungen von insgesamt 78.920,54 € von der Revisionswerberin erhalten.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass Dr. W im Revisionszeitraum wesentlich iSd § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 beteiligt gewesen sei. Er habe „kontinuierlich über einen längeren Zeitraum“ die Aufgaben der Geschäftsführung der Revisionswerberin wahrgenommen und anwaltliche Leistungen an die Revisionswerberin erbracht. Dass die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers im operativen Bereich der Gesellschaft jene als Geschäftsführer allenfalls überwiege, sei für die Frage, ob Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit iSd § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 vorlägen, ohne Bedeutung (Hinweis auf VwGH 22.12.2004, 2002/15/0140). Die angeführte Bestimmung umfasse nämlich auch den in anderer Weise für die Gesellschaft tätigen Gesellschafter (Hinweis auf VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018). Der Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft stehe auch nicht entgegen, dass die Entlohnung auf Basis eines Werkvertrages erfolge (Hinweis auf VwGH 7.6.2005, 2004/14/0130), weil der zivilrechtlichen Gestaltung der Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter keine rechtliche Relevanz zukomme (Hinweis auf VwGH 23.9.2010, 2010/15/0121; 25.11.2009, 2007/15/0181; und 19.3.2008, 2008/15/0083). Dass der Gesellschafter keinen Vorgaben betreffend Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsumfang unterliege, stehe einer Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Revisionswerberin ebenfalls nicht entgegen, weil diese Umstände Ausfluss der Weisungsfreiheit des wesentlich beteiligten Gesellschafters seien (Hinweis auf VwGH 23.2.2010, 2010/15/0007).

8        Soweit die Revisionswerberin den Standpunkt vertrete, ein „verstärktes“ Unternehmerrisiko stehe der Subsumtion der gegenständlichen Vergütungen unter die Bestimmung des § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 entgegen, verkenne sie das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 2004, 2003/13/0018, weil bei gegebener organisatorischer Eingliederung in den Betrieb der Gesellschaft aufgrund der kontinuierlich über einen längeren Zeitraum andauernden Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung bzw. anderer Tätigkeiten des Geschäftsführers („operative“ Tätigkeiten) das Vorliegen von Einkünften iSd § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 zu bejahen und das Bestehen eines Unternehmerrisikos - unabhängig davon wie stark dieses ausgeprägt sei - nicht mehr zu prüfen sei (Hinweis auf VwGH 25.1.2012, 2008/13/0135; 20.12.2012, 2010/15/0109; 23.1.2013, 2010/15/0187; und 4.6.2020, Ra 2020/15/0002). Dem Verweis der Revisionswerberin auf das Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, 2002 13/0186, sei entgegenzuhalten, dass die vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis getroffenen Aussagen zum Unternehmerwagnis durch das bereits zitierte Erkenntnis des verstärkten Senates vom 10. November 2004 überholt seien (Hinweis auf VwGH 21.9.2006, 2006/15/0233). Auch im Erkenntnis vom 22.3.2006, 2006/13/0043, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die von der Revisionswerberin dort vorgetragenen Argumente hinsichtlich des Unternehmerrisikos mangels Relevanz ins Leere gingen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentlichen Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesfinanzgericht verweise im Hinblick auf die entscheidende Frage, „ob die in der RAO enthaltenen Vorschriften für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in der Form einer Kapitalgesellschaft dazu führen, dass die für die Gesellschaft als Geschäftsführer tätigen Rechtsanwälte bei einer kontinuierlichen Erbringung von Leistungen als nicht in den betrieblichen Organismus der Gesellschaft eingegliedert anzusehen sind“, auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom 24. Oktober 2017, RV/2100758/2012, und schließe sich den darin getroffenen Aussagen an, obwohl der Verwaltungsgerichtshof eine gegen diese Entscheidung erhobene Revision mit Beschluss vom 29. Mai 2018, Ra 2017/15/0108, zurückgewiesen habe. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich aufgrund des „weitaus ausgeprägteren Unternehmerrisikos“ von jenem, der der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom 24. Oktober 2017, RV/2100758/2012, zugrunde gelegen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bisher nicht mit einem Sachverhalt auseinandergesetzt, „in dem das Tatbestandsmerkmal des Unternehmerrisikos des Gesellschafter-Geschäftsführer derart stark ausgeprägt war wie im gegenständlichen Fall“. Die Beurteilung des gegenständlichen Falles, in dem die Revisionswerberin auch ausdrücklich mit dem ausgeprägten Unternehmerrisiko argumentiert habe, könne nicht mit dem Rückgriff auf bereits bestehende Judikate - in welchen das Unternehmerrisiko so gut wie nicht vorhanden gewesen sei - vorgenommen werden.

14       Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15       Vorweg ist anzumerken, dass das Bundesfinanzgericht keineswegs nur auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts verwiesen hat. Es wies auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, hin, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Gleichwertigkeit mehrerer näher ausgeführter Merkmale für eine Tätigkeit iSd § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 nicht aufrecht erhalten und insbesondere ausgesprochen hat, dass die Kriterien des Fehlens eines Unternehmerwagnisses und des laufenden Anfalles einer Entlohnung in den Hintergrund zu treten haben und entscheidende Bedeutung dem Umstand zukommt, ob der wesentlich beteiligte Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert ist. Den anderen Elementen, wie etwa dem Fehlen eines Unternehmerrisikos, kann für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 nur noch in solchen Fällen Bedeutung zukommen, in denen eine Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft nicht klar zu erkennen wäre. Eine solche Eingliederung wird durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegte erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft, sei es durch ihre Führung, sei es durch operatives Wirken auf ihrem Betätigungsfeld, verwirklicht wird.

16       Das Bundesfinanzgericht verwies weiters auf das Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0233, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass die Ausführungen zum Unternehmerwagnis im Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, 2002/13/0186, auf das die Revisionswerberin den von ihr vertretenen Standpunkt im Wesentlichen stützte, durch das zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004 überholt sind.

17       Auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2006, 2006/13/0043, wird im angefochtenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts angesprochen. In jenem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgeführt, dass den in dem damaligen Verfahren ins Treffen geführten Sachverhaltskomponenten, wie etwa dem Fehlen fester Arbeitszeiten oder eines dem Geschäftsführer zugewiesenen Arbeitsplatzes, vor dem Hintergrund des funktionalen Verständnisses vom Begriff der Eingliederung in den Organismus des Betriebes keine Bedeutung zuzubilligen ist und die in jenem Verfahren von der von der Gesellschaft vorgetragenen Argumente hinsichtlich des Unternehmerrisikos mangels rechtlicher Relevanz ins Leere gehen.

18       In der Revision wird nicht bestritten, dass der Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. W kontinuierlich über einen längeren Zeitraum die Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen hat. Dadurch ist im Sinne des zitierten Erkenntnisses des verstärkten Senates für den wesentlich beteiligten Geschäftsführer das Merkmal der Eingliederung in den betrieblichen Organismus der revisionswerbenden Gesellschaft bereits zweifelsfrei gegeben (vgl. zuletzt VwGH 29.5.2018, Ra 2017/15/0108, mwN).

19       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150025.L00

Im RIS seit

20.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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