TE Lvwg Erkenntnis 2022/4/19 LVwG-2022/30/0119-8

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Veröffentlicht am 19.04.2022
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Entscheidungsdatum

19.04.2022

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FrPolG 2005 §31 Abs1 Z2
FrPolG 2005 §31 Abs1a
FrPolG 2005 §120 Abs1a
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde der mexikanischen Staatsangehörigen AA, geboren am XX.XX.XXXX, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 17.11.2021, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde folgende Verwaltungsübertretung angelastet:

„1.       Datum/Zeit: 13.10.2021

Ort: **** Z, Adresse 1

Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) am 13.10.2021 in **** Z, Adresse 1 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da Sie nicht aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt waren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.       § 120 Abs. 1a FPG i.V.m. §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 Zif. 2 Fremdenpolizeigesetz idgF.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 2.500,00

9 Tage(n) 7 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 120 Abs. 1a zweiter Satz

Fremdenpolizeigesetz idgF.

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 250,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 2.750,00“

In der rechtzeitig mit E-Mail vom 12. Januar 2022 eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„Sehr geehrte Frau BB

GZ ***

Beschwerde,

Ich hoffe ich kann so meine Beschwerde einreichen zu der neuesten Strafe von 2.750 Eur, ich bitte sie ich kämpfe so sehr endlich meine Schulden zu begleichen und ein normales Leben in der sozialen Welt zu haben aber es kommt immer wieder mehr wie soll ich eine Arbeitsstelle behalten wenn ich ständig mit einem Bein im Knast stehe, folgendes

Ich lebe seit 1986 in Österreich habe immer einen gültigen Pass Führerschein sowie Aufenthaltsgenehmigung gehabt ich weis nicht was ich hätte machen sollen als den ersten Brief den ich erhalten habe wegen dem Gleichen zu beteuern das ich doch legal in Österreich bin seit 86 bin verheiratet mit einem österreichischen Staatsbürger und meine Kinder sind Österreicher, das tat ich telefonisch und es wurde niedergelegt als ich im Anschluss den zweiten Brief erhalten habe , dachte es wäre das gleiche nochmal und weil es so knapp hintereinander war war mir nicht klar nochmals Stellungnahme zu dem zu nehmen. Ich bitte Sie mir dieses Strafe nicht zu verhängen da ich nichts illegales getan habe .

Bitte um Verständnis und weitere Infos

Mfg

AA“

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurde der dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende Aufenthaltsakt bei der Bezirkshauptmannschaft Y als zuständige Aufenthaltsbehörde angefordert. Im Aufenthaltsverfahren hat die Bezirkshauptmannschaft Y mit Bescheid vom 24.09.2020 und im Aktenvermerk vom 08.04.2021 ausgesprochen, dass die Verlängerung des Aufenthaltstitels mit Gültigkeit vom 24.09.2020 bis 24.09.2023 von der Bezirkshauptmannschaft Y bewilligt wurde. Die in diesem Bescheid vom 24.09.2020 im Spruch ausgesprochene Feststellung, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet vom 28.06.2019 bis 23.09.2020 rechtmäßig war, setzt eine diesbezügliche Gleichzeitigkeit der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Gemäß § 20 Abs 2 2. Satz NAG ist der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen. Die Bezirkshauptmannschaft Y ist davon ausgegangen, dass gleichzeitig mit der Verlängerung der Gültigkeit des Aufenthaltstitels vom 24.09.2020 bis 24.09.2023 auch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Antragstellerin bis 23.09.2020 festzustellen war. Im gegenständlichen Fall hätte in weiterer Folge die bereits hergestellte Aufenthaltstitelkarte gemäß § 19 Abs 7 letzter Satz NAG auf dem Postweg zu eigenen Handen zugestellt werden können, da die Beschwerdeführerin im Inland rechtmäßig aufhältig war, über eine Zustelladresse verfügte, in der sie auch Zustellungen entgegennahm (siehe Zustellungsbescheid vom 24.09.2020 am 28.09.2020) und § 21 Abs 1 NAG dem nicht entgegengestanden ist. Die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung nach § 19 Abs 6 NAG lagen jedenfalls nicht vor, da persönliche Zustellungen an der bekannten Zustelladresse möglich waren und nicht wiederholt nicht möglich waren, wie es für eine Verfahrenseinstellung nach der zitierten Bestimmung erforderlich wäre. Die Bezirkshauptmannschaft Y wurde um neuerliche Prüfung des Aufenthaltsverfahrens ersucht.

In einem weiteren E-Mail wurde um Stellungnahme zur Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Beschwerdeführerin am 13.10.2021 sowie Mitteilung des etwaigen Verfahrensganges im Sinne des vorausgehenden Schreibens vom 25.01.2022 ersucht. Die Bezirkshauptmannschaft Y teilte mit E-Mail am 13.04.2022 dem LVwG Tirol zum gegenständlichen Verfahren mit, dass das gegenständliche Verlängerungsverfahren mit der erfolgten rechtzeitigen Antragstellung am 28.12.2018 wieder aufgenommen wurde. Es werden von der zuständigen Aufenthaltsbehörde nochmals die Voraussetzungen für eine Ausstellung des Aufenthaltstitels ROT-WEISS-ROT – Karte plus geprüft. Das eingeleitete Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wurde mit 15.03.2022 aufgrund Artikel 8 EMRK eingestellt. Gemäß § 20 Abs 2 NAG ist laut Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Y Frau AA aktuell rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens, insbesondere aufgrund der bei der zuständigen Aufenthaltsbehörde durchgeführten Erhebungen und insbesondere aufgrund der Mitteilung der Aufenthaltsbehörde, dass das mit der Antragstellung vom 28.12.2018 eingeleitete Verlängerungsverfahren wieder aufgenommen wurde und sich die Beschwerdeführerin aktuell und somit seit der Antragstellung weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, da die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

rechtmäßiger Aufenthalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.30.0119.8

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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