TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/22 94/01/0676

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Veröffentlicht am 22.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der K in W, mit ihren mj. Kindern L, B und F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994, Zl. 4.332.979/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. Jänner 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin - einer Staatsangehörigen der "jugoslawischen Föderation", die am 16. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 17. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Februar 1992, mit dem festgestellt wurde, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht erfülle, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung sowohl darauf gestützt, daß sie die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneinte, als auch darauf, daß sie davon ausging, daß bei der Beschwerdeführerin der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging dabei davon aus, daß sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten habe und es ihr somit möglich gewesen wäre, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Die Beschwerdeführerin sei in Slowenien keinerlei Verfolgungen ausgesetzt gewesen und hätte auch nicht befürchten müssen, ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ihr Heimatland abgeschoben zu werden.

Insoferne die belangte Behörde die Versagung des Asyls darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukomme, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, und Erhebung der Beschwerde nach dessen Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Die auf der Rechtslage vor der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 beruhende Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin würde aber nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn dem Bescheid auch in der Frage des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 eine Rechtswidrigkeit anzulasten wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0111).

Dies ist, wie nachstehende Ausführungen zeigen, der Fall:

Die Beschwerde wendet im Zusammenhang mit der Annahme der "Verfolgungssicherheit" durch die belangte Behörde zunächst ein, daß vorliegendenfalls die Anwendung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erst nach Erhebungen darüber, "ob der Aufenthalt des Antragstellers "(richtig: der Antragstellerin)" in Slowenien überhaupt bekannt gewesen sei", zulässig gewesen wäre. Diese Ausführungen stehen im Gegensatz zur ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), wonach es für die Annahme der Verfolgungssicherheit genügt, daß der Asylwerber im Drittland keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksam Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, von Verfolgungssicherheit also nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war. Mit diesem Beschwerdeeinwand kann demnach der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Die Beschwerdeführerin hat jedoch darüberhinaus ihre Beschwerde mit einem am 10. Juli 1995 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz ergänzt. In diesem bringt sie im Rahmen des von ihr geltend gemachten Beschwerdepunktes vor, daß sie in Slowenien vor Verfolgung und Abschiebung nicht sicher gewesen sei. Aus einer "Stellungnahme des UNHCR vom 7. April 1994" würde sich ergeben, daß in Slowenien Flüchtlinge, die nicht aus Bosnien-Herzegowina stammten, meist keinen Zugang zum Asylverfahren hätten. Asylanträge in Slowenien seien binnen drei Tagen zu stellen. Aufgrund der bisherigen Beobachtungen sei davon auszugehen, daß Anträge nicht entgegengenommen bzw. nicht bearbeitet werden. In vielen Fällen werde auch nicht meritorisch entschieden. Auch führe der "UNHCR" aus, daß insbesondere antragstellende "Kosovo-Albaner" - wie die Beschwerdeführerin eine sei - von slowenischen Organen willkürlich in Haft genommen und willkürlich behandelt werden. Eine Zusicherung des UNHCR dahin, daß im Einzelfall das Refoulement-Verbot beachtet werde, könne nicht gegeben werden.

Diese Beschwerdeausführungen basieren zwar auf einer Stellungnahme des UNHCR vom April 1994, doch wird damit erkennbar auch die mangelnde "Vefolgungssicherheit" im Jänner des Jahres 1992 - dem Zeitpunkt des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Slowenien - dargetan, wird doch diesen Ausführungen die (uneingeschränkte) Behauptung vorangestellt, die Beschwerdeführerin sei "vor der Verfolgung und Abschiebung nicht sicher gewesen" und wird überdies ausgeführt, der Bericht des UNHCR gründe sich auf "bisherige Beobachtungen". Damit macht die Beschwerdeführerin zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Die Beschwerdeführerin hat auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr aufgrund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerdeergänzung erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, die einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1995, Zl. 94/01/0456), aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, angeführte Rechtsprechung).

Schlagworte

Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994010676.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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