TE Vwgh Beschluss 2022/4/12 Ra 2022/22/0019

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Veröffentlicht am 12.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §2 Abs3
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnC
NAG 2005 §45 Abs8
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des M A, vertreten durch die Önal Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Sackstraße 21/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 10. September 2021, LVwG 26.8-450/2021-12, betreffend amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 Abs. 8 NAG iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Schreiben vom 4. März 2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Landeshauptmann von Steiermark gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mit, dass dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, mit Bescheid vom 18. November 2004 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden und (nunmehr) ein Endigungsgrund im Sinn von Art. 1 Abschnitt C Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) eingetreten sei. Gegenständlich sei gemäß § 7 Abs. 3 (erster Satz) AsylG 2005 eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Ablaufs der fünfjährigen Frist nicht mehr möglich. Nach rechtskräftiger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 Abs. 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ersuche das BFA um Mitteilung seitens der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde.

2        Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 11. Jänner 2021 wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ gemäß § 45 Abs. 8 NAG iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 erteilt.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4        Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, in der vorliegenden Konstellation sei im Hinblick auf die Mitteilung des BFA vom 4. März 2020 gemäß § 45 Abs. 8 NAG iVm § 7 Abs. 3 AsylG 2005 die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“ geboten. Damit erfolge weder eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten noch eine Aufenthaltsbeendigung.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4305/2021-5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung abtrat.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit das Bestehen eines erheblichen Rechtsschutzdefizits im gegebenen Zusammenhang geltend. Es fehle zudem Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 7 Abs. 3 zweiter und dritter Satz AsylG 2005 iVm § 45 Abs. 8 NAG, wobei insbesondere der für die Mitteilung des BFA im Sinn der genannten Bestimmungen erforderliche Inhalt sowie der Umfang der der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde obliegenden Prüfpflicht zu klären seien.

Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich jüngst in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2021, Ra 2021/20/0372, mit § 7 Abs. 3 AsylG 2005 und § 45 Abs. 8 NAG auseinandergesetzt. Zur Entstehungsgeschichte und den Materialien dieser Bestimmungen führte der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis wie folgt aus:

„34 Bereits die Stammfassung des AsylG 2005 (erlassen mit dem Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100) sah in seinem damaligen § 7 Abs. 2 vor, dass die Behörde einem Fremden den Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht aberkennen konnte, wenn die Aberkennung durch das (damals zuständige) Bundesasylamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgte und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte. War dies gegeben, hatte die Behörde die nach dem NAG zuständige Behörde vom Sachverhalt zu verständigen. Hatte diese der Behörde mitgeteilt, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, konnte auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt werden. Im NAG war in der Stammfassung (ebenfalls erlassen mit dem Fremdenrechtspaket 2005) in § 45 Abs. 5 vorgesehen, dass bei Vorliegen einer nach § 7 Abs. 2 AsylG 2005 erfolgten Verständigung der Asylbehörde dem Fremden von Amts wegen einer der in § 45 Abs. 5 NAG angeführten Aufenthaltstitel (‚Daueraufenthalt - EG‘ oder ‚Daueraufenthalt - Familienangehöriger‘) zu erteilen war.

35 Der Gesetzgeber führte zu dieser Regelung in den Materialien aus, dass die ‚soziale Verfestigung‘ nach einer Dauer von fünf Jahren - sofern eine Aberkennung nicht erstinstanzlich ausgesprochen worden sei - unwiderleglich vermutet werde, was der Verfestigung im Niederlassungswesen entspreche (RV 952 BlgNR 22. GP, 36). Eine Überleitung von Asylberechtigten in das Regime des NAG sei aber dann nicht möglich, wenn der Fremde den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat habe und ihm dort Schutz vor Verfolgung im Sinn der GFK gewährt worden sei, wenn der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle oder er von einem Gericht rechtskräftig wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute (RV 952 BlgNR 22. GP, 37). Damit wurden die weiteren in § 7 AsylG 2005 vorgesehenen Gründe für Aberkennung des Status des Asylberechtigten angesprochen.

36 Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122) erhielt der Absatz 3 des § 7 AsylG 2005 - soweit hier relevant - die aktuell geltende Fassung durch Einfügung der Wortfolge ‚ ,der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),‘.

37 Dazu führte der Gesetzgeber in den Erläuterungen wörtlich aus (RV 330 BlgNR 24. GP, 8f.):

‚Der bisherige § 7 Abs. 2 erhält die Absatzbezeichnung Abs. 3 und soll künftig nur mehr für Fremde anwendbar sein, die nicht straffällig im Sinne des § 2 Abs. 3 geworden sind. Das bedeutet, dass straffälligen Asylberechtigten ihr Status auch aus den in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Gründen (also insbesondere geänderte Umstände im Herkunftsstaat, freiwillige Heimkehr) nach mehr als fünf Jahren aberkannt werden kann. Die unwiderlegliche Vermutung, dass sich der Fremde in dieser Zeit sozial verfestigt hat, gilt in diesen Fällen nicht. Selbstverständlich kann der Fremde, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt wurde, einen Aufenthaltstitel nach dem NAG beantragen.‘“

11       Im Anschluss hielt der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis insbesondere in Bezug auf § 7 Abs. 3 zweiter und dritter Satz AsylG 2005 Folgendes fest:

„38 Aus diesen Regelungen geht somit unzweifelhaft hervor, dass der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, in jenem Fall, in dem ein Fremder, dem früher der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, der aber aus den in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Gründen den Schutz Österreichs nicht mehr benötigt, den Status des Asylberechtigten nicht zu belassen. Die bisherige Dauer des Aufenthalts ist lediglich für die Beurteilung maßgeblich, ob der betreffende Fremde in Bezug auf sein Aufenthaltsrecht in das Regime des NAG übergeführt werden soll.

39 Wurde der Fremde nicht straffällig, ist eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten aus den in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Gründen gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 allerdings erst nach Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässig. Gemäß § 45 Abs. 8 NAG ist dem Fremden ein Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EU‘ zu erteilen. Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels hat von Amts wegen zu erfolgen und setzt lediglich eine Verständigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl oder des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 voraus. Anders als in jenen Fällen, in denen dieser Aufenthaltstitel vom Fremden angestrebt wird, hat nach § 45 Abs. 8 NAG eine Prüfung, ob die sonst zu erfüllenden allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels vorliegen, nicht stattzufinden.“

12       Somit ist bereits klargestellt, dass in der vorliegenden Konstellation ein Aufenthaltstitel gemäß § 45 Abs. 8 NAG von Amts wegen zu erteilen ist.

13       Gegen die amtswegige Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels wendet sich der Revisionswerber mit dem Argument eines behaupteten Fehlens von Rechtsschutz im Zusammenhang mit der nach § 7 Abs. 3 AsylG 2005 ergangenen Mitteilung des BFA und dem von dieser Behörde eingeleiteten Verfahren zur Aberkennung seines Asylstatus.

14       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde aber, worauf schon das Verwaltungsgericht zutreffend hinwies, dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten nicht aberkannt, sondern ein Aufenthaltstitel erteilt. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten bedarf evidenter Maßen erst eines (mit Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpfbaren) Bescheides des BFA, in dem das Vorliegen eines Endigungsgrundes iSd § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 überprüfbar zu begründen ist, sodass nicht ersichtlich ist, worin angesichts des Gegenstands des angefochtenen Erkenntnisses (amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 Abs. 8 NAG) das vom Revisionswerber behauptete Rechtsschutzdefizit zu erblicken wäre.

15       Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in der vorliegenden Konstellation nach der vom Gesetzgeber gewählten Vorgangsweise vor der bescheidmäßigen Aberkennung des Asylstatus die lediglich an das Ergehen einer Mitteilung des BFA nach § 7 Abs. 3 AsylG 2005 gebundene amtswegige Erteilung des in Rede stehenden Aufenthaltstitels zu erfolgen hat. Für eine nähere Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Mitteilung durch die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde (bzw. das Landesverwaltungsgericht) besteht weder eine rechtliche Grundlage noch - wie bereits ausgeführt - aus Rechtsschutzgründen der vom Revisionswerber behauptete Überprüfungsbedarf.

16       Da somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022220019.L03

Im RIS seit

13.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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