RS Vfgh 2022/3/7 V54/2021 (V54/2021-11)

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Veröffentlicht am 07.03.2022
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Index

L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, Ortstaxe

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Tir FreizeitwohnsitzabgabeG §4 Abs3
Tir AufenthaltsabgabeG 2003 §6
FreizeitwohnsitzabgabeV des Gemeinderates der Gemeinde Wörgl vom 12.11.2019 §1
FAG 2017 §16 Abs1 Z4
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Stadtgemeinde Wörgl betreffend die Höhe von Freizeitwohnsitzabgaben; Ermächtigung der Gemeinde zur Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb von Mindest- und Höchstsätzen zur Abdeckung von durch Zweitwohnsitzen entstehende Aufwendungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt sind; keine Ausführungen betreffend die Verwendung des Höchstsatzes zur Deckung überdurchschnittlicher Aufwendungen sowie die Art der – nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzabgabepauschale abgedeckten – finanziellen Belastungen für die Gemeinde; Wahl des höchsten Abgabensatzes kann nicht allein auf die Höhe des Verkehrswerts des Freizeitwohnsitzes gestützt werden

Rechtssatz

Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wörgl vom 12.11.2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe (Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol - LVwG).

§4 Abs3 Tir FreizeitwohnsitzabgabeG stellt eine vom Gleichheitssatz determinierte Rechtsgrundlage dar, die abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes jeweils eine Bandbreite für die Freizeitwohnsitzabgabe festlegt. Innerhalb dieser Bandbreite hat die Gemeinde die Höhe der Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei sie auf die Belastungen durch Freizeitwohnsitze unter Berücksichtigung der erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben und auf die Verkehrswerte der Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.

Die Freizeitwohnsitzabgabe ist als Zweitwohnsitzabgabe nicht eine nach dem Äquivalenzprinzip zu erhebende Gebühr und daher ist hinsichtlich der Belastungen nicht auf die für einen bestimmten Freizeitwohnsitz konkret anfallenden Aufwendungen abzustellen, sondern es kommt auf die Belastung der Gemeinde insgesamt an. Entgegen der Auffassung des LVwG kann auch nicht aus dem Umstand einer im Vergleich geringen Freizeitwohnsitzquote abgeleitet werden, dass die Festsetzung der Abgabe im Höchstausmaß schon deshalb gesetzwidrig sei: Eine die Festlegung mit dem Höchstsatz rechtfertigende Belastung mit besonderen durch Freizeitwohnsitze bedingten Aufwendungen kann auch in Gemeinden mit niedriger Freizeitwohnsitzquote nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal Aufwendungen auch unabhängig von der Anzahl an Freizeitwohnsitzen anfallen können.

Keine Darlegung der besonderen Belastungen:

Im Fall der Festlegung der Abgabe mit dem Höchstsatz muss erkennbar sein, dass es sich bei den darzulegenden Aufwendungen um überdurchschnittliche Aufwendungen handelt. Dabei haben Aufwendungen, die durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben finanziert werden, außer Betracht zu bleiben. Allgemeine Ausführungen etwa zur regionalen oder wirtschaftlichen Stellung einer Gemeinde und den Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen reichen dagegen nicht hin, den Höchstsatz zu begründen (VfSlg 18792/2009).

Weder dem Verordnungsakt noch den im Verfahren erstatteten Äußerungen sind Ausführungen dazu zu entnehmen, welcher Art die nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzpauschale abgegoltenen finanziellen Belastungen sind, auf die von der Gemeinde im Rahmen der Festlegung der Höhe der Abgabe Bedacht zu nehmen ist. Die Verordnung ist daher schon aus diesem Grund gesetzwidrig.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die zu den Verkehrswerten vorgebrachten Bedenken zutreffen: Zwar befindet sich nach der Äußerung der Tiroler Landesregierung die Höhe der Grundstückspreise "[i]m tirolweiten Vergleich [...] in der Stadtgemeinde Wörgl [...] deutlich im oberen Bereich und weit über dem Medianwert [...]." Auch teilt der VfGH die Auffassung, dass der Umstand, dass Verkehrswerte unterhalb der Höchstpreise liegen, der Ausschöpfung des Höchstsatzes nicht entgegensteht. Eine Ausschöpfung im Höchstsatz kann allerdings nicht allein auf die Höhe der Verkehrswerte gestützt werden, ohne die durch Freizeitwohnsitze bedingten überdurchschnittlichen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze darzulegen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wohnsitz Freizeit-, Wohnsitz Zweit-, Abgaben, Gebühr, Fremdenverkehr, Finanzausgleich, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V54.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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