TE Vwgh Erkenntnis 2022/4/5 Ra 2021/08/0047

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Veröffentlicht am 05.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §225 Abs1 Z6
ASVG §243 Abs1 Z1
ASVG §243 Abs1 Z1 idF 1989/642
ASVG §273
ASVG §314
ASVG §314 Abs1
ASVG §314 Abs4
ASVG §5 Abs1 Z7
ASVGNov 48te
AVG §37
AVG §52
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt Wien, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 42/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2021, W178 2222087-1/16E, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: DI C S, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Dem Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom 3. August 2012 eine Alterspension ab 1. August 2012 zuerkannt. Mit Bescheiden vom 21. August 2015, 26. August 2015 und 28. September 2015 erfolgte eine Neubemessung im Rahmen einer besonderen Höherversicherung nach § 248c ASVG unter Berücksichtigung von Zeiten, in denen der Mitbeteiligte - vom 13. November 1998 bis zum 13. April 2015 - als Angehöriger eines Ordens gemäß § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen war. Ab dem 1. Jänner 2015 wurde eine Alterspension in Höhe von € 2.453,78 gewährt.

2        Der Mitbeteiligte brachte gegen die Höhe der Alterspension eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein. Das Verfahren über diese Klage wurde im Stadium des Berufungsverfahrens vom OLG Wien mit Beschluss vom 21. Dezember 2018 gemäß § 74 ASGG unterbrochen, bis über die Vorfrage der Beitragsgrundlagen als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden sei.

3        Die PVA erließ daraufhin den Bescheid vom 14. Juni 2019, mit dem sie für die Jahre 1972 bis 2011 näher bezifferte Beitragsgrundlagen feststellte. Der Bescheid enthielt keine inhaltliche Begründung.

4        Der Mitbeteiligte erhob dagegen insoweit Beschwerde, als die monatlichen Beitragsgrundlagen für den Zeitraum 13. November 1998 bis 31. Dezember 2011 zu niedrig und für den Zeitraum 1. Jänner 2012 bis 13. April 2015 keine Beitragsgrundlagen festgestellt worden seien.

5        Das Bundesverwaltungsgericht behob den Bescheid zunächst mit „Beschluss“ vom 9. September 2019 ersatzlos, weil die Feststellung der Beitragsgrundlagen dem Krankenversicherungsträger obliege und die PVA daher zur Erlassung des bekämpften Bescheides unzuständig gewesen sei. Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgerichtshof über Revision des Mitbeteiligten mit Erkenntnis vom 29. Jänner 2020, Ra 2019/08/0148, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben; da die Einhebung des Überweisungsbetrages nach § 314 ASVG nicht den Trägern der Krankenversicherung oblegen sei, sei nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften (§ 29 iVm § 355 und § 409 erster Satz ASVG) für die Feststellung der Beitragsgrundlagen in jenen Zeiträumen, für die ein Überweisungsbetrag geleistet worden sei, die PVA zuständig.

6        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und stellte für die Jahre 1998 bis 2011 gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 iVm § 225 Abs. 1 Z 6 ASVG näher bezifferte monatliche Beitragsgrundlagen fest.

7        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Mitbeteiligte mit 3. Juli 1973 ein Studium an der Universität für Bodenkultur als Diplomingenieur abgeschlossen habe und ab 1. September 1973 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im Höheren Dienst beschäftigt gewesen sei. Ab dem 25. Juni 1996 sei er als Hofrat der Niederösterreichischen Landesregierung in der Dienstklasse VIII Gehaltsstufe 2 der Dienstpragmatik der Niederösterreichischen Landesbeamten 1972 eingestuft gewesen. Sein Gehalt habe zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses öS 48.490,-- monatlich betragen.

8        Mit 13. November 1998 sei er in den Benediktinerorden eingetreten. Mit 13. April 2015 sei er aus dem Orden wieder ausgetreten.

9        Nach dem Austritt sei dem Orden mit Bescheid der PVA (vom 19. Juni 2015) gemäß § 314 ASVG ein Überweisungsbetrag von € 28.855,58 (für insgesamt 197 Beitragsmonate) vorgeschrieben worden. Die Berechnung sei auf Basis des § 308 Abs. 6 ASVG erfolgt, es seien (gemäß § 314 Abs. 4 ASVG) 7% der „männlichen Arbeiterbeitragsgrundlage“ zugrunde gelegt worden. Damit habe der Mitbeteiligte unstrittig Beitragszeiten für die Zeit vom 13. November 1998 bis zum 13. April 2015 erworben.

10       Welche Tätigkeiten er während seiner Zeit als Ordensangehöriger verrichtet habe, sei hier nicht von Relevanz, daher seien dazu auch keine Feststellungen zu treffen.

11       Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sei für die Bemessung der (für die Pensionsbemessung maßgeblichen) Beitragsgrundlage nach § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG darauf abzustellen, welches Einkommen der Mitbeteiligte in der Zeit seiner Ordenszugehörigkeit auf Grund seiner Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten in den streitgegenständlichen Zeiträumen ins Verdienen gebracht hätte. Er habe ein Studium absolviert und sei als Absolvent einer akademischen Ausbildung als Beamter des Landes Niederösterreich in der Verwendungsgruppe A (höherer Dienst) tätig gewesen. Auf Grund der landesgesetzlich festgelegten Höhe des Entgelts bei dieser Tätigkeit sei kein berufskundliches Gutachten über die Entwicklung der Einkommenshöhe in dieser Position notwendig. Wäre der Mitbeteiligte nicht aus dem Landesdienst ausgeschieden, um in den Orden einzutreten, sei davon auszugehen, dass er die typische Berufslaufbahn eines Landesbeamten mit akademischer Ausbildung gegangen wäre. Im gegenständlichen Fall seien das Studium, die Ernennung zum Beamten des höheren Dienstes und die absolvierte Vordienstzeit von fast 20 Jahren als jene Kenntnisse und Fähigkeiten heranzuziehen, nach denen die Beitragsgrundlage zu bilden sei.

12       Bereits das vor seinem Ausscheiden gebührende Gehalt habe die in diesem Jahr geltende Höchstbeitragsgrundlage erreicht. Der Dienstpragmatik entsprechend wäre der Mitbeteiligte in den darauffolgenden Jahren durch Vorrückung, Zeitvorrückung und Überstellung in den Genuss eines steigenden Gehalts gekommen. Es sei auf Grund der geringen beruflichen Mobilität von Beamten nicht davon auszugehen, dass er den Landesdienst verlassen hätte.

13       Der Mitbeteiligte hätte „im Vergleich mit einer anderen Person mit gleicher Ausbildung und gleichen Kenntnissen und Fähigkeiten“ bei Verbleib im säkularen Leben als Beamter der Landesregierung weiterhin ein Gehalt in einer Höhe verdient, das die jeweilige monatliche Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG überschritten hätte. Es sei somit nicht notwendig, die individuelle Höhe des Einkommens zu ermitteln, das der Mitbeteiligte erhalten hätte.

14       In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht die in den Jahren 1998 bis 2011 jeweils geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlagen fest. Die von der PVA hinsichtlich der Jahre 1972 bis 1997 festgestellten Beitragsgrundlagen seien nicht bestritten worden. Die Jahre 2011 bis 2015 seien nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und damit auch nicht der Beschwerde gewesen. Die Bildung der Gesamtbeitragsgrundlagen nach §§ 238 und 242 ASVG zur Bildung der jeweiligen Bemessungsgrundlage habe erst durch die PVA bei der Leistungsberechnung zu erfolgen.

15       In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich nach der im gegenständlichen Fall geltenden Rechtslage die Höhe der Beitragsgrundlage nicht nach jener Beitragsgrundlage bestimme, nach der die Höhe des Überweisungsbetrags berechnet werde, sondern gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG eine eigene Beitragsgrundlage zu ermitteln sei, und zwar in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten.

16       Es komme entgegen der Auffassung der PVA nicht darauf an, welches Gehalt der Mitbeteiligte bekommen hätte, wenn er die Tätigkeiten, die er im Rahmen seiner Ordenstätigkeit geleistet habe, in einem Dienstverhältnis geleistet hätte. Dem Gesetzgeber könne dies nicht unterstellt werden, weil gerade Tätigkeiten im Rahmen der Ordenszugehörigkeit nicht mit sonstigen Arbeitsverhältnissen vergleichbar seien. Die klösterliche Arbeit könne in sachlicher Weise nicht mit den Maßstäben des Arbeitsmarktes gemessen werden. Die gesetzliche Regelung, dass der in der betreffenden Zeit übliche Arbeitsverdienst eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten heranzuziehen sei, ergebe dann einen sinnvollen Inhalt, wenn darauf abgestellt werde, was die konkrete Person auf Grund der individuellen Merkmale ihres bisherigen Berufslebens und der zu erwartenden weiteren Berufslaufbahn verdient hätte, wenn sie nicht in den Orden eingetreten wäre. So sei nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch das Erkenntnis VwGH 23.6.1988, 87/08/0305, zu verstehen. Es sei der Wille des Gesetzgebers gewesen, ehemaligen Ordensangehörigen keinen Nachteil in ihren versicherungsrechtlichen Verhältnissen erwachsen zu lassen, wenn sie in einen Orden eintreten und diesen schließlich wieder verlassen.

17       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Die Entscheidung basiere auf einer eindeutigen Gesetzesbestimmung. Die hier zu klärende strittige Frage liege „auf der Ebene der Interpretation“.

18       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der PVA. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:

19       Die PVA bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, dass im gegenständlichen Verfahren die Frage zu beantworten sei, wie § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG auszulegen sei. Das vom Bundesverwaltungsgericht dazu zitierte Erkenntnis VwGH 23.6.1988, 87/08/0305, sei zu einer Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Bestimmung ergangen. Die Rechtsansicht, die das Bundesverwaltungsgericht vertrete, sei mit dem Wortlaut des § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG nicht in Einklang zu bringen. Insbesondere widerspreche es dem Wortlaut des Gesetzes, dass festzustellen wäre, welchen Verdienst die konkrete Person in einer typischen Berufslaufbahn lukriert hätte.

20       Die Revision ist wegen des aufgezeigten Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlung der Beitragsgrundlagen nach § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG zulässig. Sie ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, im Ergebnis auch berechtigt.

21       Gemäß § 314 Abs. 1 ASVG ist dann, wenn ein gemäß § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG von der Vollversicherung ausgenommener Geistlicher der Katholischen Kirche aus dem Geistlichen Stand bzw. ein Angehöriger eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw. der Kongregation ausscheidet, von der Diözese bzw. dem Orden (der Kongregation) dem Pensionsversicherungsträger, der auf Grund der vom Geistlichen bzw. vom Angehörigen des Ordens oder der Kongregation ausgeübten Tätigkeit zuletzt zuständig gewesen wäre, ein Überweisungsbetrag zu leisten. Der Überweisungsbetrag wird seit der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, gemäß § 314 Abs. 4 ASVG pauschal mit einem nach der für Arbeiter in Betracht kommenden Berechnungsgrundlage gemäß § 308 Abs. 6 ASVG (für Männer: 45% der Höchstbeitragsgrundlage) festgesetzt. Auf das Entgelt, auf das der Geistliche oder Ordensangehörige im letzten Monat vor seinem Ausscheiden Anspruch gehabt hat, bzw. alternativ auf einen fiktiven Entgeltanspruch kommt es bei der Bestimmung des Überweisungsbetrages - anders als nach der zuvor geltenden Rechtslage - nicht mehr an.

22       Bei der Bildung der für die Pensionsbemessung maßgeblichen Beitragsgrundlage wird aber - um, wie in den ErlRV 1098 BlgNR 17. GP, 15 ausgeführt wird, gegenüber der früheren Rechtslage leistungsrechtliche Nachteile der Versicherten zu verhindern - nicht an die für den Überweisungsbetrag maßgebliche Berechnungsgrundlage angeknüpft. Vielmehr ist die Beitragsgrundlage für Beitragszeiten nach § 225 Abs. 1 Z 6 ASVG (Zeiten nach dem 31. Dezember 1955, für die ein Überweisungsbetrag nach § 314 ASVG geleistet worden ist) gemäß § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG „ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“.

23       Das entspricht der Methode der Berechnung des Überweisungsbetrages nach der Rechtslage vor der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, in jenen Fällen, in denen der Geistliche bzw. Ordensangehörige vor seinem Ausscheiden keinen Anspruch auf Entgelt gehabt hatte.

24       § 243 Abs. 1 Z 1 ASVG idF BGBl. Nr. 642/1989 bietet hingegen nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut keine Grundlage mehr dafür, dass ein allenfalls tatsächlich bestehender Entgeltanspruch der Beitragsgrundlagenbildung zugrunde gelegt wird. Es ist also stets die Höhe des „in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“ zu ermitteln. Angesichts der insoweit übereinstimmenden Formulierung in § 314 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 642/1989 kann dazu auf die im Erkenntnis VwGH 23.6.1988, 87/08/0305, zur alten Rechtslage getroffene Aussage zurückgegriffen werden, wonach bei der Ermittlung des in einer bestimmten Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines Versicherten mit einer bestimmten Ausbildung und von bestimmten Kenntnissen und Fähigkeiten grundsätzlich von den zur maßgeblichen Zeit auf dem Arbeitsmarkt gegebenen tatsächlichen Verhältnissen auszugehen ist, die - ähnlich wie im Rahmen eines Verfahrens nach § 273 ASVG - allenfalls unter Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen festgestellt werden können.

25       Es ist demnach - wie schon der Gesetzeswortlaut nahelegt - zum einen nicht der (potentielle) Verdienst auf Grund einer bestimmten im Orden ausgeübten Tätigkeit maßgeblich, sondern der Verdienst, der bei einer auf Grund der vorhandenen Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten möglichen Beschäftigung „üblich“ wäre; für diese Auslegung spricht im Übrigen auch, dass insbesondere in kontemplativen Orden vielfach Tätigkeiten erbracht werden, die sich einer pekuniären Bewertung weitgehend entziehen. Weiters kommt es auf die Verdienstmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht auf allfällige kircheninterne Einstufungen an.

26       Die gesetzliche Formulierung „eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“ zeigt zudem, dass generell eine abstrakte Betrachtung Platz zu greifen hat und der Beurteilung nicht die individuelle Person, sondern eine Maßperson zugrunde zu legen ist, bei der jedenfalls körperliche und geistige Gesundheit vorauszusetzen ist.

27       In diesem Sinn ist einerseits - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht der PVA - nicht entscheidend, welche konkreten Tätigkeiten im Orden ausgeübt wurden und wie diese (sei es nach kirchlichen Besoldungsregeln, sei es unter Betrachtung von vergleichbaren Beschäftigungen am allgemeinen Arbeitsmarkt) zu bewerten wären. Andererseits kommt es aber entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht darauf an, welche Karriere die konkret betroffene Person hypothetisch bei Wegfall des Ordenseintritts durchlaufen hätte. Vielmehr ist von einer abstrakten Maßperson selben Alters auszugehen, die über all jene Ausbildungen, Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, welche die konkret betroffene Person sowohl vor dem Ordenseintritt als auch während der Zeit im Orden erworben hat.

28       Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass zu ermitteln gewesen wäre, welcher Verdienst für eine Person, die wie der Mitbeteiligte über ein abgeschlossenes Studium an der Universität für Bodenkultur verfügt, mehrere Jahre im Verwaltungsdienst eines Landes tätig war und während der Zeit im Orden - vom Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Maßgeblichkeit dieser Sachverhaltselemente nicht festgestellte - weitere Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, während der Zeiten, für die ein Überweisungsbetrag geleistet wurde, möglich gewesen wäre. Dabei genügt es, sich auf einige typische Berufsbilder und Tätigkeiten zu beschränken. Aus den sich daraus ergebenden fiktiven Entgeltansprüchen wären dann für die einzelnen Beitragszeiträume Durchschnittsbeträge zu ermitteln, die als üblicher Arbeitsverdienst im Sinn des § 243 Abs. 1 Z 1 fünfter Fall ASVG der Beitragsgrundlagenberechnung zugrunde zu legen sind.

29       Da das Bundesverwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 5. April 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080047.L00

Im RIS seit

05.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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