TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 95/06/0091

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.1996
beobachten
merken

Index

L57507 Camping Mobilheim Tirol;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BauRallg;
CampingplatzG Tir 1980 §5 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des F in Längenfeld, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. März 1995, Zl. IIc - 10/723106/4, betreffend Entfernungsauftrag gemäß Tiroler Campingplatzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 26. Juli 1994 wurde dem Beschwerdeführer als Betreiber des Campingplatzes Camping X in Längenfeld aufgetragen, die auf den Standplätzen D 55, D 56, D 57, D 58, D 59, D 60, und B 1 bis B 10, B 18 und D 21 dieses Campingplatzes unzulässigerweise errichteten massiven Vorhäuser bis spätestens 20. Oktober 1994 zu entfernen.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und änderte den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, "daß sich der Entfernungsauftrag auf die im Errichtungsbewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Längenfeld vom 11. September 1978 zugrundeliegenden Plan ausgewiesenen Standplätze 35 bis 43, 48, 54 und 77 bis 82 auf dem Gst. Nr. n/1 und Gst. Nr. n2 Grundbuch Längenfeld errichteten Vorhäuser erstreckt und daß die auf diesen Standplätzen errichteten massiven Vorhäuser bis spätestens 01.05.1995 zu entfernen" seien. Die Bezeichnung der Standplätze sei gemäß der Bezeichnung dieser Standplätze in dem der Errichtungsbewilligung für den Campingplatz zugrundeliegenden Plan heranzuziehen. Aus einer allfälligen irrtümlichen Duldung der zum Zeitpunkt der Überprüfung am 10. Mai 1989 bereits errichteten Vorbauten durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Imst könne weder der rechtmäßige Bestand dieser baulichen Anlagen noch der rechtmäßige Bestand von in der Folge errichteten Vorbauten auf den in Frage stehenden Standplätzen abgeleitet werden. Auch werde die Begründung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 9. Juni 1989, wonach "die Erfüllung der im Spruch des Bescheides abgeführten Ausnahmen angenommen werde, daß der Campingplatz und die Ausstattung dieses Campingplatzes absolut den Bestimmungen des Tiroler Campingplatzgesetzes gerecht werden", nicht von der Rechtskraft des Bescheides erfaßt, weil nur der Spruch und nicht die Begründung eines Bescheides in Rechtskraft erwachsen könne. Außerdem seien die Überprüfungen des Amtstechnikers der Bezirkshauptmannschaft Imst am 19. September 1990 und 14. August 1991 lediglich zum Zwecke der Feststellung, ob die im Bescheid vom 9. Juni 1989 angeführten Auflagen erfüllt worden seien, erfolgt. Gemäß § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz dürften mit Ausnahme von Anlagen, die der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung oder der Abwasserbeseitigung dienen, keine baulichen Anlagen errichtet werden. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei unter einer baulichen Anlage eine Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht werde und die wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sei, öffentliche Interessen zu berühren. Bezüglich des Erfordernisses einer Verbindung mit dem Boden habe der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1979, Zl. 2131/76, unter Hinweis auf die Vorjudikatur zum Ausdruck gebracht, daß es nicht auf die faktische Ausführung und auch nicht auf die rasche Demontagemöglichkeit, sondern darauf ankomme, ob die Anlage bei werkgerechter Herstellung im Boden sturm- und kippsicher verankert sein müsse. Es könne nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Zweifel gezogen werden, daß die in Frage stehenden Wohnwagenvorbauten mit den im einzelnen festgestellten Ausmaßen bei werkgerechter Herstellung zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses der Sicherheit einer sturm- und kippsicheren Verbindung mit dem Boden bedürften, wie sie in den vorliegenden Fällen faktisch bewerkstelligt worden sei. Der hochbautechnische Sachverständige habe in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 17. Oktober 1994 zur Frage, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Vorbauten um bauliche Anlagen handle, ausgeführt, die Vorbauten bestünden aus einer Holzriegelkonstruktion mit einem PVC-Pultdach, die Außenwände seien mit einer Holzschalung verkleidet. Die Vorbauten besäßen einen Bretterboden, der mit einem Teppichboden ausgelegt sei. Der Bretterboden liege auf dem gewachsenen Erdboden auf. Die Vorbauten seien mit je einer versperrbaren Tür und zwei festen Kunststoffenstern versehen. Sie seien mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet. Die Vorbauten hätten ein Ausmaß von ca. 2,20 m x 3,80 m und überragten den Wohnwagen an der Eingangsseite. Die Vorbauten seien unmittelbar an die Wohnwägen angeschlossen und erfüllten nur mit diesen ihren Schutzzweck für Mensch und Sachen. Es handle sich dabei um eine Anlage, die von Menschen betreten werde, zum Schutz von Menschen und Sachen diene und zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse im Hinblick auf die Standsicherheit, Schnee- und Windlasten erforderlich seien. Die Verbindung mit dem Boden sei gegeben, weil die Riegelwände auf den gewachsenen Boden gestellt worden seien. Es handle sich somit um bauliche Anlagen. Im übrigen werde auf die zutreffende Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf fehlerfreie Auslegung des § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz, LGBl. Nr. 69/1980, dürfen auf den Standplätzen mit Ausnahme von Anlagen, die der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung oder der Abwasserbeseitigung dienen, keine baulichen Anlagen errichtet werden. Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde dem Inhaber des Campingplatzes, wenn sich ein Campingplatz nicht in einem diesem Gesetz bzw. der Errichtungsbewilligung und der Betriebsbewilligung sowie den darin enthaltenen Auflagen entsprechenden Zustand befindet, die Behebung der Mängel innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen. Werden die Mängel innerhalb der festgesetzten Frist nicht behoben, so hat die Behörde den Campingplatz zu sperren.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, zur Auslegung des Begriffes bauliche Anlage im § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz könne nicht der Begriff "bauliche Anlage" des § 3 Abs. 1 Tiroler Bauordnung herangezogen werden. Das Tiroler Campingplatzgesetz verfolge ganz andere Ziele und Interessenlagen. Hätte die belangte Behörde den Zweck der Bestimmung des § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz bei der Auslegung des Begriffes "bauliche Anlage" mitberücksichtigt, so hätte sie erkennen müssen, daß es sich bei den errichteten "Vorhäuschen" um keine baulichen Anlagen im Sinne dieses Gesetzes handle. Durch diese Bestimmung habe der Gesetzgeber verhindern wollen, daß auf den Standplätzen feste Anlagen errichtet würden, die es den Gästen ermöglichten, auf dem Campingplatz einen Zweitwohnsitz zu begründen. Derartige bauliche Anlagen würden hier aber nicht vorliegen. Die vorliegenden Wohnwägen mit den angebrachten Vorhäuschen dienten lediglich der kurzfristigen Vermietung an Feriengäste. Ohne diese "Vorhäuschen" wären die Wohnwägen vor allem im Winter nicht vermietbar.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Zusammenhang mit dem Begriff "bauliche Anlage" in § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz unter Bezugnahme auf Regelungen in Bauordnungen zum Ausdruck gebracht hat, ist unter einer baulichen Anlage eine Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht wird und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0135). Gemäß § 3 Abs. 1 Tiroler Bauordnung, LBGl. Nr. 33/1989 (im folgenden: TBO), sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind. Gemäß § 3 Abs. 2 TBO sind Gebäude überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Bezüglich des Erfordernisses einer Verbindung mit dem Boden - als Qualifikationsmerkmal einer baulichen Anlage - hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 1979, Zl. 2131/76, und vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0135), daß es nicht auf die faktische Ausführung und auch nicht auf die rasche Demontagemöglichkeit, sondern darauf ankomme, ob die Anlage bei werkgerechter Herstellung im Boden sturm- und kippsicher verankert sein muß. Die Verbindung mit dem Boden ist auch dann anzunehmen, wenn eine Anlage zwar so, wie sie ausgeführt wurde, keine Verbindung mit dem Boden hat, eine solche aber bei ordnungsgemäßer Ausführung nach den Regeln der technischen Wissenschaften haben müßte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1966, Zl. 1532/65). Es ist zwar zutreffend, daß der hochbautechnische Sachvertändige das Vorliegen einer Verbindung mit dem Boden schon allein deshalb bejaht hat, weil die Riegelwände auf den gewachsenen Boden gestellt wurden, eine Feststellung des Sachverständigen, daß die Vorbauten bei sachgerechter Herstellung mit dem Boden verankert sein müßten, enthält das Gutachten dieses Sachverständigen tatsächlich nicht. Es kann aber nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Zweifel gezogen werden, daß ein Objekt im Ausmaß von ca. 2,2 m x 3,8 m bei werkgerechter Herstellung zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Sicherheit einer sturm- und kippsicheren Verbindung mit dem Boden bedarf, wie es im vorliegenden Fall auch faktisch durch das Davorstellen des Wohnwagens vor die offene Seite des Vorbaues zu bewerkstelligen versucht wurde (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0135). Auch der Beschwerdeführer geht davon aus, daß die angeführten Vorbauten ohne den davor stehenden Wohnwagen keinesfalls sturm- und kippsicher seien. Andererseits besteht zwischen dem Vorbau und dem davorstehenden Wohnwagen nach den Beschwerdebehauptungen keinerlei Zusammenhang, sodaß die Frage des Vorliegens einer baulichen Anlage in bezug auf den Wohnwagenvorbau allein anhand desselben zu stellen ist.

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß einige von den Vorbauten bei früheren Überprüfungen der erstinstanzlichen Behörde unbeanstandet geblieben seien, insbesondere der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 9. Juni 1989 in der Begründung davon spreche, daß der Campingplatz nach Erfüllung der im Spruch des Bescheides angeführten Maßnahmen "absolut den Bestimmungen des Tiroler Campingplatzgesetzes gerecht werde", ergibt sich daraus nicht, sofern die in Frage stehenden Vorbauten bauliche Anlagen im Sinne des § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatz darstellen, daß das in dieser Bestimmung statuierte Verbot in bezug auf derartige Anlagen, die nicht der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung oder der Abwasserbeseitigung dienen, nicht gilt. Der baupolizeiliche Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 9. Juni 1989 richtete sich allein auf die im Spruch genannten Maßnahmen. In bezug auf Wohnwagenvorbauten enthält dieser Bescheid keinen Abspruch. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß in bezug auf diese Wohnwagenvorbauten bereits eine entschiedene Sache vorläge. Der bloß in der Begründung dieses Bescheides getroffenen Aussage, daß der Campingplatz mit Ausnahme der im Spruch angeführten erforderlichen Maßnahmen den Bestimmungen des Gesetzes entspreche, kommt - wie das von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wurde - gegenüber dem gesetzlich statuierten Verbot für die Errichtung baulicher Anlagen gemäß § 5 Abs. 4 Tiroler Campingsplatzgesetz keine normative Bedeutung zu. Abgesehen davon bestanden im Zeitpunkt dieser Entscheidung nach den Beschwerdebehauptungen nur drei dieser Vorbauten.

Sofern sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben beruft, weil er im Hinblick darauf, daß die im Zeitpunkt der Überprüfung am 10. Mai 1989 bestehenden drei "Vorhäuschen" nicht beanstandet worden seien, weitere "Vorhäuschen" angeschafft habe, so kann er daraus keine Berechtigung zur Errichtung derartiger baulicher Anlagen, die gemäß § 5 Abs. 4 Tiroler Campingplatzgesetz verboten sind, ableiten.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auch unter Berufung auf das vom hochbautechnischen Sachverständigen erstattete Gutachten dargelegt, daß die in Frage stehenden Vorbauten bauliche Anlagen darstellen. Die belangte Behörde hat sich offensichtlich der Auffassung des hochbautechnischen Sachverständigen zu dieser Frage angeschlossen. Im übrigen hat die belangte Behörde nicht nur die Ansicht dieses Sachverständigen wiedergegeben, sondern ist bei ihren Überlegungen von der hg. Judikatur zum Begriff einer baulichen Anlage - wie sie bereits dargelegt wurde - ausgegangen. Vor allem aber hat sie auch zutreffend die Auffassung vertreten, daß es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Zweifel gezogen werden könne, daß die in Frage stehenden Wohnwagenvorbauten mit den im einzelnen festgestellten Ausmaßen bei werkgerechter Herstellung zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Sicherheit einer sturm- und kippsicheren Verbindung mit dem Boden bedürften, wie sie in den vorliegenden Fällen auch faktisch bewerkstelligt worden sei.

Der angefochtene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer somit in keinen Rechten. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftSpruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060091.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten