TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/7 LVwG-AV-1407/001-2020

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Veröffentlicht am 07.05.2021
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Entscheidungsdatum

07.05.2021

Norm

GewO 1994 §13
GewO 1994 §363 Abs1 Z3
AVG 1991 §68 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch RA B, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich, vom 29. Oktober 2020, ***, betreffend Nichtigerklärung eines Feststellungsbescheides über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Baumeistergewerbes zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrens-
gesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die A GmbH hat mit Schreiben vom 11. Mai 2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen das Baumeistergewerbe im Standort ***, ***, angemeldet. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juni 2020, ***, wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Gewerbes vorliegen und die Bestellung des Herrn C, geb.***, wohnhaft in ***, ***, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für die Ausübung

dieses Gewerbes genehmigt. Unter der Zl. *** wurde schließlich die Gewerbeberechtigung in das Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) eingetragen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 29. Oktober 2020, ***, wurde dieser Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juni 2020, ***, gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 363 Abs. 1 Z. 3 und mit § 13 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 für nichtig erklärt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit Stichtag 2. Juni 2020 D, geb. ***, handelsrechtlicher Geschäftsführer der E GmbH gewesen sei, welche ihrerseits Gesellschafterin mit 50 % der Gesellschaftsanteile der F GmbH gewesen sei. Mit Stichtag 2. Juni 2020 sei D wiederum handelsrechtlicher Geschäftsführer der F GmbH gewesen, welche mit Stichtag 2. Juni 2020 Alleingesellschafterin der Gewerbeinhaberin A GmbH gewesen sei.

D sei unter anderem auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH gewesen. Mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 4. Dezember 2019, ***, sei ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig aufgehoben worden, wobei der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in diesem Insolvenzfall gewährt werde, noch nicht abgelaufen sei. Gegen D sei daher zum Stichtag 2. Juni 2020 ein Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 vorgelegen und liege dieser auch aktuell vor.

Unter Verweis auf die Bestimmungen des § 13 Abs. 3 und Abs. 7 Gewerbeordnung 1994 sowie § 68 Abs. 4 Z. 4 in Verbindung mit § 363 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 wurde ausgeführt, dass ein Bescheid, mit dem aufgrund einer Gewerbeanmeldung festgestellt worden sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes durch die Gewerbeinhaberin vorliegen würden, für nichtig zu erklären sei, wenn eine Person mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gewerbeinhaberin mit einem Gewerbeausschlussgrund belastet sei.

D stehe als handelsrechtlichem Geschäftsführer einer GmbH aufgrund der unternehmensrechtliche Rechtsstellung jedenfalls ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Gesellschaft zu, zumal er nach außen uneingeschränkt vertretungsbefugt und nach innen anordnungsbefugt sei.

Verfüge eine Gesellschaft über die Hälfte der Gesellschaftsanteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, könne die Vollversammlung der Gesellschaft gegen dessen Willen keine Mehrheitsbeschlüsse fassen und könne die Gesellschaft insbesondere keinen handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellen. Eine Person, die zumindest 50 % der Gesellschaftsanteile halte, habe daher ebenso einen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft. Demzufolge habe die F GmbH als 50 %-Gesellschafterin einen maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der E GmbH und Herr D habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der E GmbH dadurch einen maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der F GmbH.

Da die F GmbH ihrerseits Alleingesellschafterin der Gewerbeinhaberin A GmbH sei und ihr daher ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gewerbeinhaberin zustehe, habe Herr D auch einen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gewerbeinhaberin im Sinne des § 13 Abs. 7 Gewerbeordnung 1994.

Herr D sei auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH gewesen, wobei mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 4. Dezember 2019, *** ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig aufgehoben worden sei. Der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in diesem Insolvenzfall gewährt werde, sei noch nicht abgelaufen.

Da gegen Herrn D aufgrund des rechtskräftig aufgehobenen Insolvenzverfahrens der G GmbH ein Gewerbeausschlussgrund vorliege und er über seine Rechtsstellung bei der F GmbH und der E GmbH einen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der A GmbH habe, sei zum Zeitpunkt, in dem der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juli 2020, ***, erlassen worden sei, somit ein Fehler im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG in Verbindung mit § 363 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 vorgelegen, weshalb die Nichtigerklärung dieses Bescheides zu prüfen sei.

Im Zuge der im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG durchzuführenden Interessenabwägung komme die Behörde zum Ergebnis, dass das Interesse der A GmbH, welches sich in der Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf dem Rechtsbestand und auf den Bestand der zum Zweck der Gewerbeausübung getätigten Investitionen, der abgeschlossenen Werkverträge und der Begründung von Arbeitsverhältnissen manifestiere, gegenüber dem öffentlichen Interesse, welches in dem Anspruch der Öffentlichkeit bestehe, dass Gewerbe nur durch Personen ausgeübt würden, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, unterliege. Durch die Rechtsordnung solle gewährleistet werden, dass nur Personen Gewerbe ausüben könnten, die wirtschaftlich zuverlässig seien. Personen, die bereits eine Insolvenz erlitten hätten, stehe zwar weiterhin das Recht auf Gewerbeausübung zu, ausdrücklich ausgenommen seien im § 13 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 jedoch jene Fälle, in denen ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben worden sei, und der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt werde, noch nicht abgelaufen sei. Durch diese gesetzliche Bestimmung sollten auch die Kunden des Baugewerbetreibenden geschützt werden, die möglicherweise den Großteil ihres Vermögens in die Schaffung oder Sanierung ihres Eigenheims investieren und im Fall einer Insolvenz mit Abweisung oder Aufhebung mangels kostendeckenden Vermögens ohne jeglichen durchsetzbaren Anspruch dastünden.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass das Baumeistergewerbe durch die A GmbH jederzeit wieder neu angemeldet werden könne und bei einer Änderung der Struktur der Verantwortlichkeiten das Schlagendwerden des Gewerbeausschlussgrundes verhindert werden könne. Im konkreten Fall sei daher das öffentliche Interesse höher zu werten als das private Interesse der Gewerbeinhaberin, die es selbst in der Hand habe, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Nichtigerklärung zu minimieren oder zu beseitigen.

Dagegen hat die A GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin B, ***, ***, fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Zur Begründung wurden unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtige Anwendung der Verfahrensbestimmungen geltend gemacht.

Dazu wurde ausgeführt, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, Herr D in mehreren Gesellschaften als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätig sei bzw. tätig gewesen sei. Zu seinem beruflichen Tätigkeitsfeld zähle einerseits die Immobilienentwicklung, andererseits die Sanierung von Unternehmen in der Krise. Naturgemäß sei es bei derartigen Unternehmen nicht immer möglich, jedes Unternehmen zu retten und zu sanieren. Daraus ergebe sich notgedrungen, dass über einzelne dieser Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet werde.

Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über die G GmbH sei ausreichend kostendeckendes Vermögen vorhanden gewesen, das Handelsgericht *** habe den Konkursantrag nicht mangels kostendeckenden Vermögens zurückgewiesen. Dass schließlich mit Beschluss vom 4.12.2019 das Handelsgericht *** das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G GmbH mangels Kostendeckung aufgehoben habe, beruhe allein auf der Tatsache, dass die Einnahmen durch die Kosten des Konkursverfahrens aufgebraucht worden seien.

Der handelsrechtliche Geschäftsführer D habe sämtliche ihn als handelsrechtlichen Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen genauestens eingehalten, ihm sei kein Vorwurf zu machen, es sei ihm auch zu keiner Zeit ein Fehlverhalten angelastet worden.

Unter Verweis auf die Bestimmungen des § 13 Abs. 3 und Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 wurde vorgebracht, dass es nicht die Intention des Gesetzgebers sei, eine Person bzw. einen Rechtsträger, welche sich nichts zu schulden kommen habe lassen, von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibender auszuschließen. Der Geschäftsführer habe keinen Einfluss auf die Gebarung des Masseverwalters und müsse nun das Ergebnis der Handlungen des Masseverwalters gegen sich gelten lassen. Handlungen eines Dritten, die letztlich zur Aufhebung eines eröffneten Insolvenzverfahrens führten, dürften nicht dem früheren Geschäftsführer zum Nachteil gereichen, in dem dieser von der Gewerbeausübung ausgeschlossen werde.

Telos der Gesetzesbestimmung sei es, dass Vertragspartner von gewerbetreibenden Unternehmen vor Personen bzw. Rechtsträgern geschützt würden, welche in der Vergangenheit bereits aufgrund rechtswidrigen Verhaltens die absolute Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt hätten. Nicht von § 13 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 sollten jedoch jene Fälle umfasst seien, in denen eine natürliche Person, die einen maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des anderen Rechtsträgers habe, sämtliche Vorschriften eingehalten habe und die Aufhebung des Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht zu verantworten habe.

Die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen anzustellen, welche Handlungen des Geschäftsführers konkret ausschlaggebend für den Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 8.11.2017 zur Zahl *** gewesen seien. Herr D habe auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens keinen maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte gehabt, da diese fortan vom Masseverwalter geführt worden seien. Aus all dem ergebe sich, dass Herr D nicht nur kein Verschulden an der Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens habe, sondern eher vielmehr tatsächlich keinen maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der A GmbH im Sinne des § 13 Abs. 5 Gewerbeordnung gehabt habe.

Zur Interessenabwägung im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG wurde vorgebracht, dass die Behörde die Interessen der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt habe, welche durch den angefochtenen Bescheid einen konkreten wirtschaftlichen Schaden erleide, welcher unwiederbringlich sei, da die Beschwerdeführerin nunmehr gezwungen sei, einen zusätzlichen Geschäftsführer zu marktüblicher Entlohnung anzustellen, um ihre Geschäfte fortführen zu können und die Kundeninteressen zu erfüllen. Damit würden die Interessen der Beschwerdeführerin aber auch die Interessen der Kunden, welche öffentliche Interessen gleichzusetzen bzw. als solche zu verstehen seien, allgemeinen öffentlichen Interessen überwiegen.

Die Landeshauptfrau von Niederösterreich hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt zur Zahl ***, ergänzend wurde Einsicht genommen in das Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** betreffend die F GmbH, in das Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** betreffend die A GmbH, in das Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer *** betreffend die E GmbH sowie in das Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** betreffend die G GmbH. Weiters wurde Einsicht genommen in das Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) zur GISA-Zahl *** betreffend die A GmbH.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:

Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:

Die A GmbH ist im Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer *** eingetragen. Handelsrechtlicher Geschäftsführer ist seit 29.6.2020 D, geb. ***. Alleinige Gesellschafterin ist die F GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer ebenfalls D seit 18.10.2017 ist. Gesellschafter der F GmbH sind jeweils zur Hälfte die H GmbH und die E GmbH, wobei D handelsrechtlicher Geschäftsführer der E GmbH seit 1.6.2007 ist.

D war weiters seit 4.10.2007 handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH, die im Firmenbuch zu Firmenbuchnummer *** eingetragen war. Mit Beschluss des Handelsgerichts *** vom 8. November 2017, ***, wurde der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichts *** vom 4. Dezember 2019, ***, wurde der Konkurs mangels Kostendeckung gemäß § 123a IO aufgehoben und die Firma gemäß § 40 Firmenbuchgesetz infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juni 2020, *** wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes Baumeister durch die A GmbH vorliegen.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf der Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakt bzw. in den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juni 2020, ***, sowie auf dem Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer *** betreffend die A GmbH, weiters auf dem Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer *** betreffend die F GmbH und auf dem Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer *** betreffend die E GmbH. Die Feststellungen betreffend die G GmbH beruhen auf der Einsichtnahme in den Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer ***. Im Übrigen sind diese Feststellungen nicht strittig.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu rechtlich wie folgt erwogen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:

(1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1.

von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2.

einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3.

tatsächlich undurchführbar ist oder

4.

an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.

§ 363 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:

(1) Bescheide, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, die an einem der nachstehend angeführten Fehler leiden, sind mit Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG bedroht, und zwar wenn

1.

dieses Bundesgesetz auf die betreffende Tätigkeit nicht anzuwenden ist;

2.

die Zugehörigkeit einer gewerblichen Tätigkeit zu den reglementierten oder freien Gewerben oder zu einem Teilgewerbe (§ 31) unrichtig beurteilt worden ist;

3.

die Frage des Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §§ 8 bis 14 für die Ausübung von Gewerben durch den Gewerbeinhaber oder für die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer unrichtig oder der Befähigungsnachweis (§§ 18 und 19) zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und in allen diesen Fällen der Mangel noch andauert;

4.

der Bestand oder die Dauer des Rechtes zur Gewerbeausübung unrichtig beurteilt worden ist;

5.

die gesetzlichen Voraussetzungen eines Fortbetriebsrechtes (§§ 41 bis 45) zu Unrecht als gegeben beurteilt worden sind;

6.

zu Unrecht festgestellt oder davon ausgegangen wurde, daß eine Tätigkeit nicht diesem Bundesgesetz unterliegt.

(2) In einem Verfahren betreffend die Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 Z 1 sind die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die nach der Sachlage sonst in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen Parteien und es steht ihnen das Recht der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes und der Revision wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu.

(3) In einem Verfahren betreffend die Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 Z 2 ist die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Partei und es steht ihr das Recht der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes und der Revision wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu.

(4) Die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde kann in Ausübung des Aufsichtsrechtes mit Bescheid die Löschung einer Eintragung in das GISA verfügen, wenn

1. a)

eine natürliche Person oder ein sonstiger Rechtsträger auf Grund einer Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 340 Abs. 1 in das GISA eingetragen wurde oder

b)

eine Maßnahme oder Tätigkeit, die Gegenstand einer Anzeige gemäß § 345 ist, in das GISA eingetragen wurde und

2.

die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 vorliegen.

Bis zum Eintritt der Rechtskraft des Löschungsbescheides darf das Gewerbe ausgeübt werden. Im Löschungsverfahren sind die Abs. 2 und 3 anzuwenden.

§ 13 GewO 1994 lautet auszugsweise:

(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn

1.

das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde und

2.

der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.

Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

(5) Eine natürliche Person ist von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen, wenn ihr ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, bei dem der Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß Abs. 3 eintritt oder eingetreten ist. Trifft auf den Rechtsträger ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist die natürliche Person nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.

(7) Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Trifft auf die natürliche Person ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist der betreffende Rechtsträger nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.

Gemäß § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Gemäß § 363 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 sind Bescheide, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, mit Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG bedroht, wenn die Frage des Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §§ 8 bis 14 für die Ausübung von Gewerben durch den Gewerbeinhaber oder für die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer unrichtig oder der Befähigungsnachweis (§§ 18 und 19) zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und in allen diesen Fällen der Mangel noch andauert.

Die belangte Behörde ist nun davon ausgegangen, dass die Frage des Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 13 Gewerbeordnung 1994 zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und zwar aus folgendem Grund: Herr D war handelsrechtlicher Geschäftsführer der G GmbH, wobei mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 4.12.2019, ***, der Konkurs über diese Firma mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. Damit liegt hinsichtlich der G GmbH der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 vor, hinsichtlich D ist der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994 gegeben, wonach eine natürliche Person von der Ausübung des Gewerbes als Gewerbetreibender ausgeschlossen ist, wenn ihr ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte eines anderen Rechtsträgers als einer natürlichen Person zusteht oder zugestanden ist, bei dem der Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß Abs. 3 eintritt oder eingetreten ist.

Die belangte Behörde kommt in weiterer Folge zum Ergebnis, dass damit der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 7 Gewerbeordnung 1994 hinsichtlich der A GmbH gegeben sei, wonach andere Rechtsträger als natürliche Personen von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen sind, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Da das Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 13 für die Ausübung des Gewerbes durch die Gewerbeinhaberin unrichtig beurteilt worden sei und der Mangel noch andauere, weil zum Zeitpunkt des Bescheides der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in diesen Insolvenzfall gewährt werde, noch nicht abgelaufen sei, sei der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2.6.2020, ***, für nichtig zu erklären.

Dazu ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Juni 2020 D noch nicht handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH gewesen ist, er vertritt erst seit 29. Juni 2020 die Gesellschaft selbständig als handelsrechtlicher Geschäftsführer. D war zum Stichtag 2.6.2020 allerdings handelsrechtlicher Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der A GmbH, der F GmbH. Als solcher hat er zwar maßgeblichen Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft, aber eben der F GmbH, nicht auf die der nunmehrigen Beschwerdeführerin. Dass die Alleingesellschafterin F GmbH als solche maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der nunmehrigen Beschwerdeführerin hat, bewirkt jedoch nicht den Gewerbeausschlussgrund: Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 7 GewO 1994 zieht das Bestehen eines Ausschließungsgrundes iSd § 13 Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 GewO 1994 in der Person des handelsrechtlichen Geschäftsführers der betreffenden GmbH den Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes nach sich. Durch die Formulierung „eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht“, ist klargestellt, dass der Umstand, dass ein Gewerbeausschlussgrund bei einer natürlichen Person, die handelsrechtlicher Geschäftsführer einer anderen GmbH ist, welche Alleingesellschafterin des betreffenden Rechtsträgers ist, nicht von der gesetzlichen Bestimmung umfasst ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die betreffende Person zugleich Alleingesellschafterin einer GmbH ist, welche wiederum Alleingesellschafterin des betreffenden Rechtsträgers ist. Als solcher käme ihr ebenfalls ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zu. Dies ist aber gegenständlich nicht der Fall. Damit ist zum Zeitpunkt des gegenständlich für nichtig erklärten Bescheides der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 7 Gewerbeordnung 1994 betreffend die A GmbH nicht gegeben, sodass der gegenständlich angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Baumeistergewerbe; Feststellungsbescheid; Nichtigerklärung; Ausschlussgrund; gewerberechtliche Voraussetzungen; Geschäftsführer; Insolvenzverfahren;

Anmerkung

VwGH 07.04.2022, Ra 2021/04/0125-5, Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1407.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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