TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/5 95/20/0465

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Veröffentlicht am 05.06.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995, Zl. 4.344.954/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. April 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers - eines iranischen Staatsangehörigen, der am 14. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 19. August 1994 den Asylantrag gestellt hat - gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. August 1994 nicht Folge gegeben und damit das Asyl versagt.

Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei sowohl deshalb kein Asyl gewährt, weil sie nicht Flüchtling gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei, als auch, weil sie der Ansicht war, daß bei der beschwerdeführenden Partei der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 22. August 1994 aus, daß er sich vor seiner Einreise nach Österreich in Griechenland und Italien aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer habe keine Umstände geltend gemacht, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß diese beiden Staaten ihrer mit Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Verpflichtungen, insbesondere dem darin verankerten Refoulement-Verbot, nicht nachkommen würden. Der Beschwerdeführer hätte durch Kontaktaufnahme mit den dortigen Behörden die objektiv gegebene Verfolgungssicherheit in Anspruch nehmen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 94/01/0111) ist Voraussetzung für die Asylgewährung gemäß § 3 Asylgesetz 1991, daß ein Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ausgeschlossen ist. Es müssen demnach im Fall der Asylgewährung kumulativ beide Voraussetzungen vorliegen, was bedeutet, daß dann, wenn schon eine dieser Voraussetzungen (wie aufgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) fehlt, es rechtlich nicht mehr der Klärung bedarf, ob allenfalls die weitere dieser Voraussetzungen (nämlich die Flüchtlingseigenschaft) gegeben wäre. Liegt der genannte Ausschließungsgrund vor, so kommt demnach der Frage der Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers keine Bedeutung mehr zu.

Vorauszuschicken ist, daß bereits das Bundesasylamt in seinem Bescheid vom 29. August 1994 die Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Griechenland und Italien angenommen hatte und der Beschwerdeführer diese Auffassung in seiner Berufung lediglich mit (nicht stichhältigen) Rechtsausführungen und mit der Behauptung von darauf gestützten (sekundären) Verfahrensmängeln bekämpft hat, ohne jedoch die dem Bescheid des Bundesasylamtes zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen zur "Verfolgungssicherheit" zu bekämpfen und ohne darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen der Beschwerdeführer in Griechenland und Italien keine Sicherheit vor Verfolgung erlangt hätte. Insbesondere hat die Berufung keine Mißachtung des Refoulementverbotes in Italien behauptet, womit der Annahme des Bundesasylamtes, aufgrund der Mitgliedschaft Italiens bei der Genfer Flüchtlingskonvention sei "Verfolgungssicherheit" eingetreten, in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegen getreten wurde. Die Annahme, ein Staat werde seine völkerrechtlichen Verpflichtungen beachten, ist zwar widerlegbar; doch ist sie, solange Verletzungen dieser Verpflichtungen nicht behauptet werden, nicht von vornherein als rechtswidrig zu erkennen. Damit bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, in bezug auf die vom Bundesasylamt angenommene Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Italien eine Wiederholung bzw. Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durchzuführen. Der in der vorliegenden Beschwerde dazu erstmals aufgestellten Behauptung, daß Italien dem Refoulementverbot nicht entsprechen würde, steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.

Sämtliche übrigen Argumente der Beschwerde gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in Italien "Verfolgungssicherheit" erlangt, widersprechen der ständigen hg. Judikatur.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers verlangt das Gesetz für die Annahme der Verfolgungssicherheit keinesfalls, daß dem Beschwerdeführer in einem Drittstaat tatsächlich Asyl gewährt wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0026).

Von "Verfolgungssicherheit" kann auch nicht erst dann gesprochen werden, wenn der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde. Vielmehr genügt dafür, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte. Es kommt nur darauf an, daß der Flüchtende seinen "Fluchtweg" schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können, was - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - auch dann der Fall ist, wenn die Verweildauer im Drittland nur kurz bemessen war und dort kein stationärer Aufenthalt genommen wurde (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/01/0030). Zu den in der Beschwerde angesprochenen Gesetzesmaterialien (RV 270 Blg. NR. 18. GP) und zu der darin zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, Zweck dieses Ausschließungsgrundes sei es, unerwünschtes Zweitasyl zu verhindern, und keine nomadisierenden Flüchtlingsströme zu schaffen, die von einem Land zum anderen reisen und dort jeweils Asyl suchen, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357 zu verweisen. In diesem Erkenntnis hat sich der Gerichtshof auch mit dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beschluß Nr. 15 (XXX) des Exekutiv-Kommitees für das Programm des hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen auseinandergesetzt. Demnach läßt sich daraus für den Standpunkt des Beschwerdeführers, Asyl dürfe nicht mit der Begründung verweigert werden, der Antragsteller hätte es in einem Drittland erlangen können, nichts gewinnen.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung kommt es nur darauf an, ob die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich bereits in Italien vor Verfolgung sicher "war" (vgl. u. a. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/1522, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Es ist daher eine Entscheidung über den (erst) in Österreich gestellten Asylantrag nicht davon abhängig, ob der Asylwerber auch nach diesem Zeitpunkt in dem betreffenden Staat vor Verfolgung sicher wäre, welcher Frage lediglich im Zusammenhang mit der bei der Anwendung fremdenpolizeilicher Vorschriften (§ 37 Fremdengesetz) zu beurteilenden Möglichkeit der Abschiebung aus Österreich rechtliche Relevanz zukommen könnte. Bei der Beurteilung der Verfolgungssicherheit ist ein objektiver Maßstab anzulegen, weshalb bloß subjektive Gründe, die die Person veranlaßt haben, in diesem Staat nicht länger zu bleiben und nicht dort einen Asylantrag zu stellen, ohne Bedeutung sind.

Die von einer anderen als der dargelegten Rechtsauffassung ausgehenden Verfahrensrügen sind mangels der erforderlichen rechtlichen Relevanz nicht dazu angetan, ein anderes, für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis herbeizuführen.

Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung mit den die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers betreffenden Beschwerdeausführungen und den in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensmängeln unterbleiben.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200465.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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