TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/5 95/20/0175

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Veröffentlicht am 05.06.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs1 Z1;
AsylG 1991 §19 Abs1;
AVG §19 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995, Zl. 4.344.220/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1995 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 1991 abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß der zweite Asylantrag des Beschwerdeführers vom 28. Februar 1994 vom Bundesasylamt mit dem Bescheid vom 9. März 1994 abgewiesen worden war. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1994 abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher den Bescheid vom 13. Mai 1994 mit Erkenntnis vom 28. November 1994, B 1452/94-9, aufhob (und zwar aus Anlaß der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesstelle, nämlich des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 mit dem Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94). Dadurch wurde das Asylverfahren wieder beim Bundesminister für Inneres im Stand der Berufung anhängig.

Um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz in einer Ergänzung zur Berufung zu relevieren und zu vorgehaltenen Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, sei der Beschwerdeführer mittels Ladungsbescheid vom 23. Jänner 1995 des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, über den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu einer persönlichen Einvernahme für den 13. Februar 1995 geladen worden. Dieser Ladungsbescheid sei dem rechtsfreundlichen Vertreter am 25. Jänner 1995 mittels "RSa-Kuvert" rechtswirksam zugestellt worden.

Gemäß § 19 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 seien Asylanträge unter anderem dann in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber einer Ladung zu einer Vernehmung oder zu einer mündlichen Verhandlung ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen ist.

Aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer der Ladung ohne vorhergehende Entschuldigung keine Folge geleistet habe, sei sein Asylantrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes ein:

"In dem vor dem Verfassungsgerichtshof (zu B 1219/93, B 1698/93, B 397/94) abgeführten Verfahren hat die belangte Behörde bekräftigt, daß mit dem dort angefochtenen Bescheid, welcher dem im gegenständlichen Beschwerdeverfahren inhaltsgleich ist, die Abweisung eines Asylgesuchs; sohin die meritorische Erledigung meines Antrags auf Asylgwährung erfolgt ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner E zu obgenannten Beschwerden zwar ausgesprochen, daß das Gesetz, nämlich § 19 Abs 1 AsylG, in dem Sinn ausgelegt werden kann, daß der Begriff "abzuweisen" im Sinn von "zurückzuweisen" verstanden werden kann.

Der Abspruch über die von mir angestrebte Asylgewährung ist aber wegen des angefochtenen Bescheides endgültig. Nur infolge der Beseitigung des bekämpften Bescheides wäre mir eröffnet, einen neuerlichen Antrag auf Asylgewährung einzubringen, welcher nicht der Zurückweisung wegen Erledigung des Verfahrensgegenstandes (res judicata) verfiele.

Die belangte Behörde verletzt mich daher in meinem Recht gem §§ 1 f AsylG sowie in meinem Recht gem § 19 Abs 1 AsylG, daß bei Versäumung eines Termins zur persönlichen Einvernahme mein Asylantrag nicht ab- sondern zurückzuweisen war."

Wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 1994, B 1219/93, B 1698/93, B 397/94, ausgesprochen, daß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in verfassungskonformer Weise auszulegen sei, in dem das im ersten Halbsatz des § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 gebrauchte Wort "abzuweisen" nicht im technischen Sinn zu verstehen ist, sondern im Sinn von "zurückzuweisen". Das bedeutet, daß im Falle einer solchen Zurückweisung des Asylantrages einem neu eingebrachten Asylantrag nicht entgegengehalten werden könne, es liege res iudicata vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsansicht schon mehrfach angeschlossen (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0402, und vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/20/0007).

Im gegenständlichen Bescheid läßt die belangte Behörde außerdem in keiner Weise erkennen, daß sie § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht im Verständnis des Verfassungsgerichtshofes angewendet hat. Es ist daher in verfassungskonformer Weise auch der angefochtene Bescheid so zu verstehen, daß das Wort "abgewiesen" als "zurückgewiesen" gelesen werden muß.

Dessenungeachtet hätte aber die belangte Behörde von der Bestimmung des § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, wonach Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen sind, wenn der Asylwerber einer Ladung zu einer Vernehmung oder zu einer mündlichen Verhandlung ohne vorhergehende Entschuldigung nicht nachgekommen ist, nicht Gebrauch machen dürfen. Der der gegenständlichen Ladung zugrundeliegende Auftrag der belangten Behörde an das Bundesasylamt hatte den Zweck, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu bieten, in Ergänzung seiner Berufung einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz geltend zu machen. Sollte der Beschwerdeführer eine solche Ergänzung nicht für erforderlich halten, würde der Berufungsbescheid aufgrund der Ermittlungsergebnisse erster Instanz und der Berufung einschließlich allfällig vorliegender Berufungsergänzungen erlassen werden.

Damit stellt die belangte Behörde klar, daß die gegenständliche "Ladung" weder den Zweck der Vernehmung zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes noch den Zweck hatte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Ladung diente nur dem Zweck, dem Beschwerdeführer eine Verfahrensrüge zu ermöglichen. Ein Erscheinen des Beschwerdeführers war daher auch nicht "nötig" im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1994, Zl. 93/02/0215, und vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0294).

Das (wenn auch unentschuldigt gebliebene) Nichterscheinen des Beschwerdeführers zum Termin der "Ladung" konnte daher nicht die im § 19 Abs. 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 normierte Sanktion nach sich ziehen.

Da somit die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200175.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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