TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/5 95/20/0391

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Veröffentlicht am 05.06.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der J in G, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Mai 1995, Zl. 4.323.548/11-III/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, reiste am 15. September 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag den Antrag, ihr Asyl zu gewähren. Anläßlich ihrer am 27. September 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab sie zu ihren Fluchtgründen an, sie sei Christin (römisch-katholisch), die Christen würden im Irak bei jeder sich bietenden Möglichkeit von der Regierungspartei benachteiligt. Die irakische Partei (offenbar gemeint: Regierungspartei) habe in ihrer Schule das meiste zu sagen. Man habe sie dazu bewegen wollen, der Baath-Partei des Saddam Hussein beizutreten. Weil sie sich geweigert habe, dies zu tun, sei sie aus dem Schuldienst entlassen worden und ohne Arbeit dagestanden. Sie hätte auch beim Unterricht den Schülern beibringen müssen, wie gut die Regierungsführung im Irak sei, genau das Gegenteil sei jedoch wahr. Da der irakische Geheimdienst dahintergekommen sei, daß sie nicht getan habe, wie ihr geheißen, sei dies auch ein Entlassungsgrund gewesen. Beim Rückzug der Irakis durch ihre Stadt (Kirkuk) habe sie ihre Wohnung verloren, überdies sei die Stadt mit chemischen Waffen zerstört worden.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. November 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte die Beschwerdeführerin Verfahrensmängel und Begründungsfehler geltend und ergänzte ihr angeblich nur unvollständiges oder ungenau protokolliertes Vorbringen anläßlich ihrer Ersteinvernahme dahingehend, sie sei Katholikin und habe im kurdischen Gebiet von Kirkuk gelebt. Anlaß für ihre Flucht sei es gewesen, daß sie als Mitglied der kurdischen Bewegung auch geholfen habe, gegen das faschistische System von Saddam Hussein zu kämpfen. Sie habe überhaupt keine Menschenrechte und das Regime hätte sie getötet, wenn sie etwas (gemeint: Negatives) über die Regierung gesagt hätte. Im Irak sei sie Lehrerin gewesen und sei von Vertretern der Regierung immer wieder verhört und aufgefordert worden, der "Bassy-Party" beizutreten, was sie jedoch verweigert habe, da sie sich mit dieser Partei keinesfalls habe identifizieren können. Ihre gesamte Familie sei Mitglied der kurdischen Bewegung gewesen und habe ebenfalls gegen Saddams Regime gekämpft. Auf Grund ihrer Weigerung, der "Bassy-Party" beizutreten, habe sie ihre Lehrstelle als Lehrerin verloren. Während der kurdischen Revolution sei die Stadt Kirkuk von der Armee Saddam Husseins bei einem Fliegerangriff mit Phosphor und anderen chemischen Waffen bombardiert worden. Ihr Haus sei zerstört worden und sie wisse nicht, was mit ihrer Familie passiert sei, da sie sie bei der Flucht aus der Stadt Kirkuk, die von Saddams Heer "begraben" worden sei, aus den Augen verloren habe. Sie könne nicht in den Irak zurückkehren, weil sie dort hingerichtet werden würde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1993 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0633, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde.

Infolge der der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde eingeräumten Möglichkeit zur Ergänzung ihrer Berufung im Sinne dieses Erkenntnisses brachte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 13. Februar 1995 eine "Berufungsausführung" ein, und machte darin wiederum Verfahrensverletzungen des Verfahrens erster Instanz, insbesondere durch ungenaue Protokollierung und mangelnde Rückübersetzung ihrer Angaben, Verletzung der §§ 37 und insbesondere 45 Abs. 3 AVG geltend. Sie ergänzte ihr Sachvorbringen dahingehend, schon während der Studienzeit sei sie immer aufs ärgste von seiten der irakischen Behörde bedrängt worden, der herrschenden Baath-Partei beizutreten, dies besonders heftig, weil sie den Lehrerberuf angestrebt habe. Während ihrer Unterrichtstätigkeit sei dies noch verstärkt worden, sodaß sie intensiv etwa zwei bis dreimal pro Woche aufgefordert worden sei, der Baath-Partei beizutreten, und auch vom Geheimdienst in der Schule verhört worden sei. Dies sei in einer solchen Art und Weise geschehen, daß schon jedes Klopfen an der Wohnungstür sie aus Angst habe zusammenfahren lassen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung (samt deren Ergänzung) gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab, indem sie die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneinte. Sie führte im übrigen rechtlich aus, der in der Berufungsergänzung behauptete Vorwurf, sie habe anläßlich ihrer Ersteinvernahme ein leeres Papier unterschreiben müssen, die Protokollierung ihrer Angaben sei erst nachträglich erfolgt, sei unglaubwürdig. Festgestellt worden sei, daß eine derartige Vorgangsweise im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme nicht angewendet werde, sondern alle Angaben eines Asylwerbers unmittelbar zu Papier gebracht würden, und überdies sei aus der dem Akt beiliegenden Niederschrift ersichtlich, daß es sich nicht um leeres Blatt Papier gehandelt haben könne, das sie unterschrieben habe. Im übrigen bildeten weder allgemeine Schwierigkeiten, Benachteiligungen infolge ihrer Religionszugehörigkeit oder diese allein, noch die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse oder wirtschaftliche Gründe Fluchtgründe im Sinne der Genfer Konvention, abgesehen davon, daß der Begriff der Verfolgung einen Eingriff von erheblicher Intensität und Qualität in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen durch den Staat bzw. dessen Organe voraussetze. Das sei dem Fall der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen gewesen. Zum Vorwurf einer Verletzung des § 45 Abs. 3 AVG (Parteiengehör) sei festzuhalten, daß die von der Behörde festgestellte Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin schon vor ihrer Ausreise aus dem Irak so bestanden habe und davon auszugehen gewesen sei, daß der Beschwerdeführerin diese Fakten auch bekannt gewesen seien. Dies erübrige aber die Einholung ihrer Stellungnahme zu diesen, ebenso wie zu den von ihr selbst gemachten Angaben. Zu den von der Beschwerdeführerin behaupteten Zerstörungen führte die belangte Behörde aus, daß diese im Rahmen von bürgerkriegsbedingten Kampfhandlungen erfolgt seien und nicht aus Verfolgungsabsicht gegen die Beschwerdeführerin persönlich aus einem der in der Genfer Konvention genannten Gründe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insofern die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, im Zeitpunkt ihrer niederschriftlichen Befragung sei das Asylgesetz 1991 noch nicht in Geltung gestanden, es sei daher auch ohne Unvollständigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens jedenfalls das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung und der Berufungsergänzung beachtlich gewesen, ist auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 AsylG zu verweisen, wonach die belangte Behörde das Verfahren nach dem AsylG 1991 zu Ende zu führen hatte, da das Verfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. Juni 1992) bereits bei ihr anhängig gewesen ist (Erhebung der Berufung am 11. Dezember 1991). Die belangte Behörde hätte daher eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nur unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 anordnen können. Daß einer der in dieser Gesetzesbestimmung genannten Fälle vorgelegen sei, ergibt sich gerade im Hinblick auf die in den entscheidungsrelevanten Punkten gleichbleibenden Angaben der Beschwerdeführerin auch im Berufungsverfahren nicht.

Die belangte Behörde hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Sachverhalt in seiner Gesamtheit nicht geeignet ist, wohlbegründete Furcht vor individueller Verfolgung durch den Heimatstaat oder dessen Organe aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe glaubhaft zu machen. Auf Grund ihrer Kritik am Regime Saddam Husseins wurde sie nach ihren eigenen Angaben entlassen, wobei diese Angaben keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, daß dies eine massive Bedrohung ihrer Lebensgrundlage zur Folge gehabt hätte (vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0207, und vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0616). Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß weder die Tatsache, daß im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Aufständischen und der Armee Saddam Husseins die Stadt Ziel eines mit chemischen Waffen - völkerrechtswidrig - geführten Angriffes war und dabei auch ihr Haus zerstört wurde, noch der Umstand, daß im Zuge der Wirren ihre Familie unbekannt wohin zerstreut wurde, zur Gewährung von Asyl führen, da es sich bei diesen kriegerischen Auseinandersetzungen um keine gegen die Beschwerdeführerin individuell aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe gerichtete Verfolgung handelt, sondern um Angriffe, die alle Bewohner dieser Region zu erdulden gehabt hatten, welcher politischen Gesinnung, welcher Religion oder ethnischen Abstammung sie auch immer gewesen sein mögen. Entgegen den diesbezüglichen Behauptungen in der Beschwerde ist den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht zu entnehmen, daß mit dem Bombardement der Stadt Kirkuk eine Verfolgung von Regimegegnern aus Konventionsgründen beabsichtigt gewesen sei.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200391.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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