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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des B in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. April 1995, Zl. 4.328.285/7-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft, ist am 2. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 4. Dezember 1991 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner am 6. Dezember 1991 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer - zusammengefaßt - an, er stamme aus der Unruheprovinz Bingöl. In diesem Gebiet komme es ständig zu Kämpfen zwischen der PKK und türkischen Soldaten. Dadurch gerieten die Bewohner seines Heimatdorfes zwischen die Fronten. Einerseits versuche die türkische Regierung, die Dorfbewohner zum Kampf gegen die kurdischen Rebellen zu zwingen, andererseits würden die Dorfbewohner von der PKK aufgefordert, ihren "Kämpfern" Unterschlupf zu gewähren und diese mit Lebensmitteln zu versorgen. Um diesen Schwierigkeiten auszuweichen, habe er sehr oft in Istanbul gearbeitet. Er sei zwar noch nie festgenommen, jedoch des öfteren von Soldaten geschlagen worden. Da sich die Lage der kurdischen Volksgruppe zunehmend verschlechtert habe, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Junge Kurden seien für die Soldaten potentielle PKK-Anhänger und würden daher auch ständig bestraft werden. So seien auch Soldaten manchmal in sein Dorf gekommen, hätten die Dorfbewohner zusammengedrängt und die Männer gezwungen, sich zu entkleiden. Dann seien diese, mit der Aufforderung die Namen der örtlichen PKK-Anhänger bekanntzugeben, vor den Frauen geschlagen worden.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 22. Jänner 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer kein Flüchtling sei.
In der dagegen erhobenen Berufung stützte sich der Beschwerdeführer vor allem darauf, daß im Sommer des Jahres 1991 die jungen Männer seines Dorfes von Gendarmen ausgewählt und aufgefordert worden seien, als Dorfwächter tätig zu werden. Da auch er Dorfwächter hätte werden sollen, sich jedoch einerseits vor der PKK gefürchtet, andererseits nicht gegen die eigenen Landsleute habe kämpfen wollen, sei er bei nächster Gelegenheit nach Istanbul gereist und habe er die Türkei verlassen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt werde.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid damit, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände in seinem Heimatdorf zwischen die Fronten (auf der einen Seite das türkische Militär, auf der anderen die PKK) geraten sei, seine Flüchtlingseigenschaft nicht begründen könne. Eine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung lasse sich aus seinem Vorbringen nicht ableiten. Soweit der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren als wesentliches Motiv für seine Ausreise die Aufforderung zur Übernahme des Amtes eines Dorfwächters ins Treffen führe, sei festzuhalten, daß ein derartiges Anbot einen Vertrauensbeweis darstelle, welches wohl nur Personen unterbreitet werde, die sich unauffällig bzw. regimekonform verhalten haben mußten. Die vom Beschwerdeführer behaupteten bzw. befürchteten Übergriffe durch Angehörige der PKK seien nicht dem türkischen Staat zuzurechnen. Es sei auch anzunehmen, daß der Beschwerdeführer außerhalb seines Heimatdorfes, insbesondere in Istanbul eine inländische Fluchtalternative hätte finden können.
Im übrigen nahm die belangte Behörde an, daß der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und Ungarn im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor Verfolgung sicher gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Das Hauptgewicht legt die vorliegende Beschwerde auf den Versuch darzutun, daß entgegen der Auffassung der belangten Behörde das vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren geltend gemachte Argument seiner Flucht, nämlich die Entziehung vor der ihm aufgetragenen Funktion als Dorfwächter und der damit im Zusammenhang stehenden Furcht vor Übergriffen durch die PKK, asylrechtlich relevant sei. Dazu ist aber der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 dem Berufungsverfahren grundsätzlich nur die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens zugrunde zu legen gehabt hätte. Wenn sie sich im vorliegenden Fall ungeachtet dieser verfahrensrechtlichen Bestimmung auch mit der Relevanz dieses Argumentes auseinandergesetzt hatte, so gereichte dies nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat sich nämlich auch mit seinem Vorbringen in erster Instanz befaßt. Es genügt daher im vorliegenden Fall auf die hg. Vorjudikatur zu verweisen, wonach die befürchteten Konsequenzen aus der Übernahme der Funktion eines Dorfwächters bzw. wegen Entziehung von dieser Funktion nicht die Flüchtlingseigenschaft zu begründen vermögen (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Juni 1994, Zl. 94/20/0097 und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/01/0230 u.a.).
In erster Instanz begründete der Beschwerdeführer seine Flüchtlingseigenschaft vornehmlich mit der schwierigen Situation der Kurden in den Gebieten, wo es zu den militärischen Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Behörden und der PKK komme. Der Beschwerdeführer sei demnach nie festgenommen, jedoch von Soldaten auch geschlagen worden. Dem Vorbringen kann aber nicht entnommen werden, daß die den Beschwerdeführer betreffenden Mißhandlungen von so erheblicher Intensität waren, daß ihm deshalb ein Weiterverbleib in seinem Heimatstaat unerträglich geworden wäre, wobei im vorliegenden Fall vor allem der Bezug zu einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus den dort angeführten Gründen fehlt. Die Ausführungen zur allgemein schwierigen Lage der Kurden im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen der PKK und der türkischen Regierung, die Ursache für die vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisierten Mißhandlungen war, sind nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete, asylrechtlich relevante Verfolgung darzutun.
Damit bedarf es keines weiteren Eingehens mehr auf die im angefochtenen Bescheid überdies herangezogenen Abweisungsgründe des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative und des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200287.X00Im RIS seit
20.11.2000