TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/21 Ro 2019/15/0005

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Veröffentlicht am 21.03.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §46
KommStG 1993 §8 Z2
VwGG §42 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der Abgabenkommission der Stadt Feldkirch in Feldkirch, vertreten durch die TRIAS Wirtschaftstreuhand GmbH in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 126, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 31. Oktober 2018, Zl. LVwG-455-2/2017-R11, betreffend Kommunalsteuer für den Zeitraum 2008 bis Juni 2016 (mitbeteiligte Partei: V GmbH in F, vertreten durch die RTG Dr. Rümmele Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Stadt Feldkirch hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die mitbeteiligte GmbH ist Rechtsträgerin mehrerer öffentlicher Landeskrankenanstalten. Sie betreibt die Krankenanstalten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Im Gesellschaftsvertrag ist festgelegt, dass die Mitbeteiligte keine Erwerbszwecke verfolgt, sondern ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.

2        Am Standort des Landeskrankenhauses A betreibt die Mitbeteiligte eine Kinderbetreuungseinrichtung. Diese ist organisatorisch dem Landeskrankenhaus eingegliedert. Die Kinderbetreuungseinrichtung steht nur Kindern von Bediensteten der Krankenanstalten zur Verfügung. Für die Inanspruchnahme dieser Einrichtung muss Entgelt bezahlt werden. In der Einrichtung sind im Durchschnitt fünf bis sechs Pädagoginnen beschäftigt.

3        Für die mit der Kinderbetreuungseinrichtung zusammenhängenden Lohnzahlungen hat der Bürgermeister der Stadt A der Mitbeteiligten Kommunalsteuer für den Zeitraum 2008 bis Juni 2016 vorgeschrieben.

4        In der Berufung gegen die Steuervorschreibung wurde vorgebracht, es lägen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Kommunalsteuer gemäß § 8 Z 2 KommStG vor.

5        Die Abgabenkommission der Stadt A hat die Berufung als unbegründet abgewiesen.

6        Dagegen brachte die Mitbeteiligte Beschwerde ein und beantragte, die Kommunalsteuer mit Null festzusetzen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei einem Krankenhausbetrieb handle es sich um einen personalintensiven Dienstleistungsbetrieb. Im gegenständlichen Krankenhaus seien ca. 1.900 Mitarbeiter beschäftigt, von denen rund 70 % weiblich seien. Der Krankenausbetrieb sei auf die Beschäftigten angewiesen. Zur Sicherstellung und Gewährleistung einer durchgängigen Krankenversorgung werde daher eine Kinderbetreuung geboten. Mit der Kinderbetreuung, die vor einigen Jahren vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels weiter ausgebaut worden sei, solle ausreichend geeignetes Personal angesprochen und gebunden bzw. nach der Karenz eine möglichst rasche Rückkehr begünstigt werden. Die Kinderbetreuung bekomme einen immer wichtigeren Stellenwert für den Krankenhausbetrieb und werde auf Grund der erforderlichen flexiblen Arbeitszeiten auch explizit als Vorteil im Zuge der Personalausschreibung angeführt und beworben. Die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtung orientierten sich an den Betriebsöffnungszeiten des Krankenhauses, weshalb erweiterte tägliche Öffnungszeiten (6:30 bis 17:30 Uhr) bestünden und die Kinderbetreuung zwölf Monate und somit das gesamte Jahr zur Verfügung stehe. Ein Wegfall dieser flexiblen Kinderbetreuung würde zu einem nicht unwesentlichen Mitarbeiterverlust bzw. einer Mitarbeiterunzufriedenheit führen und den Krankenhausbetrieb beeinträchtigen. Die Kinderbetreuungseinrichtung sei dem Krankenhaus sowohl organisatorisch als auch inhaltlich als Abteilung zuzurechnen. Die gegenständliche Kinderbetreuung sei als Teil des Krankenhausbetriebs eine gemeinnützige und unmittelbare Tätigkeit, die nach § 8 Z 2 KommStG von der Kommunalsteuer befreit sei.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge, indem es die Kommunalsteuer mit null Euro festsetzte.

8        In der Begründung wird festgestellt, die in Rede stehende Kinderbetreuungseinrichtung werde für den Betrieb des Krankenhauses benötigt; ohne sie wäre der Betrieb gefährdet, weil nicht ausreichend Mitarbeiter rekrutiert werden könnten. Diese Sachverhaltsfeststellung treffe das Verwaltungsgericht aufgrund des Vorbringens der Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung, wonach 70 % der Mitarbeiter des Krankenhauses weiblich seien, in den Kindergärten der Stadt A nur Kinder aus A aufgenommen würden (also nicht die Kinder der von auswärts kommenden Mitarbeiter des Krankenhauses) und ohne die Kinderbetreuungseinrichtung ein „massives Problem“ bei der Rekrutierung des Personals bestünde. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht habe dem diesbezüglichen Vorbringen der Mitbeteiligten im Verfahren nicht widersprochen.

9        In rechtlicher Hinsicht gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung unmittelbar der Krankenfürsorge und damit einem gemeinnützigen Zweck iSd § 8 Z 2 KommStG diene. Durch die Kinderbetreuungseinrichtung werde jenen Bediensteten, die auf eine Kinderbetreuung in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses angewiesen seien, die Arbeit im Krankenhaus überhaupt erst ermöglicht. Den anderen Bediensteten - also jenen, die notfalls die Kinderbetreuung anders organisieren könnten - bringe sie zumindest eine wesentliche Erleichterung. Zudem steigere die Kinderbetreuungseinrichtung die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter mit Sorgepflichten für Kinder.

10       Es sei zwar richtig, dass die Kindergartenpädagoginnen nicht selbst Dienstleistungen der Krankenfürsorge erbrächten. Dies gelte aber etwa auch für die Bediensteten in einer Krankenhausküche. Dennoch unterliege die Tätigkeit der Küchenbediensteten, soweit sie Speisen für den internen Krankenhausbetrieb herstellten, nicht der Kommunalsteuerpflicht (Hinweis auf VwGH 19.10.2006, 2005/14/0132).

11       Der Gegenstand des Unternehmens der mitbeteiligten Partei sei die Führung von öffentlichen Krankenanstalten einschließlich der diesen angeschlossenen Betriebe mit dem Ziel, unter Bedachtnahme auf eine zeitgemäße medizinische Versorgung der Bevölkerung einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Krankenanstalten sicherzustellen (Hinweis auf Punkt II des Gesellschaftsvertrages). Die Kinderbetreuungseinrichtung diene diesem Ziel. Sie solle sicherstellen, dass ausreichend Personal für die Krankenanstalt angeworben werden könne. Die Kinderbetreuungseinrichtung sei sohin von der Kommunalsteuer befreit.

12       Eine Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Kinderbetreuungseinrichtungen, die vom Rechtsträger einer Krankenanstalt ausschließlich für Krankenhausbedienstete betrieben würden, von § 8 Z 2 KommStG erfasst und daher von der Kommunalsteuer befreit seien.

13       Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Abgabenkommission der Stadt A. Die gegenständliche Kinderbetreuungseinrichtung sei als solche nicht gemeinnützig, weil es an einer Förderung der Allgemeinheit iSd § 36 BAO fehle, da die Einrichtung nur Kindern der Bediensteten des Krankenhauses zur Verfügung stehe. Die Einrichtung diene auch nicht dem gemeinnützigen Zweck der Krankenfürsorge. Hierzu fehle es an der Unmittelbarkeit iSd § 40 BAO. Die Kinderbetreuung sei nicht im satzungsmäßigen Zweck der Mitbeteiligten enthalten. Satzungsmäßiger Zweck sei nämlich die Führung einer Krankenanstalt und nicht die Führung einer Kinderbetreuungseinrichtung. Ein Krankenhaus könne auch ohne eine solche Einrichtung geführt werden. Dazu komme, dass im Umfeld des gegenständlichen Krankenhauses mehrere kommunale wie auch private Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stünden, die von den Bediensteten des Krankenhauses genutzt werden könnten.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

15       § 8 Kommunalsteuergesetz 1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 lautet:

„§ 8. Von der Kommunalsteuer sind befreit:

1.Das Unternehmen ÖBB-Gesellschaften (§ 3 Abs. 4) und die Österreichischen Bundesbahnen mit 66 % der Bemessungsgrundlage;

2.Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 der Bundesabgabenordnung). § 5 Abs. 3 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.“

16       Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Sachverhaltsfeststellung zugrunde, dass die Kinderbetreuungseinrichtung für den Betrieb des Krankenhauses notwendig sei, weil ohne die Kinderbetreuung ein gravierendes Problem in Bezug auf die ausreichende Personalausstattung des Krankenhauses bestünde. Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, ein Krankenhaus könne auch ohne eine solche Einrichtung geführt werden, vermag die Revision keine Bedenken an dieser Sachverhaltsfeststellung zu wecken.

17       Das Revisionsvorbringen, im Umfeld des gegenständlichen Krankenhauses stünden mehrere kommunale wie auch private Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung, geht nicht auf die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ein, wonach diese Einrichtungen nur Personen mit Wohnsitz in dem Ort, an dem sich das Krankenhaus befinde, zur Verfügung stünden. Vor allem geht die Revision aber nicht darauf ein, dass die Kinderbetreuungseinrichtung der Mitbeteiligten Öffnungszeiten aufweise, die an die Erfordernisse des Krankenhauspersonals angepasst seien, und sie ganzjährig betrieben werde.

18       Die Revision enthält auch kein Vorbringen, ob die von ihr angesprochenen anderen Kindergärten die den Bedürfnissen des Krankenhauspersonals entsprechende Flexibilität in Bezug auf die Bring-, Bleibe- und Abholzeiten aufwiesen bzw. ob die Kapazitäten für die kurzfristige Aufnahme einer größeren Anzahl neuer Kinder bestünden.

19       Bei der rechtlichen Beurteilung hat das Verwaltungsgericht die Kinderbetreuungseinrichtung nicht als solche, also für sich allein als gemeinnützig iSd § 8 Z 2 KommStG beurteilt. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Kinderbetreuungseinrichtung im gegenständlichen Fall ein Bestandteil des Krankenhausbetriebes sei und in diesem aufgehe.

20       Es geht sohin im Revisionsfall nicht darum, dass die gegenständliche Kinderbetreuungseinrichtung als solche (für sich allein betrachtet) gemeinnützigen Zwecken dient; der Umstand, dass die Kinderbetreuungseinrichtung nicht als satzungsmäßiger Zweck der Mitbeteiligten verankert ist oder dass er nicht von der Allgemeinheit genutzt werden kann, steht daher der Kommunalsteuerbefreiung nach § 8 Z 2 KommStG nicht entgegen.

21       Der Krankenhausbetrieb dient unzweifelhaft unmittelbar gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Krankenfürsorge und erfüllt die Voraussetzungen der Kommunalsteuerbefreiung nach § 8 Z 2 KommStG (vgl. auch § 46 zweiter Satz BAO).

22       Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2006, 2005/14/0132, betraf eine Körperschaft, die eine als gemeinnützig anerkannte Krankenanstalt betrieb; sie beschäftigte in der Küche des Krankenhauses 31 Personen. Aus Auslastungsgründen stellte sie Speisen nicht nur für den internen Krankenhausbetrieb her, sondern auch für externe Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, „Essen auf Rädern“, private Unternehmen). Die Fremdverköstigung machte ca. 10 bis 15 % der Gesamtverköstigung aus. Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung wurde jener Teil der Arbeitslöhne des Küchenpersonals, der verhältnismäßig auf die Versorgung „Externer“ mit Essen, also auf die „Fremdverköstigung“ entfiel, als der Kommunalsteuer unterliegend beurteilt; nur für den anderen Teil wurde die Steuerbefreiung nach § 8 Z 2 KommStG zur Anwendung gebracht. Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. Dem Erkenntnis liegt die Auffassung zugrunde, dass das Küchenpersonal im Ausmaß der Verpflegung für das Krankenhaus dem als gemeinnützig zu beurteilenden Bereich zuzuordnen ist.

23       Aufgrund ähnlicher Erwägungen hat das Verwaltungsgericht die Arbeitslöhne der in der Kinderbetreuungseinrichtung beschäftigten Personen dem als gemeinnützig iSd § 8 Z 2 KommStG zu beurteilenden Bereich zugeordnet. Dies ist im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellung, dass die Kinderbetreuungseinrichtung nur Kindern von Bediensteten der Krankenanstalten zur Verfügung steht und sich als für den Betrieb des Krankenhauses erforderlich erweist, nicht als rechtswidrig zu beurteilen.

24       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

25       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019150005.J00

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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