TE Lvwg Erkenntnis 2022/4/4 LVwG-2021/22/1350-14

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Veröffentlicht am 04.04.2022
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Entscheidungsdatum

04.04.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der Frau AA, geb. XX.XX.XXXX, v.d. Herrn BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 8.3.2021, *** wegen Feststellung des Nichtvorliegens der individuellen Befähigung und Nichtzurkenntnisnahme der Gewerbeanmeldung für das Gewerbe „Fußpflege“

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 19 GewO 1994 fest, dass für die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die individuelle Befähigung zur Ausübung des reglementierten Gewerbes „Fußpflege gemäß § 94 Z 23 GewO 1994“ nicht vorliegen.

Dem behördlichen Akt kann entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin seitens der Behörde darauf hingewiesen wurde, dass anstelle der notwendigen Befähigungsprüfung auch eine sog. „Arbeitsprobe“ in Frage käme. Sollte diese positiv ausfallen, könne das Gewerbe ohne Probleme bewilligt werden. Die Arbeitsprobe bestehe aus einem praktischen und theoretischen Teil (Aktenvermerk vom 25.1.2021, E-Mails vom 20 bzw. 28.1.2021).

Das Kammergutachten der CC, vom 11.2.2021, brachte eine negative Beurteilung (siehe im Detail behördlicher Akt ON 155 bis 159).

Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde begründend aus wie folgt:

„Kommt keiner der in einer Verordnung gemäß § 18 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 vorgezeichneten Wege in Betracht, so kann die Befähigung auch dadurch nachgewiesen werden, dass der Bewerber durch entsprechende Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachweist (individueller Befähigungsnachweis). Grundsätzlich kann ein Antrag auf Feststellung der individuellen Befähigung auch ohne Anmeldung eines Gewerbes eingebracht werden.

Beim "individuellen Befähigungsnachweis" im Sinn des § 19 Gewerbeordnung 1994 wird der gemäß § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher am Maßstab der den Befähigungsnachweis im Sinn des § 18 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen. Auf Grund sonstiger Nachweise kann die erforderliche Befähigung somit nur insofern belegt werden, als die von der Antragstellerin absolvierte Ausbildung (Bildungsgang, bisherige Tätigkeit) das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht wie jene in den erwähnten Vorschriften, (vgl. etwa das VwGH, 18.05.2005, 2004/04/0188, sowie VwGH, 06.04.2005, 2004/04/0047)

Vom Vorliegen der individuellen Befähigung im Sinne des § 19 Gewerbeordnung 1994 kann nur dann gesprochen werden, wenn auf Grund der vom Antragsteller beigebrachten Unterlagen bzw. auf Grund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden (vgl. etwa das VwGH, 09.10.2002, 2001/04/0108, und VwGH, 24. August 1995, 95/04/0017).

Die individuelle Befähigung stellt keine „einfachere“, sondern nur eine andere Möglichkeit dar, den Befähigungsnachweis zu erbringen.

Die Antragstellerin hat einen Bescheid des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über die Gleichhaltung gemäß § 27a Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz sowie diverse Dienstzeugnisse aus der Ukraine samt Übersetzung vorgelegt. Allerdings konnte die absolvierte Befähigungsprüfung nicht vorgelegt werden. Ebenso konnten keine unternehmerischen Kenntnisse auf dem Niveau der Unternehmerprüfung nachgewiesen werden.

Aus den dargelegten Unterlagen und durch das Fehlen der erforderlichen fachlichen Kenntnisse ist nicht davon auszugehen, dass jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, welche für eine ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes Fußpflege erforderlich sind, vorliegen.

Daher kann seitens der erkennenden Behörde nicht von einer Qualifikation ausgegangen werden wie sie in der Befähigungsnachweisverordnung, wenn auch in einer anderen Art, gefordert wird. Damit liegt auch keinesfalls die formelle Befähigung vor.

Es war somit festzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des beantragten Gewerbes „Fußpflege“ im Sinne des § 19 GewO 1994 für die Feststellung der individuellen Befähigung nicht gegeben sind und war daher wie im Spruch unter Punkt I. zu entscheiden.

Auf Grund des Fehlens des Befähigungsnachweises für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Gewerbes nicht vor und war daher wie im Spruch unter Punkt II. zu entscheiden.“

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zusammenfassend ausgeführt, die Voraussetzungen für eine individuelle Befähigung lägen vor.

Im Zuge des aufwändigen Ermittlungsverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wurde schlussendlich seitens der bestellten nichtamtlichen Sachverständigen eine Zugangsvoraussetzungsprüfung (ZVP – vormals „Arbeitsprobe“) durchgeführt (an Ort und Stelle am 25.2.2022) und darauf aufbauend ein mit 7.3.2022 datiertes Gutachten erstellt. Der verbale Teil dieses Gutachtens lautet wie folgt (dem Gutachten sind zahlreiche Fotos samt Beschreibung angeschlossen):

„Gutachten zur Befähigungsprüfung Fußpflege auf Nachsicht

Stattgefunden am 25. Februar 2022 in Z

Name: Frau AA, geb. am XX.XX.XXXX

Befund: negativ

Aufgrund der Arbeitsprobe und informativen Befragung kommt die Sachverständige, Frau DD, zu der Überzeugung, dass die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht vorliegen.

Fußbeurteilung

Leider war die Fuß- und Hautbeurteilung sehr lückenhaft. Frau AA hatte beim ersten Modell die Fußstellung nicht richtig beurteilt.

Die Beurteilung der Beschaffenheit der Nägel fehlte. Frau AA wusste nicht was Ödeme sind. Venen und Besenreiser konnte mir Frau AA nicht erklären.

Das Erstgespräch mit dem Modell wurde nicht vollständig durchgeführt.

Behandlungsvorschlag: Frau AA konnte mir überhaupt keine Wirkstoffe nennen

Die Beratung für das Modell war unvollständig.

Mir war durchaus bewusst, dass die sprachlichen Barrieren und die momentane politische Situation im Heimatland von AA sehr schwierig sind.

Deshalb habe ich die Zeitvorgabe von 20 Minuten für die Fußbeurteilung nicht berücksichtigt und Frau AA mehr Zeit dafür gegeben.

Um die mündliche Prüfung für Frau AA zu vereinfachen wurden ihr theoretischen Fragen während Behandlung am Modell gestellt.

Fragen zur Anatomie, Dermatologie, Histologie und Hygiene konnte Frau AA nicht ausreichend beantworten.

Frau AA konnte mir die verschiedenen Fußstellungen nicht erklären. Auch die Ursachen und Auswirkungen der einzelnen Fehlstellungen konnte Frau AA nicht erklären.

Auf die Frage des Unterschiedes von desinfizieren und sterilisieren antwortete Frau AA: Es ist dasselbe (siehe Bewertungsblätter). Auch einen Hallux konnte Frau AA nicht erklären.

Die notwendigen Kenntnisse über die verschiedenen Fußstellungen und deren Auswirkungen waren nicht vorhanden.

Um Frau AA zu unterstützen habe ich ihr während der der gesamten Prüfung sehr viel Hilfestellung gegeben.

Da wichtige Punkte wie eingewachsener Nagel, Hühnerauge, starke Druckstellen und Mykose- bzw. Holznagel nicht vorhanden waren, konnte ich keine Beurteilung dieser Punkte vornehmen.

Pediküre

Eingewachsener Nagel – Beurteilung nicht möglich da das Modell keinen eingewachsenen Nagel hatte.

Ich habe ihr die Möglichkeit gegeben sich um ein anderes (geeignetes Modell) zu kümmern.

Das 2. Modell hatte ebenfalls keinen eingewachsenen Nagel. Meiner Einschätzung nach wusste Frau AA gar nicht was ein eingewachsener Nagel ist.

Vorgabe Hühnerauge: ebenfalls nicht erfüllt – keines der Modelle hatte ein Hühnerauge (auch diese Vorgabe wird in der Ausschreibung ausdrücklich gefordert).

Ein Modell hatte eine starke Druckstelle, die von Frau AA aber nicht fachgerecht entfernt wurde (siehe Foto).

Eine kleine Druckstelle zwischen den Zehen wurden von Frau AA übersehen und nicht entfernt.

Eine Aufgabenstellung laut Ausschreibung war ein Mykose- oder Holznagel. Das Modell hatte zwar Unterhornungen, es war aber kein Pilz- oder Holznagel. Dies wurde vom Modell im Vorfeld von einem Hautarzt abgeklärt. Lt. Arztbericht handelt es sich nicht um einen Mykose Nagel. Der Nagel wurde von Frau AA falsch behandelt viel zu kurz geschnitten (siehe Foto). Auch der zweite große Nagel wurde nicht fachgerecht behandelt.

Bei der kompletten Fußpflege wurden die Nägel schlampig geschnitten und geschliffen (siehe Foto).

Beim Nagelfalz und den Nagelecken wurde nicht sauber und fachgerecht gearbeitet. Teilweise wurden Nagelecken nicht korrekt abgerundet und der Nagelfalz wurde nicht sauber ausgeputzt.

Maniküre

Frau AA musste bei einer Hand eine Maniküre durchführen. Frau AA fragte mich wie sie arbeiten soll, mit Fingerbad oder ohne.

Ich antwortete ihr, dass sie so arbeiten soll wie sie es für richtig hält und wie sie es normalerweise in der Praxis ausführt.

Die Form der Nägel war nicht gleichmäßig, die Nagelhaut wurde nur im trockenen Zustand geschnitten. Bei der Maniküre wurde durchgehend nicht fachgerecht gearbeitet.

Auf meine Frage warum Frau AA die gesamte Maniküre in trockenen Zustand durchgeführt hat antwortete sie mir: Damit es schneller geht. Ich habe Frau AA darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Prüfung handelt und ich ihre Arbeitsweise überhaupt nicht verstehen kann.

Das Endergebnis der Maniküre war leider überhaupt nicht zufriedenstellend (siehe Foto).

Die üblichen Hygienevorschriften bei der Maniküre wurden nicht eingehalten (siehe Foto).“

II.      Sachverhalt:

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag vom 23.12.2020 hat die Beschwerdeführerin das Gewerbe “Fußpflege“ angemeldet. Diesem Ansuchen wurden folgende Beweismittel angeschlossen:

?    Gleichhaltungsbescheid betreffend die österreichische Lehrabschlussprüfung (ON4f)

?    Meldebestätigung

?    Strafregisterauszug und diverse weitere Unterlagen (ON 6 bis ON 26).

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Z vom 4.1.2021 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, folgende Unteralgen nachzureichen: Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung und Dienstzeugnis über die fachliche Tätigkeit. Daraufhin wurde diverse Dienstzeugnisse (On 35 bis ON 45) sowie eine Teilnahmebestätigung zur Vorbereitung auf die Befähigungsprüfung Fußpflege – Intensivtraining (Stundenanzahl 40, Dauer: 14.9. bis 18.9.2020) vom 18.9.2020 (ON 47) sowie weitere Lehrgangsbestätigungen (ON 53 bis 115) vorgelegt. Mit der Übermittlung der oben genannten Unterlagen ging der – dahingehend zu wertende - Antrag auf Feststellung der individuellen Eignung vom 12.1.2021 einher.

Die Beschwerdeführerin verfügt nicht über die für die Ausübung des beantragten Gewerbes „Fußpflege“ erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt. Weiters nahm der Gefertigte für ca 1 Stunde an der Arbeitsprobe am 25.2.2022 an Ort und Stelle teil (siehe den Aktenvermerk vom 25.2.2022). Überdies wurde Einsicht genommen in das oben wiedergegebene Gutachten der nichtamtlichen Sachverständigen vom 7.3.2022.

Die Feststellung, die Beschwerdeführerin verfüge nicht über die für das gegenständliche Gewerbe erforderlichen Kenntnisse, beruht in erster Linie auf den Aussagen der beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 7.3.2022. Ihr Gutachten bestätigt die bereits im behördlichen Verfahren getroffenen Feststellungen und die Aussagen der dort beigezogenen Sachverständigen.

Das Gericht verkennt nicht, dass sich die Beschwerdeführerin bei der Arbeitsprobe am 25.2.2022 in einer psychisch schwer belastende Situation („Ukrainekrieg“) befunden hat. Wie der Gefertigte selbst feststellen konnte, versuchte die Sachverständige, ihre theoretischen Fragen in die praktische Prüfung einzubetten und wiederholte bei Fragestellungen der Probandin in gut verständlicher Art und Weise ihre Fragen. Sie war sichtlich bemüht, eine stressfreie Umgebung für die Arbeitsprobe zu schaffen.

Inhaltlich ist auf das oben wiedergegebene Gutachten samt Anlagen zu verweisen. Die Sachverständige legt schlüssig und gut nachvollziehbar dar, dass bei der Beschwerdeführerin die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht vorliegen. Es besteht seitens des Landesverwaltungsgerichtes keine Veranlassung, an den Ausführungen der nichtamtlichen Sachverständigen zu zweifeln.

Für das Landesverwaltungsgericht ergaben sich somit keine Unstimmigkeiten aus dem von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt. Der von der belangten Behörde angenommene und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt steht demnach als erwiesen fest.

IV.      Rechtslage:

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194 idF BGBl I 2020/65, lauten auszugsweise wie folgt:

„Befähigungsnachweis

Allgemeine Bestimmungen

§ 16.

(1) Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben ist ferner der Nachweis der Befähigung. Kann der Einschreiter diesen Nachweis nicht erbringen, so hat er einen Geschäftsführer (§ 39) zu bestellen. Dies gilt nicht für das Gewerbe der Rauchfangkehrer (§ 94 Z 55). § 9 Abs. 2 gilt in diesen Fällen mit der Maßgabe, dass die Bestellung des neues Geschäftsführers binnen einem Monat zu erfolgen hat.

(2) Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, daß der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

(…)

„Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe

§ 18.

(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, hinsichtlich der im § 94 Z 14, 32, 33, 41 und 46 genannten Gewerbe und hinsichtlich des im § 94 Z 42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Dabei hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu berücksichtigen, dass bei reglementierten Gewerben, bei denen der Qualifikation auf Grund der Richtlinie 92/51/EWG über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG oder der Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome Diplomniveau zukommt, dieses Diplomniveau gewahrt bleibt.

(2) Als Belege im Sinne des Abs. 1 kommen in Betracht

1.

Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung bei den im § 94 als Handwerke bezeichneten reglementierten Gewerben oder über eine sonstige Befähigungsprüfung;

2.

Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung;

3.

Zeugnis über den Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität;

4.

Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Fachhochschul-Studienganges;

5.

Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schule;

6.

Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Lehrganges;

7.

Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung;

8.

Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit;

9.

Zeugnis über eine Tätigkeit in leitender Stellung;

10.

Zeugnis über eine Tätigkeit als Betriebsleiter;

11.

Nachweise über eine Tätigkeit als Selbstständiger.

(3) Unter fachlicher Tätigkeit (Abs. 2 Z 8) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbstständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind. Unter Tätigkeit in leitender Stellung (Abs. 2 Z 9) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die überwiegend mit fachspezifischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens verbunden ist. Unter Tätigkeit als Betriebsleiter (Abs. 2 Z 10) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die in einer der folgenden Funktionen ausgeübt wurde

1.

als Leiter des Unternehmens oder einer Zweigniederlassung oder

2.

als Stellvertreter des Unternehmers oder des Leiters des Unternehmens, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers oder Leiters entspricht oder

3.

in leitender Stellung je nach der Eigenart des betreffenden Gewerbes mit kaufmännischen oder mit kaufmännischen und technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens.

(…)

„Individueller Befähigungsnachweis

§ 19.

Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373d Abs. 5 ist sinngemäß anzuwenden.“

Die maßgebliche Bestimmung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangs-voraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Fußpflege (Fußpflege-Verordnung), BGBl II 2003/48, lautet wie folgt:

„Zugangsvoraussetzungen

§ 1.

Die fachliche Qualifikation zum Gewerbe der Fußpflege (§ 94 Z 23 GewO 1994) wird erbracht

durch Belege über

1. den erfolgreichen Abschluss der Studienrichtung Medizin/Humanmedizin/Zahnmedizin und die Unternehmerprüfung, soweit diese nicht auf Grund einer Verordnung gemäß § 23 Abs. 3 GewO 1994 entfällt, und eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit oder

2. die erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fußpfleger oder die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege und eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung oder

3. eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung oder

4. den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 1 festgesetzten Lehrganges über die Grundausbildung der Fußpfleger und eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit und den erfolgreichen Besuch des in der Anlage 2 festgesetzten Lehrganges über die weiterführende Fachausbildung der Fußpfleger, mit dem nicht vor Ablauf von einem Jahr der fachlichen Tätigkeit begonnen wurde, und die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung.

(…)

V.       Erwägungen:

Die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben setzt gemäß § 16 Abs 1 GewO 1994 den Nachweis der Befähigung voraus. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung ist unter Befähigungsnachweis der Nachweis zu verstehen, dass der Einschreiter die fachlichen, einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat gemäß § 18 Abs 1 GewO 1994 für jedes reglementierte Gewerbe, hierzu zählt gemäß § 94 Z 23 leg cit auch das Gewerbe „Fußpflege“, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hierfür erforderlichen fachlichen Befähigungen jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.

Auf Grundlage des § 18 Abs 1 der GewO 1994 wurde die Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Fußpflege (Fußpflege-Verordnung), BGBl II 2003/48, erlassen. Die Fußpflege-Verordnung führt in deren Zugangsvoraussetzungen die Belege an, bei jenen die fachliche Qualifikation zum Antritt des Gewerbes der Fußpflege (§ 94 Z 23 GewO 1994), als erbracht bzw erfüllt anzusehen sind. Hervorzuheben ist dabei und für den gegenständlichen Fall relevant die Ablegung der Befähigungsprüfung.

Kann der nach § 18 Abs 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Gewerbebehörde gemäß § 19 Satz 1 iVm § 333 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Gemäß § 19 Satz 2 GewO 1994 hat die Behörde das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.

Beim "individuellen Befähigungsnachweis" iSd § 19 GewO 1994 wird der gemäß § 18 Abs 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher am Maßstab der den Befähigungsnachweis iSd § 18 Abs 1 GewO 1994 festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen. Auf Grund sonstiger Nachweise kann die erforderliche Befähigung somit nur insofern belegt werden, als die vom Antragsteller absolvierte Ausbildung (Bildungsgang, bisherige Tätigkeit) das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht wie jene in den erwähnten Vorschriften (vgl VwGH 20.05.2015, Ro 2014/04/0032; 24.06.2015, 2013/04/0041).

Demnach bildet für die Feststellung der individuellen Befähigung die Fußpflege-Verordnung den Maßstab, ob die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen durch die vom Antragsteller beigelegten Beweismittel belegt werden (vgl VwGH 30.04.2008, GZ 2007/04/0140).

Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckmäßig ist (§ 46 AVG 1991). Diese Bestimmung spricht den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel aus (vgl VwGH 11.06.1951, Slg 2142 A). Im Sinne dieses Grundsatzes gilt alles als Beweismittel, was nach logischen Grundsätzen Beweis zu liefern, das heißt die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist (VwGH 14.05.1985, 84/04/0112).

Die Beschwerdeführerin konnte zahlreiche Ausbildungs- und Praxiszeiten nachweisen (siehe oben). Insbesondere wurde auch die Lehrabschlussprüfung (Gleichhaltungsbescheid) akzeptiert. Allein die notwendige Befähigungsprüfung (einen „Vorbereitungskurs“ hat sie vom 14.9. bis 18.9.2020 absolviert) konnte sie nicht nachweisen. Vor diesem Hintergrund ist es als im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzusehen, wenn hier die Absolvierung einer “Arbeitsprobe“ (nunmehr als Zugangsvoraussetzungsprüfung - ZVP bezeichnet) als gleichwertiger Ersatz für die Befähigungsprüfung angesehen wird (vgl. die Nachweise bei Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, Kommentar zur Gewerbeordnung 19944 (2020) § 19 Rz 12ff). Wie oben bereits ausgeführt, führte diese Arbeitsprobe jedoch zu einem negativen Ergebnis.

Zusammenfassend kommt das Landesverwaltungsgericht Tirol bei umfassender Gesamtbetrachtung sowie unter Heranziehung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Ansicht, dass die Beschwerdeführerin durch die beigebrachten Beweismittel die für das reglementierte Gewerbe „Fußpflege gemäß § 94 Z 23 GewO 1994“, erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in dem Ausmaß und auf dem Niveau, wie in den gesetzlichen Vorschriften verlangt – und somit die individuelle Befähigung – nicht nachzuweisen vermochte.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Franz Triendl

(Richter)

Schlagworte

individueller Befähigungsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.22.1350.14

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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